Verbote und Geheimnisse (PDF)
Das Tabu und die Genese der europäischen Moderne
Auf seinen Reisen in die Südsee entdeckte James Cook im 18. Jahrhundert das polynesische Tabu. Missionare brachten dieses Wissen nach Europa. Wie es dann mit der Professionalisierung von Ethnologie und Psychoanalyse als wissenschaftliches Konzept Eingang in...
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Produktinformationen zu „Verbote und Geheimnisse (PDF)“
Auf seinen Reisen in die Südsee entdeckte James Cook im 18. Jahrhundert das polynesische Tabu. Missionare brachten dieses Wissen nach Europa. Wie es dann mit der Professionalisierung von Ethnologie und Psychoanalyse als wissenschaftliches Konzept Eingang in die europäische Kultur fand, erzählt Alexandra Przyrembel in ihrer Wissensgeschichte des Tabus. Ungewöhnlich ist dabei die Verknüpfung der Wissens- mit einer Erfahrungsgeschichte. Am Beispiel der Sozialreformbewegung und der Tierschutzbewegung des 19. Jahrhunderts legt die Autorin die Bedeutung von Tabus in der europäischen Gesellschaft offen und zeigt: Die Geschichte der Modernisierung ist auch eine Geschichte des Tabus.
Lese-Probe zu „Verbote und Geheimnisse (PDF)“
Das Tabu hat eine Geschichte. Die Geschichte seiner Entdeckung wird in diesem Buch erzählt. Im Gefolge der Südsee-Euphorie des ausgehenden 18. Jahrhunderts beschrieb der Entdecker und Kartograph James Cook (1728-1784) das Tabu in seinen Tagebüchern erstmals als zentrales, gleichwohl seltsam anmutendes Charakteristikum der Bevölkerung des südpazifischen Ozeans. Mehr als hundert Jahre später wandte sich der Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1939) neuerlich dem Tabu zu. In einem Brief schwärmte Freud gegenüber seinem amerikanischen Kollegen und Freund Ernest Jones (1879-1958) von seinem neuesten Erkenntnisinteresse: dem "marvellous", dem "wunderbaren" Tabu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts - im Gefolge des Primitivismus-Kults, der die Sozial- und Geisteswissenschaften in London, Paris oder auch Wien seit nunmehr einigen Jahrzehnten erfasst hatte - beschäftigte sich Freud mit dem angeblichen Aberglauben der "armen, nackten Kannibalen" Australiens im Allgemeinen und dem Konzept des Tabus im Besonderen. Freuds Lesart zufolge erklärte diese neue Kategorie zentrale gesellschaftliche Phänomene - den Umgang mit den Toten, die Bedeutung der Herrscher - auch der europäischen Gesellschaft. "Die Tabuverbote entbehrten", so die Beobachtung Freuds, "jeder Begründung; sie sind unbekannter Herkunft; für uns unverständlich, erscheinen sie jenen selbstverständlich, die unter ihrer Herrschaft stehen." Diese Interpretation Freuds über die Bedeutung und Präsenz scheinbar unbekannter Verbote und Geheimnisse hat sich als Meistererzählung über die Wirkung von Tabus etabliert. Diese Meistererzählung hatte mit Cooks Beschreibungen des scheinbar kuriosen "Tafoo" der Südsee-Bevölkerung nur noch wenig zu tun. Mit Freuds Essaysammlung Totem und Tabu (1913) etablierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts somit eine der zentralen Deutungen über die Wirkungen des Tabus. Freuds Interesse an diesem Gegenstand hat nicht allein wissenschaftshistorische Gründe wie etwa das Interesse der Sozial- und
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Geisteswissenschaften an der Religion der primitiven Völker Afrikas oder Asiens. Dass Freud sich mit dem Ordnungssystem des Tabus überhaupt beschäftigte, ist vielmehr auch Ergebnis der Erfahrung von Tabuisierung. Nicht allein die wissenschaftlichen "Reflexionen" über die neue Ordnung des Tabus, sondern ebenso die "nackte Erfahrung der Ordnung und ihrer Seinsweisen" prägte die neue Meistererzählung über das Tabu. Die Rekonstruktion dieses dialektischen Prozesses, in dem einerseits das diffuse Wissen über das Südsee-Tabu zu einer analytischen Kategorie geformt und in dem andererseits die nackte Erfahrung von Tabuisierung gemacht wurde, ist Gegenstand des vorliegenden Buches. Dieser Prozess ist mit der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts unmittelbar verknüpft.
