Nebbich (PDF)
Eine deutsche Karriere
»Ich lese ganz gern in Autobiographien«, bekennt Adolf Endler, »aber glaube ich ihnen? ... Ne, ne ne, dass zumal ein Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts in befriedigender Weise in der Lage sein könnte, seine »Biographie zu erzählen««, hält Endler für ganz...
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Produktinformationen zu „Nebbich (PDF)“
»Ich lese ganz gern in Autobiographien«, bekennt Adolf Endler, »aber glaube ich ihnen? ... Ne, ne ne, dass zumal ein Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts in befriedigender Weise in der Lage sein könnte, seine »Biographie zu erzählen««, hält Endler für ganz und gar unmöglich. Und wenn er hier mit »Nebbich« ein Buch präsentiert, das er ausdrücklich als Autobiographie versteht, so liegt auf der Hand, dass es sich nicht um die brave Darstellung des eigenen Lebens in chronologischer Folge zu einem der Vollkommenheit nahen Ende hin handeln kann. Endlers »Autobiographie aus Splittern« ist, wie wir es schon für einen begrenzten Zeitabschnitt in »Tarzan am Prenzlauer Berg« kennengelernt haben, montiert aus Tagebuchnotizen und zeitkritischen Glossen, bös-sarkastischen Zitat-Collagen, essayistischen Porträts von Zeitgenossen und Kollegen und erzählerischen Fragmenten nicht selten phantasmagorischen Charakters. Denn dass sich das Leben eines Menschen nicht nur aus »real« Erlebtem, sondern zu »drei Vierteln aus Träumen und Tagträumen (»längeren Gedankenspielen«)« zusammensetzt, ist für den Autor, der die Vokabel »Karriere« selbstverständlich nur mit Augenzwinkern ausspricht, keine Frage. Was entsteht, ist ein Kaleidoskop, in dem Erinnerungsbilder des fünfzehnjährigen Gymnasiasten, der zwischen Düsseldorf und Benrath in der Strassenbahnlinie 18 sitzt, ebenso aufgehoben sind wie Expeditionstagebücher, die etwa über die Sprache der Regenbogen-Esser Auskunft geben. Und freilich finden sich wilde Notizen von den endlerschen alter egos Bobbi Bergermann und Bubi Blazezak, die nicht zuletzt auch eine Art DDR-Geschichte fern jeder Nostalgie bergen.
Lese-Probe zu „Nebbich (PDF)“
NEUNZEHNHUNDERTVIERUNDVIERZIG (S. 7) Gespielt hab ich mit Bombensplittern. Günter Grass Bücher, halb verbrannt, angekohlt, feucht, verdreckt: »Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei, Deutsche Frauen, deutsche Treue, Der Gasmann, Reiter in deutscher Nacht.« Mit elf, mit zwölf hat E. Bomben- und Flaksplitter gesammelt und getauscht gleich Rühmkorf oder Wosnessenski, die es beide für mitteilenswert hielten.
Als er 13 Jahre alt wurde, war E. zum Sammler von Broschüren und Büchern geworden, wie sie nach jedem Luftangriff verwaist in den schwelenden Trümmern herumgeflattert sind. (Nein, E. ist kein Feind der Bomberpiloten gewesen, die Vokabel »Terrorangriff«, wiewohl dem Vorgang gerecht, ist nie über seine Lippen gekommen, erkannt als Nazi-Ausdruck.
Schon 1941 war das Kind unklar die Gründe in Gedanken zu jenen übergelaufen, die BBC London oder Radio Moskau hiessen, schon das klirrende Strüppicht »Stalingrad«, das ist gewiss, hat es mit den Augen der Alliierten gesehen und bewertet.) Was nur hat der aufgeregt sammelnde Knabe von den Büchern gehalten, die er zu Dutzenden, zu Hunderten aus den Schuttbergen Düsseldorfs gebuddelt hat wie manchmal auch Leichen , von süsslichem Kalkgeruch umschwärmt?, sind sie ihm vor allem Kuriositäten gewesen?
