Die Schatten der Vergangenheit / Touched Bd.2
Remy hat eine besondere Gabe: Sie kann andere Menschen heilen. Dass ihre Gabe aber auch ein Fluch sein kann, weiss Remy nur zu gut: Durch sie wird eine gemeinsame Zukunft mit ihrer grossen Liebe Asher beinahe unmöglich. Trotzdem lieben sie sich. Doch als...
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Klappentext zu „Die Schatten der Vergangenheit / Touched Bd.2 “
Remy hat eine besondere Gabe: Sie kann andere Menschen heilen. Dass ihre Gabe aber auch ein Fluch sein kann, weiss Remy nur zu gut: Durch sie wird eine gemeinsame Zukunft mit ihrer grossen Liebe Asher beinahe unmöglich. Trotzdem lieben sie sich. Doch als Asher entführt wird, bleibt Remy nichts anderes übrig, als ausgerechnet Ashers geheimnisvollen Bruder, Gabe, um Hilfe zu bitten.Lese-Probe zu „Die Schatten der Vergangenheit / Touched Bd.2 “
Touched - Die Schatten der Vergangenheit von Corrine Jackson1.
Mein Angriff kam für Gabriel völlig unerwartet.
In Sekundenschnelle hatte ich mich von hinten auf ihn gestürzt, und nun knallten wir auf die blaue Matte in der Mitte des Blackwell'schen Fitnessraums, dass mir kurzzeitig Hören und Sehen verging.
Asher, der am Rand an einem Regal mit Gewichten lehnte, lachte darüber, dass ein schlaksiges Mädchen - eine vergleichsweise halbe Portion wie ich - seinem älteren Bruder die Stirn bieten konnte. Gabriel atmete zischend aus. Ich nutzte seine Unaufmerksamkeit, nahm ihn in den Schwitzkasten und drückte ihn mit aller Kraft nach unten. Mit meiner Größe von knapp 1,80 Meter fehlte nicht viel zu seinen 1,85 Meter, doch brachte er gute fünfundzwanzig Kilo mehr auf die Waage als ich. Ich lockerte meinen Würgegriff nicht eine Sekunde und spielte mit dem Gedanken, ihn als Revanche für die unzähligen Male, die er mich beleidigt hatte, zu beißen. hatte er mitbekommen, wie ungewöhnlich schnell ich gewesen war? hoffentlich nicht.
»Was war es doch gleich, was du mir immer predigst?« Ich tat so, als würde ich überlegen, denn ich wollte den kleinen Sieg auskosten. Beim Anblick Gabriels mit seinen vollkommenen Gesichtszügen bekam jedes Mädchen ganz automatisch herzflattern, und das ließ er nur zu gern heraushängen. Klar, dass ich da jede sich bietende Gelegenheit beim Schopfe packte, um seinem Ego einen Dämpfer zu verpassen. »Ach ja, richtig. Jetzt fällt's mir wieder ein. dreh deinem Feind nie den Rücken zu!«
... mehr
Gabriel fluchte und bereitete meinem Vergnügen dann ein jähes Ende, als er unter mir seine Muskeln anspannte. Auch wenn er wie zwanzig aussah, lebte Gabriel schon über ein Jahrhundert und war mir mit meinen achtzehn Jahren, was unsere Fähigkeiten anging, an Erfahrung weit voraus. Ich versuchte, meinen Griff zu verstärken, doch zu spät. Noch während ich daran dachte, bog er mir mit dem Knie auch schon das Rückgrat durch und drückte mir das Gesicht in die Matte.
»Ich habe dir auch gesagt, du sollst dich konzentrieren, anstatt übermütig zu werden!«, meinte er in dem für ihn typisch britischen Tonfall. die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme ging mir auf den Keks. »Jetzt sei eine brave Sterbliche und sag's!«
Seine Version, wie ich mir meine Niederlage eingestehen sollte, meinte er. Zehn Minuten zuvor hatte ich mit ihm gewettet, ich könne ihn in einem fairen Kampf zu Boden zwingen, und er war darauf eingegangen, allerdings zu seinen Bedingungen.
