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  • 4 Sterne

    9 von 9 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Elke S., 21.04.2018

    4,5 Sterne für ein Stück Heimat, das nicht vergessen werden darf

    „Für meine Ella, Victor Jacoby, Königsberg, Sommer 1939.“ Wer ist dieser Soldat auf dem Foto, das auf dem Schreibtisch seiner Oma steht, und von dem sie nie erzählt hat? Diese Frage stellt sich ihr Enkel in einem Prolog und ein Erzähler verrät dem Leser daraufhin die Antwort. Aber nicht nur das, er wirft einen Blick auf Königsberg in den Jahren zwischen 1932 und 1945, beschreibt was Heimat für Ella bedeutet und auch wie es ihr, 1944 nach Potsdam geflohen, später dann auch weiter in den Westen, in den letzten Kriegstagen erging. Der Erzähler endet im Jahr 1948 in Aachen und der Enkel holt einen in einem bewegenden Epilog wieder zurück ins Jetzt.

    Als Leser bewegt man sich auf verschiedenen Zeitebenen. Jedes Kapitel wird sehr leserfreundlich mit Datum und Ort überschrieben, sodass eine Orientierung in Zeit und Raum stets gegeben ist, worum ich gerade zu Beginn sehr dankbar war. So darf man z.B. mit der zwölfjährigen Ella durch das prächtige Königsberg schlendern, bekommt nicht nur eine Stadtführung, sondern merkt auch gleich, wie wohl sie sich fühlt, wie sehr sie mit der Stadt verbunden ist. Man darf mit eine jugendlichen Ella wieder Tage dort verbringen und auch Urlaub in Samland und an der Ostseeküste machen, kurz nach Kriegsbeginn dort schliesslich heiraten und zum letzten Mal 1945, dem Kriegsende nahe, als alle schon in Aufbruchsstimmung, Königsberg nicht mehr zu retten ist, dorthin reisen um ein Stück Heimat in Form von eingeweckten Konservengläsern zu retten.

    „All diese Orte - und noch Hunderte mehr - bildeten ein verwobenes Netz kleiner und grosser Erinnerungspunkte, das sich während fast drei Jahrzehnten als ihre ganz persönliche Stadt über das jahrhundertealte Königsberg gelegt hat und untrennbar mit ihm verschmolzen ist.“ Was ist Heimat, wie riecht und schmeckt die Erinnerung daran? Das wird hier eindrücklich dargestellt und man erhält ein Bild davon, was Vertriebene und Flüchtende verloren haben. Das Los der Sudetendeutschen, ein Stück Geschichte, bleibt so präsent, was ich für sehr wichtig erachte. Sicher ist es auch gerade in unserer heutigen Zeit, die leider immer noch viele Menschen zu Flucht zwingt, besonders wichtig, dass dies im Gedächtnis belibt.

    Sehr gut hat mir gefallen, dass die Geschichte unheimlich viele Ansätze zum Weitedenken gibt. Was ist wichtiger, Wahrheit oder eine friedliches Miteinander, was dachten wohl Flieger, wenn sie Bomben über unschuldigen Menschen abgeworfen haben, darf man sich über leckeres Essen freuen, wenn ein anderer trauert, warum verrät man Werte, sind nur einige Beispiele dafür.

    Sehr gut hat mir auch der Ausflug in die Vergangenheit gefallen. So ist z.B. sehr eindrücklich die Zerstörung durch den Krieg dargestellt, ein ausgebombtes Potsdam, verkohlte Leichen oder auch das Elend, die Verzweiflung der Menschen, die sich auf der Flucht befinden, die Angst vor den Rotarmisten oder auch das Verharren Wollen in der Heimat. Die Rolle der Frau zu der Zeit oder besondere Köstlichkeiten der Region werden ebenfalls gelungen, aufschlussreich angesprochen.

