Der Verlust politischer Gleichheit
Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet. Habilitationsschrift
Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
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Produktinformationen zu „Der Verlust politischer Gleichheit “
Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
Klappentext zu „Der Verlust politischer Gleichheit “
Bundestagswahlen, Landtagswahlen, Kommunalwahlen, Europawahlen - seit Jahren sinkt die Wahlbeteiligung in Deutschland. Doch was steht hinter diesem Trend und was bedeutet er für die Demokratie? Armin Schäfer beantwortet diese Frage umfassend und zeigt, dass wachsende soziale Ungleichheit zu einer Verringerung der Wahlbeteiligung führt: Sozial benachteiligte Gruppen bleiben in grosser Zahl der Wahlurne fern. Die Unterschiede in der Wahlbeteiligung waren in der Geschichte der Bundesrepublik nie so gross wie heute. Aktuelle Reformmassnahmen, die die Partizipationsmöglichkeiten ausweiten, verringern entgegen optimistischen Erwartungen die Beteiligungskluft nicht, sondern vergrössern sie sogar.
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Lese-Probe zu „Der Verlust politischer Gleichheit “
Kapitel 1Einleitung
Der Grundgedanke der Demokratie ist einfach. In einem politischen Gemeinwesen müssen Entscheidungen getroffen werden, die potenziell alle betreff en, gleichzeitig jedoch umstritten sind. Da es keinen objektiven Massstab gibt, der eindeutige Handlungsempfehlungen vorgibt, muss ein Verfahren gefunden werden, das widerstreitende Meinungen berücksichtigt, ohne zu vollständiger Blockade zu führen. Strittige Entscheidungen werden legitimiert, indem auch die Unterlegenen das Verfahren als fair anerkennen, das heisst, wenn ihre Meinung beachtet wurde und sie erwarten können, nicht dauerhaft zu den Verlierern zu gehören. Legitime politische Entscheidungen gehen demnach aus Verfahren hervor, die frei von Willkür sind und niemanden privilegieren. Um dies zu erreichen, müssen Bürgerinnen und Bürger als Gleiche behandelt werden, wie unterschiedlich sie tatsächlich auch sein mögen. Am klarsten kommt dies im Prinzip zum Ausdruck, dass jeder erwachsene Staatsbürger bei Wahlen die gleiche Stimmenzahl erhält.1 In seiner Studie zu Demokratietheorien von der Antike bis zur Gegenwart hält Schmidt (2010: 17; Hervorh. nicht im Orig.) deshalb gleich zu Beginn fest, dass Demokratien "der Anspruch gemeinsam [ist], die Herrschaft im Staate auf die Norm politischer Gleichheit der Vollbürger zu verpflichten, auf den Willen der Gesamtheit oder zumindest eines massgebenden Teils der Stimmbürgerschaft zu gründen und die zeitlich befristet Regierenden auf Rechenschaft gegenüber den Regierten festzulegen". Gutman (2003: 169) sieht in "gleicher politischer Freiheit" das definierende Merkmal der Demokratie.
Vielen Gegnern diente gerade das Gleichheitsversprechen der Demokratie als Ausweis ihrer Unzulänglichkeit, erschien es ihnen doch als offensichtlich, dass Frauen und Fremde, Besitzlose und Ungebildete nicht fähig seien, politisch vernünftig zu urteilen. Politische Gleichheit musste aus ihrer Sicht zur Herrschaft der Unvernunft führen, wenn Arbeiter oder ungebildete Massen das
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Wahlrecht erhalten. Selbst ein progressiver Liberaler wie John Stuart Mill ([1861]1958: 135, 138) schlägt in Considerations on Representative Government vor, ein nach Berufsgruppen gestaffeltes Pluralstimmrecht einzuführen, um einen übergrossen Einfluss von einfachen Arbeitern zu verhindern. Im Argument, nur wenige verfügten über die Kompetenz, Politik verstehen und weise regieren zu können, erkennen Walzer (1983: 285) und Dahl (1989: 59) übereinstimmend den Prototypen undemokratischen Denkens. Doch während daraus bis in das 20. Jahrhundert abgeleitet wurde, vermeintlich