High Noon im Mittelland
Die besten Kolumnen
Zwei Typen stehen einem dritten, durch eine Dorfstrasse getrennt, gegenüber. Wüste Beschimpfungen fliegen hin und her, die Colts sitzen locker, von fern tönt leise der Soundtrack von Spiel mir das Lied vom Tod . Bis plötzlich eine...
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Produktinformationen zu „High Noon im Mittelland “
Zwei Typen stehen einem dritten, durch eine Dorfstrasse getrennt, gegenüber. Wüste Beschimpfungen fliegen hin und her, die Colts sitzen locker, von fern tönt leise der Soundtrack von Spiel mir das Lied vom Tod . Bis plötzlich eine Frauenstimme ruft: Reinkommen! Mittagessen! und die drei Jungs nach Hause rennen.
Diese Geschichte steht beispielhaft für Milena Mosers Beobachtungen des Alltags der Schweiz im 21. Jahrhundert. Gekonnt berichtet sie von hochfliegenden Ansprüchen, die an der Fassade der Wirklichkeit zerpulvern, und macht sich und andere liebevoll zum Gegenstand ihrer Kolumnen.
Das Buch eignet sich als idealvergnügliches Geschenkbuch für Moser-Fans genauso wie für Neulinge.
Diese Geschichte steht beispielhaft für Milena Mosers Beobachtungen des Alltags der Schweiz im 21. Jahrhundert. Gekonnt berichtet sie von hochfliegenden Ansprüchen, die an der Fassade der Wirklichkeit zerpulvern, und macht sich und andere liebevoll zum Gegenstand ihrer Kolumnen.
Das Buch eignet sich als idealvergnügliches Geschenkbuch für Moser-Fans genauso wie für Neulinge.
Lese-Probe zu „High Noon im Mittelland “
High Noon im Mittelland - Die besten Kolumnen von Milena MoserDas Zögern des Fußgängers vor den gelben Streifen
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Wer im Auto sitzt, versteht es nicht: Von weitem schon sieht der Autofahrer den Fußgänger am Straßenrand stehen und ihm misstrauisch entgegenschauen. Vorsichtshalber verlangsamt der Autofahrer schon mal, für den Fall, dass sich der Fußgänger in Bewegung setzen sollte, noch hätte er längst Zeit, die Straße zu überqueren, bevor der Autofahrer auch nur in seine Nähe käme - immer noch nichts. Erst wenn man direkt vor den gelben Streifen angehalten hat, macht der Fußgänger den ersten Schritt auf den gelben Streifen, den Blick immer noch misstrauisch auf die Windschutzscheibe gerichtet, als würde der Autofahrer plötzlich Gas geben und den Fußgänger über den Haufen fahren. Deshalb vermutlich der abwehrend ausgestreckte Arm, obwohl der in einem solchen Fall auch nichts mehr nützen würde.
Wer im Auto sitzt, seufzt jetzt entnervt. Was noch, denkt man, soll ich etwa den Motor ausschalten, aussteigen, den Fußgänger am Arm nehmen und sicher auf die andere Straßenseite geleiten? Man schüttelt den Kopf. Das hätte doch längst gereicht, denkt man, der wäre doch längst auf der anderen Straßenseite gewesen, bevor ich die Kreuzung erreicht hätte, ich hätte nicht mal bremsen müssen! Nicht bremsen müssen. Nur nicht bremsen! Genau. Darum geht es. Und das weiß der Fußgänger natürlich. Er weiß genau, wie es im Kopf des Autofahrers aussieht, oder wie es vom Beifahrersitz tönt: «Warum bremst du jetzt? Du wärst doch längst ... Herrgott, warum läuft denn der Trottel nicht los? Jetzt ! Achtung! Dann brems eben! In Gottes Namen! Brems!»
Hier muss ich ganz kurz und vollkommen zusammenhangslos die Geschichte einer Leserin einfügen, die Vreni heißt und die mit ihrer Freundin in Italien in den Ferien war, wo sie von einem netten jungen Mann mit dem Auto irgendwohin gefahren wurden. Die Freundinnen unterhielten sich ziemlich laut auf dem Rücksitz, bis der junge Mann plötzlich in voller Fahrt heftig bremste - «freni!» heißt drum: «Brems!» Die Leserin nennt sich seither Verena. Item.
Als Fußgänger hat man allen Grund, sich nähernde Fahrzeuge misstrauisch zu beobachten: Die Schweiz schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab. Bei uns gibt es mehr Fußgängertote als in allen anderen Ländern, außer in Großbritannien, und ein höherer Prozentsatz davon wurde auf dem Fußgängerstreifen getötet. Auf dem Fußgängerstreifen! Auch da sind wir an zweiter Stelle. Keine Zahlen habe ich zu Ägypten gefunden, wo der Verkehr chaotisch, laut und unaufhörlich durch die Straßen tobt. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal in Kairo war, ich erinnere mich an Taxifahrer, die unvermittelt den Rückwärtsgang einlegten, die mitten auf der Kreuzung stehen blieben und ausstiegen, um einen Kollegen auf der anderen Seite zu begrüßen, ich erinnere mich voller Sehnsucht an die hilfsbereiten Herren, die an Straßenecken herumlungerten und gleich herbeisprangen, um für einen das Auto zu parkieren - notfalls hoben sie es mit vereinten Kräften in eine schmale Lücke, wie ein Spielzeug, wie einen Puzzlestein. Vor allem aber erinnere ich mich daran, wie ich zwanzig Minuten lang an einer Kreuzung wartete, bis ich genug Mut gesammelt hatte, um mich in den tosenden Verkehr zu stürzen. In Kairo hält niemand an. Man muss die Augen schließen, ein kurzes Gebet sprechen, oder, wie es ein älterer Herr, der neben mir wartete, ausdrückte: «Jedes Mal, wenn wir über die Straße gehen, sage ich meiner Frau, dass ich sie liebe. Wer weiß, ob wir uns auf der anderen Seite wiedersehen!» Doch das tut man immer. Das Blechmeer öffnet sich hupend und schließt sich hinter einem. Man gewöhnt sich daran. Augen zu und durch.
