Du oder die grosse Liebe / Du oder ... Trilogie Bd.3
Luis Fuentes verliebt sich auf der Hochzeit seines Bruders in Nikki. Doch Nikki hat die Nase voll von Latino-Machos und gibt ihm einen Korb. Blöd nur, dass ihr Luis trotzdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Und dann gerät Luis in die Fänge der Latino Blood Gang.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Du oder die grosse Liebe / Du oder ... Trilogie Bd.3 “
Luis Fuentes verliebt sich auf der Hochzeit seines Bruders in Nikki. Doch Nikki hat die Nase voll von Latino-Machos und gibt ihm einen Korb. Blöd nur, dass ihr Luis trotzdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Und dann gerät Luis in die Fänge der Latino Blood Gang.
Klappentext zu „Du oder die grosse Liebe / Du oder ... Trilogie Bd.3 “
Die süchtig machende Bestsellerserie geht weiter!Eigentlich wollte Luis Fuentes sich auf der Hochzeit von seinem Bruder Alex mit dessen Freundin Brittany nur mit den Mädchen amüsieren - aber dann trifft er Nikki und verliebt sich postwendend in sie. Doch das Letzte, was Nikki will, ist, sich nach dem Fiasko mit Marco auf einen weiteren Latino-Macho einzulassen - und so gibt sie Luis einen Korb. Blöd nur, dass der überaus attraktive Luis ihr seit ihrem ersten Treffen partout nicht mehr aus dem Kopf geht! Noch blöder allerdings, dass Luis gerade, als die Sache zwischen ihm und Nikki ernst wird, in die Fänge der gefährlichen Latino Blood Gang gerät ...
Lese-Probe zu „Du oder die grosse Liebe / Du oder ... Trilogie Bd.3 “
Du oder die große Liebe von Simone Elkeles1
Luis
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Der jüngste von dreien zu sein, hat zweifellos seine Vorteile. Ich habe hautnah miterlebt, wie meine Brüder sich während ihrer Highschool-Zeit die Sorte Schwierigkeiten eingehandelt haben, die einen Kopf und Kragen kosten können. Was mich angeht, rechnet niemand damit, dass ich jemals in ihre Fußstapfen trete. Ich bin in der Schule top, prügle mich nicht rum und weiß, seit ich elf bin, was ich mal werden will. Jeder kennt mich als den guten Jungen in mi familia - keiner würde erwarten, dass ich je vom rechten Weg abkomme.
Meine Freunde wissen, was meine Familie nicht ahnt: dass auch ich eine verrückte, rebellische Ader in mir habe. Ich kann nichts dagegen machen. Ich bin ein Fuentes, und ein Rebell zu sein, ist tief in meinen Genen verwurzelt. Der Junge, der ich in den Augen meiner Familie bin, ist nicht zwingend identisch mit dem, der wirklich in mir steckt - aber ich habe vor, das für mich zu behalten. Ich habe mir geschworen, mich durch nichts von meinem größten Ziel abbringen zu lassen, aufs College zu gehen und Raumfahrt zu studieren, aber ab und zu ein kleines sportliches Risiko einzugehen, verschafft mir den Adrenalinrausch, nach dem ich süchtig bin.
Ich stehe mit vier meiner Freunde am Fuße einer Steinformation im Boulder Canyon. Jack Reyerson hat die Kletterausrüstung mitgebracht, aber ich will keinen Gurt anziehen. Ich nehme eines der Seile und befestige es mit einem Karabiner an meiner Gürtelschlaufe, damit ich es für den Rest der Gruppe im Fels verankern kann, wenn ich den Gipfel erreicht habe.
»Es ist nicht sicher, ohne Ausrüstung zu klettern, Luis«, sagt Brooke. »Aber das weißt du eh, oder?«
»Yep«, sage ich.
Ich starte einen ungesicherten Alleinaufstieg und bewege mich Stück für Stück die Felsformation hoch. Das hier ist nicht der erste Alleingang, den ich im Boulder Canyon unternehme, und ich habe genug Erfahrung, um zu wissen, was zum Teufel ich hier tue. Ich sage nicht, dass es kein Risiko ist - nur dass es ein kalkulierbares ist.
»Du bist verrückt, Luis«, ruft Jamie Bloomfield von unten, als ich noch höher klettere. »Wenn du abstürzt, bist du tot! «
»Ich möchte, dass alle hier wissen, dass keinesfalls ich die Verantwortung dafür übernehme, wenn du dir die Knochen brichst«, sagt Jack. »Ich hätte dich einen Haftungsverzicht unterschreiben lassen sollen.«
Jacks Vater ist Anwalt, daher hat er die nervige Angewohnheit, bei so ziemlich allem, was wir tun, die Verantwortung weit von sich zu weisen.
Ich sage ihnen nicht, dass Klettern ohne Sicherheitsgeschirr der reinste Adrenalinkick ist. Es löst in mir das Verlangen aus, mich noch härter zu pushen und bis an meine Grenzen zu gehen. Jamie hat mich einen Adrenalinjunkie genannt, nachdem ich im Winterurlaub in Vail letztes Jahr mit dem Snowboard die schwarze Piste runter bin. Ich habe ihr nicht erzählt, dass es mir ebenfalls einen Kick verpasst hat, mit dem Mädchen rumzumachen, das ich am selben Abend in der Lobby kennengelernt hatte. Macht mich das zum Junkie?
Als ich auf halber Höhe zum Gipfel bin, halte ich inne - meinen Fuß habe ich in eine schmale Felsspalte geschoben und auch meine Hand hat einen festen Halt. Es ist hoch genug, um einen Blick nach unten zu riskieren, damit ich sehe, worauf ich vielleicht krache, wenn ich abrutsche.
»Guck nicht nach unten!«, ruft Jack panisch. »Dir wird sonst noch schwindelig und du stürzt ab.«
»... und stirbst!«, fügt Jamie hinzu.
Dios mío. Meine Freunde sollten echt mal chillen. Sie sind weiß, und ich bin von einer mexikanischen Familie mit lauter Kerlen großgezogen worden, die Herausforderungen lieben und ein Leben auf der Überholspur führen. Und auch wenn von mir erwartet wird, der eine Fuentes-Bruder zu sein, der klug genug ist, keinerlei Risiken einzugehen, fühle ich mich am lebendigsten, wenn ich genau das tue.
