Todesspiele / Todestrilogie Bd.3
Thriller
Bei einer Razzia entdeckt die Polizei fünf übel zugerichtete Mädchenleichen. Zwei weitere Mädchen konnten schwerverletzt fliehen und liefern wertvolle Hinweise auf die sadistischen Täter. Staatsanwältin Vartanian geht der Fall näher, als ihr lieb ist.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Todesspiele / Todestrilogie Bd.3 “
Bei einer Razzia entdeckt die Polizei fünf übel zugerichtete Mädchenleichen. Zwei weitere Mädchen konnten schwerverletzt fliehen und liefern wertvolle Hinweise auf die sadistischen Täter. Staatsanwältin Vartanian geht der Fall näher, als ihr lieb ist.
Klappentext zu „Todesspiele / Todestrilogie Bd.3 “
Die letzte Razzia wird Special Agent Luke Papadopoulos noch lange in seinen Alpträumen verfolgen: In einem Bunker stösst die Polizei auf fünf bestialisch zugerichtete Leichen sowie zwei Mädchen, die schwerverletzt überlebt haben. Von ihren Peinigern keine Spur. Die Aussagen der Überlebenden führen die Ermittler auf die Spur eines international operierenden Menschenhändlerrings. Ein dramatischer Wettlauf beginnt, als Luke und die smarte Staatsanwältin Susannah Vartanian die Ermittlungen aufnehmen. Doch als Susannah ein Brandzeichen auf den Körpern der Opfer entdeckt, wird sie plötzlich von den Dämonen ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt - eine Vergangenheit, die immer noch tödlich enden kann ...
Lese-Probe zu „Todesspiele / Todestrilogie Bd.3 “
Todesspiele von Karen RoseProlog
Port Union, South Carolina, August.
Sechs Monate zuvor
... mehr
Monica Cassidy spürte ein nervöses Flattern in der Magengrube. Heute würde es geschehen. Sie war sechzehn Jahre alt, und sie hatte lange darauf gewartet. Aber heute hatte das Warten ein Ende. Heute würde aus ihr eine Frau werden. Endlich. Und ja, es war an der Zeit!
Sie bemerkte, dass sie nervös ihre Finger knetete, und zwang sich, damit aufzuhören. Beruhige dich, Monica. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein. Das ist doch etwas, na ja, Natürliches. Alle ihre Freundinnen hatten es schon getan. Manche sogar mehrere Male. Und heute bin ich dran. Monica setzte sich auf das Hotelbett und strich ein paar Erdkrumen von der Key-Card, die genau dort versteckt gewesen war, wo Jason es gesagt hatte.
Sie schauderte erwartungsvoll, und ihre Lippen umspielte ein kleines Lächeln. Sie hatte ihn in einem Chatroom kennengelernt, und es hatte sofort zwischen ihnen gefunkt. Nun würde sie ihn endlich persönlich kennenlernen. Körperlich. Er wollte ihr einiges beibringen, das hatte er ihr versprochen. Er war schon auf dem College, also viel erfahrener als die linkischen Jungs, die im Gedränge auf den Schulfluren ständig nach Mädchen grapschten. Endlich würde sie wie eine Erwachsene behandelt werden. Ganz anders, als ihre Mom sie behandelte.
Monica verdrehte die Augen. Wenn es nach ihrer Mutter ginge, wäre sie mit vierzig noch Jungfrau. Aber zum Glück bin ich schlauer. Sie grinste in sich hinein, als sie daran dachte, wie gründlich sie heute Morgen ihre Spuren verwischt hatte.
Sie hatte so gut wie niemandem gesagt, wohin sie wollte. Und so würde Monica gänzlich befriedigt nach Hause zurückkehren, noch bevor ihre Mutter von der Arbeit heimkam.
Wie war dein Tag, Liebes?, würde Mom fragen, und sie würde antworten: Wie immer, ganz okay.
Und sie würde sich wieder mit ihm treffen, sobald es ging. Denn sie war sechzehn Jahre alt, verdammt noch mal, und niemand würde ihr mehr sagen, was sie zu tun und zu lassen hatte.
Eine melodische Tonfolge erklang, und Monica wühlte hektisch in ihrer Tasche nach dem Handy. Sie sog scharf die Luft ein. Eine Nachricht von ihm.
Bist du da?, las sie. Ihr Daumen zitterte, als sie die Antwort eingab.
»Warte auf dich. Wo bist du?«, murmelte sie.
Meine Alten nerven. Komme ASAP. ILD, antwortete er.
Wieder verdrehte sie die Augen. Seine Eltern wollten ihn nicht aus dem Haus lassen. Und das, obwohl er schon auf dem College war! Aber er würde bald kommen. Sie lächelte. Er liebt mich. Ja, er war all die Mühe wert.
ILDA, Ich liebe dich auch, sandte sie zurück und klappte das Telefon zu.
Es war ein altes Handy, das nicht einmal eine Kamera hatte. Sie war die Einzige in ihrer Clique, mit deren verdammtem Handy man keine Fotos machen konnte.
Oh, ihre Mom hatte eins mit Kamera aber sie? Du kriegst ein neues Handy, wenn deine Noten besser werden. Monica verzog höhnisch die Lippen. Wenn du wüsstest, wo ich gerade bin, dann würdest du nicht mehr so reden. Plötzlich wurde sie unruhig und stand auf.
»Immer behandelst du mich wie ein Kleinkind«, murmelte sie, nahm ihre Handtasche und ging zum Spiegel über der Kommode. Sie sah gut aus, jedes Haar saß an seinem Platz. Ja, heute sah sie besonders hübsch aus. Und hübsch wollte sie für ihn sein. Nein heute wollte sie scharf sein.
Monica wühlte in ihrem Täschchen und holte die Kondome heraus, die sie aus dem Vorrat ihrer Mutter entwendet hatte, den diese ohnehin nie benutzte. Das Verfallsdatum war jedoch noch nicht überschritten, also mussten sie noch zu gebrauchen sein.
