Wir haben fast alles falsch gemacht
Die letzten Tage der DDR. Günter Schabowski im Gespräch mit Frank Sieren
Mauerfall und Grenzöffnung - der Mann, der am 9. November 1989 dieses historische Ereignis mit einer beiläufigen Bemerkung auslöste, rollt die Geschehnisse der letzten Tage der DDR noch einmal auf. Günter Schabowski gehörte damals zum innersten Zirkel...
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Produktinformationen zu „Wir haben fast alles falsch gemacht “
Klappentext zu „Wir haben fast alles falsch gemacht “
Mauerfall und Grenzöffnung - der Mann, der am 9. November 1989 dieses historische Ereignis mit einer beiläufigen Bemerkung auslöste, rollt die Geschehnisse der letzten Tage der DDR noch einmal auf. Günter Schabowski gehörte damals zum innersten Zirkel der Macht. Deutlicher und früher als alle anderen SED-Funktionäre hat er jedoch öffentlich mit seiner Vergangenheit gebrochen und sich zu Mitverantwortung und moralischer Schuld bekannt. Schonungslos offen berichtet er im Gespräch mit Frank Sieren, wie engstirnig, bürokratisch und unprofessionell die DDR-Führungsriege dachte und handelte, und welch abgrundtiefe Distanz zwischen Regierenden und Bürgern bestand. Die unsentimentale Bilanz eines Mannes, der klar formuliert, warum der Traum vom Sozialismus scheiterte, und gleichzeitig mit dem scharfen Blick des Aussenseiters die Schwächen der westdeutschen Demokratie offenlegt. Wenn Sie Frank Sieren als Redner buchen möchten, kontaktieren Sie bitte die Econ Referenten-Agentur. Für alle weiteren Anfragen wenden Sie sich bitte an unser Veranstaltungsteam oder die Presseabteilung.Lese-Probe zu „Wir haben fast alles falsch gemacht “
Wir haben fast alles falsch gemacht von Günter Schabowski und Frank Sieren 12
Eilig umgetauft
Die Verwandlung der SED zur PDS/Linke
Als »einem sozialdemokratischen Bürgermeister die Glückshormone aus der Pupille strahlen«, wie Sie 2001 launig formulierten, » da er nun nach den gelbgrünen Wadenbeißereien endlich mit dem einsichtigen verständigen Wunschpartner von der PDS zügig handelseinig wird«, reisten Sie durch Deutschland, um daran zu erinnern, wo die geistigen Wurzeln der PDS liegen, und vor dem Wiederaufstieg der Kommunisten zu warnen. War das nicht ein wenig übertrieben?
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Wer so fragt, untertreibt. Gerade der Einzug ins Berliner Rote Rathaus war einer der krassen Zugewinne an Einfluss, die die SED-Epigonen mittlerweile überall einfahren. Das Erschreckendste ist, dass eine demokratische Ur-Partei wie die SPD schrumpft. Ihr Mitglieder- und ihr Wählerschwund sind eindeutig mit dem Mitglieder- und Wählerzuwachs der sogenannten Linken verrechenbar. Wer hätte gedacht, dass die nachgelassene giftige Hefe der SED noch so viel Virulenz im politischen Teig der Bundesrepublik besitzt. Damit ist auf längere Sicht Instabilität in das bewährte schwarz-rot-grün- gelbe Parteien-Konglomerat eingezogen. Nachhaltig befördert wird die Störung dieser für die Demokratie so wichtigen Parteien-Balance durch die unsozialen Auswirkungen der Globalisierung. Das Duo Gysi und Lafontaine wird daraus immer Gewinn schöpfen, solange sie für konkrete Schlussfolgerungen nicht zuständig sein müssen.
Aber Sie halten das Wiedererstarken des Kommunismus nicht wirklich für eine Option?
