Homers Heimat
Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe
Wer war Homer wirklich? Raoul Schrott ist bei der Arbeit an seiner Ilias-Übersetzung auf eine Sensation gestossen: Der Schauplatz der Ilias ist nicht Troia, sondern Kilikien. Diese These legt er in seiner grossen Studie Homers Heimat mit einer Fülle von...
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Produktinformationen zu „Homers Heimat “
Wer war Homer wirklich? Raoul Schrott ist bei der Arbeit an seiner Ilias-Übersetzung auf eine Sensation gestossen: Der Schauplatz der Ilias ist nicht Troia, sondern Kilikien. Diese These legt er in seiner grossen Studie Homers Heimat mit einer Fülle von Daten, Fakten, Belegen und Indizien vor - und das erste Mal seit über 2500 Jahren wird nicht nur der zeitgenössische Hintergrund der Ilias rekonstruiert, sondern auch die Person Homer und ihre Herkunft erkennbar gemacht. Schrott hat die kilikischen Hintergründe für die Götter und Heldenfiguren der Ilias erforscht; die kilikische Landschaft bereist; die Realgeschichte wiedergefunden, die Homer in den alten Troiastoff projiziert, und die historischen Vorbilder für unsterbliche Figuren wie Paris, Helena, Hektor, Achilleus und Priamos.
Klappentext zu „Homers Heimat “
Wer war Homer wirklich? Raoul Schrott ist bei der Arbeit an seiner Ilias-Übersetzung auf eine Sensation gestossen: Der Schauplatz der Ilias ist nicht Troia, sondern Kilikien. Diese These legt er in seiner grossen Studie "Homers Heimat" mit einer Fülle von Daten, Fakten, Belegen und Indizien vor - und das erste Mal seit über 2500 Jahren wird nicht nur der zeitgenössische Hintergrund der Ilias rekonstruiert, sondern auch die Person Homer und ihre Herkunft erkennbar gemacht. Schrott hat die kilikischen Hintergründe für die Götter und Heldenfiguren der Ilias erforscht; die kilikische Landschaft bereist; die Realgeschichte wiedergefunden, die Homer in den alten Troiastoff projiziert, und die historischen Vorbilder für unsterbliche Figuren wie Paris, Helena, Hektor, Achilleus und Priamos.
Lese-Probe zu „Homers Heimat “
Homers Heimat von Raoul Schrott LESEPROBE Vorwort... mehr
Die Ilias umfaßt 15 693 Hexameter; um sie ins Deutsche zu übertragen, wälzt man Kommentare, Wörterbücher und Studien zu den einzelnen Stellen und vergleicht die vielen Übersetzungen anderer, um auf den Sinn der Zeilen zu kommen und stimmige deutsche Sätze für sie zu finden. Mehr als ein paar Dutzend Zeilen sind deshalb pro Tag nicht zu schaffen – doch man lernt so das Epos genauer kennen als beim reinen Lesen. Der Blickwinkel, unter dem man es betrachtet, ist dabei natürlich nicht unwesentlich: ich ging zunächst davon aus, es mit einer Dichtung zu tun zu haben, die auf einer uralten mündlichen Überlieferung beruhte, welche die Sage von Troia über Jahrhunderte weitergetragen hatte. Das entsprach nicht nur der etablierten Lehrmeinung, es kam mir auch als Dichter entgegen – als Argument pro domo. Denn welch beeindruckenderes Beispiel könnte es für den Stellenwert der Poesie geben, wenn Homer vorzuführen scheint, daß sie nicht nur eine schöne Kunst ist, sondern zugleich auch alles Wissen einer Zeit zu bewahren vermag? Nach und nach aber lehrten die einzelnen Verse selbst, das Epos mit anderen Augen zu sehen. Trotz seiner auf orale Traditionen zurückgehenden Diktion erwies es sich zunehmend mehr als Text, dessen Komposition grundlegend von einer schriftlichen Abfassung geprägt war. Zugleich zeigte sich aber, daß es auch auf anderen Texten beruhte: nachdem ich vor nicht allzulanger Zeit Gilgamesh übertragen hatte, war ich hellhörig für die in der Ilias auftauchenden Parallelen dazu, die weniger wie ein Echo motivischer Archetypen denn wie wortwörtliche Übernahmen klangen. Zusätzlich wies die Sekundärliteratur neben Gilgamesh und anderen akkadischen Epen aber noch eine ganze Reihe weiterer semitischer und hethitisch-hurritischer Stoffe und Motive als Vorlagen aus. Wobei all dies einen um so mehr vor das Problem stellte, wie ein griechischer Dichter an sie gekommen war – und damit auch, wo.