inkompetenten Gruppen das Wahlrecht vorzuenthalten, gibt es heute, zumindest in den westlichen Demokratien, kaum noch Stimmen, die die formale politische Gleichstellung der erwachsenen Staatsbürgerinnen und -bürger ablehnen. Im historischen Vergleich erscheint die Demokratie inklusiver als jemals zuvor, weshalb von einem Siegeszug demokratischer Gleichheit gesprochen werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser Erfolgsgeschichte muss der Verweis auf eine Krise der Demokratie unbegründet wirken - und doch finden sich immer wieder Stimmen, die genau dies diagnostizieren. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts erschien der Fortbestand der Demokratie konservativen wie linken Kritikern unsicher (siehe Schäfer 2008; Streeck 2013: 23-27). Die damals rasch anwachsende Literatur zur "Unregierbarkeit" ist gespickt mit dramatischen Formulierungen und Untergangsszenarien. So äussert Brittan (1975: 129) die Vermutung, die Demokratie werde noch zu Lebzeiten der damals Erwachsenen dahinscheiden. Crozier und seine Koautoren (1975: 2) zitieren Willy Brandt, der ebenso den Untergang der Demokratie für die folgenden zwanzig bis dreissig Jahre vorausgesagt haben soll. Schliesslich sieht Hennis (1977: 20) zwar nicht den Staat, wohl aber die "spezifisch abendländische Weise des Regierens" vom Absterben bedroht an. Vor allem starke Gewerkschaften, hohe Inflationsraten und wachsende Ansprüche der Bürgerinnen un
Vor dem Hintergrund dieser Erfolgsgeschichte muss der Verweis auf eine Krise der Demokratie unbegründet wirken - und doch finden sich immer wieder Stimmen, die genau dies diagnostizieren. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts erschien der Fortbestand der Demokratie konservativen wie linken Kritikern unsicher (siehe Schäfer 2008; Streeck 2013: 23-27). Die damals rasch anwachsende Literatur zur "Unregierbarkeit" ist gespickt mit dramatischen Formulierungen und Untergangsszenarien. So äussert Brittan (1975: 129) die Vermutung, die Demokratie werde noch zu Lebzeiten der damals Erwachsenen dahinscheiden. Crozier und seine Koautoren (1975: 2) zitieren Willy Brandt, der ebenso den Untergang der Demokratie für die folgenden zwanzig bis dreissig Jahre vorausgesagt haben soll. Schliesslich sieht Hennis (1977: 20) zwar nicht den Staat, wohl aber die "spezifisch abendländische Weise des Regierens" vom Absterben bedroht an. Vor allem starke Gewerkschaften, hohe Inflationsraten und wachsende Ansprüche der Bürgerinnen un
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Inhaltsverzeichnis zu „Der Verlust politischer Gleichheit “
InhaltVorwort 9
Kapitel 1
Einleitung 11
Kapitel 2
Wie viel Gleichheit benötigt die Demokratie? 27
2.1 Freiheit und Gleichheit aus liberaler und republikanischer Sicht 30
2.1.1 Liberalismus und der Vorrang negativer Freiheit 31
2.1.2 Neorömischer und neoathenischer Republikanismus 33
2.2 Formale Gleichheit und Repräsentation 37
2.3 Soziale Ungleichheit und der Wert der Freiheit 41
2.4 Wird Politik durch Märkte korrumpiert? 45
2.5 Politische Tugenden 46
2.6 Fazit 50
Kapitel 3
Ungleichheit im Zeitalter wirtschaftlicher Liberalisierung 51
3.1 Die Freisetzung der Märkte: Liberalisierungstrends in den OECD-Staaten 52
3.1.1 Liberalisierungstrends seit 1980 52
3.1.2 Liberalisierung und Ungleichheit 66
3.2 Fazit 72
Kapitel 4
Führt soziale zu politischer Ungleichheit? 73
4.1 Empirisches Vorgehen 75
4.1.1 Die Analyse von Aggregatdaten 76
4.1.2 Mobilisierung, Spaltung oder Resignation: Die Auswirkung von Ungleichheit auf die Beteiligung sozialer Gruppen 80
4.2 Fazit: Die Rückkoppelung zwischen Beteiligung und Ungleichheit 87
Kapitel 5
Nichtwählerinnen und Nichtwähler in Deutschland 91
5.1 Der Rückgang der Wahlbeteiligung in Deutschland 92
5.2 Wer wählt nicht? 95
5.2.1 Die soziale Schieflage der Nichtwahl 96