    Der überwiegende Teil wird von einem Erzähler aus Ellas Sicht berichtet, jedoch so gelungen, dass man Ella sehr nah sein kann. Man darf tief in sie blicken und ich konnte keinen Unterschied zur Ich Perspektive ausmachen, was mir sehr gut gefallen hat. Der Autor beschreibt unheimlich bildreich, detailverliebt und ausführlich. Er nimmt den Leser mit, man ist vollständig mit dabei, hat einen Film im Kopf laufen und kann fast salzige Luft riechen, Sand zwischen den Zehen spüren, den Geschmack von eingelegtem Obst im Mund spüren oder die Verzweiflung spüren. So sehr mir diese genauen Beschreibungen auf der einen Seite gefallen haben, gab es allerdings auch Stellen, die mir eine Spur zu ausführlich waren, in denen ich beim Lesen fast ein Wenig Ungeduld empfand, weil ich in der Geschichte mehr erfahren wollte. Aber dafür sind unzählige grandiose Formulierungen zu finden. „Die Entbehrungen Ängste sorgen und Verluste der letzten Monate platzten in aus wie eine reife Eiterbeule und verspritzten ihr Gift in ihrer Seele.“, ist nur ein Beispiel dafür.

    Ella war mir von Anfang an sympathisch. Ihr Vater Max hat sie schon als Kind zum Widerspruch herausgefordert, sehr zum Leidwesen seiner Frau Alice, die die Rolle der unbedarften Hausfrau inne hat und da sich daher Sorgen macht, dass ihrer Tochter der Eigensinn in der Ehe schaden würde. Dadurch bekommt Ella aber Biss, macht stets das Beste aus der Situation, stellt sich auch auf ihre Füsse und kämpft sich durch, was ihrer Geschichte trotz allem Leid immer einen leicht positiven Grundton gibt. Ich bin gerne mit in ihre Vergangenheit gereist.

    Lobend erwähnen möchte ich auch noch die beiden Karten auf den Umschlaginnenseiten, vorne ein detaillierter Stadtplan von Königsberg, hinten Ostpreussen 1920. So hat man die Möglichkeit alle erwähnten Orte auch zu lokalisieren.

    Alles in allem hat es bei mir persönlich wegen der eine oder anderen Länge nicht ganz für fünf Sterne genügt, viereinhalb wären ideal, eine Leseempfehlung ist es aber auch so auf jeden Fall.

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  • 5 Sterne

    Martina M., 06.05.2018

    "Für die junge Ella ist keine Stadt wie Königsberg. Die Metropole Ostpreussens ist die Stadt ihrer Kindheit und ersten grossen Jugendliebe, die mondänen Strassenzüge sind Sinnbild einer ganzen Welt. Doch Anfang 1945 ist diese Welt im Bombenhagel untergegangen. Und in Potsdam, wohin Ella sich geflüchtet hat, wächst der Hunger. Bis sie sich an die Nahrungsvorräte in ihrem Königsberger Keller erinnert - und eine so eigenwillige wie gefahrvolle Reise riskiert." - soweit der Klappentext.

    Ulrich Trebbin hat in Regensburg studiert. Er ist Hörfunkjournalist und Gestalttherapeut und arbeitet beim Bayerischen Rundfunk und in seiner psychotherapeutischen Praxis. Der vorliegende Roman ist sein Debüt als Romanautor und zugleich Annäherung an seine ostpreussischen Wurzeln. (Quelle: Klappentext).

    Der Roman, im btb-Verlag erschienen, hat 348 Seiten. Der Umschlag zeigt ein altes Foto der samländischen Küste. Ein Detail dieses Fotos erscheint zwischen Autorenname und Titel, etwas, das erst beim zweiten Hinsehen bemerkt wird. Ein Stadtplan der alten Stadt Königsberg und eine Karte Ostpreussens von 1920 auf den Umschlaginnenseiten werten das Buch auf und gibt gleichzeitig eine gute Orientierung, um Ellas Wege und Radtouren nachvollziehen zu können.

    In neun Kapiteln erzählt Ulrich Trebbin Ellas Geschichte. Die einzelnen Kapitel werden nach Ort und Zeit des Geschehens benannt. Dabei springt der Autor auch in den einzelnen Kapiteln in der Geschichte, so dass sich nach und nach ein Bild von Ellas Biografie ergibt. Ein Prolog und ein Epilog runden das Erzählte ab und bilden die Klammer zur Gegenwart.