Der Gipfel ist zum Greifen nah. Ich richte den Blick in die Ferne und betrachte die Landschaft aus der Vogelperspektive. Es ist verflucht atemberaubend. Früher habe ich in Illinois gelebt, wo die Landschaft, mal abgesehen von den Wolkenkratzern, komplett flach war. Der Blick über die Colorado Berge weckt in mir Ehrfurcht für die Natur. Mit dem Wind im Rücken und der Sonne hoch am Himmel, fühle ich mich unbesiegbar.
Ich greife mit meiner linken Hand nach oben und klammere mich an einem Vorsprung fest, der ungefähr drei Meter vom Gipfel entfernt ist. Ich habe es fast geschafft. Als ich den Fels nach einer Stelle absuche, wohin ich meinen Fuß setzen kann, fühle ich, wie sich etwas Scharfes in meine Hand bohrt.
Oh, verdammt. Gar nicht gut.
Ich bin gerade von etwas gebissen worden.
Instinktiv platziere ich meinen Fuß, während ich blitzschnell die Hand zurückziehe und einen Blick darauf werfe. Auf dem Handrücken sind zwei kleine runde Bissmale zu sehen, aus denen Blut strömt.
»Hör auf, dir die Eier zu kraulen, damit wir es noch vor Sonnenuntergang bis nach oben schaffen, Luis!«, brüllt Eli Movitz von unten.
»Ich habe keine guten Nachrichten, Leute«, rufe ich zu ihnen runter, als über mir eine Schlange ganz kurz ihren Kopf vorstreckt und schnell wieder zurückzieht, »aber ich bin gerade von einer Schlange gebissen worden.«
Ich habe keinen genauen Blick auf das Miststück werfen können, das offensichtlich wieder Schutz in einer Felsspalte gesucht hat, daher habe ich keine Ahnung, ob sie giftig ist oder nicht. Scheiße. Ich gucke nach unten zu meinen Freunden und die Höhe lässt mich fast augenblicklich schwindeln. So war das nicht geplant. Mein Herz rast wie verrückt, und ich kneife die Augen zu, weil ich hoffe, dass ich die Erde so dazu bringen kann, sich nicht länger zu drehen.
»Verfluchte Scheiße, Mann!«, schreit Eli zu mir rauf. »War es eine Klapperschlange?«
»Ich hab keine Ahnung.«
»Wie hat sie ausgesehen?«, ruft Jamie mir zu. »War sie gestreift?«
»Ich habe nur kurz ihren Kopf gesehen und werde ganz bestimmt nicht weiter raufklettern, um sie mir genauer anzugucken«, entgegne ich und überlege, ob ich mich besser seitlich bewege und die letzten drei Meter des Anstiegs hinter mich bringe oder den Abstieg wagen soll.
Ich bin ein Zahlentyp, also grüble ich sofort darüber nach, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, diese Aktion zu überleben. Meine Hand pocht wie die Hölle, aber sie ist nicht taub. Wenn ich gerade eine Riesenladung Gift abbekommen hätte, wäre mein Körper inzwischen bestimmt komplett taub und steif.
»Ich hab genau gewusst, dass Luis kein Free Solo hätte hinlegen dürfen«, tönt Jacks Stimme von unten. »Ich hab's gewusst! Keiner hat auf mich gehört, und jetzt hängt er da oben fest, während sich das Gift wahrscheinlich gerade in seinem ganzen Körper ausbreitet.«
»Halt das Maul, Jack!«, brülle ich. »Schlangen haben keine beschissenen Beine, also woher hätte ich wissen sollen, dass sich eine drei Meter unterhalb des Gipfels in dem verdammten Fels versteckt?«
»Fühlst du dich, äh, normal?«, fragt Brooke.
»Eine Schlange hat gerade mit ihren Fängen meine Haut durchbohrt, Brooke«, sage ich, während ich mir langsam einen Weg nach unten suche. Kann sein, dass ich mir das einbilde, aber ich glaube, ich verliere allmählich das Gefühl in meiner Hand. »Natürlich fühle ich mich nicht normal.«
»Holt einen Ranger mit dem Antiserum!«, ruft Jack dem Rest zu. Wir bräuchten ein Auto, um einen aufzutreiben. Da von uns noch keiner den Führerschein hat, sind wir im Arsch. Oder doch nicht, in Wahrheit bin ich der Einzige hier, der im Arsch ist.
Das ganze Geblubber von Antiserum und Klapperschlangen vernebelt mir das Hirn und ich verliere den Halt.
Mein Fuß rutscht ab. Dann beginnt meine Hand, diejenige ohne die Bissmale, plötzlich zu schwitzen, und ich kann mich nicht länger halten. Ich rutsche an der Oberfläche des Felsens entlang und höre das entsetzte Keuchen und die Schreie meiner Freunde unter mir, während ich verzweifelt versuche, einen festen Halt für Füße oder Hände zu finden. Doch es gelingt mir nicht.
Als ich zu Boden krache, ist mein einziger Gedanke: Ich bin noch nicht bereit zu sterben.
2
Nikki
»Ich liebe dich, Marco.«
Da! Ich hab es gesagt. Aber ich habe meinem Freund dabei nicht in die tiefbraunen Augen sehen können, weil es nicht die komplette Wahrheit ist. Ich hatte gehofft, es wäre einfacher, ein Gespräch mit den Worten Ich liebe dich zu beginnen als mit dem Satz Ich bin vielleicht schwanger. Es war feige, ihm nicht in die Augen zu sehen und gleich alles zu erzählen, aber diese drei Worte sind ein Anfang. Ich fühle mich verwund barer, als ich mich je im Leben gefühlt habe.
Verwundbar liegt mir nicht besonders.
Ich atme langsam aus und fasse den Mut, dem Jungen in die Augen zu schauen, mit dem ich seit einem Jahr zusammen bin. Wir haben vor einem Monat unsere Jungfräulichkeit aneinander verloren, als seine Eltern seine Großmutter in Mexiko besucht haben.
Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich ganz auf Marco. Okay, ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Jetzt bist du dran, es zu erwidern, so wie du es mir ins Ohr geflüstert hast, als wir uns das erste Mal liebten. Dann werde ich dir erzählen, dass meine Periode diesen Monat überfällig ist und ich dabei bin, den Verstand zu verlieren. Und dann wirst du mir sagen, dass alles gut wird und wir das gemeinsam durchstehen werden.