Die einfachsten Fragen sind immer am schwersten zu beantworten – außer man weiß, wen man fragen kann. Eine Antwort darauf gab mir der Althistoriker und Altorientalist Robert Rollinger, der sich – wie Burkert, West und immer mehr Spezialisten – mit den antiken Kontakten zwischen Orient und Okzident beschäftigt hatte. Er machte mich auf Kilikien aufmerksam, wo sich alle diese Kulturkreise überschnitten – wobei er erwähnte, daß es dort auch Hinweise auf Danaer und Achaier gäbe. Meine Neugier geweckt, schob er mir einen Stapel von Arbeiten zu diesem Themenkreis auf den Tisch und lieferte mir so eine erste Orientierung für das, was für mich völliges Neuland war.
Bei den schnell auftauchenden Detailfragen wurde ich von ihm auch jedesmal auf die rechten Literaturhinweise verwiesen – was die vorliegende Studie letztlich erst möglich machte: als Grabungsarbeit in mehreren Festmetern von Büchern in einer wohlsortierten Universitätsbibliothek. Daß mir Robert Rollinger und viele seiner Kollegen in vielerlei Hinsicht mögliche Wege wiesen und sie mit mir diskutierten, ist das eine; daß ich jedoch für die in dieser Arbeit vorgelegten Ergebnisse allein die Verantwortung übernehme, ist das andere.
Denn was sozusagen mit einem Sondierungsschnitt begann, weitete sich aus, wobei über der alten troianischen Schicht bald ein ganz anderer Grundriß der Ilias zum Vorschein kam. Meine Skepsis über die einzelnen Funde schwand erst nach und nach: erst die die immer deutlicher zutage tretenden Fundamente räumten schießlich jeden Zweifel darüber aus, daß ich mit Kilikien auf das richtige Grabungsgelände geraten war. Weshalb sonst keiner darauf gestoßen war, hat wohl mehrere Gründe. Zum einen begann diese Region erst vor kurzem für die Forschung interessant zu werden – ohne daß man bislang daran gedacht hatte, sie mit unserem Epos in Verbindung zu bringen. Zum anderen lag es daran, daß erst die neueste Datierung der Ilias um 660 den Blick auf den Orient gelenkt hatte – viele Gelehrte sie jedoch immer noch im 8. Jahrhundert ansetzten. Dazu kam schließlich, daß man sich auf Troia und die kleinasiatische Westküste konzentrierte, wo den sehr viel späteren biographischen Legenden zufolge Homer herstammen sollte – was wäre näher gelegen? Jedenfalls kam so niemand auf die Idee, woanders nach ihm zu suchen.