»Na komm schon, Heilerin. Raus damit. Sag, dass ich der größte Beschützer aller Zeiten bin!«
er verlagerte sein Gewicht und verstärkte damit den Druck seines Knies. Knurrend testete ich meinen Bewegungsradius und spürte, wie sich die Schmerzen in mir zu einem elektrisierenden Sturm entwickelten. Mächtige Energie, die leider nicht ausreichte, um den Spieß umzudrehen. Viel fehlt nicht, du eingebildeter Schnösel!
»Na gut«, meinte ich niedergeschlagen und wehrte mich nicht länger. »du hast gewonnen. Ich sag's.«
Ich malte mir das fiese Grinsen auf seinem makellosen Gesicht aus und nutzte die Wut, um mich gegen die bevorstehenden Schmerzen zu rüsten. dann bäumte ich mich abrupt auf, sodass sich sein Knie ein wenig mehr in mich bohrte als nötig und eine meiner Bandscheiben mit einem Knacksen, seitwärts rutschte. der Sturm brach aus mir heraus, und ich beschoss Gabriel mit meinen Schmerzen. Noch ein Knacksen und er fiel mit einem dumpfen Geräusch neben mich, sein Rücken genauso lädiert wie meiner. Poetische Gerechtigkeit. In der darauffolgenden Stille drückte ich die Wange in die weiche Matte und betrachtete meinen Erzfeind, der, in Embryostellung zusammengerollt, neben mir lag.
»Ich bin die größte Beschützerin aller Zeiten«, erklärte ich dann, wobei meine Stimme gut und gern etwas kräftiger hätte klingen können.
Asher, der vor Lachen fast erstickte, kniete sich neben mich. Mit seinem schokoladenbraunen haar, das ihm in die Stirn fiel und die fünf Zentimeter lange weiße Narbe verdeckte, die sich durch eine Augenbraue zog, sah er wie eine unvollkommenere, schlankere Version Gabriels aus. der sorgenvolle Blick in seinen dunkelgrünen Augen entschädigte mich schon fast wieder für die Schmerzen. er hasste es, zuschauen zu müssen, wie sein Bruder mich traktierte, aber seine eigenen Versuche, mit mir zu trainieren, waren ein Reinfall gewesen. entweder ich sah über die Gefahren der Welt, in die ich in den zurückliegenden Monaten geraten war, einfach hinweg, oder ich legte mich ins Zeug, um für den Tag gerüstet zu sein, an dem die anderen Beschützer - die, die anders waren als die beiden Jungs hier - mich aufspürten. Wenn es um den Schutz meiner neuen Familie ging, hatte ich da wirklich eine Wahl? Nein! um meinen Dad, meine Stiefmutter und meine Schwester zu beschützen, musste ich vorbereitet sein.
»Alles okay?«, fragte Asher und strich mir eine widerspenstige blonde Strähne hinters Ohr.
Machst du Witze? Endlich habe ich Gabriel mal das Maul gestopft! Verdammt, ich bin genial! Außer dass ich vermutlich einen Chiropraktiker brauchen werde.
Asher, vertrauter damit, meine Stimme in seinem Kopf zu hören, als es irgendjemand sein sollte, lächelte über meine Schadenfreude. unsere Beziehung hatte ihre Höhen und Tiefen. »Brauchst du meine Hilfe?«
Er bot mir seine Beschützerenergie an, damit ich mich heilen konnte.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss mich erst mal um Gabriel kümmern.«
Asher nickte und schob mich sanft näher zu seinem Bruder hin.
»Wäre einer so nett, mir zu erklären, was das gerade war?«, forderte Gabriel mit gepresster Stimme.