Immer wieder wurden die Bücher gezählt, immer wieder neue Titel-Listen verfasst, als gelte es, der Um- oder Nachwelt Kunde zu geben von etwas Merkwürdigem: »Die Helden von Scapa Flow, Blitzkrieg in Polen, Nacht über Malmaison, Mit der Leibstandarte im Westen, Orlog und Safari, Feldpostblüten, Narvik.« Gezählt und gezählt, als wäre das da, aufgestapelt im Kohlenkeller, ein kostbarer Schatz gewesen: »Deutsche am Nanga Parbat, Von der Maas bis an die Memel, Alle Wasser Böhmens fliessen nach Deutschland.
« Manche der Bücher mussten auf dem Hängeboden getrocknet, manche neu zusammengeklammert, zusammengeklebt werden, nicht wenige blieben Halboder Viertelbücher, und alle sind nun dahin, dahin Erhalten haben sich Reste
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der Listen, halb verbrannt, angekohlt, feucht, verdreckt, Zeugnisse des Beginns einer Sammler- Karriere der anderen Art. (November 1999)
ZWEI FRÜHE LIEBESGESCHICHTEN
Das Schreckliche am Altern ist, dass man jung bleibt. Oscar Wilde 1 Der Rostfleck Der Quasi-Kehrreim meines längsten Gedichtes aus den Fünfzigern lautet recht reimlos: »Papiermühle, Wasserwerk, Henkel, / Dreieck, in dem ich wohne.
« Dass die »Papiermühle« am Rheinknie zwischen Düsseldorf- Holthausen und Düsseldorf-Benrath zuerst genannt wird, hat sicher rhythmische Gründe, und trotzdem Ja, das heute nicht mehr existente Backsteinhaus, das der Papiermühle als Direktionsgebäude rheinwärts vorgelagert war, hatte für den fünfzehnjährigen Gymnasiasten eine ganz besondere Aura: In einem Zimmerchen im dritten Stock hauste Charlotte Branitzer. (Wohin mag sie entschwunden oder entführt worden sein?, lebt sie überhaupt noch?)
Ein ganzes Jahr lang stieg ich zweimal täglich in die Linie 18 der Strassenbahn, es muss noch vor der »Währungsreform« gewesen sein, die zwischen dem Düsseldorfer Hauptbahnhof und dem Schloss in Benrath verkehrte und auf der Charlotte Branitzer zwischen ihrem Lyzeum in der Innenstadt und der Haltestelle am Rheinknie pendelte.
Ihr Stammplatz war auf dem hinteren Perron des Anhängerwagens, meiner bald auf dem vorderen Perron, ihr genau gegenüber, wenn auch getrennt durch den übrigen Wagen. Niemals habe ich ein Wort mit dem etwas älteren Mädchen gesprochen, ihren Namen hatte mein damaliger Freund Oswald Toppelt auf meine Bitte hin ausgespitzelt, niemals habe ich mit Charlotte Branitzer auch nur einen Gruss getauscht, zehn Minuten seliges Anstarren bis zur Haltestelle an der Papiermühle oben am Rhein, das war alles, was ich der stets gleichmütig Blickenden bot bemerkt haben müsste sie mich
ZWEI FRÜHE LIEBESGESCHICHTEN
Das Schreckliche am Altern ist, dass man jung bleibt. Oscar Wilde 1 Der Rostfleck Der Quasi-Kehrreim meines längsten Gedichtes aus den Fünfzigern lautet recht reimlos: »Papiermühle, Wasserwerk, Henkel, / Dreieck, in dem ich wohne.
« Dass die »Papiermühle« am Rheinknie zwischen Düsseldorf- Holthausen und Düsseldorf-Benrath zuerst genannt wird, hat sicher rhythmische Gründe, und trotzdem Ja, das heute nicht mehr existente Backsteinhaus, das der Papiermühle als Direktionsgebäude rheinwärts vorgelagert war, hatte für den fünfzehnjährigen Gymnasiasten eine ganz besondere Aura: In einem Zimmerchen im dritten Stock hauste Charlotte Branitzer. (Wohin mag sie entschwunden oder entführt worden sein?, lebt sie überhaupt noch?)
