Mord auf Raten / Peter Brandt Bd.2
Der Arzt Jürgen Kaufung wird tot in seiner Praxis aufgefunden. Es gibt keine Erklärung für den Mord, denn er war allseits beliebt - vor allem bei den Frauen. Hauptkommissar Peter Brandt von der Offenbacher Kripo übernimmt die Ermittlungen und hat bald...
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Der Arzt Jürgen Kaufung wird tot in seiner Praxis aufgefunden. Es gibt keine Erklärung für den Mord, denn er war allseits beliebt - vor allem bei den Frauen. Hauptkommissar Peter Brandt von der Offenbacher Kripo übernimmt die Ermittlungen und hat bald einen ersten Verdächtigen: Kaufungs besten Freund Klaus Wedel.
Doch Brandt kann ihm nichts beweisen. Kurze Zeit später wird auch Wedel getötet.
Mord auf Raten von Andreas Franz
LESEPROBE
Freitag, 20.00 Uhr
Sein Freund warnoch einmal kurz in die Stadt gefahren, um ein paar Besorgungen zu machen. DasGespräch mit Kaufung ging ihm nicht aus dem Kopf. Seine Stimme hatte einenseltsamen Unterton gehabt, den er nicht deuten konnte. Ein ungutes Gefühl warda in seiner Magengegend, denn Kaufung redete normalerweise nicht um den heissenBrei herum, er hätte ihm auch am Telefon die Ergebnisse mitteilen können.
Um zwei Minuten nach acht fand er einen Parkplatz etwa fünfzig Meter vonKaufungs Praxis entfernt, weil alle anderen Parkplätze von Anwohnern derumliegenden Häuser besetzt waren. Kaufungs Porsche stand bereits vor der altenund gediegen wirkenden Jugendstilvilla, die er vor sieben Jahren von derVorbesitzerin geerbt hatte, einer ehemaligen Patientin, die ihn wie einenjungen Gott verehrt hatte, weil sie sich bei ihm jeden Kummer von der Seelereden konnte. Sie hatte ihren Mann früh verloren, und ihre einzige Tochter warnach langem erfolglosem Kampf mit knapp vierzig den Drogen zum Opfer gefallen,woraufhin sich die alte Dame völlig zurückgezogen hatte und es niemanden mehrgab, dem sie sich anvertraute. Bis Kaufung nach geeigneten Praxisräumen suchteund dabei erfuhr, dass in der Parkstrasse, einer der besten Gegenden Offenbachs,in einer Villa das Erdgeschoss zu vermieten war. Damals ahnte er noch nicht imEntferntesten, dass ihm nur vier Jahre später die ganze Villa gehören würde,weil die alte Dame, die friedlich im Bett eingeschlafen war, keine weiterenVerwandten hatte. Ausserdem hatte sie ihm die Hälfte ihres nichtunbeträchtlichen Vermögens vermacht, der andere Teil war an eine öffentlicheInstitution für Drogen- und Suchtbekämpfung gegangen. Die beiden oberenStockwerke hatte er renovieren lassen und exklusiv eingerichtet, obwohl er sichnicht allzu oft hier aufhielt, ausser wenn er eine seiner Liebschaften empfingund keiner auf der Rosenhöhe das mitbekommen durfte, weil diese Liebschaftvielleicht aus der direkten Nachbarschaft stammte. Die Tür war nur angelehnt,und er ging hinein. Kaufung war in einem seiner beiden Sprechzimmer und sasshinter dem Schreibtisch aus Mahagoniholz. Bis auf den Röntgenraum und dasBehandlungszimmer mit dem Ultraschallgerät bestand das gesamte Inventar derPraxis aus edelsten warmen Hölzern, ein dicker Teppichboden machte jedenSchritt beinahe lautlos, die Halogenlampen waren in die Decken eingelassen, anden Wänden hingen Reproduktionen von Gauguin, und ein paar hochgewachsene undstilvoll platzierte Grünpflanzen rundeten das elegante Bild ab. Kaufung hattesich voll und ganz auf seine betuchte Klientel eingestellt.
