Überlandleitung
Prosagedichte
Kurz nachdem Katharina Hacker für ihren Roman 'Die Habenichtse' im Jahr 2006 den Deutschen Buchpreis erhielt, legte sie einen Band mit Gedichten vor, aus denen intensivste Wahrnehmung spricht: 'Überlandleitung' enthält Prosagedichte, mit denen wir wie auf...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Überlandleitung “
Klappentext zu „Überlandleitung “
Kurz nachdem Katharina Hacker für ihren Roman 'Die Habenichtse' im Jahr 2006 den Deutschen Buchpreis erhielt, legte sie einen Band mit Gedichten vor, aus denen intensivste Wahrnehmung spricht: 'Überlandleitung' enthält Prosagedichte, mit denen wir wie auf Zehenspitzen die Räume zwischen Imagination und Realität betreten, die Zeiten zwischen Gegenwart und Vergangenheit - auch sprachliches Neuland.
Lese-Probe zu „Überlandleitung “
Überlandleitung von Katharina HackerI
im September
über die Mauer hängen die Zweige der Weide
schnurgerade wächst im Hof der Stamm des Ginkgos
vom Fest blieben zwischen den Pflastersteinen
weiße Salzkörner von den Brezeln gerieben
während die Krümel längst Vögel aufgepickt haben
das ist der Anfang denke ich mir
wobei ich Tage schon zähle in den Herbst
in den Winter den Frühling hinein bis in den Sommer
den nächsten wenn zwischen den Steinen
wieder Salzkörner liegen
zwei Hände bilden den Flugkörper nach der
in der Luft steht sich aufschwingt
von oben aus der Perspektive des stillstehenden Vogels
fotografierte ich diesen Weg die scharfkantigen
schwarzen Steine der alten Messestraße nach Leipzig
ein gedrungener Vogel ist es der in seinem Flug
keinem Raubvogel ähnelt eher dem Wort
Wachtel ja er ähnelt einem Wort dem Namen
eines Zugvogels der fast ausgerottet ist
im Oktober
die Farbe platzt ab von den Augen
während der Tag überm Dach den Wind
antreibt und Geruch nach Weihrauch
aus einem Gebüsch steigt Bussardrufe
unablässig tönen und Flugzeuge aller Arten
Passanten sind hier überall promenieren
wie in der Stadt Hunde voran und
leichtes Schuhwerk an den Füßen
während die Landschaft sich vernutzt
unter den täglichen Blicken
werden die Farben von Tag zu Tag
kühner platzen ab von den Augen
... mehr
unter den Nußbäumen entlang bis zum Haus das Gras
grell ausgeleuchtet von den Scheinwerfern
spätsommermatt kein Laut zu hören von den Nüssen
wie sie fallen unter den Bäumen zum Haus hin
bräunlich die Halme und das Laub auch -
im Traum nur durchs taunasse Gras spätsommermatt
und lautlos fallen die Nüsse lautlos
tragen die Eichhörnchen sie davon
für Adrienne Schneider
im November
Schneetreiben über den flachen Hängen
hauchdünn zwischen den Gräsern den kahlgefrorenen
flach den Boden entlang
die eisigen Kristalle suchen Deckung
und Schutz in den Ausbuchtungen der Feldwege
in denen knöcheltief der Schnee
in Verwehungen zur Ruhe kommt
im Dezember
im Winterwind
(der Brief schon im Briefkasten in der Kälte)
sind die Sterne so deutlich lesbar als stünden sie
mit dem Rücken zur Vergangenheit
über dem Schneefeld im letzten Licht
flattert ein weißer Vogel auf der Stelle
stürzt schließlich herab.