Gewiss, was vom Kommunismus überlebt hat und sich so oder ähnlich etikettiert, kann niemanden mehr aus den Fernsehsesseln reißen. Zwischen Himalaya und Gelbem Meer sind über eine Milliarde Chinesen auf dem langen Marsch vom Maoismus zum Kapitalismus. Nur die große Zahl scheint noch beunruhigend. Das können Sie als Experte, der seit Jahren in Peking wohnt, besser beurteilen. Ein bisschen nordöstlich von China herrscht noch ein pausbäckiger Tyrann über sein Volk. Aber er ist eher die groteske koreanische Karikatur auf die Visionen, die der alte Marx einst hatte. Und jenseits des großen Teichs sucht ein ergrauter Máximo Líder »den Horizont ab nach einem Angreifer. [ ... ] Aber die Kimm ist leer. Auch der Feind hat ihn vergessen«, dichtete Hans Magnus Enzensberger auf Fidel Castro. Aber diese verbreitete verharmlosende Sicht vom vergammelnden Welt-Kommunismus ist für mich mit meiner Erfahrung und Kenntnis von kommunistischer Umtriebigkeit, wie sie sich in der Bundesrepublik längst wieder neu organisiert hat, gerade ein Grund mehr zum Warnruf. Selbst, wenn’s manchen nervt.
Aber bedroht fühlt man sich doch heute durch Fanatiker anderer Couleur.
Der 11. September hat alles geändert. Neue Weltverbesserer sind auf den Plan getreten. Der islamistische Terrorismus beruft sich auf Allah. Er ist nicht an einem Regime oder an Grenzen festzumachen, er ist ein asymmetrischer Feind. Das weckt Unsicherheit und Zwiespalt in der Gesellschaft dar- über, wie er zu bekämpfen ist. Die neue Bedrohung offenbart, dass religiösem und politischem Fundamentalismus eine Besessenheit gemeinsam ist: die Weltverbesserung mittels radikaler Gewalt. Dabei ist es schon verblüffend, wie die atheistische PDS/Linke den religiösen Konkurrenten des Kommunismus in Sachen Welterlösung Beistand leistet. Als einzige Partei war sie unter Nutzung pazifistischer Stimmun- gen bemüht, jene schützend um Osama Bin Laden gescharten Taliban aus dem Schussfeld der Antiterrorfront zu nehmen. Sie denunzierte die militärischen Maßnahmen der USA als Krieg gegen Afghanistan, obwohl ihre SED-Vorläuferin die Afghanistan-Invasion der Sowjetunion gebilligt hatte. Ich sage das in selbstkritischer Erinnerung. Man kann deshalb sicher sein, dass hinter den Vorbehalten vieler in der PDS gegenüber Amerika das »antiimperialistische« Hass- und Feindbild von einst steckt, eben nur umstilisiert. Sie taten das alles in pazifistischer Verbrämung, obwohl die Kommunisten den Pazifismus immer als spießig-sentimentale Verirrung verachtet hatten, weil er das Proletariat vom letzten Kampfziel, seiner »historischen Mission«, abhalten würde. Dass dabei die Spekulation mitspielt, ein ausgesprochen »grünes« Feld zu beernten, liegt auf der Hand.
Hätte man Ihrer Ansicht nach von Anfang an mit der Partei anders umgehen sollen?
Ich war immer der Meinung, dass es ein Fehler war, im Oktober 1990 »die führende Kraft« dieses gescheiterten Experiments sofort in den Bundestag zu übernehmen. Dort war sie ohne Schamfrist sofort mit einer fünfzehnköpfigen Fraktion eingezogen. Man hätte ihr diese Plattform nicht zu- gestehen dürfen. Die Partei hätte verboten werden müssen, weil die Resultate ihres Wirkens nicht in Einklang mit bundesdeutschen Interessen waren. Sie hatte den Staatsbankrott der DDR verursacht. Sie hatte die Bevölkerung mit einem Spitzelnetz überzogen. Sie hatte Andersdenkende kriminalisiert und brutal verfolgt. Sie war für die Todesschüsse an der Mauer verantwortlich.
