Erich Rothacker / Bonner Schriften zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte (PDF)
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Wissenschaftshistoriker, Philosophen und Geistesgeschichtler haben in den vergangenen Jahren neues Interesse an Erich Rothacker (1888-1965) gezeigt. Der kulturhistorisch versierte Philosoph und Psychologe zählt neben Scheler, Plessner und Gehlen zu den grossen Denkern der philosophischen Anthropologie und hatte grossen Einfluss auf die deutschen Geisteswissenschaften seiner Zeit. Diese Gesamtbiographie erfüllt ein Forschungsdesiderat, indem sie auf breiter Quellengrundlage Rothackers soziobiographische Lebensbedingungen, seine persönlichen Einstellungen und sein wissenschaftliches Werk kontextualisiert. Sein Denken und Wirken in der NS-Zeit wird detailreich beleuchtet und bewusst in die Analyse der ganzen »Lebensspanne« eingebettet, um die vielfältigen Interpendenzen zwischen wissenschaftlichem und vorwissenschaftlichem Bewusstsein bei Rothacker verstehend nachzuvollziehen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die wissenschaftshistorische Einordnung von Rothackers Persönlichkeitspsychologie.
Ausgezeichnet mit dem Max Dessoire-Preis für herausragende Arbeiten zur Geschichte der Psychologie 2013.
6.1 Rothackers Kulturphilosophie
Die Entwicklung des politischen Denkens und Handelns Erich Rothackers in den Jahre 1933 bis 1945 wurde im letzten Kapitel geschildert. Im folgenden Kapitel wird es um die Frage gehen, wie sich sein wissenschaftliches Denken in der nationalsozialistischen Herrschaftszeit entwickelte. Es ist auf den Einfluss der politischen Umstände und der in seinen Publikationen zum Ausdruck kommenden politischen Überzeugungen hin zu befragen, allerdings nicht darauf zu reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass Rothacker 1934, 1938 und 1942 drei für sein Gesamtwerk bedeutende Monographien verfasste, die Geschichtsphilosophie, Die Schichten der Persönlichkeit und Probleme der Kulturanthropologie, gilt es die Suche nach der Einheit, aber auch Uneinheitlichkeit in seinem Denken weiterzuführen.
In seiner Einleitung zu Untergang des Abendlandes beschrieb Spengler, wie ihm die 1911 begonnene Beschäftigung mit politischen Gegenwarts- und Zukunftsfragen durch den »sich nähernden Weltkrieg« förmlich aus den Fugen geriet. Durch »die große Krisis« ergaben sich ihm neue Einsichten in historische Zusammenhänge und daraus weitere Einsichten in weitere Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart bis hin zur ganzheitlichen Erkenntnis des »großen historischen Organismus«.
Ähnliches muss sich bei Rothacker abgespielt haben. Wie im dritten Kapitel gezeigt wurde, hatte Rothacker schon vor Spenglers großem Wurf, damals vor allem noch unter dem Einfluss von Lamprechts Kulturzeitalterlehre, zugleich angereichert durch die Lektüre der wichtigsten kulturhistorischen, ethnologischen und völkerpsychologischen Schriften, die Frage nach der Struktur »historischer Entwicklung« für sich als philosophisches Interessenfeld entdeckt. Unter dem Eindruck
Durch die Rezeption der Schriften Diltheys vertiefte er kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Idee, das Wesen der Philosophie in der Geschichtlichkeit des Daseins zu suchen. Da er mit Dilthey den Ursprung und die Struktur des geisteswissenschaftlichen Denkens lebensphilosophisch definierte und auf Weltanschauungstypen zurückführte, lag es nahe, auch das Problem des Ursprungs und der Entwicklung von Kultur im Sinne dieses Paradigmas zu lösen. Im Wintersemester 1920 / 21, wenige Monate nach seinem Antritt als Privatdozent in Heidelberg und stark beeindruckt von SpenglersWerk, las er zum ersten Mal ein geschichtsphilosophisches Kolleg.
Hier stellte er neben Lamprechts Kulturzeitalterlehre auch Spenglers Kulturmorphologie in den Mittelpunkt.548 Spengler hatte mit Entschiedenheit die These von der Autarkie großer Kulturen entworfen, die ihr individuelles Entwicklungsgesetz in sich tragen und sich in einem quasi naturgesetzlichen verlaufenden »biographischen« Prozess aus ihren Urformen entfalten, durch die zyklischen Stadien von Adoleszenz und Reife hindurchgehen, im Alter der Dekadenz verfallen und schließlich untergehen.
Er brachte aus Rothackers Sicht ganz neue Aspekte in die kulturtheoretische Diskussion ein, die trotz aller berechtigten Kritik an Einzelaspekten generell beachtenswert erschienen. Von Goethes Morphologie ausgehend, schien er die impliziten Vorstellungen der Historischen Schule über den Eigenwert der Kulturen und ihre organischen Strukturen kongenial aufzunehmen.War Rothacker schon durch die organische Geschichtsschreibung der Historischen Schule ein Stück vom Fortschrittspositivismus der Lehre Lamprechts weggeführt worden, so regte ihn Spenglers Morphologie der Kulturen zu weitergehenden Überlegungen an.
- Autor: Ralph Stöwer
- 2011, 1. Auflage 2012, 383 Seiten, Deutsch
- Herausgegeben: Thomas Becker, Hans Pohl, Mathias Schmoeckel, Joachim Scholtyseck, Heinz Schott
- Verlag: V&R unipress
- ISBN-10: 3862349039
- ISBN-13: 9783862349036
- Erscheinungsdatum: 16.11.2011
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