Die Saat der Erde / Humanity`s Fire Bd.1
Roman
Der Aufbruch ins All wird zur atemlosen Flucht
Der Aufbruch zu den Sternen verlangt der Menschheit das größte Opfer der Geschichte ab - die Erde wird von rücksichtslosen Außerirdischen vernichtet, und die Menschen fliehen ins All....
Der Aufbruch zu den Sternen verlangt der Menschheit das größte Opfer der Geschichte ab - die Erde wird von rücksichtslosen Außerirdischen vernichtet, und die Menschen fliehen ins All....
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Produktinformationen zu „Die Saat der Erde / Humanity`s Fire Bd.1 “
Der Aufbruch ins All wird zur atemlosen Flucht
Der Aufbruch zu den Sternen verlangt der Menschheit das größte Opfer der Geschichte ab - die Erde wird von rücksichtslosen Außerirdischen vernichtet, und die Menschen fliehen ins All. Auf ihrem neuen Heimatplaneten müssen sie sich mit den einheimischen Uvovo arrangieren. Was zunächst nach einer friedlichen Koexistenz aussieht, entwickelt sich jedoch bald zu einem gefährlichen Konflikt ...
Der Aufbruch zu den Sternen verlangt der Menschheit das größte Opfer der Geschichte ab - die Erde wird von rücksichtslosen Außerirdischen vernichtet, und die Menschen fliehen ins All. Auf ihrem neuen Heimatplaneten müssen sie sich mit den einheimischen Uvovo arrangieren. Was zunächst nach einer friedlichen Koexistenz aussieht, entwickelt sich jedoch bald zu einem gefährlichen Konflikt ...
Klappentext zu „Die Saat der Erde / Humanity`s Fire Bd.1 “
Der Aufbruch ins All wird zur atemlosen FluchtDer Griff nach den Sternen verlangt der Menschheit das grösste Opfer der Geschichte ab - die Erde wird von rücksichtslosen Ausserirdischen vernichtet, und die Menschen fliehen ins All. Auf ihrem neuen Heimatplaneten müssen sie sich mit den einheimischen Uvovo arrangieren. Was zunächst nach einer friedlichen Koexistenz aussieht, entwickelt sich jedoch bald zu einem gefährlichen Konflikt ...
Lese-Probe zu „Die Saat der Erde / Humanity`s Fire Bd.1 “
Die Saat der Erde von Michael Cobley Prolog
Darien-Institut: Datenwiederherstellungsprojekt Hyperion
Clusterposition - Nebenfestspeichersubstrat (Laufwerk 9) Tranche - 298 Entschlüsselungsstatus - 9. Durchgang, 26 Video-Files wiederhergestellt
File 15 - Die Schlacht um den Mars (Schwarmkrieg) Wahrheitsgehalt - virtuelle Nachinszenierung Ursprüngliche Datierung - 16:09:24, 23. November 2126
Einblendung: Titel:
Mars Kraterebene: Mons Olympus
19. März 2126 Der Sergeant befand sich auf dem Kommandodeck des Trägerschiffs und überprüfte ein ums andere Mal die Einstellungen der Steuerkonsole, als Stimmen aus dem Helmlautsprecher tönten.
»Versprengte Marines treffen jeden Moment ein, werden aber von gegnerischen Einheiten verfolgt ...«
»... acht, neun Schwärmer, vielleicht auch zehn ...«
Fluchend schnappte sich der Sergeant seinen schweren Karabiner und verließ das Kommandodeck so schnell, wie sein Kampfanzug es ihm erlaubte. Das Stiefelgepolter hallte von den Wänden des oberen Korridors wider, während er mit barscher Stimme eine Reihe von Befehlen erteilte. Als er die beschädigten Tore des hinteren Frachtraums erreichte, waren die Versprengten eingetroffen. Fünf Verwundete, alle bewusstlos, alle Angehörige eines indonesischen Regiments, den Leuchtabzeichen an den Helmen nach zu schließen. Als der Letzte die Rampe hochgetragen wurde, tauchten über dem achtzig Meter entfernten Felsgrat die ersten Schwärmer auf.