Warum hat man das nicht gemacht? Weil das vielleicht nicht gerade von der Souveränität einer gut funktionierenden Demokratie gezeugt hätte? Immerhin wurden auch die PDS- Parlamentarier in freien Wahlen gewählt.
Selbst wenn die Partei verboten worden wäre, hätte sie sich ja unter anderem Namen etablieren können. Aber sie hätte dann beispielsweise schwieriger Besitzansprüche geltend machen können. Womöglich wäre die Aufspürung der gewaschenen SED-Millionen effektiver verlaufen. Womöglich hätten sich dann mehr SED-Mitglieder und -Sympathisanten von der Partei abgewandt. Es wäre ein politischer moralischer Schritt gewesen.
Die Umstände der Entmachtung der SED in der noch existierenden DDR begünstigten natürlich die spätere Entwicklung. Sie ließen der Partei Zeit, sich auf die neuen Verhältnis- se vorzubereiten. Dabei stützte sie sich auf ihre anfangs noch erhebliche Klientel und auf die verdeckten Parteigänger in anderen politischen Bereichen, die ihr über die Stasi verpflichtet waren. Diese sinistren Strukturen, ein leicht verändertes politisches Vokabular und die Tarnung ihrer finanziellen Mittel sollten ihren Einfluss, so war zumindest die Hoffnung, in einer überlebenden DDR bewahren. Die Rechnung ging nicht völlig auf. Aber die SED, die sich inzwischen zur PDS scheingemausert hatte, glitt mit in die Bundesrepublik und in den Bundestag – was einer DKP nie gelungen ist. Der PDS war es geglückt ohne den Schimmer einer demokratischen Legitimation.
Aber lag das nicht auch daran, dass man im Westen kein aus- geprägtes Interesse an der Aufarbeitung hatte?
Nach 1989 wurde versäumt, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung in Gang zu bringen, weil sich die neue, größere Bundesrepublik inzwischen anderen, akuten Problemen gegenübersah. Zudem überschätzten die Politiker womöglich die Verfallszeit der roten Ideologie. So blieb es im Wesentlichen Sache der Justiz, mit ihren Mitteln die Geschichte auf- zuarbeiten. Nicht oder nur unzureichend flankiert vom öffentlichen Diskurs reagierten viele Menschen gleichgültig auf die Urteile. Dennoch ging von den Prozessen eine bleibende Warnung aus: Politische Macht kann sich niemals auf »gute Zwecke und Ziele« berufen, wenn Menschen dafür mit dem Leben bezahlen müssen oder Repressalien unterworfen sind. Es war Anfang der Neunziger erwogen worden, öffentliche, freiwillige Täter/Opfer-Gespräche unter der Bezeichnung »Tribunals« zu veranstalten. Die Bezeichnung war sicher unglücklich gewählt, weil sie viele Ehemalige davor zurück- schrecken ließ, sich offen zu ihrer eigenen Vergangenheit zu äußern. Doch es kam gar nicht zu diesen »Tribunals«. Seit der Enquetekommission des Bundestags, die zweifellos Be- deutendes zur Aufarbeitung der DDR-Problematik geleistet hat, senkte sich jedoch, von besonderen Anlässen abgesehen, der Schleier der Zeit über das Phänomen DDR und besonders die Rolle der SED.
Was könnte das für die gesamtdeutsche Demokratie bedeuten?