Sie sah auf die Uhr. Wo blieb er bloß? Sie würde zu spät nach Hause kommen, wenn er nicht bald eintraf. Die Tür öffnete sich knarrend, und Monica wandte sich mit dem raubtierhaften Lächeln um, das sie vor dem Spiegel geprobt hatte.
»Endlich. Hi.« Doch dann erstarrte sie. »Sie sind nicht Jason.«
Es war ein Polizist. »Nein, bin ich nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf.
»Bist du Monica?« Monica hob das Kinn. Ihr Herz hämmerte. »Geht Sie das etwas an?«
»Du hast verdammtes Glück, Mädchen. Ich bin Deputy Mansfield. Wir suchen deinen >Freund< Jason seit Wochen. Er ist in Wirklichkeit ein neunundfünfzigjähriger Perverser.«
Monica schüttelte den Kopf. »Das glaube ich Ihnen nicht.« Sie stürzte zur Tür.
»Jason! Hau ab. Hier sind Bullen!« Er packte sie an der Schulter. »Wir haben ihn bereits verhaftet.« Wieder schüttelte Monica den Kopf, diesmal jedoch verwirrt.
»Aber er hat mir doch gerade eine SMS geschickt.« »Das war ich. Ich habe sein Telefon benutzt, weil ich mich vergewissern wollte, dass du hier bist und dass es dir gut geht.« Seine Miene wurde sanft. »Monica, du hast wirklich Glück gehabt. Da draußen tummeln sich verflucht viele Betrüger und Verbrecher, die nur auf junge Mädchen wie dich warten.«
»Er hat gesagt, er sei neunzehn und ginge aufs College.« Der Deputy zuckte mit den Schultern.
»Er hat dich angelogen. Komm hol deine Sachen. Ich bringe dich nach Hause.«
Sie schloss die Augen. Wie oft hatte sie Reportagen über solche Fälle im Fernsehen gesehen? Und wie oft hatte sie sich von ihrer Mutter die typischen Ermahnungen anhören müssen?
»Siehst du? Überall Perverse.« Monica seufzte. Das konnte doch nicht wahr sein, oder?
»Meine Mutter bringt mich um.«
»Besser sie als der Kinderschänder«, sagte er. »Er hat bereits getötet.«
Monica spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
»Ernsthaft?«
»Mindestens zwei Mal. Na, komm. So schlimm wird es schon nicht werden. Mütter meinen es häufig nicht so ernst.«
»Haben Sie eine Ahnung«, brummte sie und nahm ihre Tasche. Ich bin erledigt. Ihre Mutter war immer schon extrem streng gewesen, und jetzt würde sie sie wahrscheinlich einsperren. Für immer und ewig. »O Gott«, stöhnte sie. »Das kann doch alles nicht wahr sein.«
Sie folgte dem Deputy zu einem Zivilwagen und sah die Leuchten des Armaturenbretts, als er die Beifahrertür öffnete.
»Steig ein und schnall dich an«, forderte er sie auf.
Sie gehorchte. »Sie können mich doch einfach nur zur Bushaltestelle fahren. Meine Mom muss ja nichts erfahren.«
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu, bevor er die Tür zuwarf. Dann setzte er sich hinters Steuer, griff nach hinten und holte eine Flasche Wasser von der Rückbank.
»Hier. Und nun entspann dich. Was wird dir deine Mutter denn schon Schlimmes antun?«
»Mich umbringen zum Beispiel«, murmelte Monica, schraubte den Verschluss ab und trank gut ein Drittel der Flasche aus. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie durstig sie war. Und hungrig, dachte sie, als ihr Magen zu knurren begann.
»Sagen Sie, können Sie an der Ausfahrt bei McDonald's halten? Ich habe heute noch nichts gegessen. Das zahle ich selbst.«
»Klar, kein Problem.« Er startete den Motor und fuhr auf den Highway, der zur Interstate führte. In wenigen Minuten hatte er die Strecke zurückgelegt, für die sie heute Morgen zu Fuß eine Stunde gebraucht hatte, nachdem der Fahrer, der sie mitgenommen hatte, sie an der Tankstelle an der Ausfahrt hinausgelassen hatte.
Monica runzelte die Stirn, als ihr schwindelig wurde.
»Oha. Ich habe wohl mehr Hunger, als ich eben dachte. Da drüben ist ...« Sie sah die goldenen Bögen im Seitenspiegel verschwinden, als sie auf die Interstate fuhren.
»Ich muss dringend etwas essen.«
»Du kriegst später was«, sagte er kalt. »Jetzt halt einfach die Klappe.«
Sie starrte ihn an. »Halten Sie an. Ich will aussteigen.«
Er lachte. »Ich halte an, wenn wir da sind.« Monica wollte den Türgriff packen, aber ihre Hand rührte sich nicht. Ihr Körper rührte sich nicht. Ich bin gelähmt!
»Du kannst dich nicht bewegen, nicht wahr?«, sagte er. »Keine Sorge. Das ist nur vorübergehend. Die Droge wirkt nicht ewig.«
Sie konnte ihn nicht mehr ansehen. Sie hatte die Augen geschlossen, und nun konnte sie sie nicht mehr öffnen.
O Gott. O mein Gott. Was ist hier los? Sie wollte schreien, aber es ging nicht. Mom!
»Hey. Ich bin's«, hörte sie ihn sagen.
Er telefonierte. »Ja, ich hab sie.« Er lachte leise.
»Doch, sie ist hübsch. Und vielleicht ist sie sogar wirklich noch Jungfrau, wie sie behauptet hat. Ich bringe sie jetzt vorbei. Halte das Geld bereit. Bar, wie immer.«
Sie hörte einen Laut, ein ängstliches Wimmern, und begriff, dass es aus ihrer Kehle kam.
»Manchmal sollte man auf seine Mama hören«, sagte er spöttisch. »Jetzt gehörst du mir.«
12
1. Kapitel
Ridgefield House, Georgia,
Freitag, 2. Februar, 13.30 Uhr
Das Klingeln von Bobbys Handy unterbrach ihre Schachpartie. Charles' Hand verharrte reglos über der Dame.