Er lag reglos da, mit einer Rückenverletzung, die meiner bis aufs Haar glich. Nach einem Jahrhundert ohne Empfindungsvermögen und noch nicht an dessen Rückkehr gewöhnt, litten alle Blackwells darunter, wenn meine Gabe sie daran erinnerte, wie sich das Menschsein anfühlte. Natürlich hielt Gabriel mich meist auf Abstand, sodass ich meine Fähigkeiten bei ihm nicht einsetzen konnte. Wer würde ihm das verdenken? Denn die beiden Male, als ich beim Training seine Abwehr durchbrochen hatte, hatte er sich einen gebrochenen Arm und eine ausgerenkte Schulter eingehandelt. Und nun das.
Ich mochte Gabriel zwar nicht sonderlich, aber Schmerzen machten ihn menschlicher. Seine grünen Augen verengten sich, und er wirkte verletzlich, weniger abweisend. Ausnahmsweise einmal erinnerte er mich an Asher. Ich kämpfte gegen den drang an, ihn zu trösten, denn ich wusste, er würde mich eher in Stücke reißen als eine Schwäche einzugestehen.
»Ist das nicht sonnenklar?« Ich verdrängte meine Schmerzen. »Ich habe dich zu Fall gebracht. den Boden mit dir gewischt. Glatte Niederlage. Und das zweimal hintereinander!«
»Von wegen!«
Ich fuhr mit der Hand über seinen Rücken, und er atmete ganz flach durch die Nase. Meine Energie konnte ich ihm zwar nicht leihen, wie das die Beschützer für die Heilerinnen tun konnten, aber ich konnte sie einsetzen, um seinen Körper wieder in Ordnung zu bringen. Gabriel mochte meine Berührungen nicht und die Empfindungen, die damit einhergingen, doch in Situationen wie dieser nahm er sie notgedrungen in Kauf. Ich bekam Mitleid mit ihm und passte meine Energie dem Rhythmus seines unsterblichen Körpers an. Sein Herz raste wie ein frisch geölter Motor und schlug um ein Vielfaches schneller als bei irgendeinem Menschen. Das alles war zu bedenken, wenn ich meine Energie in seinen Körper wirbeln ließ. Die Luft wurde mit einem Summen aufgeladen, und dort, wo meine Finger ihn berührten, knisterten grüne Funken.
»Doch, doch, zweimal«, jubilierte ich. Als seine Bandscheibe an ihren Platz zurückrutschte, stöhnte Gabriel auf. Ich tätschelte ihm die Schulter, denn ich wusste, diese gönnerhafte Geste würde ihn ärgern. Dann brach ich zusammen. Der für schwierige Heilungen typische Schüttelfrost setzte ein. Ashers warme Hand strich über meinen Rücken und ein wenig von seiner vertrauten Energie durchdrang mich. Mit geschlossenen Augen lieh ich mir seine Kräfte und stellte mir meine Wirbelsäule wieder in perfektem Zustand vor. Als sich die Bandscheibe mit einem grässlichen Geräusch wieder an ihren Platz bewegte, fuhr ich zusammen. Seufzend ruhte ich einen Augenblick aus und genoss Ashers Wärme. So war die Zusammenarbeit von Beschützern und Heilerinnen gedacht. Vor dem Krieg. ehe die Beschützer Jagd auf die Heilerinnen gemacht und sie beinahe ausgelöscht hatten.
Etwas später ließ ich mich von Asher auf die Füße ziehen. Ich schlang die Arme um seine Taille, und er schnappte sich die Gürtelschlaufen meiner Jeans, damit ich ihm nicht entwischen konnte. Er roch nach allem, was ich liebte - nach Wald, dem Meer und nach ihm.
Lässig erhob sich Gabriel und starrte uns angewidert an. Es war ihm immer noch schleierhaft, wie ich ihn hatte überwältigen können, egal, wie kurz der Augenblick auch gewesen sein mochte. die ganzen Monate unseres Trainings hatte ich mich nie mit seiner Geschwindigkeit oder Kraft messen können. Ich war zwar groß, aber trotzdem hatten die meisten siebenjährigen Jungs schon mehr Muskeln aufzuweisen als ich.