Wenn die Aufklärung über die antihumanen Resultate des praktizierten Marxismus nicht dauerhaft und intensiv be- trieben wird, kann das Folgen haben für die Demokratie, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und angesichts der terroristischen Bedrohung. Rote Demagogie könnte leichter Wähler beeinflussen. Klassisches Beispiel ist die Robin- Hood-Attitüde der PDS. Die Partei mimt den Sozialpfleger und Lautverstärker ostdeutscher Bedürftigkeit, obwohl sie doch nur der hinübergerettete und eilends umgetaufte Verein ist. Schließlich war sie der Erfinder und Betreiber des missratenen Wirtschaftssystems, für das nach 1989 alle im Osten und später, als die Einheit kam, auch im Westen die Zeche zu zahlen hatten – vor allem viele im Osten mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Etwas, das die Partei Die Linke sehr provoziert, ist ihre Stasi-Verstrickung. Man stößt auf sie allenthalben, sie wird aber mit dreister Stirn kleingeredet oder als Kavaliersdelikt abgetan.
© Econ Verlag
Aber Sie halten das Wiedererstarken des Kommunismus nicht wirklich für eine Option?
Gewiss, was vom Kommunismus überlebt hat und sich so oder ähnlich etikettiert, kann niemanden mehr aus den Fernsehsesseln reißen. Zwischen Himalaya und Gelbem Meer sind über eine Milliarde Chinesen auf dem langen Marsch vom Maoismus zum Kapitalismus. Nur die große Zahl scheint noch beunruhigend. Das können Sie als Experte, der seit Jahren in Peking wohnt, besser beurteilen. Ein bisschen nordöstlich von China herrscht noch ein pausbäckiger Tyrann über sein Volk. Aber er ist eher die groteske koreanische Karikatur auf die Visionen, die der alte Marx einst hatte. Und jenseits des großen Teichs sucht ein ergrauter Máximo Líder »den Horizont ab nach einem Angreifer. [ ... ] Aber die Kimm ist leer. Auch der Feind hat ihn vergessen«, dichtete Hans Magnus Enzensberger auf Fidel Castro. Aber diese verbreitete verharmlosende Sicht vom vergammelnden Welt-Kommunismus ist für mich mit meiner Erfahrung und Kenntnis von kommunistischer Umtriebigkeit, wie sie sich in der Bundesrepublik längst wieder neu organisiert hat, gerade ein Grund mehr zum Warnruf. Selbst, wenn’s manchen nervt.
Aber bedroht fühlt man sich doch heute durch Fanatiker anderer Couleur.
Der 11. September hat alles geändert. Neue Weltverbesserer sind auf den Plan getreten. Der islamistische Terrorismus beruft sich auf Allah. Er ist nicht an einem Regime oder an Grenzen festzumachen, er ist ein asymmetrischer Feind. Das weckt Unsicherheit und Zwiespalt in der Gesellschaft dar- über, wie er zu bekämpfen ist. Die neue Bedrohung offenbart, dass religiösem und politischem Fundamentalismus eine Besessenheit gemeinsam ist: die Weltverbesserung mittels radikaler Gewalt. Dabei ist es schon verblüffend, wie die atheistische PDS/Linke den religiösen Konkurrenten des Kommunismus in Sachen Welterlösung Beistand leistet. Als einzige Partei war sie unter Nutzung pazifistischer Stimmun- gen bemüht, jene schützend um Osama Bin Laden gescharten Taliban aus dem Schussfeld der Antiterrorfront zu nehmen. Sie denunzierte die militärischen Maßnahmen der USA als Krieg gegen Afghanistan, obwohl ihre SED-Vorläuferin die Afghanistan-Invasion der Sowjetunion gebilligt hatte. Ich sage das in selbstkritischer Erinnerung. Man kann deshalb sicher sein, dass hinter den Vorbehalten vieler in der PDS gegenüber Amerika das »antiimperialistische« Hass- und Feindbild von einst steckt, eben nur umstilisiert. Sie taten das alles in pazifistischer Verbrämung, obwohl die Kommunisten den Pazifismus immer als spießig-sentimentale Verirrung verachtet hatten, weil er das Proletariat vom letzten Kampfziel, seiner »historischen Mission«, abhalten würde. Dass dabei die Spekulation mitspielt, ein ausgesprochen »grünes« Feld zu beernten, liegt auf der Hand.