Worauf ich jedoch am anderen Ende des Mittelmeers stieß, waren vergessene Kolonialisationsbestrebungen seitens der Griechen, die mit jedem weiteren Spatenstich zum Vorschein kamen und dabei auch den eigentlichen Zeithorizont der Ilias offenlegten. Auf der breiten Basis der traditionellen griechischen Epik aufbauend, sind sie es, die dem Epos seinen Gegenwartsbezug verleihen, indem sie Neues mit einbringen und alles Alte passend dazu konturieren. Als Eckpfeiler dieses von Homer gewissermaßen modernisierten und renovierten Erzählgebäudes lassen sich dabei folgende Prämissen und Schlußfolgerungen anführen:
– Als Heimat Homers läßt sich das griechische Festland oder die Westküste Kleinasiens ausscheiden, weil dort die bloß schriftlich zugänglichen akkadischen Texte nicht nachweisbar sind. In seiner Epoche überschnitten sich die diversen semitischen Kulturen mit der hurritischhethitischen und der griechischen Tradition – deren Vermischung die Ilias erkennen läßt – nur in Kilikien, auf Zypern und in Nordsyrien.
– Erster beweiskräftiger Beleg für Kilikien ist, daß die Bevölkerung dort bereits im 2. Jahrtausend gleichzeitig als Achaier und Danaer bezeichnet wird, was so nicht einmal für das griechische Festland gelten kann. Vermehrt gilt dies gerade für die Epoche unmittelbar vor Homers Zeit, wobei auch ein danaischer König über die kilikischen Achaier namens Awarikas greifbar wird, den die Ilias unter dem Namen Assarakos zu einem Vorfahren des Priamos erhebt.
– In einer breiten Gegenprobe dazu lassen sich bereits an den Göttern der Ilias spezifisch kilikische Synkretismen ausmachen, wobei auch die Mythen um Sarpedon, Bellerophontes, Aineias und Oineus, die Amazonenkönigin Myrine, Typhoeus oder der Feuerkult am Pyramos (der sich im Feuerkampf mit dem Skamandros widerspiegelt) bezeugbare Lokalbezüge aufweisen.
– Aussagekräftig sind auch die Landschaftsbeschreibungen der homerischen Gleichnisse. Sie stimmen in ihren agrarischen und geographischen Spezifika alle mit Kilikien und kaum je mit der Troas überein; das gleiche gilt für lokal belegbare Traditionen – von der Pferdezucht und den Schiffsbau bis hin zur Mode –, die das Epos meist formelhaft zitiert. Darüber hinaus lassen sich aber nicht nur viele iliadische Namen als typisch kilikisch ausmachen; auch eine ganze Reihe von im Epos erwähnten Orten ist in Kilikien nachweisbar.
– Von keinem anderen Land ist überdies bekannt, daß sich die Griechen in dieser Zeit gegen eine den Troern entsprechende Macht im Krieg befunden hätten. Ihre Kolonialisationsbestrebungen Anfang des 7. Jahrhunderts im Zuge der kilikischen Revolten gegen die Assyrer boten jedoch genügend Anlaß für die iliadischen Schlachtgemälde – und das Publikumsinteresse daran. Die unabhängig davon durch Burkert und West etablierte Datierung der Ilias und die Abfolge dieser Aufstände stützen sich dabei gegenseitig.
– Der direkte historische Bezug zu der Geschichte der Griechen in Kilikien ergibt sich zunächst durch die erste, vom assyrischen Herrscher Sargon II. niedergeschlagene Revolte. Sein Tod im Kampf gegen die Kimmerier an der kilikischen Landesgrenze löste dann eine zweite kilikische Revolte aus; er führte überdies dazu, daß am Gilgamesh jene XII. Tafel angehängt wurde, die Homer offenbar als Vorlage für das Erscheinen von Patroklos’ Geist diente.
– Die spezifischen Ereignisse im Rahmen dieser Aufstände, die dank der erhaltenen Annalen nachzeichenbar sind, flossen im selben Maß in die Ilias ein, wie sich an den daran beteiligten kilikischen Protagonisten Ambaris, Ahat-Abisha, Kirua, Sanduarri und Azatiwada Vorbilder für die Charakterzeichnungen von Paris, Helena, Hektor und Priamos erkennen lassen. Dabei wird ebenfalls deutlich, daß Homer auch Achilleus viele Züge verlieh, die auf die assyrischen Großkönige verweisen, und er die Griechen seines Epos generell in die Rolle der Assyrer schlüpfen ließ.