Bislang hatte ich mich nur dadurch gegen Gabriel wehren können, dass ich meine Verletzungen auf ihn übertrug, was sich aber schlecht kontrollieren ließ. Außerdem klappte das Ganze nur, wenn ich selbst Verletzungen davongetragen hatte. und Körperkontakt war dazu auch noch nötig. Ich hatte nie den Hauch einer Chance und kassierte eine Prellung nach der anderen, wohingegen er höchstens mal einen Kratzer abbekam.
Doch vor einem Monat hatte sich das Blatt gewendet, als mein Stiefvater hier in Maine aufgetaucht war. Dean hatte mich aus meinem neuen heim in Blackwell Falls entführt und beinahe zu Tode gefoltert. Auf meine Halbschwester hatte er geschossen, damit er sehen konnte, wie meine Fähigkeiten funktionierten, als ich Lucy heilte. Auch Asher wäre beinahe ums Leben gekommen, als er sich weigerte, aus der Schusslinie zu treten.um uns beide zu retten, hatte ich Ashers Energie an mich gerissen und sie gegen Dean eingesetzt. In jener Nacht war mein Stiefvater ums Leben gekommen. das wussten nur Lucy, die Blackwells und ich.
Als ich Asher geheilt und er seine Kräfte wieder zurückgenommen hatte, hatte ich geglaubt, dabei zu sterben. Stattdessen war ich zwei Tage später im Krankenhaus wieder aufgewacht und hatte entdeckt, dass einige seiner Beschützerfähigkeiten noch immer in mir steckten. Eine Kleinigkeit, die ich Gabriel verschwiegen hatte, um mich für die vielen Male, als er mir gedroht oder mich verspottet hatte, revanchieren zu können.
»Sag's ihm, Remy«, meinte Asher, dessen Akzent irgendwo zwischen amerikanisch und britisch angesiedelt war.
Ich zog eine Schnute und jammerte in sein blaues Poloshirt, das ganz warm von seiner Haut war. »Muss ich? Ich mag ihn viel, viel lieber, wenn er nicht so tut, als wäre er der Größte.«
Asher grinste. »Ich weiß, mo cridhe, aber es wird Zeit, ihm reinen Wein einzuschenken.«
Ich werde auch nach fünfzig Jahren noch nicht genug davon haben, wenn du mich auf Gälisch »mein Herz« nennst.
»Dann werde ich nie aufhören, es zu sagen«, beantwortete er meinen Gedanken. »Aber jetzt hör auf, Zeit zu schinden, und sag's ihm!«
Seufzend löste ich mich von Asher und drehte mich zu Gabriel um. »Erinnerst du dich noch, als Asher im Sterben lag und er mir seine Kräfte aufdrängte?«
Bei der Erinnerung daran zuckte Asher zusammen. Er hatte mir genug Zeit geben wollen, damit ich mich vor Dean retten und meine Verletzungen heilen konnte. Keiner von uns hatte gewusst, dass sich die Unsterblichkeit auf mich übertragen lassen konnte.
Gabriel lauschte mit gespannter Miene.
»Obwohl ich ihm seine Beschützerkraft zurückgab, als ich ihn heilte, hat sie mich verändert.«
»Verändert? Inwiefern, Remy?« Sein leiser Ton erinnerte mich daran, wie gefährlich Beschützer sein konnten. Er sprach mich nur selten mit Namen an, und es lief mir dabei jedes Mal eiskalt den Rücken herunter.
Einen Herzschlag später hatte ich in einer Zeit, bei der jeder Weltklassesprinter blass vor Neid geworden wäre, Gabriel zweimal umrundet. der dadurch entstandene Luftzug zerzauste ihm noch immer das Haar, als ich schon längst wieder neben Asher stand. Für jeden Fremden blieb Gabriels Gesichtsausdruck unergründlich, aber das Zucken seines linken Augenlids sagte mir, ich würde höllisch dafür bezahlen müssen, dass ich diese neue Gabe vor ihm verheimlicht hatte.
