Schweinsgalopp / Scheibenwelt Bd.20
Dieses Jahr bleibt er allerdings verschwunden, und so muss niemand...
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Dieses Jahr bleibt er allerdings verschwunden, und so muss niemand Geringerer als Tod für ihn einspringen. In der Zwischenzeit begibt sich seine Enkelin Susanne auf die Suche nach dem Verschollenen.
Auch auf der Scheibenwelt gibt es so etwas Ähnliches wie einen Weihnachtsmann: Er hat einen Bart und eilt alljährlich mit einem Schlitten voller Gaben durch die Lüfte herbei. Dieses Jahr bleibt er allerdings verschwunden, und so muss niemand Geringerer als Tod für ihn einspringen. In der Zwischenzeit begibt sich seine Enkelin Susanne auf die Suche nach dem Verschollenen ...
Schweinsgaloppvon Terry Pratchett
LESEPROBE
Alles beginnt irgendwo, obwohl viele Physiker andererMeinung sind.
Die Leute haben immer gewusst, dass die Anfänge der Dingeproblematisch sind. So fragen sie sich zum Beispiel, wie der Fahrer desSchneepflugs zur Arbeit kommt oder wo die Autoren von Wörterbüchern dierichtige Schreibweise von Wörtern nachschlagen. Dennoch ist der Wunschallgegenwärtig, in den ausgefransten, verhedderten und verknoteten Netzen derRaum-Zeit einen Punkt zu finden, auf den man deuten und sagen kann, dass hier,genau hier alles begann
Etwas begann, als die Assassinengilde Herrn Kaffeetrinken aufnahm,der die Dinge anders sah als die meisten Leute: Er sah in den meisten LeutenDinge. (Später meinte Lord Witwenmacher, Präsident der Gilde: »Wir hattenMitleid mit ihm, weil er schon früh Vater und Mutter verloren hat. Imnachhinein betrachtet, wäre es vermutlich besser gewesen, genauer über diesenPunkt nachzudenken.«)
Viel früher vergassen die Leute, dass es in den ältesten allerGeschichten früher oder später um Blut geht. Später nahmen sie das Blut heraus,weil sie glaubten, dadurch wären die Geschichten besser für Kinder geeignet -beziehungsweise für die Leute, die sie Kindern vorlasen (Kinder haben nichtsgegen Blut, wenn es von den Verdienstvollen vergossen wird). Anschliessendfragten sie sich, was aus den Geschichten wurde.
Noch früher hockte etwas in der Finsternis tiefer Höhlen unddunkler Wälder und dachte: Was sind das für Geschöpfe? Ich werde siebeobachten
Und noch viel, viel früher formte sich die Scheibenwelt. Sieruht auf dem Rücken von vier Elefanten, die ihrerseits auf dem Panzer der SternenschildkröteGross-ATuin stehen.
Während sie sich dreht, ergeht es ihr vielleicht wie einemBlinden, der durch ein Haus voller Spinnweben irrt. Möglicherweise verfängt siesich immer wieder in hochspezialisierten Raum-Zeit-Fäden, die versuchen, injeder historischen Struktur, mit der sie in Kontakt geraten, Wurzeln zuschlagen - um die betreffende Geschichte zu dehnen und zu verzerren, ihr eineganz neue Form zu geben.
Aber vielleicht stimmt das alles nicht. Der bekanntePhilosoph Didaktylos hat eine alternative Hypothese formuliert: »Dingepassieren einfach, und damit hat es sich.«
Die ältesten und ranghöchsten Zauberer der UnsichtbarenUniversität blickten zur Tür.
Wer auch immer sie verriegelt hatte: Es konnte kein Zweifeldaran bestehen, dass sie geschlossen bleiben sollte. Dutzende von Bolzenverbanden sie mit dem Türrahmen. Mehrere Bretter waren quer darauf genagelt.Und bis zu diesem Morgen hatte sie sich hinter einem Bücherschrank verborgen.
»Und dann das Schild, Ridcully«, sagte der Dekan. »Du hastes doch gelesen, oder? Das Schild mit der Aufschrift: Diese Tür darf aufkeinen Fall geöffnet werden?«
»Natürlich habe ich es gelesen«, erwiderte der Erzkanzler.»Warum möchte ich die Tür wohl öffnen?«
»Äh warum?« fragte der Dozent für neue Runen.