Er lächelt. Mehr oder weniger. Ein Mundwinkel ist nach oben gezogen, als sei er amüsiert. Ich hatte nicht auf amüsiert abgezielt. Ich hatte mir eher tiefe Zuneigung und Hingabe erhofft - Zeichen dafür, dass es richtig ist, ihm mein Geheimnis anzuvertrauen. Ich blicke auf den Michigan See hinaus und wünsche mir, wir wären nicht hier draußen, und ich bete, dass nicht plötzlich jemand von unserer Schule auftaucht. Ich schlinge die Arme um den Oberkörper. Noch ist es nicht besonders warm in Illinois, und der Wind, der vom See her weht, lässt mich zittern. Oder vielleicht ist es auch die Aufregung.
»Ich erwarte nicht, dass du es auch sagst«, behaupte ich, um das Schweigen zu brechen, selbst wenn es eine fette Lüge ist. Natürlich erwarte ich von Marco, dass er die Worte erwidert. Ich möchte sie nicht bloß zu besonderen Gelegenheiten hören oder wenn wir miteinander schlafen.
Das erste Mal hat er sie nach dem Homecoming-Ball letzten September gesagt. Dann an Silvester. Und am Valentinstag. Und an meinem Geburtstag. Ich liege so oft nachts allein in meinem Bett und stelle mir vor, dass unsere Liebe ewig währen wird.
Wir haben nicht dieselben Freunde, weil wir in unterschiedlichen Gegenden von Fairfield leben, aber das hat noch nie eine Rolle gespielt. Wir haben dafür gesorgt, dass es funktioniert. Nach der Schule gehen wir normalerweise zu mir und ... sind einfach zusammen.
Und jetzt bekommen wir vielleicht ein Baby. Wie wird er auf die Neuigkeit reagieren?
Heute ist der letzte Tag unseres ersten Highschool-Jahres, der letzte Schultag vor den Sommerferien. Marco hat vorgeschlagen, zum Strand zu gehen, als ich ihm sagte, dass wir reden müssten.
Ich hielt das für eine gute Idee. Der Strand ist unser besonderer Ort.
Hier am Strand haben wir uns letzten Sommer zum ersten Mal geküsst. Er hat mich hier in der zweiten Schulwoche gefragt, ob ich seine feste Freundin sein will. Im Januar haben wir an diesem Strand an einem verschneiten Tag Schneeengel gemacht. Wir kommen hierher, um unsere Geheimnisse miteinander zu teilen, so wie einmal, als er mir erzählt hat, wo Gangmitglieder über die ganze Stadt verteilt ihre Waffen verstecken, damit die Polizei sie nicht damit erwischt. Marco hat sein Leben lang Typen gekannt, die bis zum Hals drin - stecken.
Er weicht einen Schritt von mir zurück, und ich bekomme auf der Stelle Gänsehaut, als wüsste mein Körper, dass außer dem Wind, der vom See her weht, noch etwas anderes im Anflug ist. Er fährt mit den Fingern durch sein rabenschwarzes Haar. Dann seufzt er. Zweimal.
»Ich finde, wir sollten uns auch wieder mit anderen treffen«, murmelt er.
Ich neige meinen Kopf zur Seite. Offensichtlich habe ich ihn nicht richtig verstanden.
Es gibt ein paar Sätze, die ein Mädchen zu hören erwartet, nachdem sie ihrem Freund ihre Liebe erklärt hat. Mir fallen auf Anhieb etliche ein, aber Ich finde, wir sollten uns auch wieder mit anderen treffen gehört nicht dazu.
Ich bin sprachlos. Und ich kann nicht aufhören zu zittern, weil mir durch den Kopf schießt, wie es sein wird, ohne ihn an meiner Seite schwanger zu sein, ohne dass er lächelt und sagt, dass alles gut werden wird.
»W-w-warum?«
»Du hast immer gesagt, du würdest nicht mit einem Gangmitglied gehen - und ich werde bald eins sein.«
»Na klar würde ich nicht mit einem Gangmitglied gehen«, platze ich heraus. »Vor zwei Tagen erst hast du mir gesagt, du würdest niemals in die Gang einsteigen, Marco. Es war kurz bevor wir uns geliebt haben, erinnerst du dich?«
Er zuckt zusammen. »Ich habe viele Dinge gesagt, die ich wahrscheinlich besser nicht gesagt hätte. Und könntest du bitte aufhören, von Liebe machen zu reden ... jedes Mal wenn du es so nennst, komme ich mir vor wie ein Stück Scheiße.«
»Wie soll ich es denn sonst nennen?«
»Sex.«
»Einfach nur Sex, hm?«
Er verdreht die Augen, und ich spüre, wie sich als Antwort mein Magen hebt. »Siehst du, jetzt sorgst du mit Absicht dafür, dass ich mir wie ein Stück Scheiße vorkomme.«
»Ich mache es nicht mit Absicht.«
Er öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, besinnt sich aber anscheinend eines Besseren, weil er ihn wieder schließt.
Ich halte den Blick forschend auf sein Gesicht gerichtet, hoffe, dass er sagen wird: Ich habe nur Spaß gemacht! Natürlich würde ich mich immer für dich entscheiden und nicht für die Latino Blood. Aber das tut er nicht. Mein Herz fühlt sich an, als würde es jemand mit einem Meißel bearbeiten und Stück für Stück zertrümmern.
»Wir sind einfach ... so verschieden.«
»Nein, sind wir nicht. Wir passen perfekt zusammen. Wir gehen auf dieselbe Schule, haben jede Menge Spaß zusammen ... wir sind beide Mexikaner.«
Er lacht. »Du sprichst nicht ein Wort Spanisch, Nikki.
Meine Eltern und Freunde reden über dich, während du im selben Raum bist, und du hast keinen Schimmer. Du bist alles, aber keine echte Mexikanerin.«
Will er mich verarschen?
Meine Eltern sind in Mexiko geboren, genau wie der Rest meiner Vorfahren. Niemand würde sie für etwas anderes als Latinos halten. Spanisch ist ihre Muttersprache. Meine Eltern sind nach ihrer Heirat in die USA gekommen. Danach hat mein Dad Medizin studiert und seinen Facharzt am Chicago Memorial gemacht.