»Das war Anfang Mai, und jetzt haben wir Mitte Juni«, sagte er ruhig. Zu ruhig. »Das ist Wochen her. Keiner von euch beiden hat es für nötig gehalten, das zu erwähnen?«
Asher stellte sich demonstrativ vor mich, und ich funkelte seinen Rücken an. Lass das. Du brauchst mich nicht vor deinem Bruder zu beschützen! Als er meine Gedanken einfach überhörte, erwog ich, ihn zu verprügeln, aber auch dieses mentale Bild ließ ihn kalt.
»Bislang hat's ja auch keine Rolle gespielt«, meinte Asher. »Bis sie sich von ihren Verletzungen erholt hatte, war Remy zu schwach fürs Training. Jetzt geht's ihr besser.«
Ich versuchte, Asher zur Seite zu schubsen, doch selbst mit meiner gesteigerten Kraft rührte er sich nicht vom Fleck. Ich machte Anstalten, um ihn herumzulaufen. Er hörte meine Absicht und hielt mich an meinem T-Shirt fest.
Copyright © Ullstein Verlag.
Gabriel fluchte und bereitete meinem Vergnügen dann ein jähes Ende, als er unter mir seine Muskeln anspannte. Auch wenn er wie zwanzig aussah, lebte Gabriel schon über ein Jahrhundert und war mir mit meinen achtzehn Jahren, was unsere Fähigkeiten anging, an Erfahrung weit voraus. Ich versuchte, meinen Griff zu verstärken, doch zu spät. Noch während ich daran dachte, bog er mir mit dem Knie auch schon das Rückgrat durch und drückte mir das Gesicht in die Matte.
»Ich habe dir auch gesagt, du sollst dich konzentrieren, anstatt übermütig zu werden!«, meinte er in dem für ihn typisch britischen Tonfall. die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme ging mir auf den Keks. »Jetzt sei eine brave Sterbliche und sag's!«
Seine Version, wie ich mir meine Niederlage eingestehen sollte, meinte er. Zehn Minuten zuvor hatte ich mit ihm gewettet, ich könne ihn in einem fairen Kampf zu Boden zwingen, und er war darauf eingegangen, allerdings zu seinen Bedingungen.
»Na komm schon, Heilerin. Raus damit. Sag, dass ich der größte Beschützer aller Zeiten bin!«
er verlagerte sein Gewicht und verstärkte damit den Druck seines Knies. Knurrend testete ich meinen Bewegungsradius und spürte, wie sich die Schmerzen in mir zu einem elektrisierenden Sturm entwickelten. Mächtige Energie, die leider nicht ausreichte, um den Spieß umzudrehen. Viel fehlt nicht, du eingebildeter Schnösel!
»Na gut«, meinte ich niedergeschlagen und wehrte mich nicht länger. »du hast gewonnen. Ich sag's.«
Ich malte mir das fiese Grinsen auf seinem makellosen Gesicht aus und nutzte die Wut, um mich gegen die bevorstehenden Schmerzen zu rüsten. dann bäumte ich mich abrupt auf, sodass sich sein Knie ein wenig mehr in mich bohrte als nötig und eine meiner Bandscheiben mit einem Knacksen, seitwärts rutschte. der Sturm brach aus mir heraus, und ich beschoss Gabriel mit meinen Schmerzen. Noch ein Knacksen und er fiel mit einem dumpfen Geräusch neben mich, sein Rücken genauso lädiert wie meiner. Poetische Gerechtigkeit. In der darauffolgenden Stille drückte ich die Wange in die weiche Matte und betrachtete meinen Erzfeind, der, in Embryostellung zusammengerollt, neben mir lag.
»Ich bin die größte Beschützerin aller Zeiten«, erklärte ich dann, wobei meine Stimme gut und gern etwas kräftiger hätte klingen können.