»Musst du da rangehen?« Bobby sah die Nummer auf dem Display und runzelte die Stirn. Es war Rocky, die von ihrem privaten Handy anrief.
»Ja. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest.« Charles machte eine auffordernde Geste.
»Bitte. Soll ich den Raum verlassen?«
»Sei nicht albern.« Bobby drückte auf Annehmen.
»Warum rufst du an?«
»Weil Granville mich angerufen hat«, sagte Rocky gepresst. Im Hintergrund waren Straßengeräusche zu hören. Sie saß also in ihrem Auto.
»Mansfield ist bei ihm im Lager am Fluss. Mansfield hat gesagt, er habe angeblich von Granville eine SMS bekommen, dass Daniel Vartanian Bescheid weiß und mit der Polizei anrückt. Granville sagt, er habe diese SMS nicht geschickt, und ich wüsste nicht, warum er lügen sollte.«
Bobby sagte nichts. Das war weitaus schlimmer als erwartet. Nach einem Augenblick fügte Rocky zögernd hinzu: »Vartanian hätte sie nicht gewarnt. Er wäre einfach mit einem SWAT-Team dort aufgetaucht. Ich ... ich denke, wir waren zu spät.«
»Wir waren zu spät?«, fragte Bobby beißend, und am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
»Also gut«, sagte Rocky schließlich. »Ich war zu spät. Aber nun lässt es sich nicht mehr ändern. Wir müssen davon ausgehen, dass das Lager am Fluss nicht mehr zu gebrauchen ist.«
»Verdammter Dreck«, murmelte Bobby und wand sich innerlich, als Charles tadelnd eine Braue hochzog.
»Verschwinde über den Fluss, nicht über die Straße. Es fehlt gerade noch, dass du den Bullen in die Arme läufst. Ruf Jersey an. Er hat schon öfter Ladungen für mich transportiert.«
»Granville hat ihn schon angerufen, und er ist unterwegs. Das Dumme ist bloß, dass wir nur sechs im Boot unterkriegen.« Bobbys Miene verfinsterte sich.
»Jerseys Boot hat Platz für zwölf mindestens.« »Das große wird an anderer Stelle gebraucht. Er kann uns nur das kleine zur Verfügung stellen.«
Verdammt. Bobby warf Charles einen Blick zu, der interessiert lauschte.
»Eliminiert, was ihr nicht transportieren könnt. Und seht zu, dass ihr nichts zurücklasst. Verstanden? Lasst nichts zurück. Versenkt alles im Fluss, wenn keine Zeit für andere Arrangements ist. Hinterm Generator liegen einige Sandsäcke. Den Rest bringst du her. Ich treffe dich am Dock.«
»Okay. Ich bin unterwegs, um aufzupassen, dass die beiden keinen Mist bauen.«
»Gut. Und hab ein Auge auf Granville. Er ist nicht gerade ...«
Bobby warf Charles einen Blick zu, der nun amüsiert wirkte. »Gefestigt.«
»Das ist mir klar. Eines noch, ich habe gehört, dass Daniel Vartanian heute bei der Bank war.« Endlich einmal eine bessere Nachricht.
»Und? Hast du auch gehört, was dabei herausgekommen ist?«
»Nichts. Das Bankfach war leer.«
Natürlich war es leer. Weil ich es schon vor Jahren leer geräumt habe.
»Interessant. Aber darüber können wir später reden. Sieh zu, dass du zum Lager kommst, und ruf mich an, wenn du alles erledigt hast.«
Bobby legte auf und begegnete Charles' neugierigem Blick.
»Du hättest mir sagen können, dass Toby Granville eine instabile Persönlichkeit ist, bevor er mein Geschäftspartner wurde. Dieser Spinner.«
Charles lächelte selbstzufrieden. »Dann wäre mir aber sehr viel Spaß entgangen. Wie macht sich deine neue Assistentin?«
»Gut. Sie wird immer noch ein wenig grün um die Nase, wenn sie Aufträge ausführt, aber das lässt sie sich vor den Männern nie anmerken. Und sie erledigt ihre Arbeit.«
»Schön. Das freut mich.« Er neigte den Kopf. »Und ist sonst auch alles in Ordnung?«
Bobby setzte sich zurück. »Das Unternehmen läuft bestens. Alles andere geht dich nichts an.« »Solange meine Investitionen Erträge abwerfen, kannst du meinetwegen Geheimnisse haben.«
»Oh, du bekommst deine Dividende, keine Sorge. Dieses Jahr läuft recht gut. Die Gewinne liegen bei vierzig Prozent, und unsere neue Premium Line verkauft sich rasant.«
»Und doch hast du eben angeordnet, Ware zu eliminieren.«
»Diese Ware war ohnehin so gut wie hinüber. Also wo waren wir?«
Charles setzte die Dame. »Bei Schachmatt, glaube ich.«
Bobby fluchte leise.
»Ich hätte es wissen müssen. Du bist und bleibst ein Meister des Schachbretts.«
»Ich bin und bleibe der Meister«, korrigierte Charles, was Bobby instinktiv dazu brachte, sich etwas gerader aufzusetzen. Charles nickte, und Bobby musste den Ärger herunterschlucken, wie jedes Mal, wenn Charles die Zügel anzog.
»Ich bin natürlich nicht einfach vorbeigekommen, um dich beim Schach zu schlagen«, fuhr Charles nun fort. »Ich habe Neuigkeiten. Heute Morgen ist ein Flugzeug in Atlanta gelandet.«
Unbehagen ließ Bobby frösteln. »Na und? In Atlanta landen tagtäglich Hunderte von Flugzeugen, wenn nicht sogar Tausende.«
»Stimmt.« Charles begann, die Schachfiguren in das Elfenbeinkästchen zu legen, das er stets bei sich trug. »Aber in diesem Flugzeug saß ein Passagier, an dem du ein besonderes Interesse hast.« »Wer?« Charles sah in Bobbys zusammengekniffene Augen und lächelte erneut.
»Susannah Vartanian.« Er hielt die weiße Dame hoch. »Sie ist wieder in der Stadt.«
Bobby nahm Charles die Dame aus der Hand und versuchte, trotz des erneut aufkommenden Zorns gelassen zu wirken.