»Die Gang macht aus dir keinen besseren Mexikaner, Marco. Lass nicht zu, dass dir die Gang wichtiger ist als deine Beziehung.«
Er peitscht mit dem Fuß Sand in die Luft. »No hablas pinche espanol.«
»Ich hab nicht verstanden, was du gesagt hast. Könntest du es bitte übersetzen?«
Er wirft genervt die Hände in die Luft. »Das ist genau, was ich meine. Um ehrlich zu sein, ich hänge jetzt schon seit einer Weile mit der Latino Blood ab.«
Wie kann er so etwas sagen? In dem schwachen Versuch, das Baby, das vielleicht in mir wächst, zu schützen, lege ich eine Hand auf meinen Bauch. Ich kann nicht verhindern, dass meine Augen sich mit Tränen füllen. Ich weiß, ich sehe verzweifelt und mitleiderregend aus, während sie meine Wangen hinunterströmen. Alles, was ich - wie ich dachte - mit Marco hatte, löst sich in diesem Moment vor meinen Augen in Nichts auf. Ich fühle mich einsamer als je zuvor.
»Ich kann das einfach nicht glauben«, flüstere ich.
Ich sollte ihm mein Geheimnis erzählen. Vielleicht würde er seine Meinung ändern, wenn er wüsste, dass wir womöglich ein Baby bekommen. Aber was ist, wenn ich nicht schwanger bin und das Unvermeidliche damit nur hinauszögere?
»Ich will nur nicht, dass du mich blöd anmachst, weil ich ein Blood bin«, stößt er hervor. »Alle meine Freunde sind dabei.«
Mein Blick fällt auf meine Fingernägel. Ich habe sie gestern Abend lackiert und mitten auf jeden Nagel ein rotes Herz gemalt. Auf die Daumennägel habe ich die Initialen MD in die kleinen Herzen geschrieben - Marco Delgado. Ich dachte, er würde sich darüber freuen. Offenbar hatte ich Wahnvorstellungen. Ich verberge meine Daumen schnell in meinen Fäusten.
»Es tut mir leid«, sagt er und reibt meine Schulter wie Eltern, die ihr Kind trösten. »Weine nicht. Wir können doch Freunde bleiben ... sogar Freunde mit gewissen Vorzügen.«
»Ich will nicht mit dir befreundet sein und ab und zu mit dir in die Kiste hüpfen, Marco. Ich will deine feste Freundin sein.« Mein gesamtes Mittagessen droht mir hochzukommen.
Was gibt die Gang ihm, das ich ihm nicht geben kann?
Er schweigt und verpasst dem Sand einen weiteren Tritt.
Meine Hände fallen kraftlos herunter, als mir klar wird, dass ich das hier nicht in Ordnung bringen kann. Er sieht mich anders an, so als wäre ich irgendeins der vielen Mädchen auf unserer Schule und nicht das Mädchen seiner Träume oder die zukünftige Mutter seiner Kinder.
Im nächsten Moment zieht er sein Handy aus der Hosentasche und wirft einen Blick auf die Zeit. »Ähm ... wegen heute Abend.«
»Die Party im Malnatti's?« Es ist die offiziell inoffizielle Pizzaparty für die Schüler der Fairfield High zum Schuljahresabschluss. Sie stellen vor dem Restaurant ein großes Zelt auf und haben einen DJ und eine All-you-can-eat-Pizzaparty von sechs bis elf. Im Anschluss hängen die meisten Schüler auf der Wiese hinter dem Footballfeld der Schule rum, bis die Polizei kommt und die Party auflöst.
»Genau«, sagt er. »Falls du jemanden kennst, der sich mit Stoff eindecken will, sag mir Bescheid.«
»Du verkaufst Drogen?«, frage ich ihn.
Er zuckt mit den Achseln. »Es bringt Geld.«
»Dreckiges Geld, Marco. Und es ist illegal. Du könntest verhaftet werden und im Gefängnis landen.«
»Ich brauche keine verdammte Moralpredigt von dir.«
Er guckt wieder auf sein Handy. Wartet er darauf, dass jemand ihn anruft oder ihm simst? Ich habe das Gefühl, als hätte ich bereits alles verloren, was wir je hatten.
Die lautlosen Tränen, die mein Gesicht hinunterlaufen, sind ein Hinweis darauf, dass mit mir keineswegs alles okay ist, aber das scheint ihn nicht zu kümmern. Ich wische sie ab und verfluche mich dafür, so schwach zu sein.
Ich kann damit umgehen. Ich bin ein großes Mädchen, das keinen Typen braucht, der ihm sagt, was es zu tun hat. Offensichtlich ist das hier mein Problem, und zwar mein Problem allein. Falls ich schwanger sein sollte, wird er draufkommen, wenn er meinen Bauch zu einem Ballon anschwellen sieht. Er wird wissen, dass es seins ist. Wenn er dann beschließt, zu uns zu stehen und sein Leben in Ordnung zu bringen, können wir reden.
Ich hebe den Blick und schenke Marco ein kleines Lächeln. »Ich will dich nicht kontrollieren. Ich wollte nie das Mädchen sein, das dich von etwas abhält.«
»Aber das hast du ... das hast du wirklich. Ich kann so nicht weitermachen.«
Ich schätze, in Wahrheit bin ich gar nicht so stark. Unsere Beziehung hat tatsächlich definiert, wer ich bin, und mir hat das gefallen. Ich kann nicht glauben, dass er mich nicht mehr in seinem Leben haben will. Es ergibt keinen Sinn.
Er bekommt eine SMS, aber ich kann nicht erkennen, von wem. Er antwortet sofort. »Kommst du allein nach Haus?«, fragt er mich. Seine Finger fliegen ohne innezuhalten über die Tasten.
»Ich schätze schon.«
»Cool.« Er beugt sich runter und küsst mich auf die Wange. »Meine Freunde dachten, du würdest komplett loco werden und mich fertigmachen. Sie dachten, du schlägst mich oder so.«
Gar keine schlechte Idee. Aber nein, ich könnte ihn nicht schlagen.
Bevor ich meinen Mund öffnen kann, um ihn zu bitten, zu mir zurückzukommen, und damit womöglich auch noch mein letztes bisschen Würde verliere, dreht er sich um und geht. Und dann ist er einfach weg. Aus den Augen, aber ganz sicher nicht aus dem Sinn.
Er hat die Gang mir vorgezogen.