»Nimm Platz«, sagte Kaufung und deutete auf einen braunen Ledersessel.In der Hand hielt er die Karteikarte und ein Schriftstück, der PC war an, dieMaske geöffnet.
»Also, was gibts so Wichtiges? Mein Gott, jetzt mach nicht so einGesicht, als würdest du mir doch gleich verkünden, dass ich abkratzen muss«,sagte der andere mit gekünsteltem Lachen, denn da war eine unterschwelligeAngst vor den nächsten Minuten, eine Angst, die er nicht beschreiben konnte.Kaufung war zwar ein Spieler, aber diesmal schien er nicht zu spielen, dazuwirkte sein Gesichtausdruck zu ernst,
und ausserdem kannte er ihn schon viel zu lange.
Kaufung fuhr sich mit der Zunge über die Innenseite der Wange undwartete, bis sein Freund sich gesetzt hatte.
»DeineWerte sind so weit okay, Gamma GT, Blutsenkung, BlutbildEs gibtnur ein Problem «
»Was für ein Problem?«, fragte der andere misstrauisch und mit noch mehrUnbehagen als eben schon. Er hatte dieses blöde Gefühl, dass seine schlimmstenAlpträume Wirklichkeit werden könnten. Dabei war es doch nur ein Test gewesen,nichts als ein lausiger Test, von dem er nicht einmal wusste, warum er ihnüberhaupt hatte machen lassen. Kaufung atmete einmal tief durch und kniff dieLippen zusammen, was er immer machte, wenn ihm etwas unangenehm war. »Also gut,es hat sowieso keinen Sinn, lange um den heissen Brei rumzureden - du bistHIV-positiv. Du hast dich freiwillig testen lassen, und hier vor mir liegt dasErgebnis schwarz auf weiss. Tut mir leid, dir keine bessere Mitteilung machen zukönnen.«
Der andere wurde aschfahl im Gesicht, seine Nasenflügel bebten, seineMundwinkel zuckten. Er beugte sich nach vorn, die Hände gefaltet, und sagte mitleiser Stimme: »Was bin ich? Heisst das, ich habe Aids? Ich hab das doch mehrzum Spass gemacht, ich meine, das machen doch viele heutzutage.«
»Tja, und nun ist bitterer Ernst daraus geworden. Aber um dich zuberuhigen, noch ist die Krankheit bei dir nicht ausgebrochen, doch du trägstdas Virus in dir. Jetzt muss ich dir aber mal von Freund zu Freund eine Fragestellen: Hast du eigentlich noch nie was von Prävention gehört?« Kaufung beugtesich jetzt ebenfalls nach vorn, die Stirn in Falten gezogen, und fuhr fort:»Mein Gott, seit fast zwanzig Jahren sprechen wir davon, überall laufenKampagnen, aber du scheinst es wie so viele noch immer nicht begriffen zuhaben. Wenn du einen One-Night-Stand mit einer Frau hast, die du nicht kennst,nie ohne Kondom.Wir kennen uns jetzt schon seit einigen Jahren, wir haben unsüber das Thema schon unterhalten, aber «
»Halt die Klappe«, zischte der andere und fuhr sich mit beiden Händendurchs Haar.
»Nein, tu ich nicht. Weisst du, du reisst irgendwo eine auf, schaltestdein Gehirn aus und bumst sie. Okay, ich hab auch meine Affären, aber glaubmir, nie ohne Kondom, selbst wenn ich die Frauen schon länger kenne, denn ichweiss ja nicht, mit wem sie sonst noch rummachen. Ich hab keine Ahnung, wielange das Virus schon in dir ist, aber bei deinem Frauenverschleiss könnte essein, dass du andere infiziert hast, vor allem deine eigene Frau.«
»Jetzt halt mir um Himmels willen keine Moralpredigt, das ist dasLetzte, was ich vertragen kann!«, schrie Kaufungs Freund aufgebracht mithochrotem Gesicht und sprang auf.
