Geschichte der Tränen
Roman
Er ist sensibel und hat schon in jungen Jahren die gesamte linke Politliteratur verschlungen. In seiner Gegenwart fangen die Menschen unweigerlich an zu weinen. Nur er selbst vergiesst seit der Fernsehübertragung eines Putsches plötzlich keine Träne mehr....
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Produktinformationen zu „Geschichte der Tränen “
Er ist sensibel und hat schon in jungen Jahren die gesamte linke Politliteratur verschlungen. In seiner Gegenwart fangen die Menschen unweigerlich an zu weinen. Nur er selbst vergiesst seit der Fernsehübertragung eines Putsches plötzlich keine Träne mehr. Und als er dies zu hinterfragen beginnt, offenbart sich ihm die ganze Skurrilität des Lebens in einer Militärdiktatur ...
Klappentext zu „Geschichte der Tränen “
Als Kind ist er ein glühender Sozialist im Superheldenkostüm. Und auch später solidarisiert er - der Wand an Wand mit einem militärischen Folterer wohnt - sich heroisch mit den Schwachen und Verfolgten, und dabei weint er gern und viel. Doch als er Jahre später den Putsch gegen Allende im Fernsehen verfolgt,versiegen ihm plötzlich die Tränen. Und verwirrt hält er eine bitterböse Rückschau auf die kuriosen Stationen seiner politischen Prägung.Die »Geschichte der Tränen« erzählt eine verstörende Episode der argentinischen Geschichte. Und dabei macht sie, inmitten des lärmenden Getöses der Politik, die leisen Töne des Privaten hörbar.
Als Kind ist er ein glühender Sozialist im Superheldenkostüm. Und auch später solidarisiert er - der Wand an Wand mit einem militärischen Folterer wohnt - sich heroisch mit den Schwachen und Verfolgten, und dabei weint er gern und viel. Doch als er Jahre später den Putsch gegen Allende im Fernsehen verfolgt,versiegen ihm plötzlich die Tränen. Und verwirrt hält er eine bitterböse Rückschau auf die kuriosen Stationen seiner politischen Prägung.
Die "Geschichte der Tränen" erzählt eine verstörende Episode der argentinischen Geschichte. Und dabei macht sie, inmitten des lärmenden Getöses der Politik, die leisen Töne des Privaten hörbar.
Die "Geschichte der Tränen" erzählt eine verstörende Episode der argentinischen Geschichte. Und dabei macht sie, inmitten des lärmenden Getöses der Politik, die leisen Töne des Privaten hörbar.
Lese-Probe zu „Geschichte der Tränen “
In einem Alter, in dem andere Kinder ganz versessen darauf sind zu sprechen, kann er stunden-lang zuhören. Er ist vier Jahre alt, oder wenigstens hat man ihm das gesagt. Zur Verblüffung seiner Grosseltern und seiner Mutter, die im Wohnzimmer in der Ortega y Gasset zusammensitzen, in der Dreizimmerwohnung, aus der sein Vater, seines Wissens ohne Angabe von Gründen, acht Monate zuvor zusammen mit seinem Tabaksgeruch, seiner Taschenuhr und seiner Sammlung Hemden mit Monogramm der Hemdenschneiderei Castrillón verschwunden ist und zu der er nun jeden Samstagmorgen zurückkehrt, wenn auch nicht so pünktlich, wie seine Mutter es sich wünschen würde, den Knopf der Klingelanlage drückt und, egal wer sich meldet, in jenem ungeduldigen Ton verlangt, den er später als das Markenzeichen des Zustands erkennen lernt, in dem seine Beziehung zu Frauen erstarrt, sobald er mit ihnen Kinder hat, er solle auf der Stelle runterkommen, schiesst er in seinem grotesken Supermannkostüm, das er gerade geschenkt bekommen hat, wie der Blitz durchs Zimmer und mit ausgestreckten Armen in plump simuliertem Flug, Mumie, Schlafwandler oder Ente in Gips, durch die in tausend Stücke zerberstende Glasscheibe der Balkontür. Eine Sekunde später kommt er zu sich wie nach einer Ohnmacht. Er steht zwischen Blumentöpfen, nur etwas erhitzt und zittrig. Er betrachtet seine Hände und sieht zwei oder drei Blutsfäden, die sich wie gemalt über die Handflächen ziehen. Nicht die stählerne Konstitution des Superhelden, dem er nacheifert, hat ihn gerettet, wie man zunächst glauben könnte und wie die Erzählungen später zu wiederholen nicht müde werden, die diese Heldentat lebendig halten, die spektakulärste, wenn nicht einzige einer Kindheit, die von Anfang an darauf angelegt war, kein Aufsehen zu erregen, und lieber einsame Beschäftigungen pflegte, Lesen, Malen, das gerade aufkommende Fernsehen, Hinweise darauf, dass das, was man normalerweise Innenwelt nennt und was anscheinend immer etwas seltsame Geschöpfe