Mein Atem kommt stoßweise. Ich gucke auf den See hinaus und möchte hineinspringen - weit weg schwimmen und so tun, als sei das gerade nicht passiert. Verzweiflung bricht über mich herein wie die Wellen, die die Fußabdrücke vom Strand spülen, und ich beginne, unkontrolliert zu zittern. Meine Knie knicken unter mir weg, ich falle in den Sand und spüre, wie meine heißen Tränen aufs Neue zu fließen beginnen. Dieses Mal wische ich sie nicht ab. Ich breche zusammen und weine, während ich mir jeden einzelnen Moment ins Gedächtnis rufe, den Marco und ich zusammen erlebt haben, und ich bete, dass meine Periode einfach nur überfällig ist und ich nicht wirklich schwanger bin.
Schwanger mit fünfzehn war nie der Plan.
...
Übersetzung: Katrin Weingran
© 2012 für die deutschsprachige Ausgabe cbt, München
Der jüngste von dreien zu sein, hat zweifellos seine Vorteile. Ich habe hautnah miterlebt, wie meine Brüder sich während ihrer Highschool-Zeit die Sorte Schwierigkeiten eingehandelt haben, die einen Kopf und Kragen kosten können. Was mich angeht, rechnet niemand damit, dass ich jemals in ihre Fußstapfen trete. Ich bin in der Schule top, prügle mich nicht rum und weiß, seit ich elf bin, was ich mal werden will. Jeder kennt mich als den guten Jungen in mi familia - keiner würde erwarten, dass ich je vom rechten Weg abkomme.
Meine Freunde wissen, was meine Familie nicht ahnt: dass auch ich eine verrückte, rebellische Ader in mir habe. Ich kann nichts dagegen machen. Ich bin ein Fuentes, und ein Rebell zu sein, ist tief in meinen Genen verwurzelt. Der Junge, der ich in den Augen meiner Familie bin, ist nicht zwingend identisch mit dem, der wirklich in mir steckt - aber ich habe vor, das für mich zu behalten. Ich habe mir geschworen, mich durch nichts von meinem größten Ziel abbringen zu lassen, aufs College zu gehen und Raumfahrt zu studieren, aber ab und zu ein kleines sportliches Risiko einzugehen, verschafft mir den Adrenalinrausch, nach dem ich süchtig bin.
Ich stehe mit vier meiner Freunde am Fuße einer Steinformation im Boulder Canyon. Jack Reyerson hat die Kletterausrüstung mitgebracht, aber ich will keinen Gurt anziehen. Ich nehme eines der Seile und befestige es mit einem Karabiner an meiner Gürtelschlaufe, damit ich es für den Rest der Gruppe im Fels verankern kann, wenn ich den Gipfel erreicht habe.
»Es ist nicht sicher, ohne Ausrüstung zu klettern, Luis«, sagt Brooke. »Aber das weißt du eh, oder?«
»Yep«, sage ich.
Ich starte einen ungesicherten Alleinaufstieg und bewege mich Stück für Stück die Felsformation hoch. Das hier ist nicht der erste Alleingang, den ich im Boulder Canyon unternehme, und ich habe genug Erfahrung, um zu wissen, was zum Teufel ich hier tue. Ich sage nicht, dass es kein Risiko ist - nur dass es ein kalkulierbares ist.
»Du bist verrückt, Luis«, ruft Jamie Bloomfield von unten, als ich noch höher klettere. »Wenn du abstürzt, bist du tot! «
»Ich möchte, dass alle hier wissen, dass keinesfalls ich die Verantwortung dafür übernehme, wenn du dir die Knochen brichst«, sagt Jack. »Ich hätte dich einen Haftungsverzicht unterschreiben lassen sollen.«
Jacks Vater ist Anwalt, daher hat er die nervige Angewohnheit, bei so ziemlich allem, was wir tun, die Verantwortung weit von sich zu weisen.
Ich sage ihnen nicht, dass Klettern ohne Sicherheitsgeschirr der reinste Adrenalinkick ist. Es löst in mir das Verlangen aus, mich noch härter zu pushen und bis an meine Grenzen zu gehen. Jamie hat mich einen Adrenalinjunkie genannt, nachdem ich im Winterurlaub in Vail letztes Jahr mit dem Snowboard die schwarze Piste runter bin. Ich habe ihr nicht erzählt, dass es mir ebenfalls einen Kick verpasst hat, mit dem Mädchen rumzumachen, das ich am selben Abend in der Lobby kennengelernt hatte. Macht mich das zum Junkie?
Als ich auf halber Höhe zum Gipfel bin, halte ich inne - meinen Fuß habe ich in eine schmale Felsspalte geschoben und auch meine Hand hat einen festen Halt. Es ist hoch genug, um einen Blick nach unten zu riskieren, damit ich sehe, worauf ich vielleicht krache, wenn ich abrutsche.
»Guck nicht nach unten!«, ruft Jack panisch. »Dir wird sonst noch schwindelig und du stürzt ab.«
»... und stirbst!«, fügt Jamie hinzu.
Dios mío. Meine Freunde sollten echt mal chillen. Sie sind weiß, und ich bin von einer mexikanischen Familie mit lauter Kerlen großgezogen worden, die Herausforderungen lieben und ein Leben auf der Überholspur führen. Und auch wenn von mir erwartet wird, der eine Fuentes-Bruder zu sein, der klug genug ist, keinerlei Risiken einzugehen, fühle ich mich am lebendigsten, wenn ich genau das tue.
Der Gipfel ist zum Greifen nah. Ich richte den Blick in die Ferne und betrachte die Landschaft aus der Vogelperspektive. Es ist verflucht atemberaubend. Früher habe ich in Illinois gelebt, wo die Landschaft, mal abgesehen von den Wolkenkratzern, komplett flach war. Der Blick über die Colorado Berge weckt in mir Ehrfurcht für die Natur. Mit dem Wind im Rücken und der Sonne hoch am Himmel, fühle ich mich unbesiegbar.
Ich greife mit meiner linken Hand nach oben und klammere mich an einem Vorsprung fest, der ungefähr drei Meter vom Gipfel entfernt ist. Ich habe es fast geschafft. Als ich den Fels nach einer Stelle absuche, wohin ich meinen Fuß setzen kann, fühle ich, wie sich etwas Scharfes in meine Hand bohrt.
Oh, verdammt. Gar nicht gut.
Ich bin gerade von etwas gebissen worden.
Instinktiv platziere ich meinen Fuß, während ich blitzschnell die Hand zurückziehe und einen Blick darauf werfe. Auf dem Handrücken sind zwei kleine runde Bissmale zu sehen, aus denen Blut strömt.