Asher, der vor Lachen fast erstickte, kniete sich neben mich. Mit seinem schokoladenbraunen haar, das ihm in die Stirn fiel und die fünf Zentimeter lange weiße Narbe verdeckte, die sich durch eine Augenbraue zog, sah er wie eine unvollkommenere, schlankere Version Gabriels aus. der sorgenvolle Blick in seinen dunkelgrünen Augen entschädigte mich schon fast wieder für die Schmerzen. er hasste es, zuschauen zu müssen, wie sein Bruder mich traktierte, aber seine eigenen Versuche, mit mir zu trainieren, waren ein Reinfall gewesen. entweder ich sah über die Gefahren der Welt, in die ich in den zurückliegenden Monaten geraten war, einfach hinweg, oder ich legte mich ins Zeug, um für den Tag gerüstet zu sein, an dem die anderen Beschützer - die, die anders waren als die beiden Jungs hier - mich aufspürten. Wenn es um den Schutz meiner neuen Familie ging, hatte ich da wirklich eine Wahl? Nein! um meinen Dad, meine Stiefmutter und meine Schwester zu beschützen, musste ich vorbereitet sein.
»Alles okay?«, fragte Asher und strich mir eine widerspenstige blonde Strähne hinters Ohr.
Machst du Witze? Endlich habe ich Gabriel mal das Maul gestopft! Verdammt, ich bin genial! Außer dass ich vermutlich einen Chiropraktiker brauchen werde.
Asher, vertrauter damit, meine Stimme in seinem Kopf zu hören, als es irgendjemand sein sollte, lächelte über meine Schadenfreude. unsere Beziehung hatte ihre Höhen und Tiefen. »Brauchst du meine Hilfe?«
Er bot mir seine Beschützerenergie an, damit ich mich heilen konnte.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss mich erst mal um Gabriel kümmern.«
Asher nickte und schob mich sanft näher zu seinem Bruder hin.
»Wäre einer so nett, mir zu erklären, was das gerade war?«, forderte Gabriel mit gepresster Stimme.
Er lag reglos da, mit einer Rückenverletzung, die meiner bis aufs Haar glich. Nach einem Jahrhundert ohne Empfindungsvermögen und noch nicht an dessen Rückkehr gewöhnt, litten alle Blackwells darunter, wenn meine Gabe sie daran erinnerte, wie sich das Menschsein anfühlte. Natürlich hielt Gabriel mich meist auf Abstand, sodass ich meine Fähigkeiten bei ihm nicht einsetzen konnte. Wer würde ihm das verdenken? Denn die beiden Male, als ich beim Training seine Abwehr durchbrochen hatte, hatte er sich einen gebrochenen Arm und eine ausgerenkte Schulter eingehandelt. Und nun das.
Ich mochte Gabriel zwar nicht sonderlich, aber Schmerzen machten ihn menschlicher. Seine grünen Augen verengten sich, und er wirkte verletzlich, weniger abweisend. Ausnahmsweise einmal erinnerte er mich an Asher. Ich kämpfte gegen den drang an, ihn zu trösten, denn ich wusste, er würde mich eher in Stücke reißen als eine Schwäche einzugestehen.
»Ist das nicht sonnenklar?« Ich verdrängte meine Schmerzen. »Ich habe dich zu Fall gebracht. den Boden mit dir gewischt. Glatte Niederlage. Und das zweimal hintereinander!«
»Von wegen!«
Ich fuhr mit der Hand über seinen Rücken, und er atmete ganz flach durch die Nase. Meine Energie konnte ich ihm zwar nicht leihen, wie das die Beschützer für die Heilerinnen tun konnten, aber ich konnte sie einsetzen, um seinen Körper wieder in Ordnung zu bringen. Gabriel mochte meine Berührungen nicht und die Empfindungen, die damit einhergingen, doch in Situationen wie dieser nahm er sie notgedrungen in Kauf. Ich bekam Mitleid mit ihm und passte meine Energie dem Rhythmus seines unsterblichen Körpers an. Sein Herz raste wie ein frisch geölter Motor und schlug um ein Vielfaches schneller als bei irgendeinem Menschen. Das alles war zu bedenken, wenn ich meine Energie in seinen Körper wirbeln ließ. Die Luft wurde mit einem Summen aufgeladen, und dort, wo meine Finger ihn berührten, knisterten grüne Funken.