»Das ist keine Moralpredigt, denn ich habe dich nicht nur einmalgewarnt. Ich habe bereits zwei Patienten, die das Virus in sich tragen. Du bistNummer drei. Und bei den andern beiden war es das gleiche Dilemma - jeder vonihnen dachte nämlich auch, mir wird schon nichts passieren. Aber die schützendeHand ist nicht immer über dir. Weisst du eigentlich, wie viele Menscheninzwischen weltweit mit dem Virus
rumlaufen?«
»Das ist mir so was von scheissegal!«
»Ich sags dir trotzdem - die WHO schätzt, dass in zwanzig bis dreissigJahren allein in Afrika etwa die Hälfte der Bevölkerung an Aids gestorben seinwird. Einige Länder wie Uganda und Kenia werden fast ausgerottet sein. Undglaub mir, die Dunkelziffer hier bei uns ist viel höher, als die meistenannehmen, weil sich die wenigsten testen lassen. Und das nur, weil man dieWarnungen in den Wind schlägt. Die Jugend rennt amWochenende in die Disco,wirft ein paar Pillen ein, dazu Alkohol, und die Hemmschwelle ist weg. Einfachso. Und wenn dein Hirn vernebelt ist, weisst du nicht mal mehr, wie das WortKondom buchstabiert wird.«
Der andere schüttelte fassungslos den Kopf und sah Kaufung wütend an:»Erstens bin ich kein Jugendlicher mehr, zweitens renne ich nicht in die Disco,und Pillen schluck ich auch keine «
»Aber du hast offensichtlich geglaubt, unverwundbar zu sein.«
»Ah, der heilige Jürgen spricht!«
»Hör doch auf mit dem Quatsch! Ich will dir doch nur helfen. Krieg deinLeben in den Griff, und achte auf deine Gesundheit. Ich bin jederzeit für dichda, wenn du Hilfe brauchst. Aber in Zukunft nur noch mit, wenn du verstehst.«
»Und wie lange?«, fragte der andere, als hätte er die letzten Worte garnicht wahrgenommen.
»Was wie lange?«
»Wie lange hab ich noch?«
»Bis jetzt bist du nur positiv, die Krankheit ist noch nichtausgebrochen, was du ausserdem längst gemerkt hättest. Das heisst, bei gesunderLebensführung, sprich, kein Alkohol, keine Zigaretten, ballaststoffreicheErnährung, viel Bewegung und so weiter, kann es durchaus fünf bis zehn Jahre,unter Umständen sogar länger dauern, bis die Krankheit ausbricht. Und diePharmaindustrie hat inzwischen Mittel auf den Markt gebracht, die den Ausbruchimmer weiter hinauszögern. Wer weiss, vielleicht hat man schon bald einHeilmittel gefunden. Ich muss dir aber sagen, dass du ab sofort verpflichtetbist, nicht mehr ohne Kondom mit einer Frau zu verkehren. Klar?«
»Scheisse, das muss ich erst mal verdauen. Ich habe Aids «
»Nein, verdammt noch mal, du hast kein Aids! Aids ist die Krankheit, unddie ist noch nicht ausgebrochen. Und jetzt setz dich wieder hin und lass uns inRuhe reden.«
»Du hast vielleicht Humor! In Ruhe reden! Mann o Mann, ich kapiersnicht, ich krieg das nicht in meinen Kopf.«
»Setzt du dich jetzt bitte, oder wollen wir das Gespräch verschieben,bis ich aus dem Urlaub zurück bin?«
»Okay, bringen wirs hinter uns«, antwortete Kaufungs Freund und liesssich in den Sessel fallen.