»Hör auf, dir die Eier zu kraulen, damit wir es noch vor Sonnenuntergang bis nach oben schaffen, Luis!«, brüllt Eli Movitz von unten.
»Ich habe keine guten Nachrichten, Leute«, rufe ich zu ihnen runter, als über mir eine Schlange ganz kurz ihren Kopf vorstreckt und schnell wieder zurückzieht, »aber ich bin gerade von einer Schlange gebissen worden.«
Ich habe keinen genauen Blick auf das Miststück werfen können, das offensichtlich wieder Schutz in einer Felsspalte gesucht hat, daher habe ich keine Ahnung, ob sie giftig ist oder nicht. Scheiße. Ich gucke nach unten zu meinen Freunden und die Höhe lässt mich fast augenblicklich schwindeln. So war das nicht geplant. Mein Herz rast wie verrückt, und ich kneife die Augen zu, weil ich hoffe, dass ich die Erde so dazu bringen kann, sich nicht länger zu drehen.
»Verfluchte Scheiße, Mann!«, schreit Eli zu mir rauf. »War es eine Klapperschlange?«
»Ich hab keine Ahnung.«
»Wie hat sie ausgesehen?«, ruft Jamie mir zu. »War sie gestreift?«
»Ich habe nur kurz ihren Kopf gesehen und werde ganz bestimmt nicht weiter raufklettern, um sie mir genauer anzugucken«, entgegne ich und überlege, ob ich mich besser seitlich bewege und die letzten drei Meter des Anstiegs hinter mich bringe oder den Abstieg wagen soll.
Ich bin ein Zahlentyp, also grüble ich sofort darüber nach, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, diese Aktion zu überleben. Meine Hand pocht wie die Hölle, aber sie ist nicht taub. Wenn ich gerade eine Riesenladung Gift abbekommen hätte, wäre mein Körper inzwischen bestimmt komplett taub und steif.
»Ich hab genau gewusst, dass Luis kein Free Solo hätte hinlegen dürfen«, tönt Jacks Stimme von unten. »Ich hab's gewusst! Keiner hat auf mich gehört, und jetzt hängt er da oben fest, während sich das Gift wahrscheinlich gerade in seinem ganzen Körper ausbreitet.«
»Halt das Maul, Jack!«, brülle ich. »Schlangen haben keine beschissenen Beine, also woher hätte ich wissen sollen, dass sich eine drei Meter unterhalb des Gipfels in dem verdammten Fels versteckt?«
»Fühlst du dich, äh, normal?«, fragt Brooke.
»Eine Schlange hat gerade mit ihren Fängen meine Haut durchbohrt, Brooke«, sage ich, während ich mir langsam einen Weg nach unten suche. Kann sein, dass ich mir das einbilde, aber ich glaube, ich verliere allmählich das Gefühl in meiner Hand. »Natürlich fühle ich mich nicht normal.«
»Holt einen Ranger mit dem Antiserum!«, ruft Jack dem Rest zu. Wir bräuchten ein Auto, um einen aufzutreiben. Da von uns noch keiner den Führerschein hat, sind wir im Arsch. Oder doch nicht, in Wahrheit bin ich der Einzige hier, der im Arsch ist.
Das ganze Geblubber von Antiserum und Klapperschlangen vernebelt mir das Hirn und ich verliere den Halt.
Mein Fuß rutscht ab. Dann beginnt meine Hand, diejenige ohne die Bissmale, plötzlich zu schwitzen, und ich kann mich nicht länger halten. Ich rutsche an der Oberfläche des Felsens entlang und höre das entsetzte Keuchen und die Schreie meiner Freunde unter mir, während ich verzweifelt versuche, einen festen Halt für Füße oder Hände zu finden. Doch es gelingt mir nicht.
Als ich zu Boden krache, ist mein einziger Gedanke: Ich bin noch nicht bereit zu sterben.
2
Nikki
»Ich liebe dich, Marco.«
Da! Ich hab es gesagt. Aber ich habe meinem Freund dabei nicht in die tiefbraunen Augen sehen können, weil es nicht die komplette Wahrheit ist. Ich hatte gehofft, es wäre einfacher, ein Gespräch mit den Worten Ich liebe dich zu beginnen als mit dem Satz Ich bin vielleicht schwanger. Es war feige, ihm nicht in die Augen zu sehen und gleich alles zu erzählen, aber diese drei Worte sind ein Anfang. Ich fühle mich verwund barer, als ich mich je im Leben gefühlt habe.
Verwundbar liegt mir nicht besonders.
Ich atme langsam aus und fasse den Mut, dem Jungen in die Augen zu schauen, mit dem ich seit einem Jahr zusammen bin. Wir haben vor einem Monat unsere Jungfräulichkeit aneinander verloren, als seine Eltern seine Großmutter in Mexiko besucht haben.
Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich ganz auf Marco. Okay, ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Jetzt bist du dran, es zu erwidern, so wie du es mir ins Ohr geflüstert hast, als wir uns das erste Mal liebten. Dann werde ich dir erzählen, dass meine Periode diesen Monat überfällig ist und ich dabei bin, den Verstand zu verlieren. Und dann wirst du mir sagen, dass alles gut wird und wir das gemeinsam durchstehen werden.
Er lächelt. Mehr oder weniger. Ein Mundwinkel ist nach oben gezogen, als sei er amüsiert. Ich hatte nicht auf amüsiert abgezielt. Ich hatte mir eher tiefe Zuneigung und Hingabe erhofft - Zeichen dafür, dass es richtig ist, ihm mein Geheimnis anzuvertrauen. Ich blicke auf den Michigan See hinaus und wünsche mir, wir wären nicht hier draußen, und ich bete, dass nicht plötzlich jemand von unserer Schule auftaucht. Ich schlinge die Arme um den Oberkörper. Noch ist es nicht besonders warm in Illinois, und der Wind, der vom See her weht, lässt mich zittern. Oder vielleicht ist es auch die Aufregung.
»Ich erwarte nicht, dass du es auch sagst«, behaupte ich, um das Schweigen zu brechen, selbst wenn es eine fette Lüge ist. Natürlich erwarte ich von Marco, dass er die Worte erwidert. Ich möchte sie nicht bloß zu besonderen Gelegenheiten hören oder wenn wir miteinander schlafen.