»Sieh an.«
»Ja, sieh an. Das letzte Mal hast du deine Chance verpasst.«
»Ich habe es das letzte Mal gar nicht versucht«, fauchte Bobby trotzig. »Sie war nur einen einzigen Tag hier. Als der Richter und seine Frau begraben wurden.«
Susannah hatte mit ausdruckslosem Gesicht an der Seite ihres Bruders gestanden, doch ihre Augen hatten sie verraten. Sie nach all den Jahren zu sehen ... Der Sturm der Gefühle in Susannahs Blick war nichts gewesen im Vergleich zu dem brodelnden Zorn, den Bobby zu schlucken gezwungen war. »Na, na, reiß meiner Dame nicht den Kopf ab«, sagte Charles gedehnt.
»Sie wurde von einem Schnitzmeister in Saigon handgefertigt und ist im Gegensatz zu dir unersetzlich.«
Bobby legte Charles die Figur in die Hand, ohne auf die Spitze einzugehen. Beruhige dich. Wenn du wütend bist, begehst du Fehler.
»Vergangene Woche ist sie zu schnell nach New York zurückgekehrt. Ich hatte keine Zeit, mich ausreichend vorzubereiten.«
Es klang weinerlich, was Bobby noch wütender machte.
»Flugzeuge fliegen auch in die andere Richtung, Bobby. Du hättest nicht bis zu ihrer Rückkehr warten müssen.«
Charles legte die Dame in die mit Samt ausgeschlagene Mulde seines Kästchens.
»Aber anscheinend bekommst du jetzt eine zweite Chance. Und ich hoffe doch, dass du dieses Mal effektiver planst.«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Charles lächelte. »Reserviere mir einen Logenplatz, wenn es losgeht. Ich weiß eine gute Show zu schätzen.«
Bobby lächelte grimmig. »Die wirst du bekommen. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich habe eine dringende Sache zu erledigen.«
Charles erhob sich. »Ich muss ohnehin gehen. Man erwartet mich auf einer Beerdigung.«
»Und wer wird heute beerdigt?«
»Lisa Woolf.«
»Nun, dann hoffen wir, dass Jim und Marianne die Feier genießen. Zumindest müssen sie nicht befürchten, dass man ihnen die Story klaut. Endlich dürfen sie als Reporter mal in der ersten Reihe sitzen. Direkt am Familiengrab.«
»Schäm dich, Bobby.«
Charles schüttelte mit gespielter Empörung den Kopf. »Wie kann man nur so etwas sagen.«
»Es ist wahr, und du weißt es. Jim Woolf hätte seine Schwester glatt selbst umgebracht, wenn ihm dafür die große Story sicher gewesen wäre.«
Charles setzte seinen Hut auf und nahm seinen Gehstock. Das Elfenbeinkästchen schob er sich unter den Arm.
»Nun, dann ist der Unterschied zwischen euch ja gar nicht so groß.«
O doch, dachte Bobby, während Charles davonfuhr. Es geht mir wohl kaum um eine Story. Viel zu unbedeutend. Ein Geburtsrecht dagegen ... nun, das war etwas vollkommen anderes. Aber nun war keine Zeit zum Träumen. Es gab viel zu tun.
»Tanner! Komm her. Ich brauche dich.« Der alte Mann tauchte wie immer scheinbar aus dem Nichts auf.
»Ja?«
»Wir bekommen unerwarteten Besuch. Bereite die Unterbringung von sechs weiteren vor.«
Tanner nickte.
»Selbstverständlich. Während du mit Mr. Charles gesprochen hast, hat Mr. Haynes angerufen. Er wird heute Abend kommen, um sich für das Wochenende Gesellschaft zu besorgen.«
Bobby lächelte.
Haynes war ein wichtiger Kunde reich, pervers, verschwiegen , und er zahlte bar.
»Wunderbar. Wir haben, was er sucht.« Charles hielt den Wagen am Ende der Straße an. Die Türmchen von Ridgefield House waren von hier aus noch zu erkennen.
Das Haus war nahezu hundert Jahre alt und solide gebaut. Charles wusste architektonische Wertarbeit zu schätzen, denn er hatte schon an vielen Orten gewohnt, die nicht einmal Ratten als Zuhause bezeichnet hätten.
Bobby benutzte Ridgefield, um »Ware einzulagern«, und zu diesem Zweck war das Haus ideal. Es lag so einsam, dass die meisten Menschen im Umland es vergessen hatten. Der Fluss war recht nah, so dass man ihn nutzen konnte, aber nicht zu nah, falls das Wasser über die Ufer trat.
Das Haus selbst war nicht groß, nicht schön oder alt genug, als dass es einen potenziellen Käufer interessiert hätte. Einfach perfekt.
Jahrelang war das alte, hässliche Gebäude für Bobby nicht in Betracht gekommen, aber mit der Reife war auch das Verständnis für das gekommen, was Charles schon lange zuvor gelernt hatte. Glänzende Verpackungen zogen Aufmerksamkeit an. Das Kennzeichen wahren Erfolgs ist die Unsichtbarkeit. Sich in aller Öffentlichkeit zu verstecken machte es möglich, die schillernden Wichtigtuer zu manipulieren.
Sie sind meine Marionetten. Sie tanzen nach meiner Pfeife. Die meisten Menschen reagierten mit Wut oder Hilflosigkeit, aber sie hatten keine Ahnung, was wahre Hilflosigkeit bedeutete. Sie fürchteten den Verlust der Reichtümer, die sie angehäuft hatten, und sie fürchteten ihn so sehr, dass sie ohne zu zögern ihren Stolz und ihren Anstand opferten, sogar die Moral, die in Wahrheit nichts als eine Farce war.
Manche fielen schon beim kleinsten Schubser, und das waren die Leute, die Charles wirklich verachtete. Sie wussten wahrhaftig nicht, wie es war, alles alles! zu verlieren. Wie es war, wenn es kein Wohlgefühl mehr gab, keine Hoffnung auf Erlösung oder Erleichterung, wenn einem sogar viele der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse versagt blieben.