– Die Eroberung Jerusalems durch Sargons Sohn Sanherib im Jahre 701 leitete dann die Niederschlagung der zweiten kilikischen Revolte ein. In Jerusalem sind dabei nicht nur auf beiden Seiten Griechen nachweisbar, die Belagerung dieser Stadt lieferte Homer auch wesentliche Motive für seinen I. Gesang. Das geht aus Herodots Bericht darüber sowie der Schilderung im Alten Testament hervor, die mit der Anfangsszene der Ilias bis in Details hinein übereinstimmen.
– Im Zuge dieser zweiten kilikischen Revolte wurde das von Argeiern besiedelte Tarsos erobert, seine Mauern geschliffen und der Fluß durch sie umgeleitet, genauso wie Homer es anhand des griechischen Walls beschreibt – wobei er auch auf die Beschreibungen der etwa zeitgleichen Flutung Babylons als Textvorlage zurückgreift.
– Überdies arbeitete Homer in sein Epos auch die Kriegsberichte zu anderen assyrischen Feldzügen – die Schlacht von Halule oder die Eroberung des ägyptischen Theben in den Jahren 671 und 663 – in sein Epos ein, wobei letztere mit zur modernen Datierung des Epos geführt hat. (…)
© Hanser Verlag
Die einfachsten Fragen sind immer am schwersten zu beantworten – außer man weiß, wen man fragen kann. Eine Antwort darauf gab mir der Althistoriker und Altorientalist Robert Rollinger, der sich – wie Burkert, West und immer mehr Spezialisten – mit den antiken Kontakten zwischen Orient und Okzident beschäftigt hatte. Er machte mich auf Kilikien aufmerksam, wo sich alle diese Kulturkreise überschnitten – wobei er erwähnte, daß es dort auch Hinweise auf Danaer und Achaier gäbe. Meine Neugier geweckt, schob er mir einen Stapel von Arbeiten zu diesem Themenkreis auf den Tisch und lieferte mir so eine erste Orientierung für das, was für mich völliges Neuland war.
Bei den schnell auftauchenden Detailfragen wurde ich von ihm auch jedesmal auf die rechten Literaturhinweise verwiesen – was die vorliegende Studie letztlich erst möglich machte: als Grabungsarbeit in mehreren Festmetern von Büchern in einer wohlsortierten Universitätsbibliothek. Daß mir Robert Rollinger und viele seiner Kollegen in vielerlei Hinsicht mögliche Wege wiesen und sie mit mir diskutierten, ist das eine; daß ich jedoch für die in dieser Arbeit vorgelegten Ergebnisse allein die Verantwortung übernehme, ist das andere.
Denn was sozusagen mit einem Sondierungsschnitt begann, weitete sich aus, wobei über der alten troianischen Schicht bald ein ganz anderer Grundriß der Ilias zum Vorschein kam. Meine Skepsis über die einzelnen Funde schwand erst nach und nach: erst die die immer deutlicher zutage tretenden Fundamente räumten schießlich jeden Zweifel darüber aus, daß ich mit Kilikien auf das richtige Grabungsgelände geraten war. Weshalb sonst keiner darauf gestoßen war, hat wohl mehrere Gründe. Zum einen begann diese Region erst vor kurzem für die Forschung interessant zu werden – ohne daß man bislang daran gedacht hatte, sie mit unserem Epos in Verbindung zu bringen. Zum anderen lag es daran, daß erst die neueste Datierung der Ilias um 660 den Blick auf den Orient gelenkt hatte – viele Gelehrte sie jedoch immer noch im 8. Jahrhundert ansetzten. Dazu kam schließlich, daß man sich auf Troia und die kleinasiatische Westküste konzentrierte, wo den sehr viel späteren biographischen Legenden zufolge Homer herstammen sollte – was wäre näher gelegen? Jedenfalls kam so niemand auf die Idee, woanders nach ihm zu suchen.