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Inhaltsverzeichnis zu „Verbote und Geheimnisse (PDF)“
Inhalt Einleitung: Das Tabu und die Moderne 9 Erster Teil: Wissen Europa, die Südsee und das Tabu 27 Kapitel 1 James Cook und die Entdeckung des Tabus im ausgehenden 18. Jahrhundert 37 Kapitel 2 Missionare, der Satan und die Bekämpfung des Götzentums um 1800 52 Die protestantische Offensive - Programme zur Rettung vor dem Satan 53 Moderne Missionare? 63 Missionare in der Südsee - Aufgaben und Erfahrungen 67 Predigen, Beobachten, Schreiben und Sammeln - Die missionarische Offensive und ihre transnationale Welt 72 Kapitel 3 Faszination: Medien und die Vermittlung von Wissen I 82 Missionare berichten 83 Verführungen - Der Tanz, die Kannibalen und die Macht des Tabus 87 Die Inselgruppe Marquesas, das Tagebuch und die Intimität der Beobachtung 98 Missionare, der ethnologische Blick und das Tabu 106 Kapitel 4 Ethnologie, Psychoanalyse und die (Wieder-)Entdeckung des Tabus um 1900 113 Freud als Vater und die psychoanalytische Semantik der Innenschau 114 Die Faszination des Primitiven um 1900 118 James Frazer, die Ethnologie und die Gefahr der Ansteckung 122 Sigmund Freud, die armen nackten Kannibalen und die Entdeckung des Unbewussten 131 Vom "wunderbaren Tabu" zum Inzestverbot 139 Zweiter Teil: Glauben Sünden, Tabus und die Ordnung der sozialen Frage 143 Kapitel 5 Der Schmutz und die Wilden 156 Zwei Männer - Pietät und Abscheu 156 Der Erlöser Wichern, die Innere Mission und die religiöse Offensive 158 Verbotene Räume: Wicherns Reisen in die "Höhlen der Armen" 172 Engels, der Ekel und Die Lage der arbeitenden Klasse in England 181 Ekel und Sünde in den Berichten Wicherns und Engels' 195 Kapitel 6 Die Brüder des Rauhen Hauses: Rituale der Reinigung 200 Hamburg und der Tod der Religion 200 Von London nach Hamburg - Die Stadtmission als Importartikel 203 Vereine und die Terrains der Inneren Mission 207 Kulturen des Religiösen - die Brüdergesellschaft 210 Brüderbriefe - Semantiken der Liebe und der Verachtung 222 Kapitel 7 Die Furcht vor dem Verderben: Medien und die
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Vermittlung von Wissen II 229 Die religiöse Furcht vor dem Verderben 233 Verwildern, Trinken und die Giftquelle der Prostitution 239 Der Hausbesuch: Schreiben, Ordnen, Verstehen 251 Geschichten des Scheiterns und die Sonderanthropologie der Unterschicht 260 Dritter Teil: Fühlen Abscheu, Blut und die Liebe zum Tier 271 Kapitel 8 Der Geruch der Tiere 282 Hygiene: Die Entstehung der modernen Schlachthäuser 285 Reinlichkeit der Luft, Reinlichkeit des Fleisches 288 Reisende Experten - Kartographien der Schlachthäuser 295 Kapitel 9 Tierliebe: Medien und die Vermittlung von Wissen III 299 Tierschutz - eine Bewegung entsteht 303 Predigen, Schreiben und Agitieren 308 Mitleid mit der geschundenen Kreatur 314 "Teufelsdreck": Über Pferdebankette und das Essen 322 Kapitel 10 Topographien: Im "Riesenmagen" der Stadt 335 Apparate und die Idee des humanen Tötens 339 Schluss 357 Quellen und Literatur 371 Dank 412 Personenregister 414
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Autoren-Porträt von Alexandra Przyrembel
Alexandra Przyrembel, Dr. phil., ist Privatdozentin am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alexandra Przyrembel
- 2011, 1. Auflage, 416 Seiten, Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG GMBH
- ISBN-10: 3593411458
- ISBN-13: 9783593411453
- Erscheinungsdatum: 09.05.2011
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