    Der Autor hat selbst ostpreussische Wurzeln (s. oben) und vermengt hier auf ausgezeichnete Art und Weise Fiktion und Wahrheit. Er beschreibt detailliert das alte Königsberg und die wunderschöne Landschaft Ostpreussens, aber auch die Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges mit den Folgen Flucht und Vertreibung. Das Leben in einer Kaufmannsfamilie
    in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wird dargestellt, wobei der Vater Wert auf die Bildung seiner Töchter legt und sie zum selbständigen Denken ermuntert. Hier gibt es etliche Denkanstösse für den Leser, auch und gerade in der heutigen Zeit.

    Ulrich Trebbin schreibt einen gut lesbaren, sehr dichten Schreibstil mit wunderbaren Formulierungen und - natürlich - ostpreussischen Ausdrücken, die ich seit dem Tod meiner Grossmutter nicht mehr gehört habe.

    Fazit: Für mich das Highlight des ersten Drittel des Lesejahres - ein sehr gelungenes Debüt.

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  • 5 Sterne

    Reinhard J., 27.01.2021 bei bewertet

    "Letzte Fahrt nach Königsberg" ist ein Buch, dass den Leser in den Bann zieht, sowie er es aufgeschlagen hat. In ihm ersteht das alte Königsberg wieder ein Stück, d.h., ganz vergangen war es nie. Die Schicksale der Menschen dieser Stadt mögen sehr unterschiedlich, von erschütternd bis grausam, gewesen sein. Allen ehemaligen Bewohnern gemeinsam ist, dass sie neben Wohlstand, Gesundheit und Leben ihre Heimat verloren. Ein derartiges Trauma wird in Menschen der Kriegs-, aber auch der Nachkriegsgeneration weitergewirkt haben, da Heimatlosigkeit auch vererbt werden kann.
    Der Autor zeichnet sich durch eine selten niveauvolle Behandlung der deutschen Sprache aus. Er versteht es, die handelnden Charaktere in ihren jeweiligen Situationen und Befindlichkeiten sehr einfühlsam zu schildern. Man glaubt, neben ihnen zu stehen oder ihnen über die Schultern zu sehen, ihnen auch ein wenig ins Herz sehen zu können.
    All das vor der Kulisse des einschneidensten Ereignisses des 20. Jahrhunderts - des 2. Weltkriegs - der leidvollen deutschen Geschichte und des Schicksals der ehemals wunderschönen Stadt Königsberg.
    Heute lebt diese Stadt wieder und ein Besuch ist sehr zu empfehlen. Man sollte jedoch ausreichend Zeit einplanen, denn es gibt viel zu entdecken. Wir waren überrascht, dass trotz der schweren Kämpfe noch sehr viel vom alten Königsberg erhalten geblieben ist: Von Amalienau bis Maraunenhof, vom Hafen bis zum Sackheimer Tor, vom Oberteich bis zum Friedländer Tor.
    Und noch eine Überraschung: Geschichte ist nichts Totes - wenn wir sie nicht gestalten, gestaltet sie uns.