»Doch, doch, zweimal«, jubilierte ich. Als seine Bandscheibe an ihren Platz zurückrutschte, stöhnte Gabriel auf. Ich tätschelte ihm die Schulter, denn ich wusste, diese gönnerhafte Geste würde ihn ärgern. Dann brach ich zusammen. Der für schwierige Heilungen typische Schüttelfrost setzte ein. Ashers warme Hand strich über meinen Rücken und ein wenig von seiner vertrauten Energie durchdrang mich. Mit geschlossenen Augen lieh ich mir seine Kräfte und stellte mir meine Wirbelsäule wieder in perfektem Zustand vor. Als sich die Bandscheibe mit einem grässlichen Geräusch wieder an ihren Platz bewegte, fuhr ich zusammen. Seufzend ruhte ich einen Augenblick aus und genoss Ashers Wärme. So war die Zusammenarbeit von Beschützern und Heilerinnen gedacht. Vor dem Krieg. ehe die Beschützer Jagd auf die Heilerinnen gemacht und sie beinahe ausgelöscht hatten.
Etwas später ließ ich mich von Asher auf die Füße ziehen. Ich schlang die Arme um seine Taille, und er schnappte sich die Gürtelschlaufen meiner Jeans, damit ich ihm nicht entwischen konnte. Er roch nach allem, was ich liebte - nach Wald, dem Meer und nach ihm.
Lässig erhob sich Gabriel und starrte uns angewidert an. Es war ihm immer noch schleierhaft, wie ich ihn hatte überwältigen können, egal, wie kurz der Augenblick auch gewesen sein mochte. die ganzen Monate unseres Trainings hatte ich mich nie mit seiner Geschwindigkeit oder Kraft messen können. Ich war zwar groß, aber trotzdem hatten die meisten siebenjährigen Jungs schon mehr Muskeln aufzuweisen als ich.
Bislang hatte ich mich nur dadurch gegen Gabriel wehren können, dass ich meine Verletzungen auf ihn übertrug, was sich aber schlecht kontrollieren ließ. Außerdem klappte das Ganze nur, wenn ich selbst Verletzungen davongetragen hatte. und Körperkontakt war dazu auch noch nötig. Ich hatte nie den Hauch einer Chance und kassierte eine Prellung nach der anderen, wohingegen er höchstens mal einen Kratzer abbekam.
Doch vor einem Monat hatte sich das Blatt gewendet, als mein Stiefvater hier in Maine aufgetaucht war. Dean hatte mich aus meinem neuen heim in Blackwell Falls entführt und beinahe zu Tode gefoltert. Auf meine Halbschwester hatte er geschossen, damit er sehen konnte, wie meine Fähigkeiten funktionierten, als ich Lucy heilte. Auch Asher wäre beinahe ums Leben gekommen, als er sich weigerte, aus der Schusslinie zu treten.um uns beide zu retten, hatte ich Ashers Energie an mich gerissen und sie gegen Dean eingesetzt. In jener Nacht war mein Stiefvater ums Leben gekommen. das wussten nur Lucy, die Blackwells und ich.
Als ich Asher geheilt und er seine Kräfte wieder zurückgenommen hatte, hatte ich geglaubt, dabei zu sterben. Stattdessen war ich zwei Tage später im Krankenhaus wieder aufgewacht und hatte entdeckt, dass einige seiner Beschützerfähigkeiten noch immer in mir steckten. Eine Kleinigkeit, die ich Gabriel verschwiegen hatte, um mich für die vielen Male, als er mir gedroht oder mich verspottet hatte, revanchieren zu können.
»Sag's ihm, Remy«, meinte Asher, dessen Akzent irgendwo zwischen amerikanisch und britisch angesiedelt war.