»Um herauszufinden, warum sie geschlossen bleiben soll.«
Ridcully winkte Modo zu. Der Zwerg kümmerte sich um denGarten der Universität und erledigte auch andere Arbeiten, fungierte als»Mädchen für alles«. Diesmal hielt er eine Brechstange.
»Also los, Junge.«
Modo salutierte. »Zu Befehl, Herr.«
Während Holz knirschte, fuhr Ridcully fort: »Auf denBauplänen habe ich gesehen, dass dies hier einst ein Badezimmer gewesen ist. VorBadezimmern braucht man sich nicht zu fürchten, um Himmels willen. Ich möchteein Badezimmer. Ich habs satt, mit euch anderen herumzuplanschen. Das istunhygienisch. Da kann man sich was holen. Mein Vater hat mich daraufhingewiesen. Wenn viele Leute zusammen baden, macht der Warzengnom mit einemkleinen Beutel die Runde.«
»Könnte man ihn mit der Zahnfee vergleichen?« fragte derDekan voller Sarkasmus.
»Ich bin hier der Boss und verlange ein eigenes Badezimmer«,sagte Ridcully mit Nachdruck. »Damit dürfte wohl alles geklärt sein. Ich willein eigenes Bad, und zwar rechtzeitig bis Silvester, kapiert?«
Das ist eine der Schwierigkeiten mit den Anfängen. Wenn manes mit okkulten Sphären zu tun hat, in denen die Zeit grosse Freiheit geniesst,bekommt man die Wirkung manchmal vor der Ursache.
Irgendwo am Rand des akustischen Horizonts erklang einleises Klingelingelingelingeling, wie von kleinen Silberglocken.
Etwa zur selben Zeit, als der Erzkanzler ein eigenes Badforderte, sass Susanne Sto-Helit im Bett und las im Schein einer Kerze.
Der Frost malte Eisblumen ans Fenster.
Sie mochte den frühen Abend sehr. Wenn sie die Kinder zuBett gebracht hatte, gab es praktisch nichts mehr zu tun. Frau Gamasche vermiedes tunlichst, ihr Anweisungen zu erteilen, obgleich sie ihr Lohn zahlte.
Was natürlich nicht bedeutete, dass der Lohn eine grosse Rollespielte. Es kam Susanne in erster Linie darauf an, sie selbst zu sein und einerichtige Arbeit zu haben. Und die Pflichten einer Gouvernante waren richtigeArbeit. Ein wenig knifflig wurde es, als ihre Arbeitgeberin feststellte, dasssich eine Herzogin in ihren Diensten befand. In Frau Gamasches ganz privatemBuch der Regeln (eher eine Broschüre, der Text in ziemlich grosser Handschrift)hiess es, dass die vornehmen Leute nicht arbeiteten, sondern auf sehr würdevolleArt faulenzten. Susanne hatte sie mehrmals aufgefordert, nicht vor ihr zuknicksen.
Ein kurzes Flackern liess sie ihren Kopf drehen.
Die Kerzenflamme brannte jetzt horizontal, zitterte wie instarkem Wind.
Susanne hob den Kopf. Die Gardinen wölbten sich fort vomFenster, das
mit lautem Klappern aufsprang.
Doch es wehte kein Wind.
Zumindest nicht in dieser Welt.
Bilder formten sich vor dem inneren Auge der jungen Frau.Ein roter Ball Der typische Duft von frisch gefallenem Schnee Beides löstesich auf, und statt dessen sah Susanne
»Zähne?« brachte sie hervor. »Schon wieder?«
Sie blinzelte und schloss die Augen. Als sie die Lider einigeSekunden später wieder hob, war das Fenster geschlossen, und die Gardinenrührten sich nicht. Die Kerzenflamme brannte ganz normal.
O nein, wiederholte es sich etwa? Nach so langer Zeit?Bisher war alles gutgegangen
»Fufanne?«
Sie blickte sich um. Die Tür war geöffnet worden, und einekleine Gestalt stand auf der Schwelle, gekleidet in ein Nachthemd.
Susanne seufzte. »Ja, Twyla?«
»Ich habe Angst vor dem Ungeheuer im Keller, Fufanne. Eswill mich freffen.«
Susanne schloss das Buch und hob einen mahnenden Zeigefinger.
»Was habe ich dir über den Versuch gesagt, aufeinschmeichelnde Weise süss zu sein, Twyla?« fragte sie.