Das erste Mal hat er sie nach dem Homecoming-Ball letzten September gesagt. Dann an Silvester. Und am Valentinstag. Und an meinem Geburtstag. Ich liege so oft nachts allein in meinem Bett und stelle mir vor, dass unsere Liebe ewig währen wird.
Wir haben nicht dieselben Freunde, weil wir in unterschiedlichen Gegenden von Fairfield leben, aber das hat noch nie eine Rolle gespielt. Wir haben dafür gesorgt, dass es funktioniert. Nach der Schule gehen wir normalerweise zu mir und ... sind einfach zusammen.
Und jetzt bekommen wir vielleicht ein Baby. Wie wird er auf die Neuigkeit reagieren?
Heute ist der letzte Tag unseres ersten Highschool-Jahres, der letzte Schultag vor den Sommerferien. Marco hat vorgeschlagen, zum Strand zu gehen, als ich ihm sagte, dass wir reden müssten.
Ich hielt das für eine gute Idee. Der Strand ist unser besonderer Ort.
Hier am Strand haben wir uns letzten Sommer zum ersten Mal geküsst. Er hat mich hier in der zweiten Schulwoche gefragt, ob ich seine feste Freundin sein will. Im Januar haben wir an diesem Strand an einem verschneiten Tag Schneeengel gemacht. Wir kommen hierher, um unsere Geheimnisse miteinander zu teilen, so wie einmal, als er mir erzählt hat, wo Gangmitglieder über die ganze Stadt verteilt ihre Waffen verstecken, damit die Polizei sie nicht damit erwischt. Marco hat sein Leben lang Typen gekannt, die bis zum Hals drin - stecken.
Er weicht einen Schritt von mir zurück, und ich bekomme auf der Stelle Gänsehaut, als wüsste mein Körper, dass außer dem Wind, der vom See her weht, noch etwas anderes im Anflug ist. Er fährt mit den Fingern durch sein rabenschwarzes Haar. Dann seufzt er. Zweimal.
»Ich finde, wir sollten uns auch wieder mit anderen treffen«, murmelt er.
Ich neige meinen Kopf zur Seite. Offensichtlich habe ich ihn nicht richtig verstanden.
Es gibt ein paar Sätze, die ein Mädchen zu hören erwartet, nachdem sie ihrem Freund ihre Liebe erklärt hat. Mir fallen auf Anhieb etliche ein, aber Ich finde, wir sollten uns auch wieder mit anderen treffen gehört nicht dazu.
Ich bin sprachlos. Und ich kann nicht aufhören zu zittern, weil mir durch den Kopf schießt, wie es sein wird, ohne ihn an meiner Seite schwanger zu sein, ohne dass er lächelt und sagt, dass alles gut werden wird.
»W-w-warum?«
»Du hast immer gesagt, du würdest nicht mit einem Gangmitglied gehen - und ich werde bald eins sein.«
»Na klar würde ich nicht mit einem Gangmitglied gehen«, platze ich heraus. »Vor zwei Tagen erst hast du mir gesagt, du würdest niemals in die Gang einsteigen, Marco. Es war kurz bevor wir uns geliebt haben, erinnerst du dich?«
Er zuckt zusammen. »Ich habe viele Dinge gesagt, die ich wahrscheinlich besser nicht gesagt hätte. Und könntest du bitte aufhören, von Liebe machen zu reden ... jedes Mal wenn du es so nennst, komme ich mir vor wie ein Stück Scheiße.«
»Wie soll ich es denn sonst nennen?«
»Sex.«
»Einfach nur Sex, hm?«
Er verdreht die Augen, und ich spüre, wie sich als Antwort mein Magen hebt. »Siehst du, jetzt sorgst du mit Absicht dafür, dass ich mir wie ein Stück Scheiße vorkomme.«
»Ich mache es nicht mit Absicht.«
Er öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, besinnt sich aber anscheinend eines Besseren, weil er ihn wieder schließt.
Ich halte den Blick forschend auf sein Gesicht gerichtet, hoffe, dass er sagen wird: Ich habe nur Spaß gemacht! Natürlich würde ich mich immer für dich entscheiden und nicht für die Latino Blood. Aber das tut er nicht. Mein Herz fühlt sich an, als würde es jemand mit einem Meißel bearbeiten und Stück für Stück zertrümmern.
»Wir sind einfach ... so verschieden.«
»Nein, sind wir nicht. Wir passen perfekt zusammen. Wir gehen auf dieselbe Schule, haben jede Menge Spaß zusammen ... wir sind beide Mexikaner.«
Er lacht. »Du sprichst nicht ein Wort Spanisch, Nikki.
Meine Eltern und Freunde reden über dich, während du im selben Raum bist, und du hast keinen Schimmer. Du bist alles, aber keine echte Mexikanerin.«
Will er mich verarschen?
Meine Eltern sind in Mexiko geboren, genau wie der Rest meiner Vorfahren. Niemand würde sie für etwas anderes als Latinos halten. Spanisch ist ihre Muttersprache. Meine Eltern sind nach ihrer Heirat in die USA gekommen. Danach hat mein Dad Medizin studiert und seinen Facharzt am Chicago Memorial gemacht.
»Die Gang macht aus dir keinen besseren Mexikaner, Marco. Lass nicht zu, dass dir die Gang wichtiger ist als deine Beziehung.«
Er peitscht mit dem Fuß Sand in die Luft. »No hablas pinche espanol.«
»Ich hab nicht verstanden, was du gesagt hast. Könntest du es bitte übersetzen?«
Er wirft genervt die Hände in die Luft. »Das ist genau, was ich meine. Um ehrlich zu sein, ich hänge jetzt schon seit einer Weile mit der Latino Blood ab.«
Wie kann er so etwas sagen? In dem schwachen Versuch, das Baby, das vielleicht in mir wächst, zu schützen, lege ich eine Hand auf meinen Bauch. Ich kann nicht verhindern, dass meine Augen sich mit Tränen füllen. Ich weiß, ich sehe verzweifelt und mitleiderregend aus, während sie meine Wangen hinunterströmen. Alles, was ich - wie ich dachte - mit Marco hatte, löst sich in diesem Moment vor meinen Augen in Nichts auf. Ich fühle mich einsamer als je zuvor.
»Ich kann das einfach nicht glauben«, flüstere ich.
Ich sollte ihm mein Geheimnis erzählen. Vielleicht würde er seine Meinung ändern, wenn er wüsste, dass wir womöglich ein Baby bekommen. Aber was ist, wenn ich nicht schwanger bin und das Unvermeidliche damit nur hinauszögere?