Hätte man Ihrer Ansicht nach von Anfang an mit der Partei anders umgehen sollen?
Ich war immer der Meinung, dass es ein Fehler war, im Oktober 1990 »die führende Kraft« dieses gescheiterten Experiments sofort in den Bundestag zu übernehmen. Dort war sie ohne Schamfrist sofort mit einer fünfzehnköpfigen Fraktion eingezogen. Man hätte ihr diese Plattform nicht zu- gestehen dürfen. Die Partei hätte verboten werden müssen, weil die Resultate ihres Wirkens nicht in Einklang mit bundesdeutschen Interessen waren. Sie hatte den Staatsbankrott der DDR verursacht. Sie hatte die Bevölkerung mit einem Spitzelnetz überzogen. Sie hatte Andersdenkende kriminalisiert und brutal verfolgt. Sie war für die Todesschüsse an der Mauer verantwortlich.
Warum hat man das nicht gemacht? Weil das vielleicht nicht gerade von der Souveränität einer gut funktionierenden Demokratie gezeugt hätte? Immerhin wurden auch die PDS- Parlamentarier in freien Wahlen gewählt.
Selbst wenn die Partei verboten worden wäre, hätte sie sich ja unter anderem Namen etablieren können. Aber sie hätte dann beispielsweise schwieriger Besitzansprüche geltend machen können. Womöglich wäre die Aufspürung der gewaschenen SED-Millionen effektiver verlaufen. Womöglich hätten sich dann mehr SED-Mitglieder und -Sympathisanten von der Partei abgewandt. Es wäre ein politischer moralischer Schritt gewesen.
Die Umstände der Entmachtung der SED in der noch existierenden DDR begünstigten natürlich die spätere Entwicklung. Sie ließen der Partei Zeit, sich auf die neuen Verhältnis- se vorzubereiten. Dabei stützte sie sich auf ihre anfangs noch erhebliche Klientel und auf die verdeckten Parteigänger in anderen politischen Bereichen, die ihr über die Stasi verpflichtet waren. Diese sinistren Strukturen, ein leicht verändertes politisches Vokabular und die Tarnung ihrer finanziellen Mittel sollten ihren Einfluss, so war zumindest die Hoffnung, in einer überlebenden DDR bewahren. Die Rechnung ging nicht völlig auf. Aber die SED, die sich inzwischen zur PDS scheingemausert hatte, glitt mit in die Bundesrepublik und in den Bundestag – was einer DKP nie gelungen ist. Der PDS war es geglückt ohne den Schimmer einer demokratischen Legitimation.
Aber lag das nicht auch daran, dass man im Westen kein aus- geprägtes Interesse an der Aufarbeitung hatte?
Nach 1989 wurde versäumt, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung in Gang zu bringen, weil sich die neue, größere Bundesrepublik inzwischen anderen, akuten Problemen gegenübersah. Zudem überschätzten die Politiker womöglich die Verfallszeit der roten Ideologie. So blieb es im Wesentlichen Sache der Justiz, mit ihren Mitteln die Geschichte auf- zuarbeiten. Nicht oder nur unzureichend flankiert vom öffentlichen Diskurs reagierten viele Menschen gleichgültig auf die Urteile. Dennoch ging von den Prozessen eine bleibende Warnung aus: Politische Macht kann sich niemals auf »gute Zwecke und Ziele« berufen, wenn Menschen dafür mit dem Leben bezahlen müssen oder Repressalien unterworfen sind. Es war Anfang der Neunziger erwogen worden, öffentliche, freiwillige Täter/Opfer-Gespräche unter der Bezeichnung »Tribunals« zu veranstalten. Die Bezeichnung war sicher unglücklich gewählt, weil sie viele Ehemalige davor zurück- schrecken ließ, sich offen zu ihrer eigenen Vergangenheit zu äußern. Doch es kam gar nicht zu diesen »Tribunals«. Seit der Enquetekommission des Bundestags, die zweifellos Be- deutendes zur Aufarbeitung der DDR-Problematik geleistet hat, senkte sich jedoch, von besonderen Anlässen abgesehen, der Schleier der Zeit über das Phänomen DDR und besonders die Rolle der SED.