»Du hast gesagt, ich soll es lassen«, antwortete dasMädchen. »Du hast gesagt, absichtlich zu lispeln sei eine schlimme Sache undich wolle damit nur Aufmerksamkeit erregen.«
»Gut. Welches Ungeheuer ist es diesmal?«
»Ein grofef haarigef mit «
Susanne hob erneut den Finger. »Nun?«
»Ein grosses haariges mit acht Armen«, sagte Twyla.
»Was, schon wieder? Na schön.«
Susanne stand auf, streifte den Morgenmantel über undversuchte ruhig zu bleiben, während das Mädchen sie beobachtete. Sie kommenalso zurück. Nicht die Ungeheuer im Keller - die waren kaum ein Problem. Nein,sie meinte die Erinnerungen an zukünftige Ereignisse.
Die junge Herzogin schüttelte den Kopf. Wie schnell man auchweglief: Früher oder später holte man sich selbst ein.
Mit Ungeheuern konnte man leicht fertig werden. Das hatteSusanne inzwischen gelernt. Sie nahm den Schürhaken aus dem Kamin desKinderzimmers und ging die Hintertreppe hinunter, gefolgt von Twyla.
Familie Gamasche veranstaltete eine Abendgesellschaft.Gedämpfte Stimmen drangen aus dem Esszimmer.
Als Susanne vorbeischlich, öffnete sich die Tür, und gelbesLicht fiel in den Flur.
»Meine Güte!« ertönte es. »Hier ist eine junge Frau imNachthemd, und sie hat einen Schürhaken in der Hand!«
Silhouetten zeichneten sich vor dem hellen Hintergrund ab,und Susanne erkannte die besorgte Miene von Frau Gamasche.
»Susanne? Äh was machst du hier?«
Die Gouvernante blickte kurz auf den Schürhaken und sah dannwieder zu der Frau. »Twyla fürchtet sich vor einem Ungeheuer im Keller, FrauGamasche.«
»Und du willst es mit dem Schürhaken angreifen?« spekulierteein Gast. Es roch nach Brandy und Zigarren.
»Ja«, erwiderte Susanne schlicht.
»Susanne ist unsere Gouvernante«, erklärte Frau Gamasche.»Äh ich habe euch von ihr erzählt.«
Die aus dem Esszimmer starrenden Gesichter veränderten sichund brachten so etwas wie amüsierten Respekt zum Ausdruck. (...)
© in der Verlagsgruppe Random House
Übersetzung: Andreas Brandhorst
Terry Pratchett, geboren 1948, schrieb 1983 seinen ersten Scheibenwelt-Roman - ein grosser Schritt auf seinem Weg, einer der erfolgreichsten Autoren Grossbritanniens und einer der populärsten Fantasy-Autoren der Welt zu werden. Von Pratchetts Romanen wurden weltweit rund 80 Millionen Exemplare verkauft, seine Werke sind in 38 Sprachen übersetzt. Für seine Verdienste um die englische Literatur verlieh ihm Queen Elizabeth sogar die Ritterwürde. Terry Pratchett starb am 12.3.2015 im Alter von 66 Jahren. Brandhorst, Andreas
Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, hat mit seinen Romanen die deutsche Science-Fiction-Literatur der letzten Jahre entscheidend geprägt. Spektakuläre Zukunftsvisionen verbunden mit einem atemberaubenden Thrillerplot sind zu seinem Markenzeichen geworden. Etliche seiner Romane wurden preisgekrönt und zu Bestsellern. Andreas Brandhorst hat viele Jahre in Italien gelebt und ist inzwischen in seine alte Heimat in Norddeutschland zurückgekehrt.
Interviewmit Terry Pratchett
Der Engländer Terry Pratchettwurde mit seinen Scheibenwelt-Romanen weltberühmt. Er zählt zu denerfolgreichsten Autoren Grossbritanniens und zu den populärsten Fantasy-Autoren der Welt. Im August erscheint sein neuerScheibenwelt-Roman:"Weiberregiment", eine Geschichte über Frauen in Männerkleidung,Krieg und Dummheit ...
Wirhaben den Autor in seinem Haus in England getroffen.
Können Sieschon was zu Ihrem neuen Roman verraten?