»Gut so. Und jetzt sag mir, mit wem ausser mit deiner Frau hast du inletzter Zeit Geschlechtsverkehr gehabt?«
»Was heisst in letzter Zeit?«
»Sagen wir in den letzten zwölf Monaten.«
»Woher soll ich das wissen?! Ich führ doch kein Buch darüber! «
»Überleg sehr gut, denn wie gesagt, es ist immerhin möglich, dass duschon andere infiziert hast.«
»Das ist mir scheissegal! Ich möchte wissen, wer mir das angehängthat!«
»Das ist im Augenblick nicht so wichtig. Überleg lieber, mit wem du imletzten Jahr geschlafen hast. Denn ich sollte dir vielleicht auch noch sagen, dassdie Gefahr, sich mit dem Virus anzustecken, bei Frauen ungleich höher ist alsbei Männern.«
Als hätte der andere die letzten Worte nicht vernommen, meinte er: »Hörzu, wir sind Freunde, und ich verspreche dir, ab sofort nur noch mit «
Kaufung hob die Hand und unterbrach seinen Freund: »Du kannst mirversprechen, was du willst, aber jede Frau, die mit dir im letzten Jahrgeschlafen hat, ist eine potentielle Überträgerin beziehungsweise könnte selbstschon infiziert sein, was sogar recht wahrscheinlich ist. Das kann eine Spiraleohne Ende werden. Ergo, überleg gut, mit wem du im Bett warst, und sag ihnen,dass sie sich testen lassen sollen. Es
werden ja nicht hunderte von Frauen sein. Nur so kann Schlimmeresverhindert werden. Solltest du jedoch weiterhin ungeschütztenGeschlechtsverkehr haben, machst du dich strafbar, auch wenn ich selbst keineAnzeige erstatten kann. Also, mit wem?«
»Keine Ahnung, ich hab nen Blackout, ich muss das erst mal verdauen.Ich schreibs auf, wenn ich zu Hause bin. Scheisse, Mann! Grosse gottverdammteScheisse! Ausgerechnet ich!«
»Ich weiss zumindest von zwei Frauen, mit denen du regelmässig verkehrst,und beide kenne ich persönlich sehr gut. Dazu kommt natürlich noch deineEhefrau. Wenn du es ihnen nicht sagst, werde ich es tun und sie bitten, sichtesten zu lassen «
»Du vögelst doch genauso wild in der Gegend rum! Willst du mich in diePfanne hauen?«, fuhr ihn sein Gegenüber noch wütender an. Seine Augen warenglühende Kohlen.
»Klar, damit du endlich richtig freie Bahn hast!«
»Kein Mensch will dich in die Pfanne hauen«, erwiderte Kaufung ruhig.»Ich möchte nur verhindern, dass noch mehr Unheil angerichtet wird. Verstehdoch, du hast eine Verpflichtung den Frauen gegenüber. Und nicht nur denengegenüber, sondern auch den Männern, mit denen sie noch verkehren.«
»Ich kann das nicht.« Er vergrub sein Gesicht in den Händen undschüttelte immer wieder den Kopf.
»Was kannst du nicht? Es sagen?«
»Was denn sonst! Würdest du hingehen und einer deiner Damen mitteilen,dass es dir leid tut, aber du hast dich mal so nebenbei testen lassen, unddabei ist rausgekommen, dass du HIV-positiv bist?«
»Diese Frage steht nicht zur Debatte. Aber wenn dus genau wissenwillst, ich würds tun «
Der andere machte eine wegwerfende Handbewegung. »Komm mir doch nichtmit so nem saudummen Geschwätz, du würdest es genauso für dich behalten undweiter rumvögeln wie bisher. Ich werde keinen Ton sagen, und du wirst auchschön den Mund halten. Versprochen, ich machs in Zukunft nur noch mit Kondom.Mit meiner Frau mach ichs seit Jahren sowieso nur mit Präser, das ist so neVereinbarung
zwischen uns. Ich lasse ihr ihre Freiheit, sie mir meine, dafür hat sieaber verlangt, dass wir nur geschützt «
Kaufung liess ihn nicht ausreden. »Ist das dein letztes Wort?«, fragte ermit hochgezogenen Brauen.