Was könnte das für die gesamtdeutsche Demokratie bedeuten?
Wenn die Aufklärung über die antihumanen Resultate des praktizierten Marxismus nicht dauerhaft und intensiv be- trieben wird, kann das Folgen haben für die Demokratie, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und angesichts der terroristischen Bedrohung. Rote Demagogie könnte leichter Wähler beeinflussen. Klassisches Beispiel ist die Robin- Hood-Attitüde der PDS. Die Partei mimt den Sozialpfleger und Lautverstärker ostdeutscher Bedürftigkeit, obwohl sie doch nur der hinübergerettete und eilends umgetaufte Verein ist. Schließlich war sie der Erfinder und Betreiber des missratenen Wirtschaftssystems, für das nach 1989 alle im Osten und später, als die Einheit kam, auch im Westen die Zeche zu zahlen hatten – vor allem viele im Osten mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Etwas, das die Partei Die Linke sehr provoziert, ist ihre Stasi-Verstrickung. Man stößt auf sie allenthalben, sie wird aber mit dreister Stirn kleingeredet oder als Kavaliersdelikt abgetan.
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Autoren-Porträt von Günter Schabowski, Frank Sieren
Frank Sieren, Jahrgang 1967, Asienkolumnist des Handelsblatts und Zeit-Autor, lebt seit über 15 Jahren in China. Er ist Autor von »Der China Code« (2004) und »Der China Schock« (2008), die beide lange auf Platz 1 der Wirtschaftsbestellerlisten standen.Wenn Sie Frank Sieren als Redner buchen möchten, kontaktieren Sie bitte die Econ Referenten-Agentur. Für alle weiteren Anfragen wenden Sie sich bitte an unser Veranstaltungsteam oder die Presseabteilung. Schabowski, GünterGünter Schabowski, geboren 1929, war Redakteur der Gewerkschaftszeitung Tribüne und ab 1978 Chefredakteur von Neues Deutschland. 1981 wurde er Mitglied des ZK, 1985 Erster Sekretär der Berliner SED und Mitglied des Politbüros. 1991 erschien seine Autobiographie Der Absturz.Günter Schabowski verstarb am 1. November 2015.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Günter Schabowski , Frank Sieren
- 2009, 6. Aufl., 288 Seiten, 8 Abbildungen, Masse: 14,2 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ECON
- ISBN-10: 3430300215
- ISBN-13: 9783430300216
- Erscheinungsdatum: 27.02.2009
Rezension zu „Wir haben fast alles falsch gemacht “
Der westdeutsche Psychoanalytiker Tilman Moser bescheinigt Schabowski >AufrichtigkeitStaunen über die Verbohrtheit des Systems und seiner Träger.<« Der Spiegel »In seinem neuen Buch enthüllt Ex-SED-Politbüromitglied Günter Schabowski erstmals, was er in der Wende-Nacht an der Mauer erlebte.« BILD Berlin, 26.02.09 »Er gibt Einblicke in das Wirken der DDR-Führungsriege und erklärt, warum der Sozialismus aus seiner Sicht scheiterte.« dpa, 08.03.09 »... eines der spannendsten Bücher aus der Fülle von Literatur über die Wendezeit« HANDELSBLATT, Regina Krieger, 14./15.03.09 »Drei Viertel des eigenen Lebens in Frage zu stellen, verlangt viel ... Wichtig und lesenswert.« Die Welt, 04.04.09 »Selbstkritisch, unsentimental und ehrlich« Rheinischer Merkur, 16.04.09 »Der eloquente Dialektiker rechnet präzise ab.« Rhein-Neckar-Zeitung, Wolfgang A. Niemann,06.06.09
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