    Dr. Reinhard Jeromin

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  • 4 Sterne

    Bibliomarie, 30.04.2018

    Ella Aschmoneit ist in Königsberg aufgewachsen. Ihre Kindheit und Jugend ist behütet. Das Elternhaus grossbürgerlich. Doch Ellas geliebter Vater stirbt viel zu früh und die in geschäftlichen Dingen völlig überforderte Mutter muss den Weinhandel und die Villa aus Geldnot verkaufen. Ein erster Einschnitt in Ellas Leben, sie kann nicht weiter die Schule besuchen und ein Medizinstudium ist nun aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Doch das wird nicht der letzte Einschnitt in ihr Leben bleiben. In den noch unbeschwerten frühen 30iger Jahren ist schon das kommende Unheil zu spüren.
    Der Roman ist von der Familiengeschichte des Autors inspiriert. Die Hauptfigur Ella ist eine lebenslustige sympathische Frau, die ein-zweimal in ihrem Leben eine falsche Entscheidung getroffen hat. Das eine ist die Heirat mit Heinrich, einen älteren, gebildeten Mann, der nicht ihre grosse Liebe ist, von dem sie sich aber Unabhängigkeit und Sicherheit verspricht. Ella ist sehr gut gezeichnet, ihre Entwicklung von der aufmüpfigen Schülerin bis zur durch das Schicksal gereiften Frau hat mich sehr berührt.
    Ulrich Trebbins „Letzte Fahrt nach Königsberg“ spielt auf zwei Ebenen, in Rückblicken erleben wir Ellas Jugend, ihre Freunde, erste Liebeleien und unbeschwerte Ausflüge ins Samland und auf die Kurische Nehrung. Die zweite Zeitebene ist in hauptsächlich 1945 in Potsdam angesiedelt. Von dort aus unternimmt Ella auch die waghalsige, titelgebende letzte Fahrt nach Königsberg, um der hungernden Familie noch die eingekochten Vorräte aus dem heimischen Keller zu retten.
    Die Rückblicke in die Vergangenheit werden von einer sommerlichen Heiterkeit getragen, sie sind ausführlich erzählt, manchmal schleichen sich auch Wiederholungen und etwas zu ab- und ausschweifende Begebenheit ein. Das hat aber mein Lesevergnügen nur unwesentlich geschmälert. Sie bringen in ihrer Unbeschwertheit die nachfolgenden dramatischen Ereignisse in den letzten Kriegsmonaten erst richtig zur Geltung. Der Treck aus dem Osten in die noch unbesetzten Westgebiete, Dauerbombardement, Hunger und Entbehrungen. Ella und ihre Familie teilen das Schicksal vieler Vertriebener und Heimatloser. Dazu immer in Hintergrund Ellas Trauer um ihre erste grosse Liebe.
    Ich habe den Roman ausgesprochen gern gelesen, ein persönliches Schicksal bringt mir das Zeitgeschehen näher, als es einem Sachbuch möglich wäre. Dazu hat sicher auch der wahre Kern der Geschichte beigetragen. Die Figuren und ihre Schicksale wirken authentisch, genauso wie die Beschreibung des alten Königsbergs und der ostpreussischen Landschaft. Mir scheint sehr genau recherchiert zu sein und tatsächlich erstand mir ein farbiges Bild vor Augen.

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  • 4 Sterne

    Martin S., 19.05.2018

    Ostpreussische Familiengeschichte

    In jungen Jahren scheint es das Schicksal gut mit Ella Aschmoneit zu meinen. Sie lebt in einer wohlhabenden Familie und ihr Vater ist als Weinhändler ein angesehener Mann in der Gesellschaft. Für Ella steht fest, sie will wie ihre Schwestern zur Universität, um dann später Ärztin werden zu können. Aber das Schicksal wendet sich, als ihr Vater einen plötzlichen Tod stirbt und Deutschland dem Rest der Welt den Krieg erklärt. Ella steht plötzlich vor vielen Veränderungen und auch die ersten aufkeimenden Gefühle für einen Jungen lassen ihr Leben aus den vorgefertigten Bahnen schlittern...

    Der Autor Ulrich Trebbin hat mit "Letzte Fahrt nach Königsberg" einen ergreifenden Roman über das Leben einer jungen Frau zur Zeit des 2. Weltkrieges geschrieben. Er erzählt die Geschichte in einem sehr bildreichen und detailverliebten Schreibstil, der mir die damalige Zeit gut vor Augen führte und springt dabei in den jeweiligen Kapiteln in der Zeit vor und zurück. Dies Zeit- und Perspektivwechsel beleben das Buch und geben manchmal im Nachhinein die Erläuterungen für Geschehnisse aus den vorherigen Abschnitten. Die Protagonisten werden gut dargestellt und passen gut in die damalige Zeit. Sehr gut gefallen hat mir der Einblick in die Gefühlswelt der Personen. Der historische Hintergrund wirkt sehr gut recherchiert und dem Autor ist die enge Verbundenheit zum Ostpreussischen Land anzumerken, in der seine eigen Familien-geschichte verankert ist. Das Buch wirkt so sehr authentisch und gibt ein lebendiges und nachvollziehbares Bild für die dramatischen Zeit der dunklen Stunde Deutschlands.

    Insgesamt hat mir "Letzte Fahrt nach Königsberg" gut gefallen, auch wenn mir der Autor an der einen oder anderen Stelle mal etwas zu detailverliebt war. Ein lesenswertes Buch, welches ich gerne weiterempfehle und mit guten vier von fünf Sternen bewerte.

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