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auszeichnet, bei ihm beträchtlich besser entwickelt ist als bei den meisten seiner Altersgenossen. Gerettet hat ihn seine Empfindsamkeit, denkt er, hält jedoch mit dieser Erklärung hinterm Berg, als fürchtete er, eine Enthüllung könnte, ausser dass sie der offiziellen Version zuwiderliefe, was ihn völlig kalt liesse, die magische Wirkung zunichte machen, die sie erklären soll. Anders als seine Familie, insbesondere sein Vater, der ihr grösster Nutzniesser ist, vermag er sie noch nicht als Privileg zu begreifen, höchstens als angeborene Eigenschaft, so ungewöhnlich und zumindest aus seiner Sicht natürlich wie seine Fähigkeit zu beidhändigem Malen, die, von Verwandten und Freunden oft gefeiert, beispiellos dasteht und sich bald verliert. Denn an Supermann, dem absoluten Helden und ewigen Monument, dessen Abenteuer ihn so sehr fesseln, dass er nach Art der Kurzsichtigen fast mit der Nase an den Seiten klebt, wenn auch weniger, um zu lesen, denn er liest noch nicht, als um sich an Farben und Formen zu berauschen, bezaubern ihn nicht die Heldentaten, sondern die Momente von Versagen, die zweifellos sehr selten vorkommen, aber vielleicht darum ungleich intensiver sind als die, in denen der Superheld im Vollbesitz seiner Superkräfte in der Luft beispielsweise das Stück Gebirge abfängt, das jemand auf eine Gruppe von Bergsteigern stürzen lässt, oder innerhalb von Sekunden einen Damm errichtet, um eine verheerende Flutwelle zu stoppen, oder in pfeilschnellem Flug den Kinderwagen rettet, den ein ausser Kontrolle geratener Umzugslastwagen plattzuwalzen droht.
Er unterscheidet zwei Arten von Schwäche. Eine, die er schätzt, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad, und die sich aus einem moralischen Dilemma herleitet. Supermann muss zwischen zwei Übeln wählen: einen Tornado aufhalten, der eine ganze Stadt zu zentrifugieren droht, oder verhindern, dass ein blinder Bettler stolpert und in eine Grube fällt. Das Missverhältnis zwischen beiden Gefahren ist für jeden klar
Er unterscheidet zwei Arten von Schwäche. Eine, die er schätzt, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad, und die sich aus einem moralischen Dilemma herleitet. Supermann muss zwischen zwei Übeln wählen: einen Tornado aufhalten, der eine ganze Stadt zu zentrifugieren droht, oder verhindern, dass ein blinder Bettler stolpert und in eine Grube fällt. Das Missverhältnis zwischen beiden Gefahren ist für jeden klar
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Autoren-Porträt von Alan Pauls
Alan Pauls, geboren 1959 in Buenos Aires, hat Literatur gelehrt, daneben Drehbücher, Filmkritiken, Essays und sechs Romane geschrieben. Er arbeitet als Kulturkolumnist für eine grosse Tageszeitung und moderiert eine Fernsehsendung. Sein Werk ist bisher in 14 Sprachen übersetzt worden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alan Pauls
- 2010, 1. Aufl. 2010, 142 Seiten, Masse: 12,6 x 20,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Christian Hansen
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-10: 3608937102
- ISBN-13: 9783608937107
- Erscheinungsdatum: 20.08.2010
Rezension zu „Geschichte der Tränen “
"Alan Pauls' schmaler Roman "Geschichte der Tränen" erzählt wunderbar nuanciert von einer Kindheit im Argentinien der 1960er und 1970er Jahre. ...Die Weltenretter und engagierten Intellektuellen, die in Buenos Aires von der Revolution träumen, verabscheuen den Weltenretter, die die US-amerikanischen Kulturindustrie ins Rennen schickt. Wie es sich anfühlt, wenn man zwischen die Fronten gerät, führt "Geschichte der Tränen" auf wunderbar nuancierte Weise aus."Christina Nord, die tageszeitung, 20.08.2010"Radikal ist dieser Roman über eine "education sentimentale" zu Zeiten einer Diktatur allemal, im Guten wie im Schlechten."Deutschlandradio, 19.8.2010
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