... mehr
Auf den ersten Blick waren sie ein alptraumhaftes Durcheinander von Klauen, Stacheln und schwarz funkelnden Augenclustern. Die Biologie der Schwärmer wies zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Reptilien auf, doch wenn man sie sah, hielt man sie unwillkürlich für Insekten. Sie hatten sechs, acht, zehn oder mehr Gliedmaßen, ihre Größe variierte je nach Spezialisierung zwischen der eines Ponys und der eines Wals. In diesem Fall hatten sie es mit stiergroßen Plänklern zu tun, mit elf schwarz-grünen Monstern, die sich, sprossenförmige Waffen schwingend, auf das havarierte Trägerschiff stürzten.
»Feuer erwidern!«, sagte der Sergeant und blickte zu den sechs Marines hinüber, die hinter der improvisierten Barrikade aus Munitionskisten und Panzerplatten hockten. Mehr war ihm nicht geblieben, nachdem der Colonel und der Rest der Besatzung vor ein paar Stunden mit den Hovermags zum Krater und dem Bau des Schwarms aufgebrochen waren. Der eine Mann zog ein wenig die Schulter hoch, legte den Kopf schief und blickte durchs Zielfernrohr seines Karabiners ...
»Ich habe gesagt, ihr sollt warten«, sagte der Sergeant und schätzte den sich rasch verringernden Abstand. »Heckgefechtstürme bereitmachen ... Ziele erfassen ... und Feuer!«
Ein wahrer Hagel schwerkalibriger Granaten wurde auf die vorderen Schwärmer abgefeuert und warf sie von den Spinnenbeinen. Als sie sich wieder aufrichteten, geschützt durch den Biopanzer, der das irdische Militär seit Beginn der Invasion vor zwei Jahren in Erstaunen versetzte, fluchte der Sergeant.
»Pulsfeuer!«, brüllte er. »Los!«
Gleißend helle Strahlen trafen die Schwärmer, verdichtete Knoten energetisch angeregter Materie, die den Panzer erhitzen und gleichzeitig verschmoren sollten. Der Gegner erwiderte das Feuer mit bogenförmigen, dünnen schwarzen Salven, doch als die Turmjockeys sich einschossen, löste sich die Formation der Schwärmer auf, und sie verteilten sich. Der Sergeant befahl daraufhin seinen Männern, das Feuer zu eröffnen, und schloss sich ihnen mit seinem eigenen Karabiner an. Das vernichtende Kreuzfeuer traf auf einen geschwächten, verwirrten Gegner. Nach einer knappen Minute gab es auf dem steinigen Hang nichts mehr, was lebendig oder unversehrt gewesen wäre.
Die Marines lachten und grinsten, klatschten sich mit den handschuhverhüllten Handflächen ab. Der Sergeant hatte kaum Zeit, Atem zu holen und den Karabiner nachzuladen, als der Mann von der Steuerkonsole mit erregter Stimme meldete:
»Sergeant! - Flugobjekt geortet, Entfernung drei Kilometer, rasch näher kommend!«
Der Sergeant schwenkte herum, wandte sich zum Steuerbordniedergang und schulterte im Gehen seinen Karabiner. »Wie sieht das Profil aus, Soldat?«
»Schwer zu sagen - der Sensor ist so gut wie hinüber ...«
»Ich will eine Antwort, und zwar schnell!«
Dann befahl er allen vier Geschütztürmen, das sich nähernde Flugobjekt ins Visier zu nehmen, und kletterte in dem Moment aus der oberen Luke des Trägerschiffs, als der Mann an der Steuerung sich wieder meldete.