Ein ganzes Jahr lang stieg ich zweimal täglich in die Linie 18 der Strassenbahn, es muss noch vor der »Währungsreform« gewesen sein, die zwischen dem Düsseldorfer Hauptbahnhof und dem Schloss in Benrath verkehrte und auf der Charlotte Branitzer zwischen ihrem Lyzeum in der Innenstadt und der Haltestelle am Rheinknie pendelte.
Ihr Stammplatz war auf dem hinteren Perron des Anhängerwagens, meiner bald auf dem vorderen Perron, ihr genau gegenüber, wenn auch getrennt durch den übrigen Wagen. Niemals habe ich ein Wort mit dem etwas älteren Mädchen gesprochen, ihren Namen hatte mein damaliger Freund Oswald Toppelt auf meine Bitte hin ausgespitzelt, niemals habe ich mit Charlotte Branitzer auch nur einen Gruss getauscht, zehn Minuten seliges Anstarren bis zur Haltestelle an der Papiermühle oben am Rhein, das war alles, was ich der stets gleichmütig Blickenden bot bemerkt haben müsste sie mich
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Autoren-Porträt von Adolf Endler
Adolf Endler (1930-2009), Lyriker, Prosaautor, Essayist; geboren in Düsseldorf, 1955 Übersiedlung in die DDR. Er erhielt bedeutende Literaturpreise, darunter: Bremer Literaturpreis, Peter-Huchel-Preis, Hans Erich Nossack-Preis, Kritikerpreis der SWR-Bestenliste, Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau, Ehrengabe der Schiller-Stiftung, Rainer-Malkowski-Preis.
Bibliographische Angaben
- Autor: Adolf Endler
- 2013, 292 Seiten, Deutsch
- Verlag: Wallstein Verlag GmbH
- ISBN-10: 3835306952
- ISBN-13: 9783835306950
- Erscheinungsdatum: 25.10.2013
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Pressezitat
Platz 1 auf der SWR-Bestenliste April 2005»Für »Nebbich« hat Endler wieder in seinem Seesack gekramt.«
(Michael Braun, der tagesspiegel, 7.6.2005)
»Endler lesen, das bedeutet, einen Blick auf eine zur Kenntlichkeit verzerrte DDR zu werfen.«
(Claus-Ulrich Bielefeld, Die Welt, 23.4.2005)
»Ein Endler-Buch: ausschweifend, irrwitzig, flirrend vor Lebendigkeit und Genauigkeit«
(Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung, 12.03.2005)
»Nebbich ist Endler pur: eine wilde Spiegelfechterei mit seinen Alter egos.«
(Beat Mazenauer, Underdog, 18.03.2005)
»Das Buch ist also ein Nachruf auf sehr merkwürdige Zeiten.«
(Klaus Walther, Freie Presse, 18.03.2005)
»Dies ist die grosse Rückholaktion eines Grenzgängers zwischen Rausch und messerscharfem Verstand, zwischen Kiez und Welt, zwischen Bierernst und hochprozentig Klarem, zwischen Hoch- und Tiefliteratur.«
(Ulrich Steinmetzger, Sächsische Zeitung, 2.5.2005)
»Bereits bevor Endler seine gesammelte Biografie abgeschlossen hat - auch der vorliegende Abschnitt ist nur Teil eines in Aussicht gestellten Ganzen -, ist sie bereits zum Mythos geworden.«
(Michael Opitz, Neues Deutschland, 31.5.2005)
»Adolf Endler lacht und beisst, wo es keiner erwartet. Die einzelnen Lebens-Geschichten trennen Pointen, etwas wie Salz, aber auch Rosinen. Es versteht sich, dass man ihn nicht nur als Dichter bewundert.«
(Jürgen Verdofsky, Stuttgarter Zeitung, 10.6.2005)
»»Eine deutsche Karriere« - so der Untertitel dieses Buches - das könnte für die Jury des Georg-Büchner-Preises in Darmstadt heissen: bitte den nächsten Lorbeerkranz an Adolf Endler.«
(Rosemarie Altenhofer, Hessischer Rundfunk - HF Literatur, 24.08.2005)
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