Worauf ich jedoch am anderen Ende des Mittelmeers stieß, waren vergessene Kolonialisationsbestrebungen seitens der Griechen, die mit jedem weiteren Spatenstich zum Vorschein kamen und dabei auch den eigentlichen Zeithorizont der Ilias offenlegten. Auf der breiten Basis der traditionellen griechischen Epik aufbauend, sind sie es, die dem Epos seinen Gegenwartsbezug verleihen, indem sie Neues mit einbringen und alles Alte passend dazu konturieren. Als Eckpfeiler dieses von Homer gewissermaßen modernisierten und renovierten Erzählgebäudes lassen sich dabei folgende Prämissen und Schlußfolgerungen anführen:
– Als Heimat Homers läßt sich das griechische Festland oder die Westküste Kleinasiens ausscheiden, weil dort die bloß schriftlich zugänglichen akkadischen Texte nicht nachweisbar sind. In seiner Epoche überschnitten sich die diversen semitischen Kulturen mit der hurritischhethitischen und der griechischen Tradition – deren Vermischung die Ilias erkennen läßt – nur in Kilikien, auf Zypern und in Nordsyrien.
– Erster beweiskräftiger Beleg für Kilikien ist, daß die Bevölkerung dort bereits im 2. Jahrtausend gleichzeitig als Achaier und Danaer bezeichnet wird, was so nicht einmal für das griechische Festland gelten kann. Vermehrt gilt dies gerade für die Epoche unmittelbar vor Homers Zeit, wobei auch ein danaischer König über die kilikischen Achaier namens Awarikas greifbar wird, den die Ilias unter dem Namen Assarakos zu einem Vorfahren des Priamos erhebt.
– In einer breiten Gegenprobe dazu lassen sich bereits an den Göttern der Ilias spezifisch kilikische Synkretismen ausmachen, wobei auch die Mythen um Sarpedon, Bellerophontes, Aineias und Oineus, die Amazonenkönigin Myrine, Typhoeus oder der Feuerkult am Pyramos (der sich im Feuerkampf mit dem Skamandros widerspiegelt) bezeugbare Lokalbezüge aufweisen.
– Aussagekräftig sind auch die Landschaftsbeschreibungen der homerischen Gleichnisse. Sie stimmen in ihren agrarischen und geographischen Spezifika alle mit Kilikien und kaum je mit der Troas überein; das gleiche gilt für lokal belegbare Traditionen – von der Pferdezucht und den Schiffsbau bis hin zur Mode –, die das Epos meist formelhaft zitiert. Darüber hinaus lassen sich aber nicht nur viele iliadische Namen als typisch kilikisch ausmachen; auch eine ganze Reihe von im Epos erwähnten Orten ist in Kilikien nachweisbar.
– Von keinem anderen Land ist überdies bekannt, daß sich die Griechen in dieser Zeit gegen eine den Troern entsprechende Macht im Krieg befunden hätten. Ihre Kolonialisationsbestrebungen Anfang des 7. Jahrhunderts im Zuge der kilikischen Revolten gegen die Assyrer boten jedoch genügend Anlaß für die iliadischen Schlachtgemälde – und das Publikumsinteresse daran. Die unabhängig davon durch Burkert und West etablierte Datierung der Ilias und die Abfolge dieser Aufstände stützen sich dabei gegenseitig.
– Der direkte historische Bezug zu der Geschichte der Griechen in Kilikien ergibt sich zunächst durch die erste, vom assyrischen Herrscher Sargon II. niedergeschlagene Revolte. Sein Tod im Kampf gegen die Kimmerier an der kilikischen Landesgrenze löste dann eine zweite kilikische Revolte aus; er führte überdies dazu, daß am Gilgamesh jene XII. Tafel angehängt wurde, die Homer offenbar als Vorlage für das Erscheinen von Patroklos’ Geist diente.
