Über das Altern
Revolte und Resignation
Die schon 1966 ursprünglich unter dem Titel »Die unheilbare Krankheit« konzipierte Arbeit »Über das Altern« zieht, auf der Grundlage der existentiellen Erfahrungen Amérys, das Fazit aus gravierenden philosophischen und literarischen Lektüren Amérys:...
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Produktinformationen zu „Über das Altern “
Die schon 1966 ursprünglich unter dem Titel »Die unheilbare Krankheit« konzipierte Arbeit »Über das Altern« zieht, auf der Grundlage der existentiellen Erfahrungen Amérys, das Fazit aus gravierenden philosophischen und literarischen Lektüren Amérys: Einflüsse von Thomas Mann, Proust, Beauvoir und verschiedener anthropologischer Ansätze sind nachweisbar in diesen fünf grossen Essays.
Klappentext zu „Über das Altern “
Die schon 1966 ursprünglich unter dem Titel »Die unheilbare Krankheit« konzipierte Arbeit »Über das Altern« zieht, auf der Grundlage der existentiellen Erfahrungen Amérys, das Fazit aus gravierenden philosophischen und literarischen Lektüren Amérys: Einflüsse von Thomas Mann, Proust, Beauvoir und verschiedener anthropologischer Ansätze sind nachweisbar in diesen fünf grossen Essays.Über das Altern ist auch Teil des dritten Bands der bei Klett-Cotta erschienenen Améry-Werkausgabe.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Über das Altern “
Jean AméryVorwort zur ersten Ausgabe 1966
Als im Jahre 1964 in Frankfurt der grosse Auschwitz-Prozess begann, schrieb ich den ersten Aufsatz im Zusammenhang mit meinen Erlebnissen im Dritten Reich, nach zwanzig Jahren Schweigens. Ich dachte zunächst nicht an eine Fortsetzung, wollte mir nur über ein Sonderproblem - die Situation des Intellektuellen im Konzentrationslager - klar werden. Als aber diese Arbeit verfasst war, spürte ich, dass es unmöglich damit sein Bewenden haben dürfe. Auschwitz. Doch wie war ich dahin gelangt? Was war vorher geschehen, was sollte nachher kommen, wie stehe ich heute da?
Ich kann nicht sagen, dass ich in der Zeit der Stille die zwölf Jahre des deutschen und meines eigenen Schicksals vergessen oder »verdrängt« hätte. Ich hatte mich zwei Jahrzehnte lang auf der Suche nach der unverlierbaren Zeit befunden, nur, dass es mir schwer gewesen war, davon zu sprechen. Nun aber, da durch die Niederschrift des Essays über Auschwitz ein dumpfer Bann gebrochen schien, wollte plötzlich alles gesagt sein: so kam dieses Buch zustande. Dabei entdeckte ich, dass ich zwar manches bedacht, aber es viel zu wenig klar artikuliert hatte. Erst im Vollzug der Niederschrift entschleierte sich, was ich vorher in einer halbbewussten, an der Schwelle des sprachlichen Ausdrucks zögernden Denkträumerei undeutlich erschaut hatte. Bald zwang sich auch die Methode auf. Hatte ich noch in den ersten Zeilen des Auschwitz-Aufsatzes geglaubt, ich könne behutsam und distanziert bleiben und dem Leser in distinguierter Objektivität gegenübertreten, musste ich nun erfahren, dass es einfach unmöglich war. Wo das »Ich« durchaus hätte vermieden werden sollen, erwies es sich als der einzig brauchbare Ansatzpunkt. Eine nachdenklich-essayistische Arbeit hatte ich geplant. Eine durch Meditationen gebrochene, persönliche Konfession entstand. Auch sah ich sehr schnell ein, wie sinnlos es wäre, den vielen, teilweise ausgezeichneten dokumentarischen Werken, die zu meinem Themenkreis schon
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vorliegen, noch ein weiteres beizufügen. Bekennend und meditierend gelangte ich zu einer Untersuchung oder, wenn man will, zu einer Wesensbeschreibung der Opfer-Existenz.