Die Schwachen hatten Angst, ihren Besitz zu verlieren. Charles jedoch nicht. Wer einmal so tief unten gewesen war, dass er fast seine Menschlichkeit verloren hätte, der fürchtete sich nicht mehr. Charles hatte keine Angst. Aber er hatte Pläne, und zu diesen Plänen gehörten auch Bobby und Susannah.
Übersetzung: Kerstin Winter
Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe bei Knaur Verlag
Monica Cassidy spürte ein nervöses Flattern in der Magengrube. Heute würde es geschehen. Sie war sechzehn Jahre alt, und sie hatte lange darauf gewartet. Aber heute hatte das Warten ein Ende. Heute würde aus ihr eine Frau werden. Endlich. Und ja, es war an der Zeit!
Sie bemerkte, dass sie nervös ihre Finger knetete, und zwang sich, damit aufzuhören. Beruhige dich, Monica. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein. Das ist doch etwas, na ja, Natürliches. Alle ihre Freundinnen hatten es schon getan. Manche sogar mehrere Male. Und heute bin ich dran. Monica setzte sich auf das Hotelbett und strich ein paar Erdkrumen von der Key-Card, die genau dort versteckt gewesen war, wo Jason es gesagt hatte.
Sie schauderte erwartungsvoll, und ihre Lippen umspielte ein kleines Lächeln. Sie hatte ihn in einem Chatroom kennengelernt, und es hatte sofort zwischen ihnen gefunkt. Nun würde sie ihn endlich persönlich kennenlernen. Körperlich. Er wollte ihr einiges beibringen, das hatte er ihr versprochen. Er war schon auf dem College, also viel erfahrener als die linkischen Jungs, die im Gedränge auf den Schulfluren ständig nach Mädchen grapschten. Endlich würde sie wie eine Erwachsene behandelt werden. Ganz anders, als ihre Mom sie behandelte.
Monica verdrehte die Augen. Wenn es nach ihrer Mutter ginge, wäre sie mit vierzig noch Jungfrau. Aber zum Glück bin ich schlauer. Sie grinste in sich hinein, als sie daran dachte, wie gründlich sie heute Morgen ihre Spuren verwischt hatte.
Sie hatte so gut wie niemandem gesagt, wohin sie wollte. Und so würde Monica gänzlich befriedigt nach Hause zurückkehren, noch bevor ihre Mutter von der Arbeit heimkam.
Wie war dein Tag, Liebes?, würde Mom fragen, und sie würde antworten: Wie immer, ganz okay.
Und sie würde sich wieder mit ihm treffen, sobald es ging. Denn sie war sechzehn Jahre alt, verdammt noch mal, und niemand würde ihr mehr sagen, was sie zu tun und zu lassen hatte.
Eine melodische Tonfolge erklang, und Monica wühlte hektisch in ihrer Tasche nach dem Handy. Sie sog scharf die Luft ein. Eine Nachricht von ihm.
Bist du da?, las sie. Ihr Daumen zitterte, als sie die Antwort eingab.
»Warte auf dich. Wo bist du?«, murmelte sie.
Meine Alten nerven. Komme ASAP. ILD, antwortete er.
Wieder verdrehte sie die Augen. Seine Eltern wollten ihn nicht aus dem Haus lassen. Und das, obwohl er schon auf dem College war! Aber er würde bald kommen. Sie lächelte. Er liebt mich. Ja, er war all die Mühe wert.
ILDA, Ich liebe dich auch, sandte sie zurück und klappte das Telefon zu.
Es war ein altes Handy, das nicht einmal eine Kamera hatte. Sie war die Einzige in ihrer Clique, mit deren verdammtem Handy man keine Fotos machen konnte.
Oh, ihre Mom hatte eins mit Kamera aber sie? Du kriegst ein neues Handy, wenn deine Noten besser werden. Monica verzog höhnisch die Lippen. Wenn du wüsstest, wo ich gerade bin, dann würdest du nicht mehr so reden. Plötzlich wurde sie unruhig und stand auf.
»Immer behandelst du mich wie ein Kleinkind«, murmelte sie, nahm ihre Handtasche und ging zum Spiegel über der Kommode. Sie sah gut aus, jedes Haar saß an seinem Platz. Ja, heute sah sie besonders hübsch aus. Und hübsch wollte sie für ihn sein. Nein heute wollte sie scharf sein.
Monica wühlte in ihrem Täschchen und holte die Kondome heraus, die sie aus dem Vorrat ihrer Mutter entwendet hatte, den diese ohnehin nie benutzte. Das Verfallsdatum war jedoch noch nicht überschritten, also mussten sie noch zu gebrauchen sein.
Sie sah auf die Uhr. Wo blieb er bloß? Sie würde zu spät nach Hause kommen, wenn er nicht bald eintraf. Die Tür öffnete sich knarrend, und Monica wandte sich mit dem raubtierhaften Lächeln um, das sie vor dem Spiegel geprobt hatte.
»Endlich. Hi.« Doch dann erstarrte sie. »Sie sind nicht Jason.«
Es war ein Polizist. »Nein, bin ich nicht«, sagte er und schüttelte den Kopf.
»Bist du Monica?« Monica hob das Kinn. Ihr Herz hämmerte. »Geht Sie das etwas an?«
»Du hast verdammtes Glück, Mädchen. Ich bin Deputy Mansfield. Wir suchen deinen >Freund< Jason seit Wochen. Er ist in Wirklichkeit ein neunundfünfzigjähriger Perverser.«
Monica schüttelte den Kopf. »Das glaube ich Ihnen nicht.« Sie stürzte zur Tür.
»Jason! Hau ab. Hier sind Bullen!« Er packte sie an der Schulter. »Wir haben ihn bereits verhaftet.« Wieder schüttelte Monica den Kopf, diesmal jedoch verwirrt.
»Aber er hat mir doch gerade eine SMS geschickt.« »Das war ich. Ich habe sein Telefon benutzt, weil ich mich vergewissern wollte, dass du hier bist und dass es dir gut geht.« Seine Miene wurde sanft. »Monica, du hast wirklich Glück gehabt. Da draußen tummeln sich verflucht viele Betrüger und Verbrecher, die nur auf junge Mädchen wie dich warten.«
»Er hat gesagt, er sei neunzehn und ginge aufs College.« Der Deputy zuckte mit den Schultern.