– Die spezifischen Ereignisse im Rahmen dieser Aufstände, die dank der erhaltenen Annalen nachzeichenbar sind, flossen im selben Maß in die Ilias ein, wie sich an den daran beteiligten kilikischen Protagonisten Ambaris, Ahat-Abisha, Kirua, Sanduarri und Azatiwada Vorbilder für die Charakterzeichnungen von Paris, Helena, Hektor und Priamos erkennen lassen. Dabei wird ebenfalls deutlich, daß Homer auch Achilleus viele Züge verlieh, die auf die assyrischen Großkönige verweisen, und er die Griechen seines Epos generell in die Rolle der Assyrer schlüpfen ließ.
– Die Eroberung Jerusalems durch Sargons Sohn Sanherib im Jahre 701 leitete dann die Niederschlagung der zweiten kilikischen Revolte ein. In Jerusalem sind dabei nicht nur auf beiden Seiten Griechen nachweisbar, die Belagerung dieser Stadt lieferte Homer auch wesentliche Motive für seinen I. Gesang. Das geht aus Herodots Bericht darüber sowie der Schilderung im Alten Testament hervor, die mit der Anfangsszene der Ilias bis in Details hinein übereinstimmen.
– Im Zuge dieser zweiten kilikischen Revolte wurde das von Argeiern besiedelte Tarsos erobert, seine Mauern geschliffen und der Fluß durch sie umgeleitet, genauso wie Homer es anhand des griechischen Walls beschreibt – wobei er auch auf die Beschreibungen der etwa zeitgleichen Flutung Babylons als Textvorlage zurückgreift.
– Überdies arbeitete Homer in sein Epos auch die Kriegsberichte zu anderen assyrischen Feldzügen – die Schlacht von Halule oder die Eroberung des ägyptischen Theben in den Jahren 671 und 663 – in sein Epos ein, wobei letztere mit zur modernen Datierung des Epos geführt hat. (…)
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Autoren-Porträt von Raoul Schrott
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung Das schweigende Kind (2012), die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014), der Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben (2015) sowie Erste Erde (Epos, 2016), Politiken & Ideen (Essays, 2018), Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (Roman, 2019) und Inventur des Sommers (Über das Abwesende, 2023). Raoul Schrott arbeitet zurzeit im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur an einem umfangreichen Atlas der Sternenhimmel. 2023 hatte er die Ernst-Jandl-Dozentur der Universität Wien inne.
Bibliographische Angaben
- Autor: Raoul Schrott
- 2008, 426 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Masse: 15,4 x 22,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446230238
- ISBN-13: 9783446230231
- Erscheinungsdatum: 11.03.2008
Rezension zu „Homers Heimat “
"Raoul Schrott kann stundenlang begeistert, besessen mit assyrischen, luwischen, hethitischen, phönizischen, babylonischen Zungen reden und gebärdenreich einen Turm von Argumenten bis zu den Tiroler Alpengipfeln bauen." Peter von Becker, Der Tagesspiegel, 09.03.08"Wer war Homer? Der 'Ilias'-Dichter ein östlicher Schreiber? Raoul Schrott, Universalgelehrter, Reisender und Geistestheoretiker, stellt Thesen auf, die das kulturelle Selbstbild der Europäer verändern könnten." Peter von Becker, Der Tagesspiegel, 09.03.08
Pressezitat
"Raoul Schrott kann stundenlang begeistert, besessen mit assyrischen, luwischen, hethitischen, phönizischen, babylonischen Zungen reden und gebärdenreich einen Turm von Argumenten bis zu den Tiroler Alpengipfeln bauen." Peter von Becker, Der Tagesspiegel, 09.03.08"Wer war Homer? Der 'Ilias'-Dichter ein östlicher Schreiber? Raoul Schrott, Universalgelehrter, Reisender und Geistestheoretiker, stellt Thesen auf, die das kulturelle Selbstbild der Europäer verändern könnten." Peter von Becker, Der Tagesspiegel, 09.03.08
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