Niemals würde ich das hier wagen. Ich luege und lose, bis ich weit und breit kein Auto mehr sehe und schon gar keins höre. Erst dann laufe ich los. Sicherheitshalber strecke ich die Arme nach beiden Seiten aus, das Unheil abwehrend, das ich in der nachmittäglichen Stille ahne. Eben doch.
© Nagel und Kimche im Carl Hanser Verlag, München
Wer im Auto sitzt, versteht es nicht: Von weitem schon sieht der Autofahrer den Fußgänger am Straßenrand stehen und ihm misstrauisch entgegenschauen. Vorsichtshalber verlangsamt der Autofahrer schon mal, für den Fall, dass sich der Fußgänger in Bewegung setzen sollte, noch hätte er längst Zeit, die Straße zu überqueren, bevor der Autofahrer auch nur in seine Nähe käme - immer noch nichts. Erst wenn man direkt vor den gelben Streifen angehalten hat, macht der Fußgänger den ersten Schritt auf den gelben Streifen, den Blick immer noch misstrauisch auf die Windschutzscheibe gerichtet, als würde der Autofahrer plötzlich Gas geben und den Fußgänger über den Haufen fahren. Deshalb vermutlich der abwehrend ausgestreckte Arm, obwohl der in einem solchen Fall auch nichts mehr nützen würde.
Wer im Auto sitzt, seufzt jetzt entnervt. Was noch, denkt man, soll ich etwa den Motor ausschalten, aussteigen, den Fußgänger am Arm nehmen und sicher auf die andere Straßenseite geleiten? Man schüttelt den Kopf. Das hätte doch längst gereicht, denkt man, der wäre doch längst auf der anderen Straßenseite gewesen, bevor ich die Kreuzung erreicht hätte, ich hätte nicht mal bremsen müssen! Nicht bremsen müssen. Nur nicht bremsen! Genau. Darum geht es. Und das weiß der Fußgänger natürlich. Er weiß genau, wie es im Kopf des Autofahrers aussieht, oder wie es vom Beifahrersitz tönt: «Warum bremst du jetzt? Du wärst doch längst ... Herrgott, warum läuft denn der Trottel nicht los? Jetzt ! Achtung! Dann brems eben! In Gottes Namen! Brems!»
Hier muss ich ganz kurz und vollkommen zusammenhangslos die Geschichte einer Leserin einfügen, die Vreni heißt und die mit ihrer Freundin in Italien in den Ferien war, wo sie von einem netten jungen Mann mit dem Auto irgendwohin gefahren wurden. Die Freundinnen unterhielten sich ziemlich laut auf dem Rücksitz, bis der junge Mann plötzlich in voller Fahrt heftig bremste - «freni!» heißt drum: «Brems!» Die Leserin nennt sich seither Verena. Item.
Als Fußgänger hat man allen Grund, sich nähernde Fahrzeuge misstrauisch zu beobachten: Die Schweiz schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab. Bei uns gibt es mehr Fußgängertote als in allen anderen Ländern, außer in Großbritannien, und ein höherer Prozentsatz davon wurde auf dem Fußgängerstreifen getötet. Auf dem Fußgängerstreifen! Auch da sind wir an zweiter Stelle. Keine Zahlen habe ich zu Ägypten gefunden, wo der Verkehr chaotisch, laut und unaufhörlich durch die Straßen tobt. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal in Kairo war, ich erinnere mich an Taxifahrer, die unvermittelt den Rückwärtsgang einlegten, die mitten auf der Kreuzung stehen blieben und ausstiegen, um einen Kollegen auf der anderen Seite zu begrüßen, ich erinnere mich voller Sehnsucht an die hilfsbereiten Herren, die an Straßenecken herumlungerten und gleich herbeisprangen, um für einen das Auto zu parkieren - notfalls hoben sie es mit vereinten Kräften in eine schmale Lücke, wie ein Spielzeug, wie einen Puzzlestein. Vor allem aber erinnere ich mich daran, wie ich zwanzig Minuten lang an einer Kreuzung wartete, bis ich genug Mut gesammelt hatte, um mich in den tosenden Verkehr zu stürzen. In Kairo hält niemand an. Man muss die Augen schließen, ein kurzes Gebet sprechen, oder, wie es ein älterer Herr, der neben mir wartete, ausdrückte: «Jedes Mal, wenn wir über die Straße gehen, sage ich meiner Frau, dass ich sie liebe. Wer weiß, ob wir uns auf der anderen Seite wiedersehen!» Doch das tut man immer. Das Blechmeer öffnet sich hupend und schließt sich hinter einem. Man gewöhnt sich daran. Augen zu und durch.
Niemals würde ich das hier wagen. Ich luege und lose, bis ich weit und breit kein Auto mehr sehe und schon gar keins höre. Erst dann laufe ich los. Sicherheitshalber strecke ich die Arme nach beiden Seiten aus, das Unheil abwehrend, das ich in der nachmittäglichen Stille ahne. Eben doch.
© Nagel und Kimche im Carl Hanser Verlag, München
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Bibliographische Angaben
- Autor: Milena Moser
- 2011, 1. Auflage., 166 Seiten, Masse: 13,2 x 20,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Nagel & Kimche
- ISBN-10: 3312004802
- ISBN-13: 9783312004805
- Erscheinungsdatum: 25.07.2011
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