»Er hat dich angelogen. Komm hol deine Sachen. Ich bringe dich nach Hause.«
Sie schloss die Augen. Wie oft hatte sie Reportagen über solche Fälle im Fernsehen gesehen? Und wie oft hatte sie sich von ihrer Mutter die typischen Ermahnungen anhören müssen?
»Siehst du? Überall Perverse.« Monica seufzte. Das konnte doch nicht wahr sein, oder?
»Meine Mutter bringt mich um.«
»Besser sie als der Kinderschänder«, sagte er. »Er hat bereits getötet.«
Monica spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
»Ernsthaft?«
»Mindestens zwei Mal. Na, komm. So schlimm wird es schon nicht werden. Mütter meinen es häufig nicht so ernst.«
»Haben Sie eine Ahnung«, brummte sie und nahm ihre Tasche. Ich bin erledigt. Ihre Mutter war immer schon extrem streng gewesen, und jetzt würde sie sie wahrscheinlich einsperren. Für immer und ewig. »O Gott«, stöhnte sie. »Das kann doch alles nicht wahr sein.«
Sie folgte dem Deputy zu einem Zivilwagen und sah die Leuchten des Armaturenbretts, als er die Beifahrertür öffnete.
»Steig ein und schnall dich an«, forderte er sie auf.
Sie gehorchte. »Sie können mich doch einfach nur zur Bushaltestelle fahren. Meine Mom muss ja nichts erfahren.«
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu, bevor er die Tür zuwarf. Dann setzte er sich hinters Steuer, griff nach hinten und holte eine Flasche Wasser von der Rückbank.
»Hier. Und nun entspann dich. Was wird dir deine Mutter denn schon Schlimmes antun?«
»Mich umbringen zum Beispiel«, murmelte Monica, schraubte den Verschluss ab und trank gut ein Drittel der Flasche aus. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie durstig sie war. Und hungrig, dachte sie, als ihr Magen zu knurren begann.
»Sagen Sie, können Sie an der Ausfahrt bei McDonald's halten? Ich habe heute noch nichts gegessen. Das zahle ich selbst.«
»Klar, kein Problem.« Er startete den Motor und fuhr auf den Highway, der zur Interstate führte. In wenigen Minuten hatte er die Strecke zurückgelegt, für die sie heute Morgen zu Fuß eine Stunde gebraucht hatte, nachdem der Fahrer, der sie mitgenommen hatte, sie an der Tankstelle an der Ausfahrt hinausgelassen hatte.
Monica runzelte die Stirn, als ihr schwindelig wurde.
»Oha. Ich habe wohl mehr Hunger, als ich eben dachte. Da drüben ist ...« Sie sah die goldenen Bögen im Seitenspiegel verschwinden, als sie auf die Interstate fuhren.
»Ich muss dringend etwas essen.«
»Du kriegst später was«, sagte er kalt. »Jetzt halt einfach die Klappe.«
Sie starrte ihn an. »Halten Sie an. Ich will aussteigen.«
Er lachte. »Ich halte an, wenn wir da sind.« Monica wollte den Türgriff packen, aber ihre Hand rührte sich nicht. Ihr Körper rührte sich nicht. Ich bin gelähmt!
»Du kannst dich nicht bewegen, nicht wahr?«, sagte er. »Keine Sorge. Das ist nur vorübergehend. Die Droge wirkt nicht ewig.«
Sie konnte ihn nicht mehr ansehen. Sie hatte die Augen geschlossen, und nun konnte sie sie nicht mehr öffnen.
O Gott. O mein Gott. Was ist hier los? Sie wollte schreien, aber es ging nicht. Mom!
»Hey. Ich bin's«, hörte sie ihn sagen.
Er telefonierte. »Ja, ich hab sie.« Er lachte leise.
»Doch, sie ist hübsch. Und vielleicht ist sie sogar wirklich noch Jungfrau, wie sie behauptet hat. Ich bringe sie jetzt vorbei. Halte das Geld bereit. Bar, wie immer.«
Sie hörte einen Laut, ein ängstliches Wimmern, und begriff, dass es aus ihrer Kehle kam.
»Manchmal sollte man auf seine Mama hören«, sagte er spöttisch. »Jetzt gehörst du mir.«
12
1. Kapitel
Ridgefield House, Georgia,
Freitag, 2. Februar, 13.30 Uhr
Das Klingeln von Bobbys Handy unterbrach ihre Schachpartie. Charles' Hand verharrte reglos über der Dame.
»Musst du da rangehen?« Bobby sah die Nummer auf dem Display und runzelte die Stirn. Es war Rocky, die von ihrem privaten Handy anrief.
»Ja. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest.« Charles machte eine auffordernde Geste.
»Bitte. Soll ich den Raum verlassen?«
»Sei nicht albern.« Bobby drückte auf Annehmen.
»Warum rufst du an?«
»Weil Granville mich angerufen hat«, sagte Rocky gepresst. Im Hintergrund waren Straßengeräusche zu hören. Sie saß also in ihrem Auto.
»Mansfield ist bei ihm im Lager am Fluss. Mansfield hat gesagt, er habe angeblich von Granville eine SMS bekommen, dass Daniel Vartanian Bescheid weiß und mit der Polizei anrückt. Granville sagt, er habe diese SMS nicht geschickt, und ich wüsste nicht, warum er lügen sollte.«
Bobby sagte nichts. Das war weitaus schlimmer als erwartet. Nach einem Augenblick fügte Rocky zögernd hinzu: »Vartanian hätte sie nicht gewarnt. Er wäre einfach mit einem SWAT-Team dort aufgetaucht. Ich ... ich denke, wir waren zu spät.«
»Wir waren zu spät?«, fragte Bobby beißend, und am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
»Also gut«, sagte Rocky schließlich. »Ich war zu spät. Aber nun lässt es sich nicht mehr ändern. Wir müssen davon ausgehen, dass das Lager am Fluss nicht mehr zu gebrauchen ist.«
»Verdammter Dreck«, murmelte Bobby und wand sich innerlich, als Charles tadelnd eine Braue hochzog.