Es war ein langsames und mühseliges Vorwärtstasten im bis zum Überdruss Bekannten, das gleichwohl fremd geblieben war. Darum sind auch in diesem Buch die Aufsätze nicht nach der Chronologie des Ereignisses angeordnet, sondern nach der Reihenfolge ihrer Entstehung. Der Leser, sofern er sich überhaupt darauf einlassen mag, sich mir zuzugesellen, muss mich denn wohl auch durch das Dunkel, das ich Schritt für Schritt erhellte, im gleichen Rhythmus begleiten. Dabei wird er auf Widersprüche stossen, in denen ich mich selbst verfing. So war mir in dem Aufsatz über die Tortur noch durchaus unklar, welche Bedeutung dem Begriff der Würde zu geben sei, und ich tat ihn gleichsam mit einer Handbewegung ab, während ich später, in der Arbeit über mein Judesein zu erkennen glaubte, dass Würde das von der Gesellschaft vergebene Recht auf Leben ist. Ebenso hatte ich, über Auschwitz und Tortur schreibend, noch nicht mit hinlänglicher Deutlichkeit gesehen, dass meine Situation nicht voll enthalten ist im Begriff des »Naziopfers«: erst als ich zum Ende kam und über Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein, nachdachte, fand ich mich im Bilde des jüdischen Opfers. Es ist in diesen Blättern, die unzulänglich sein mögen, von denen ich aber beteuern darf, dass sie aufrichtig sind, sehr viel von Schuld die Rede und auch von Sühne, denn ich mochte andere Empfindlichkeiten so wenig schonen wie meine eigene. Dennoch glaube ich, dass diese Arbeit als ein Befund jenseits der Frage von Schuld und Sühne steht. Es wurde beschrieben, wie es bestellt ist um einen Überwältigten, das ist alles. Ich wende mich in diesem Buch nicht an meine Schicksalsgefährten. Sie wissen Bescheid. Jeder von ihnen muss auf seine Weise die Erlebnislast mit sich tragen. Den Deutschen freilich, die in ih
Es war ein langsames und mühseliges Vorwärtstasten im bis zum Überdruss Bekannten, das gleichwohl fremd geblieben war. Darum sind auch in diesem Buch die Aufsätze nicht nach der Chronologie des Ereignisses angeordnet, sondern nach der Reihenfolge ihrer Entstehung. Der Leser, sofern er sich überhaupt darauf einlassen mag, sich mir zuzugesellen, muss mich denn wohl auch durch das Dunkel, das ich Schritt für Schritt erhellte, im gleichen Rhythmus begleiten. Dabei wird er auf Widersprüche stossen, in denen ich mich selbst verfing. So war mir in dem Aufsatz über die Tortur noch durchaus unklar, welche Bedeutung dem Begriff der Würde zu geben sei, und ich tat ihn gleichsam mit einer Handbewegung ab, während ich später, in der Arbeit über mein Judesein zu erkennen glaubte, dass Würde das von der Gesellschaft vergebene Recht auf Leben ist. Ebenso hatte ich, über Auschwitz und Tortur schreibend, noch nicht mit hinlänglicher Deutlichkeit gesehen, dass meine Situation nicht voll enthalten ist im Begriff des »Naziopfers«: erst als ich zum Ende kam und über Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein, nachdachte, fand ich mich im Bilde des jüdischen Opfers. Es ist in diesen Blättern, die unzulänglich sein mögen, von denen ich aber beteuern darf, dass sie aufrichtig sind, sehr viel von Schuld die Rede und auch von Sühne, denn ich mochte andere Empfindlichkeiten so wenig schonen wie meine eigene. Dennoch glaube ich, dass diese Arbeit als ein Befund jenseits der Frage von Schuld und Sühne steht. Es wurde beschrieben, wie es bestellt ist um einen Überwältigten, das ist alles. Ich wende mich in diesem Buch nicht an meine Schicksalsgefährten. Sie wissen Bescheid. Jeder von ihnen muss auf seine Weise die Erlebnislast mit sich tragen. Den Deutschen freilich, die in ih
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Autoren-Porträt von Jean Amery
Jean Améry, im Oktober 1912 als Hans Mayer in Wien geboren, zählt zu den bedeutendsten europäischen Intellektuellen der sechziger und siebziger Jahre. Seine bahnbrechenden Essays sind in ihrer Bedeutung vielleicht nur mit den Schriften Hannah Arendts und Theodor W. Adornos zu vergleichen. Als Reflexion über die Existenz im Vernichtungslager stehen sie vermutlich Primo Levis Büchern am nächsten. Zugleich jedoch hat Améry wie kaum ein anderer Intellektueller die deutsche Öffentlichkeit mit französischen Denkern und Schriftstellern bekannt gemacht und konfrontiert.Jean Améry starb im Oktober 1978 durch eigene Hand.Von Irene Heidelberger-Leonard ist bei Klett-Cotta eine Biographie von Jean Améry erschienen.Bei Klett-Cotta erscheint die neunbändige, reich kommentierte Werkausgabe mit zahlreichen noch nicht veröffentlichten Texten. Damit besteht zum ersten Mal ein Gesamtüberblick über das vielseitige Werk Amérys.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jean Amery
- 2010, N.-A., 167 Seiten, Masse: 12,6 x 20,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-10: 3608938451
- ISBN-13: 9783608938456
- Erscheinungsdatum: 06.08.2010
Rezension zu „Über das Altern “
»Ein Buch ruhiger und doch kraftvoller Nachdenklichkeit ... Ein einzelner hat hier für einzelne geschrieben, die bereit sind, in letzten Dingen bis ans Ende zu denken.« Die Zeit »Man muss dieses ernste Buch gründlich lesen, dann zeigt sich, dass es auf viele seiner komplizierten Fragen verblüffend einfache Antworten gibt. Wer nicht altern will, soll jung sterben, heisst eine, und die andere heisst: Er soll jung bleiben.« Claudius Seidl, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Pressezitat
»Ein Buch ruhiger und doch kraftvoller Nachdenklichkeit ... Ein einzelner hat hier für einzelne geschrieben, die bereit sind, in letzten Dingen bis ans Ende zu denken.« Die Zeit »Man muss dieses ernste Buch gründlich lesen, dann zeigt sich, dass es auf viele seiner komplizierten Fragen verblüffend einfache Antworten gibt. Wer nicht altern will, soll jung sterben, heisst eine, und die andere heisst: Er soll jung bleiben.« Claudius Seidl, Frankfurter Allgemeine Zeitung
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