»Die Freund-Feind-Kennung hat ergeben, dass es sich um ein freundliches Flugobjekt handelt, Sergeant - ein Schwenkflügler, und der Pilot fragt nach Ihnen.«
»Stellen Sie ihn durch.«
Auf einem der kleinen Helmmonitore wurde das Gesicht des Piloten abgebildet. Der Beschriftung des hinter ihm befindlichen Schotts nach zu schließen war er ein Deutscher.
»Sergeant, ich habe nicht viel Zeit«, sagte der Pilot mit leichtem Akzent auf Englisch. »Ich soll Sie und Ihre Männer evakuieren und in den Orbit bringen ...«
»Tut mir leid, Lieutenant, aber ... mein befehlshabender Offizier hält sich noch im Krater auf und ist in Kampfhandlungen verwickelt! Hören Sie, bis zum Rand des Kraters sind es knapp fünfhundert Meter - Sie könnten mich und meine Leute rüberbringen und dann ...«
»Vorschlag abgelehnt. Ich habe genaue Anweisungen. Außerdem wurden alle Einheiten, die es bis dorthin geschafft hatten, überwältigt und vernichtet, ganze Regimenter und Brigaden, Sergeant. Es tut mir leid ...« Der Pilot langte nach oben und betätigte einen Schalter. »Voraussichtliche Ankunftszeit in weniger als fünf Minuten, Sergeant. Bitte halten Sie sich bereit.«
Der Monitor wurde dunkel. Der Sergeant stützte sich auf das Geländer und blickte verbittert zu dem kilometerlangen Graben hinüber, den das Trägerschiff in die Flanke des Mons Olympus gepflügt hatte. Dann gab er Befehl, das Schiff zu verlassen.
Am dunstverschleierten Marshimmel schwoll der Vortexflügler von einem kleinen Punkt zu einem ausladenden Flugobjekt an, das sich, getragen von vier kardanisch befestigten Spinjets, langsam absenkte. Die Landestützen fanden auf dem Rumpf des Trägerschiffs Halt, und untermalt vom Geheul der Triebwerke wurden die gehfähigen Verwundeten und die Tragen mit den Schwerverletzten in den Frachtraum gehoben. Die Turmjockeys, der Konsolenmann und das halbe Dutzend Marines schlossen sich ihnen an, als sich auf einmal über Funk der deutsche Pilot meldete.
»Eine große Anzahl Schwärmer ist im Anflug, Sergeant. Bitte beeilen Sie sich.«
Als der letzte seiner Männer in den Vortexflügler kletterte, drehte sich der Sergeant um und blickte zum Mons Olympus hinüber, der vom aufgewirbelten Staub und den Rauchfahnen der Schlacht in einen Dunstschleier gehüllt wurde. Nur wenige Kilometer entfernt stieg eine dichte Wolke dunkler Motten auf. Als er sah, wie schnell sie sich näherten, fasste er einen Entschluss.
»Sie sollten besser die Luke dicht machen und starten, Lieutenant«, sagte er, sprang wieder in das havarierte Trägerschiff und schloss hinter sich die Luke. »Ich werde die Schwärmer mit unseren Geschütztürmen ablenken, damit Sie unbehelligt in den Orbit kommen.«
»Nein! Sergeant, ich befehle Ihnen ...«
»Verzeihung, Sir, aber Sie würden es sonst nicht schaffen, deshalb ist klar, was ich zu tun habe.«
Er unterbrach die Verbindung, rannte zum Kommandodeck und warf im Laufen die Luken zu. Der Technikoffizier des Colonels hatte alle vier Gefechtstürme auf die Steuerkonsole geschaltet, doch das war nicht die einzige Modifikation, die er vorgenommen hatte ...