Ich zog eine Schnute und jammerte in sein blaues Poloshirt, das ganz warm von seiner Haut war. »Muss ich? Ich mag ihn viel, viel lieber, wenn er nicht so tut, als wäre er der Größte.«
Asher grinste. »Ich weiß, mo cridhe, aber es wird Zeit, ihm reinen Wein einzuschenken.«
Ich werde auch nach fünfzig Jahren noch nicht genug davon haben, wenn du mich auf Gälisch »mein Herz« nennst.
»Dann werde ich nie aufhören, es zu sagen«, beantwortete er meinen Gedanken. »Aber jetzt hör auf, Zeit zu schinden, und sag's ihm!«
Seufzend löste ich mich von Asher und drehte mich zu Gabriel um. »Erinnerst du dich noch, als Asher im Sterben lag und er mir seine Kräfte aufdrängte?«
Bei der Erinnerung daran zuckte Asher zusammen. Er hatte mir genug Zeit geben wollen, damit ich mich vor Dean retten und meine Verletzungen heilen konnte. Keiner von uns hatte gewusst, dass sich die Unsterblichkeit auf mich übertragen lassen konnte.
Gabriel lauschte mit gespannter Miene.
»Obwohl ich ihm seine Beschützerkraft zurückgab, als ich ihn heilte, hat sie mich verändert.«
»Verändert? Inwiefern, Remy?« Sein leiser Ton erinnerte mich daran, wie gefährlich Beschützer sein konnten. Er sprach mich nur selten mit Namen an, und es lief mir dabei jedes Mal eiskalt den Rücken herunter.
Einen Herzschlag später hatte ich in einer Zeit, bei der jeder Weltklassesprinter blass vor Neid geworden wäre, Gabriel zweimal umrundet. der dadurch entstandene Luftzug zerzauste ihm noch immer das Haar, als ich schon längst wieder neben Asher stand. Für jeden Fremden blieb Gabriels Gesichtsausdruck unergründlich, aber das Zucken seines linken Augenlids sagte mir, ich würde höllisch dafür bezahlen müssen, dass ich diese neue Gabe vor ihm verheimlicht hatte.
»Das war Anfang Mai, und jetzt haben wir Mitte Juni«, sagte er ruhig. Zu ruhig. »Das ist Wochen her. Keiner von euch beiden hat es für nötig gehalten, das zu erwähnen?«
Asher stellte sich demonstrativ vor mich, und ich funkelte seinen Rücken an. Lass das. Du brauchst mich nicht vor deinem Bruder zu beschützen! Als er meine Gedanken einfach überhörte, erwog ich, ihn zu verprügeln, aber auch dieses mentale Bild ließ ihn kalt.
»Bislang hat's ja auch keine Rolle gespielt«, meinte Asher. »Bis sie sich von ihren Verletzungen erholt hatte, war Remy zu schwach fürs Training. Jetzt geht's ihr besser.«
Ich versuchte, Asher zur Seite zu schubsen, doch selbst mit meiner gesteigerten Kraft rührte er sich nicht vom Fleck. Ich machte Anstalten, um ihn herumzulaufen. Er hörte meine Absicht und hielt mich an meinem T-Shirt fest.
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Autoren-Porträt von Corrine Jackson
Jackson, CorrineDie US-amerikanische Fantasy- und Jugendbuchautorin Corrine Jackson hat ein Studium der Englischen Literatur absolviert. Im Anschluss war sie zunächst als Grafikdesignerin tätig, ehe sie in eine grosse Marketingagentur wechselte. Sie war ausserdem Chef-Redakteurin von zwei literarischen Online-Zeitschriften und ist Mitglied der SCBWI (Society of Children's Book Writers & Illustrators).
Bibliographische Angaben
- Autor: Corrine Jackson
- Altersempfehlung: 14 - 99 Jahre
- 2014, 3. Aufl., 416 Seiten, Masse: 12,1 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Lichtblau, Heidi
- Übersetzer: Heidi Lichtblau
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548284434
- ISBN-13: 9783548284439
- Erscheinungsdatum: 10.02.2014
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