"Weiberregiment"wird Sie überraschen. Er basiert auf Übertreibungen, nicht auf Fantasy. Es geht um Frauen, die sich als Soldatenverkleiden. Mehr kann ichjetzt aber nicht sagen, ohnedie Geschichte vorwegzunehmen!
Woher bekommenSie all die fantastischen Ideen für Ihre Geschichten?
Ich habe meinebesten Ideen oft, wenn ich aufwache. So, als ob mein Gehirn während der Nachtam Buch gearbeitet hätte und mir am Morgen eine Ideepräsentiert. Oder als objemand in Australien mein Gehirn benutzt hätte, während ich geschlafen habe!
Wie vieleStunden am Tag schreiben Sie?
Ich schreibeden ganzen Tag. Das muss ich vielleicht erklären. Am Schreibtisch zu sitzenkann schreiben sein oder nicht. Manchmal schreibt man genauso angestrengt, wennman aus dem Fenster schaut. Schreiben ist etwas, das im Kopfpassiert.
Woher stammtdie Idee der Scheibenwelt, die von Elefanten und einer Schildkröte getragenwird?
Auf jedem Kontinentkann man einen ähnlichen Mythos finden, in dem die Erde flach ist und von einerSchildkröte oder von vier Elefanten getragen wird. Ich nahm etwas, was ganzoffensichtlich eine Fantasie-Welt war, aber ich machte die Menschen sorealistisch wie möglich. Ich habe nämlich festgestellt, dass die Realität vielinteressanter und fantastischer ist als Fantasy!
Inwiefernist die Realität fantastischer als die Fantasie?
Wir sind nichtsals Affen, die aus den Bäumen kamen. Aber wir haben so viel gelernt- wer hättegedacht, dass wir eine Sprache erfinden, Chemie, Bergwerke, dass wir die Sternebenennen und all diese Dinge, die man sich nicht hätte träumen können! Wenn wirLicht wollen, müssen wir nur einen Schalter umlegen, und das Zimmer isterleuchtet. Jeder kann das tun, das muss man nicht lernen! Das hat für mich einfantastisches Element. Es wäre schwer zu glauben, wenn man in einem Baum sässe,vor Millionen von Jahren, und unsere Vorfahren beobachtete, dass aus ihnen wir werdenwürden. Das ist reine Wissenschaft, und doch ist es fantastischer als Magie.Und was besonders fantastisch dabei ist: Wir merken es nicht mal! Wenn man mal einenSchritt zurücktreten und sich die Sache anschauen würde, sähe man einkomplettes Science-Fiction-Universum.
WünschenSie sich, Ihre Bücher würden verfilmt?
Ich bekommemanchmal Angebote, aber ich sehe mehr Schwierigkeiten als Chancen. Ich habe eineganze Menge Geld verdient mit meinen Büchern, mehr Geld, als ich mir jeerträumt habe. Deswegen haben die Filme keinen grossen Einfluss auf mich.
Wäre esnicht schön, Ihren Figuren Leben zu geben?
Ja, vor allem,wenn ich Kontrolle über das Casting hätte. Es gab maldie Idee, aus "Ein gutes Omen" einen Kinofilm zu machen, kurz vor dem11.September stand das kurz vor der Verwirklichung. Aber danach wollte niemand mehreinen lustigen Film über das Ende der Welt drehen. Ohnehin hatte die Filmgesellschaftalles, was das Buch ausmachte, herausgeschnitten. Das war so schlecht! Deshalbsind meine Erfahrungen mit dem Film nicht die besten.
Was haltenSie als Fantasy-Autor vom "Herrn der Ringe"?
Für michist das interessanteste Buch von "Herr der Ringe" das vierte Buch. Das es nichtgibt! Mittelerde ist in grossen Teilen sehr statisch. Generationen kommen undgehen und nichts verändert sich wirklich. Das ist okay für ein Fantasy-Universum. Die Scheibenwelt ist eine Reihe von Büchern,die nur existieren kann, weil der "Herr der Ringe" vorher da war. Denn jetztkönnen wir über ein Fantasy-Universum sprechen, indem sich viel verändert, und zwar schnell. Die Fragen stellte Simone Hilgers-Bach / lorenzspringer medien
- Autor: Terry Pratchett
- 2004, 413 Seiten, Masse: 11,5 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Andreas Brandhorst
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442437792
- ISBN-13: 9783442437795
- Erscheinungsdatum: 01.05.2003
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