Das Dröhnen der Spinjets schwoll zu einem Kreischen an, die Landestützen lösten sich vom Rumpf, und der Transporter hob ab. Im nächsten Moment jagten ihn die vier schwenkbaren Triebwerke steil in den Himmel. Einige Vorreiter des Schwarms versuchten, die Maschine abzufangen, doch dann nahm das Trägerschiff sie unter Feuer. Trotzdem hätten sie der Beute wohl weiter nachgesetzt, hätte sich das Trägerschiff nicht auf einmal bewegt wie ein großes, verwundetes Tier. Langsam stieg es über den langen Graben auf, den es in den Boden gepflügt hatte. Staubschleier und Steine sowie Teile der Rumpfpanzerung und der Außensensoren lösten sich von der Unterseite, und als das Trägerschiff den eingedrückten Bug zur Mitte des Kraters wandte, änderte der Schwarm den Kurs.
Auf dem Kommandodeck bemühte sich der Sergeant schwitzend und fluchend, auch noch das letzte Quäntchen Schub aus den protestierenden Triebwerken hervorzukitzeln. Die beim atmosphärischen Landeanflug aufgetretenen Schäden hatten eine sichere Landung auf dem Kraterboden unmöglich gemacht, weshalb der Colonel entschieden hatte, mit den Hovermags weiterzufliegen. Eine sichere Landung hatte der Sergeant allerdings nicht im Sinn.
Als das Raumschiff sich dem Krater näherte, gewann es stetig Höhe. Durch den Boden drang das Ächzen des überlasteten Unterbaus. Immer mehr rote Warnlämpchen flackerten, einer der Backbordsuspensoren arbeitete im Grenzbereich. Der Sergeant achtete vor allem auf den Schwarm, der sich auf das Raumfahrzeug von der Erde stürzte.
Plötzlich war das Trägerschiff in eine wirbelnde Wolke von Schwärmern gehüllt. Einige landeten auf dem Rumpf, suchten nach einem Halt, nach einem Zugang ins Schiff. Im nächsten Moment fielen zwei Suspensoren aus, und das Schiff neigte sich nach Backbord. Der Sergeant leitete mehr Energie in die Backbordbrenner, ohne auf den gellenden Alarm und das von mittschiffs kommende Krachen und Hämmern zu achten. Als er den Zenit seiner Flugbahn erreichte, richtete sich der Transporter auf, ein gewaltiges Raketengeschoss, mit dem der Sergeant auf den Bau des Schwarms zielte.
Nach zehn Sekunden Sturzflug rückte das dröhnende Hämmern näher, bis es nur noch ein oder zwei Schotts vom Kommandodeck entfernt war.
Als nach zwanzig Sekunden die zernarbten, graubraunen Türme des Baus die Sichtluke ausfüllten, brannte der heckseitige Steuerbordbrenner durch. Der Sergeant unterbrach die Energiezufuhr und belastete den Steuerbord- Bugbrenner bis in den roten Bereich.
Nach dreißig Sekunden, untermalt vom ohrenbetäubenden Hämmern und dem Tosen der Triebwerke, platzte die Luke des Kommandodecks auf. Ein groteskes Wesen, halb Wespe, halb Alligator, zwängte sich durch die Öffnung. Als es den dem Schiff entgegenstürzenden Bau sah, erstarrte es für einen Moment, dann zog es sich hektisch wieder zurück. Der Sergeant schleuderte ihm eine Thermitgranate hinterher und drehte sich lachend und mit ausgebreiteten Armen zur Sichtluke um ...
Schnitt
Der Mons Olympus, aus dem Orbit betrachtet
In der Wolke der Schwärmer erkennt man den Brigade-Träger, der, eine Fahne aus entweichenden Gasen und Flüssigkeiten hinter sich herziehend, dem Schwarmbau entgegenstürzt. Plötzlich weitet sich der Blickwinkel, und man sieht einen Großteil des mit Trümmern übersäten und von Einschlägen zernarbten Kraters, als der Transporter aufprallt. Einen Moment lang werden nur Trümmer hochgeschleudert, dann lassen drei blendend helle Explosionen in rascher Folge die Umrisse des Baus verschwimmen ...