»Allerdings.«
»Dann lässt du mir keine andere Wahl. Ich werde beide Damen bitten, sichtesten zu lassen, aber keine Sorge, ich werde deinen Namen nicht nennen. Undich tue das nur, weil ich dein Freund bin «
»Toll! Sie werden Fragen stellen, warum sie den Test machen sollen. Undwas wirst du ihnen darauf antworten? Einfach so, prophylaktisch?«, schrie erhöhnisch mit einer ausholenden Handbewegung. »Du bist ein Arschloch, die kaufendir das nie ab!«
»Sorry, aber ich muss es tun, vor allem, weil ich die beiden mag undweiss, dass sie alles andere als Nonnen sind. Es wäre nicht fair, ihnengegenüber nicht und auch nicht «
»Spar dir dein Geschwafel!« Kaufungs Freund stand wieder auf, fuhr miteiner Hand über den Schreibtisch, überlegte und sagte mit einem zynischenUnterton: »Also gut, ich bin einverstanden. Ich werde die - freudige -Botschaft persönlich überbringen und dir dann Bericht erstatten.«
»Und wann?«
»Morgen oder übermorgen.«
»Okay. Sollte ich allerdings bis, sagen wir, Dienstag nichts von dirhören, werde ich mich persönlich drum
kümmern. Bis jetzt weiss kein Mensch von diesem Befund, und es weiss auchkeiner, dass wir in diesem Augenblick hier zusammensitzen. Du weisst, dass iches mit der ärztlichen Schweigepflicht sehr genau nehme. Aber zwing mich nicht,etwas zu tun, was ich eigentlich nicht will.« Kaufung legte den Laborbericht indie Karteikarte und erhob sich, nachdem er auf die Uhr geschaut hatte. »Ichmuss
jetzt los. Tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Wie gesagt, dieKrankheit ist noch nicht ausgebrochen, und wenn du gesund lebst, wer weiss «
»Musst du das eigentlich melden?«
»Nein, es besteht eine nichtnamentliche Meldepflicht, wenn jemandHIV-positiv ist. Es bleibt also alles anonym. Ich kann dir auch noch ein paarVerhaltensmassregeln geben, damit dein Immunsystem gestärkt wird.«
»Ich denke, mein Immunsystem ist sowieso schon geschwächt«
»Ich erklärs dir zum letzten Mal. Du trägst zwar das Virus in dir, deinImmunsystem ist aber noch intakt. Und damit das auch so lange wie möglich sobleibt, gebe ich dir folgende Tipps: viel Bewegung, ballaststoffreicheErnährung, viel Obst und Gemüse, keine Zigaretten mehr und möglichst auch keinAlkohol. Wenn, dann nur in Massen. Ich stelle dir eine Liste mit Lebensmittelnzusammen, bevor ich in Urlaub fahre. Und ganz wichtig, jeden Tag fünfhundertMilligramm Vitamin C, das schützt vor Erkältungen und Infektionen. Gibts alsRetardkapseln in der Apotheke, dadurch wird das Vitamin C allmählich an denKörper abgegeben. Ausserdem kann ich dich einmal wöchentlich akupunktieren, umso deinen Energiefluss aufrechtzuerhalten. Und natürlich kann ich dir die zurZeit besten Medikamente verschreiben. Das ist im Moment alles, was ich für dichtun kann. Wenn du meine Ratschläge befolgst, garantiere ich dir, dass du nochlange leben wirst.«
»Lange leben! Ich bin noch nicht mal vierzig, und du sprichst von langeleben! Wie lang ist das denn in deinen Augen? Zwei Jahre, fünf Jahre?«
»Das hab ich dir schon gesagt. Aber im Wesentlichen hängt es von dirab.« Kaufung ging auf seinen Freund zu, legte ihm die Hand auf die Schulter undsagte in versöhnlichem Ton: »He, Alter, was glaubst du, was ich für einenSchiss vor diesem Gespräch hatte. Meinst du, es macht mir Spass, jemandem so wasmitzuteilen? Hättest du nicht das volle Programm verlangt, du wüsstest es heutenoch nicht. Sei nicht sauer auf mich, ich kann nichts dafür. Ausserdem könnenwir einen zweiten Test machen lassen, manchmal sind die Ergebnisse auch fehlerhaft oder die Proben werdenvertauscht. Kopf hoch, okay?«
»Schon gut. Ich hab nur eine verdammte Angst. Kannst du mir was zurBeruhigung mitgeben, ich bin total fertig.«
»Kann ich verstehen. Was willst du haben? Valium?«
»Wenn du hast.«
Kaufung ging an den Schrank, öffnete ihn und fragte: »Lieber Tablettenoder lieber Tropfen?«
»Was ist denn besser?«, fragte der andere, nahm, nachdem sein Freund ihmden Rücken zugewandt hatte, den Brieföffner vom Tisch und stellte sich hinterKaufung, als wollte er ihm über die Schulter schauen.