»Verschwinde über den Fluss, nicht über die Straße. Es fehlt gerade noch, dass du den Bullen in die Arme läufst. Ruf Jersey an. Er hat schon öfter Ladungen für mich transportiert.«
»Granville hat ihn schon angerufen, und er ist unterwegs. Das Dumme ist bloß, dass wir nur sechs im Boot unterkriegen.« Bobbys Miene verfinsterte sich.
»Jerseys Boot hat Platz für zwölf mindestens.« »Das große wird an anderer Stelle gebraucht. Er kann uns nur das kleine zur Verfügung stellen.«
Verdammt. Bobby warf Charles einen Blick zu, der interessiert lauschte.
»Eliminiert, was ihr nicht transportieren könnt. Und seht zu, dass ihr nichts zurücklasst. Verstanden? Lasst nichts zurück. Versenkt alles im Fluss, wenn keine Zeit für andere Arrangements ist. Hinterm Generator liegen einige Sandsäcke. Den Rest bringst du her. Ich treffe dich am Dock.«
»Okay. Ich bin unterwegs, um aufzupassen, dass die beiden keinen Mist bauen.«
»Gut. Und hab ein Auge auf Granville. Er ist nicht gerade ...«
Bobby warf Charles einen Blick zu, der nun amüsiert wirkte. »Gefestigt.«
»Das ist mir klar. Eines noch, ich habe gehört, dass Daniel Vartanian heute bei der Bank war.« Endlich einmal eine bessere Nachricht.
»Und? Hast du auch gehört, was dabei herausgekommen ist?«
»Nichts. Das Bankfach war leer.«
Natürlich war es leer. Weil ich es schon vor Jahren leer geräumt habe.
»Interessant. Aber darüber können wir später reden. Sieh zu, dass du zum Lager kommst, und ruf mich an, wenn du alles erledigt hast.«
Bobby legte auf und begegnete Charles' neugierigem Blick.
»Du hättest mir sagen können, dass Toby Granville eine instabile Persönlichkeit ist, bevor er mein Geschäftspartner wurde. Dieser Spinner.«
Charles lächelte selbstzufrieden. »Dann wäre mir aber sehr viel Spaß entgangen. Wie macht sich deine neue Assistentin?«
»Gut. Sie wird immer noch ein wenig grün um die Nase, wenn sie Aufträge ausführt, aber das lässt sie sich vor den Männern nie anmerken. Und sie erledigt ihre Arbeit.«
»Schön. Das freut mich.« Er neigte den Kopf. »Und ist sonst auch alles in Ordnung?«
Bobby setzte sich zurück. »Das Unternehmen läuft bestens. Alles andere geht dich nichts an.« »Solange meine Investitionen Erträge abwerfen, kannst du meinetwegen Geheimnisse haben.«
»Oh, du bekommst deine Dividende, keine Sorge. Dieses Jahr läuft recht gut. Die Gewinne liegen bei vierzig Prozent, und unsere neue Premium Line verkauft sich rasant.«
»Und doch hast du eben angeordnet, Ware zu eliminieren.«
»Diese Ware war ohnehin so gut wie hinüber. Also wo waren wir?«
Charles setzte die Dame. »Bei Schachmatt, glaube ich.«
Bobby fluchte leise.
»Ich hätte es wissen müssen. Du bist und bleibst ein Meister des Schachbretts.«
»Ich bin und bleibe der Meister«, korrigierte Charles, was Bobby instinktiv dazu brachte, sich etwas gerader aufzusetzen. Charles nickte, und Bobby musste den Ärger herunterschlucken, wie jedes Mal, wenn Charles die Zügel anzog.
»Ich bin natürlich nicht einfach vorbeigekommen, um dich beim Schach zu schlagen«, fuhr Charles nun fort. »Ich habe Neuigkeiten. Heute Morgen ist ein Flugzeug in Atlanta gelandet.«
Unbehagen ließ Bobby frösteln. »Na und? In Atlanta landen tagtäglich Hunderte von Flugzeugen, wenn nicht sogar Tausende.«
»Stimmt.« Charles begann, die Schachfiguren in das Elfenbeinkästchen zu legen, das er stets bei sich trug. »Aber in diesem Flugzeug saß ein Passagier, an dem du ein besonderes Interesse hast.« »Wer?« Charles sah in Bobbys zusammengekniffene Augen und lächelte erneut.
»Susannah Vartanian.« Er hielt die weiße Dame hoch. »Sie ist wieder in der Stadt.«
Bobby nahm Charles die Dame aus der Hand und versuchte, trotz des erneut aufkommenden Zorns gelassen zu wirken.
»Sieh an.«
»Ja, sieh an. Das letzte Mal hast du deine Chance verpasst.«
»Ich habe es das letzte Mal gar nicht versucht«, fauchte Bobby trotzig. »Sie war nur einen einzigen Tag hier. Als der Richter und seine Frau begraben wurden.«
Susannah hatte mit ausdruckslosem Gesicht an der Seite ihres Bruders gestanden, doch ihre Augen hatten sie verraten. Sie nach all den Jahren zu sehen ... Der Sturm der Gefühle in Susannahs Blick war nichts gewesen im Vergleich zu dem brodelnden Zorn, den Bobby zu schlucken gezwungen war. »Na, na, reiß meiner Dame nicht den Kopf ab«, sagte Charles gedehnt.
»Sie wurde von einem Schnitzmeister in Saigon handgefertigt und ist im Gegensatz zu dir unersetzlich.«
Bobby legte Charles die Figur in die Hand, ohne auf die Spitze einzugehen. Beruhige dich. Wenn du wütend bist, begehst du Fehler.
»Vergangene Woche ist sie zu schnell nach New York zurückgekehrt. Ich hatte keine Zeit, mich ausreichend vorzubereiten.«
Es klang weinerlich, was Bobby noch wütender machte.
