Ethik in der Krise der Ökonomie

Nie ist der Ruf nach Ethik so laut wie in Zeiten der Krise. Was aber kann sie zur Bewältigung beitragen? Zunächst zielt Ethik in der Krise der Ökonomie auf eine doppelte Widerrede: gegen den Positivismus der Gesundbeter wie gegen den Moralismus der Ankläger. Die Krise ist weder die bedauerliche Folge eines unvermeidlichen Betriebsunfalls, noch ist sie vorrangig das Ergebnis menschlichen Versagens. Vielmehr haben die Regeln der Finanz- und Casinoökonomie ? genauer gesagt: deren gewollte Regellosigkeit, das Debakel verursacht. Deshalb hilft es nicht, auf Selbstheilungskräfte zu hoffen. Eine Politik, die alles daran setzt, die Wunden zu verbinden, den Schaden vom Steuerzahler begleichen zu lassen und dann eine schnelle Genesung zu erwarten, geht in die Irre. Erforderlich sind statt dessen neue Regeln. Gefragt ist hier vor allem die Institutionenethik ? und die Wiederentdeckung der Politischen Ökonomie. Einen Weg aus der Krise wird es nicht geben, wenn die Politik weiter die Frage unberücksichtigt lässt, welchem Zweck die Ökonomie dienen soll: nämlich dem Menschen. In diesem Fall aber muss die Ökonomie mit der Anthropologie zusammenkommen. Der Ökonomie wie der Politik ist dieser Zusammenhang aus dem Blick geraten: Jedes Bild von Wirtschaft und Gesellschaft findet sein Mass in der Frage nach dem Menschen. Mit einer Antwort auf diese Frage beginnt die Bewältigung der Krise.