»Tropfen wirken schneller und lassen sich vor allem besser dosieren.« Erhielt beide Packungen hoch, ohne sich umzudrehen.
»Welche willst du? Aber bitte nicht in Kombination mit Alkohol, dadurchwird die Wirkung um ein Vielfaches potenziert. Ausserdem solltest du sowieso inZukunft auf Alkohol weitestgehend verzichten.«
»Die Tropfen.« Kaufung wollte sich gerade wieder umdrehen, als er einenstechenden Schmerz im Rücken verspürte. Er liess alles fallen. Noch zweimalwurde er von wuchtig geführten Stichen getroffen, machte eine halbe Drehung,ein weiterer Stich in den Bauch. Er sank zu Boden, schlug mit dem Hinterkopfgegen den Schrank und blieb fast aufrecht und trotzdem in unnatürlicher Haltungsitzen. Er fasste sich mit einer Hand an die blutende Wunde in seiner rechtenSeite und sah seinen Freund stumm und hilfesuchend an. Blut rann aus seinemMundwinkel, die Packungen Valium lagen neben ihm. Er wollte etwas sagen, aberkein Laut kam aus seinem Mund. Sein Körper zuckte ein paarmal, seine Augenwaren weit aufgerissen, bis jeder Glanz aus ihnen verschwand.
»Du wirst mich nicht verraten, Freund! Niemals!«, zischte der andere mithasserfülltem Blick. Er schlug mit einem Stuhl die Scheibe des Arzneischranksein, entnahm ihm mehrere Ampullen Morphium sowie alles, was er an Beruhigungs-und Betäubungs- und auch Schmerzmitteln fand, griff nach einem Beutel mit derAufschrift Bayer und stopfte alles hinein. Anschliessend wischte er mit mehrerenDesinfektionstüchern den Brieföffner, den Schreibtisch und die Stuhllehne ab,ging zur Toilette und spülte die Tücher hinunter. Wieder im Sprechzimmer, saher auf den Toten, verzog die Mundwinkel verächtlich und sagte kaum hörbar:»Schade, dass wir nicht mehr Tennis spielen können. Was solls, du hast sowiesoimmer gewonnen, das wurde mit der Zeit langweilig. Du warst eben immer einGewinner. Aber irgendwann muss man auchmal verlieren können.«
Er zog das Schreiben des Labors aus seiner Patientenkarte heraus,steckte es in die Tasche und schaute nach, ob irgendetwas über seineInfizierung oder den durchgeführten Test in seiner Karte stand, doch noch hatteKaufung nichts vermerkt. Er ging an den Computer, sah, dass Kaufung dort einenEintrag über den Laborbericht gemacht hatte, löschte diesen und fuhr den PCherunter. Die Patientenkarte verstaute er wieder zwischen den anderenalphabetisch geordneten Karten im Schrank, schloss ihn ab und legte denSchlüssel in die oberste Schreibtischschublade. Ein Blick durch die halb offeneTür in den edel dekorierten Hausflur, niemand war zu sehen, wie auch, wennausser Kaufung, seiner Sprechstundenhilfe, der Putzfrau und natürlich denPatienten kaum jemand sonst diese Villa betrat. Vielleicht noch die eine oderandere Liebschaft, mit der Kaufung hier ein Schäferstündchen abgehalten hatte.Er sah an sich hinunter, an seiner Kleidung und seinen Schuhen war kein Blut,huschte durch den Ausgang und liess die Tür nur angelehnt. Im Park gegenüberherrschte noch reges Treiben, doch keiner nahm Notiz von dem Mann, der soeben einenMord begangen hatte. Mit gemässigtem Schritt ging er zu seinem Auto, schliesslichwollte er nicht auffallen. Er hatte eine Verabredung, und er wollte die Damenicht zu lange warten lassen. Während der Fahrt rief er sie an und sagte, ersei in etwa zwanzig Minuten bei ihr.
© DroemerKnaur
- Autor: Andreas Franz
- 2005, 21. Auflage, 416 Seiten, Masse: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426626004
- ISBN-13: 9783426626009
- Erscheinungsdatum: 01.04.2005
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