lange behalte ich den hellsten Stern
im Auge ob er sich nicht doch
beweglich in ein Flugzeug verwandeln will
in der Nacht tauen die Ränder der Fußspuren
gefrieren morgens aufs neue
im Januar
mit jedem Tag wird die Einsamkeit größer
unter den Menschen deren Fußtritte nichts
abbilden als ihre eigene Größe und die
Nachricht bleibt aus die an der Erde haftet
nicht für und nicht gegen uns zeugt
unserer nicht bedarf und nicht unserer Angst
die Überlandleitung quert Äcker und Wege
aufgesprungen hegt das Land
- Eisreste und Pfützen und faulendes Holz -
und spärlich nur Stimmen miteinander
wie Hand in Hand über die Höhe nur zwei
ein Stück weit und wieder zurück
weil's weiter nicht geht weil's weiter nicht trägt
unter den Überlandleitungen
fußgroß und nicht größer
aufgehellt wie ein retuschiertes foto
ein re-touchiertes in seiner verlorenen einfalt
eine gruppe menschen in sonntagskleidern
ohne hut aber in feinen schuhen
auf einem feldweg pfützen rechts und links
im winter der nachläßt vereinzelt
schneeplacken auf dem acker während
der hügel sich wölbt wie gewohnt seltsam
altmodisch dies bild einer Sonntagsgesellschaft
digital und in farbe erinnert an august sanders
gesellschaft
die strommasten mit großen schritten
treten leise auf
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
unter den Nußbäumen entlang bis zum Haus das Gras
grell ausgeleuchtet von den Scheinwerfern
spätsommermatt kein Laut zu hören von den Nüssen
wie sie fallen unter den Bäumen zum Haus hin
bräunlich die Halme und das Laub auch -
im Traum nur durchs taunasse Gras spätsommermatt
und lautlos fallen die Nüsse lautlos
tragen die Eichhörnchen sie davon
für Adrienne Schneider
im November
Schneetreiben über den flachen Hängen
hauchdünn zwischen den Gräsern den kahlgefrorenen
flach den Boden entlang
die eisigen Kristalle suchen Deckung
und Schutz in den Ausbuchtungen der Feldwege
in denen knöcheltief der Schnee
in Verwehungen zur Ruhe kommt
im Dezember
im Winterwind
(der Brief schon im Briefkasten in der Kälte)
sind die Sterne so deutlich lesbar als stünden sie
mit dem Rücken zur Vergangenheit
über dem Schneefeld im letzten Licht
flattert ein weißer Vogel auf der Stelle
stürzt schließlich herab.
lange behalte ich den hellsten Stern
im Auge ob er sich nicht doch
beweglich in ein Flugzeug verwandeln will
in der Nacht tauen die Ränder der Fußspuren
gefrieren morgens aufs neue
im Januar
mit jedem Tag wird die Einsamkeit größer
unter den Menschen deren Fußtritte nichts
abbilden als ihre eigene Größe und die
Nachricht bleibt aus die an der Erde haftet
nicht für und nicht gegen uns zeugt
unserer nicht bedarf und nicht unserer Angst
die Überlandleitung quert Äcker und Wege
aufgesprungen hegt das Land
- Eisreste und Pfützen und faulendes Holz -
und spärlich nur Stimmen miteinander
wie Hand in Hand über die Höhe nur zwei
ein Stück weit und wieder zurück
weil's weiter nicht geht weil's weiter nicht trägt
unter den Überlandleitungen
fußgroß und nicht größer
aufgehellt wie ein retuschiertes foto
ein re-touchiertes in seiner verlorenen einfalt
eine gruppe menschen in sonntagskleidern
ohne hut aber in feinen schuhen
auf einem feldweg pfützen rechts und links
im winter der nachläßt vereinzelt
schneeplacken auf dem acker während
der hügel sich wölbt wie gewohnt seltsam
altmodisch dies bild einer Sonntagsgesellschaft
digital und in farbe erinnert an august sanders
gesellschaft
die strommasten mit großen schritten
treten leise auf
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
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Autoren-Porträt von Katharina Hacker
Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, lebt nach mehrjährigem Aufenthalt in Israel als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin und Brandenburg. 2006 erhielt sie den Deutschen Buchpreis für »Die Habenichtse«, zuletzt erschienen der Roman »Skip« (2015) und das Jugendbuch »Alles, was passieren wird« (2021).
Bibliographische Angaben
- Autor: Katharina Hacker
- 2014, 1. Auflage., 112 Seiten, Masse: 12,6 x 18,9 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596189721
- ISBN-13: 9783596189724
- Erscheinungsdatum: 26.06.2014
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