»Ich will nur nicht, dass du mich blöd anmachst, weil ich ein Blood bin«, stößt er hervor. »Alle meine Freunde sind dabei.«
Mein Blick fällt auf meine Fingernägel. Ich habe sie gestern Abend lackiert und mitten auf jeden Nagel ein rotes Herz gemalt. Auf die Daumennägel habe ich die Initialen MD in die kleinen Herzen geschrieben - Marco Delgado. Ich dachte, er würde sich darüber freuen. Offenbar hatte ich Wahnvorstellungen. Ich verberge meine Daumen schnell in meinen Fäusten.
»Es tut mir leid«, sagt er und reibt meine Schulter wie Eltern, die ihr Kind trösten. »Weine nicht. Wir können doch Freunde bleiben ... sogar Freunde mit gewissen Vorzügen.«
»Ich will nicht mit dir befreundet sein und ab und zu mit dir in die Kiste hüpfen, Marco. Ich will deine feste Freundin sein.« Mein gesamtes Mittagessen droht mir hochzukommen.
Was gibt die Gang ihm, das ich ihm nicht geben kann?
Er schweigt und verpasst dem Sand einen weiteren Tritt.
Meine Hände fallen kraftlos herunter, als mir klar wird, dass ich das hier nicht in Ordnung bringen kann. Er sieht mich anders an, so als wäre ich irgendeins der vielen Mädchen auf unserer Schule und nicht das Mädchen seiner Träume oder die zukünftige Mutter seiner Kinder.
Im nächsten Moment zieht er sein Handy aus der Hosentasche und wirft einen Blick auf die Zeit. »Ähm ... wegen heute Abend.«
»Die Party im Malnatti's?« Es ist die offiziell inoffizielle Pizzaparty für die Schüler der Fairfield High zum Schuljahresabschluss. Sie stellen vor dem Restaurant ein großes Zelt auf und haben einen DJ und eine All-you-can-eat-Pizzaparty von sechs bis elf. Im Anschluss hängen die meisten Schüler auf der Wiese hinter dem Footballfeld der Schule rum, bis die Polizei kommt und die Party auflöst.
»Genau«, sagt er. »Falls du jemanden kennst, der sich mit Stoff eindecken will, sag mir Bescheid.«
»Du verkaufst Drogen?«, frage ich ihn.
Er zuckt mit den Achseln. »Es bringt Geld.«
»Dreckiges Geld, Marco. Und es ist illegal. Du könntest verhaftet werden und im Gefängnis landen.«
»Ich brauche keine verdammte Moralpredigt von dir.«
Er guckt wieder auf sein Handy. Wartet er darauf, dass jemand ihn anruft oder ihm simst? Ich habe das Gefühl, als hätte ich bereits alles verloren, was wir je hatten.
Die lautlosen Tränen, die mein Gesicht hinunterlaufen, sind ein Hinweis darauf, dass mit mir keineswegs alles okay ist, aber das scheint ihn nicht zu kümmern. Ich wische sie ab und verfluche mich dafür, so schwach zu sein.
Ich kann damit umgehen. Ich bin ein großes Mädchen, das keinen Typen braucht, der ihm sagt, was es zu tun hat. Offensichtlich ist das hier mein Problem, und zwar mein Problem allein. Falls ich schwanger sein sollte, wird er draufkommen, wenn er meinen Bauch zu einem Ballon anschwellen sieht. Er wird wissen, dass es seins ist. Wenn er dann beschließt, zu uns zu stehen und sein Leben in Ordnung zu bringen, können wir reden.
Ich hebe den Blick und schenke Marco ein kleines Lächeln. »Ich will dich nicht kontrollieren. Ich wollte nie das Mädchen sein, das dich von etwas abhält.«
»Aber das hast du ... das hast du wirklich. Ich kann so nicht weitermachen.«
Ich schätze, in Wahrheit bin ich gar nicht so stark. Unsere Beziehung hat tatsächlich definiert, wer ich bin, und mir hat das gefallen. Ich kann nicht glauben, dass er mich nicht mehr in seinem Leben haben will. Es ergibt keinen Sinn.
Er bekommt eine SMS, aber ich kann nicht erkennen, von wem. Er antwortet sofort. »Kommst du allein nach Haus?«, fragt er mich. Seine Finger fliegen ohne innezuhalten über die Tasten.
»Ich schätze schon.«
»Cool.« Er beugt sich runter und küsst mich auf die Wange. »Meine Freunde dachten, du würdest komplett loco werden und mich fertigmachen. Sie dachten, du schlägst mich oder so.«
Gar keine schlechte Idee. Aber nein, ich könnte ihn nicht schlagen.
Bevor ich meinen Mund öffnen kann, um ihn zu bitten, zu mir zurückzukommen, und damit womöglich auch noch mein letztes bisschen Würde verliere, dreht er sich um und geht. Und dann ist er einfach weg. Aus den Augen, aber ganz sicher nicht aus dem Sinn.
Er hat die Gang mir vorgezogen.
Mein Atem kommt stoßweise. Ich gucke auf den See hinaus und möchte hineinspringen - weit weg schwimmen und so tun, als sei das gerade nicht passiert. Verzweiflung bricht über mich herein wie die Wellen, die die Fußabdrücke vom Strand spülen, und ich beginne, unkontrolliert zu zittern. Meine Knie knicken unter mir weg, ich falle in den Sand und spüre, wie meine heißen Tränen aufs Neue zu fließen beginnen. Dieses Mal wische ich sie nicht ab. Ich breche zusammen und weine, während ich mir jeden einzelnen Moment ins Gedächtnis rufe, den Marco und ich zusammen erlebt haben, und ich bete, dass meine Periode einfach nur überfällig ist und ich nicht wirklich schwanger bin.
Schwanger mit fünfzehn war nie der Plan.
...
Übersetzung: Katrin Weingran
© 2012 für die deutschsprachige Ausgabe cbt, München
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Autoren-Porträt von Simone Elkeles
Simone Elkeles wuchs in der Gegend von Chicago auf, hat dort Psychologie studiert und lebt dort auch heute mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Simone Elkeles
- Altersempfehlung: 13 - 16 Jahre
- 2012, 381 Seiten, Masse: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Weingran, Katrin
- Übersetzer: Katrin Weingran
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570308081
- ISBN-13: 9783570308080
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