»Flugzeuge fliegen auch in die andere Richtung, Bobby. Du hättest nicht bis zu ihrer Rückkehr warten müssen.«
Charles legte die Dame in die mit Samt ausgeschlagene Mulde seines Kästchens.
»Aber anscheinend bekommst du jetzt eine zweite Chance. Und ich hoffe doch, dass du dieses Mal effektiver planst.«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Charles lächelte. »Reserviere mir einen Logenplatz, wenn es losgeht. Ich weiß eine gute Show zu schätzen.«
Bobby lächelte grimmig. »Die wirst du bekommen. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich habe eine dringende Sache zu erledigen.«
Charles erhob sich. »Ich muss ohnehin gehen. Man erwartet mich auf einer Beerdigung.«
»Und wer wird heute beerdigt?«
»Lisa Woolf.«
»Nun, dann hoffen wir, dass Jim und Marianne die Feier genießen. Zumindest müssen sie nicht befürchten, dass man ihnen die Story klaut. Endlich dürfen sie als Reporter mal in der ersten Reihe sitzen. Direkt am Familiengrab.«
»Schäm dich, Bobby.«
Charles schüttelte mit gespielter Empörung den Kopf. »Wie kann man nur so etwas sagen.«
»Es ist wahr, und du weißt es. Jim Woolf hätte seine Schwester glatt selbst umgebracht, wenn ihm dafür die große Story sicher gewesen wäre.«
Charles setzte seinen Hut auf und nahm seinen Gehstock. Das Elfenbeinkästchen schob er sich unter den Arm.
»Nun, dann ist der Unterschied zwischen euch ja gar nicht so groß.«
O doch, dachte Bobby, während Charles davonfuhr. Es geht mir wohl kaum um eine Story. Viel zu unbedeutend. Ein Geburtsrecht dagegen ... nun, das war etwas vollkommen anderes. Aber nun war keine Zeit zum Träumen. Es gab viel zu tun.
»Tanner! Komm her. Ich brauche dich.« Der alte Mann tauchte wie immer scheinbar aus dem Nichts auf.
»Ja?«
»Wir bekommen unerwarteten Besuch. Bereite die Unterbringung von sechs weiteren vor.«
Tanner nickte.
»Selbstverständlich. Während du mit Mr. Charles gesprochen hast, hat Mr. Haynes angerufen. Er wird heute Abend kommen, um sich für das Wochenende Gesellschaft zu besorgen.«
Bobby lächelte.
Haynes war ein wichtiger Kunde reich, pervers, verschwiegen , und er zahlte bar.
»Wunderbar. Wir haben, was er sucht.« Charles hielt den Wagen am Ende der Straße an. Die Türmchen von Ridgefield House waren von hier aus noch zu erkennen.
Das Haus war nahezu hundert Jahre alt und solide gebaut. Charles wusste architektonische Wertarbeit zu schätzen, denn er hatte schon an vielen Orten gewohnt, die nicht einmal Ratten als Zuhause bezeichnet hätten.
Bobby benutzte Ridgefield, um »Ware einzulagern«, und zu diesem Zweck war das Haus ideal. Es lag so einsam, dass die meisten Menschen im Umland es vergessen hatten. Der Fluss war recht nah, so dass man ihn nutzen konnte, aber nicht zu nah, falls das Wasser über die Ufer trat.
Das Haus selbst war nicht groß, nicht schön oder alt genug, als dass es einen potenziellen Käufer interessiert hätte. Einfach perfekt.
Jahrelang war das alte, hässliche Gebäude für Bobby nicht in Betracht gekommen, aber mit der Reife war auch das Verständnis für das gekommen, was Charles schon lange zuvor gelernt hatte. Glänzende Verpackungen zogen Aufmerksamkeit an. Das Kennzeichen wahren Erfolgs ist die Unsichtbarkeit. Sich in aller Öffentlichkeit zu verstecken machte es möglich, die schillernden Wichtigtuer zu manipulieren.
Sie sind meine Marionetten. Sie tanzen nach meiner Pfeife. Die meisten Menschen reagierten mit Wut oder Hilflosigkeit, aber sie hatten keine Ahnung, was wahre Hilflosigkeit bedeutete. Sie fürchteten den Verlust der Reichtümer, die sie angehäuft hatten, und sie fürchteten ihn so sehr, dass sie ohne zu zögern ihren Stolz und ihren Anstand opferten, sogar die Moral, die in Wahrheit nichts als eine Farce war.
Manche fielen schon beim kleinsten Schubser, und das waren die Leute, die Charles wirklich verachtete. Sie wussten wahrhaftig nicht, wie es war, alles alles! zu verlieren. Wie es war, wenn es kein Wohlgefühl mehr gab, keine Hoffnung auf Erlösung oder Erleichterung, wenn einem sogar viele der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse versagt blieben.
Die Schwachen hatten Angst, ihren Besitz zu verlieren. Charles jedoch nicht. Wer einmal so tief unten gewesen war, dass er fast seine Menschlichkeit verloren hätte, der fürchtete sich nicht mehr. Charles hatte keine Angst. Aber er hatte Pläne, und zu diesen Plänen gehörten auch Bobby und Susannah.
Übersetzung: Kerstin Winter
Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe bei Knaur Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Karen Rose
Karen Rose, aufgewachsen in Washington, D.C., arbeitete viele Jahre als Lebensmittelingenieurin, bevor sie ihr Hobby Schreiben äußerst erfolgreich zum Beruf machte. Ihre Romane sind preisgekrönt. Das Lächeln deines Mörders wurde zum USA-Today-Bestseller. Karen Rose lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im US-Bundesstaat Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: Karen Rose
- 2011, 7. Aufl., 640 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Kerstin Winter
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426502992
- ISBN-13: 9783426502990
- Erscheinungsdatum: 26.04.2011
Kommentare zu "Todesspiele / Todestrilogie Bd.3"
0 Gebrauchte Artikel zu „Todesspiele / Todestrilogie Bd.3“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 13Schreiben Sie einen Kommentar zu "Todesspiele / Todestrilogie Bd.3".
Kommentar verfassen