5.2.2 Wer von den Jungen bleibt der Wahlurne fern? 99
5.2.3 Nichtwähler neuen Typs 103
5.2.4 Die soziale Logik der Nichtwahl 107
5.2.5 Wahlkampf und Wählermobilisierung 113
5.3 Unterscheiden sich Wähler und Nichtwähler in ihren politischen Präferenzen? 116
5.4 Fazit 121
Kapitel 6
Klassenlage und Wahlverhalten: Von der Parteien- zur Nichtwahl 123
6.1 Stetige Abnahme oder trendlose Fluktuation:
Der Effekt der Klassenlage auf das Wahlverhalten 124
6.2 Veränderung der Klassenwahl auf der Bundesebene, 1980 bis 2010 127
6.3 Das Wahlverhalten bei Landtagswahlen, 1978 bis 2011 138
6.4 Fazit 143
Kapitel 7
Soziale Segregation, Wahlbeteiligung und Parteiergebnisse 147
7.1 Beeinflusst die Höhe der Wahlbeteiligung das Wahlergebnis? 147
7.2
... mehr
Daten und Methode 151
7.3 Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen Stadtteilen 153
7.4 Die Auswirkung ungleicher Wahlbeteiligung auf die Parteien 158
7.5 Ungleiche Beteiligung: Herausforderung für die Parteien 162
7.6 Fazit 165
Kapitel 8
Vom Ehrenamt zu den Mandatsträgern: Die Dominanz der Höhergebildeten 167
8.1 Ehrenamtliches Engagement 168
8.2 Politische Mitgliedschaft und alternative Partizipationsformen 172
8.3 Parteimitglieder, Kandidaten und Abgeordnete 176
8.4 Fazit 185
Kapitel 9
Mehr Demokratie wagen? 187
9.1 Demokratisierung der Demokratie 189
9.2 Wahlrechtsreformen: Kumulieren und Panaschieren in Hamburg und Bremen 192
9.3 Ist mehr direkte Demokratie die bessere Demokratie? 196
9.3.1 Die Hamburger Schulreform 197
9.3.2 Nichtraucherschutz in Bayern 201
9.3.3 Lehren aus der Schweizer Direktdemokratie 203
9.4 Fazit 205
Kapitel 10
Ist eine Wahlpflicht gerechtfertigt? 207
10.1 Die Wirkung der Wahlpflicht auf Höhe und Streuung der Wahlbeteiligung 207
10.2 Weitere Effekte der Wahlpflicht? 217
10.3 Argumente für und gegen die Wahlpflicht 220
10.4 Fazit 227
Kapitel 11
Reformoptionen und das republikanische Dilemma 229
Abbildungen 245
Anhang: Tabellen zu den Kapiteln 3 bis 10 249
Literatur 309
7.3 Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen Stadtteilen 153
7.4 Die Auswirkung ungleicher Wahlbeteiligung auf die Parteien 158
7.5 Ungleiche Beteiligung: Herausforderung für die Parteien 162
7.6 Fazit 165
Kapitel 8
Vom Ehrenamt zu den Mandatsträgern: Die Dominanz der Höhergebildeten 167
8.1 Ehrenamtliches Engagement 168
8.2 Politische Mitgliedschaft und alternative Partizipationsformen 172
8.3 Parteimitglieder, Kandidaten und Abgeordnete 176
8.4 Fazit 185
Kapitel 9
Mehr Demokratie wagen? 187
9.1 Demokratisierung der Demokratie 189
9.2 Wahlrechtsreformen: Kumulieren und Panaschieren in Hamburg und Bremen 192
9.3 Ist mehr direkte Demokratie die bessere Demokratie? 196
9.3.1 Die Hamburger Schulreform 197
9.3.2 Nichtraucherschutz in Bayern 201
9.3.3 Lehren aus der Schweizer Direktdemokratie 203
9.4 Fazit 205
Kapitel 10
Ist eine Wahlpflicht gerechtfertigt? 207
10.1 Die Wirkung der Wahlpflicht auf Höhe und Streuung der Wahlbeteiligung 207
10.2 Weitere Effekte der Wahlpflicht? 217
10.3 Argumente für und gegen die Wahlpflicht 220
10.4 Fazit 227
Kapitel 11
Reformoptionen und das republikanische Dilemma 229
Abbildungen 245
Anhang: Tabellen zu den Kapiteln 3 bis 10 249
Literatur 309
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Autoren-Porträt von Armin Schäfer
Armin Schäfer war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, und ist heute Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück.
Bibliographische Angaben
- Autor: Armin Schäfer
- 2014, 332 Seiten, mit Abbildungen, Masse: 14,4 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593501988
- ISBN-13: 9783593501987
- Erscheinungsdatum: 30.12.2014
Pressezitat
"Schäfers Ausführungen sind spannend und leicht verständlich, trotz wissenschaftlichen Anspruchs." Tobias Bevc, Junge Welt, 29.10.2015
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