Kommentar: In der ersten Phase der Schlacht um den Mars wurden mit speziell angefertigten Antriebsaggregaten zahlreiche Asteroiden gegen die Schwarmarmada gelenkt, wodurch eine große Anzahl von Schiffen aus dem Mars orbit fortgelockt wurde. Bei der Entscheidungsschlacht und der Bodenoffensive verlor die Erde über vierhunderttausend Mann sowie neunundsiebzig größere Kriegsschiffe und zahlreiche Begleitschiffe. Trotz der großen Opfer gelang es nicht, alle Masterminds des Schwarms zu vernichten oder sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Allerdings wurden große Mengen von Biowaffen zerstört, darunter auch die Raketen, die Städte in China, Europa und Amerika verwüstet haben, sowie mehrere Brutkammern, wodurch die Produktion neuer Schwarmkrieger zum Erliegen kam und der erwartete Angriff auf die Erde hinausgezögert wurde.
Die Schlacht brachte der Menschheit Kummer und Schmerz, verschaffte uns aber auch eine Atempause, fünf entscheidende Monate, in denen drei interstellare Kolonieraumschiffe fertiggestellt wurden, drei von geplanten fünfzehn. Das letzte Kolonieschiff, die Tenebrosa, startete vor vier Tagen vom Poseidon-Dock im hohen Orbit und folgte damit ihren Schwesterschiffen, der Hyperion und der Forrestral, auf einer Flugbahn, die von der Hauptstreitmacht des Gegners fortweist. Alle drei Raumschiffe sind mit dem revolutionären, neuartigen Überlichtantrieb ausgestattet, der es ihnen erlaubt, durch den subrealen Hyperraum gewaltige Entfernungen zurückzulegen. Als Erste unternahm die Hyperion den Überlichtsprung, dann folgte zwei Tage später die Forrestral. Die Tenebrosa wird den Abschluss bilden. Ihr Flug wird von übergeordneten AIs bestimmt, die darauf programmiert sind, mittels willkürlicher Kursänderungen jede Verfolgung unmöglich zu machen und anschließend nach besiedelbaren erdähnlichen Planeten zu suchen.
Nun sind sie fort, die drei Archen, auf denen die Überlebenshoffnung der Menschheit ruht, drei Samenkörner der Erde, die in die unermessliche Sternennacht hinausfliegen. Nun müssen wir unsere Aufmerksamkeit und all unsere Kraft auf den bevorstehenden Großangriff richten. In zwölf Tagen werden die Vorausformationen des Schwarms auf dem Mond landen und unsere zivilen und militärischen Vorposten angreifen. Wir wissen, was uns erwartet. Der Schwarm verfolgt seit je die Strategie, alles niederzumetzeln und zu zerstören, was ihm in die Quere kommt, deshalb dürfen wir nicht mit Gnade oder Nachsicht rechnen, wenn er irgendwann den Luftraum der Erde erreicht.
Wenngleich die Schwarmsoldaten nichts weiter als straff organisierte Drohnen sind, müssen wir davon ausgehen, dass die Masterminds intelligent und lernfähig sind, sonst hätten sie nicht die Technik der Raumfahrt entwickelt. Wenn die Masterminds also lernfähig sind, wollen wir ihre Lehrmeister sein und sie lehren, was es heißt, die Wiege der Menschheit anzugreifen ...
Ende des Datenfiles ...
Teil Eins
Greg
Die Dämmerung senkte sich von Osten her auf das Meer herab, als Greg Cameron Chel zur Zepstation geleitete. Zur Rechten des Weges ragte die gewaltige Schulter des Riesen auf, der Schatten gesprenkelt von blau leuchtenden Ineka-Käfern, zur Linken lag der Zaun, hinter dem es steil in die Tiefe ging. Der Himmel war wolkenlos, so dass der Sternennebel zu sehen war, der auf ewig durch die obere Atmosphäre von Darien wirbelte. Heute war er rötlich gefärbt, mit rosafarbenen Fäden - ein beruhigender, sich langsam verändernder Geisterhimmel.
Greg aber wusste, dass sein Begleiter alles andere als ruhig war. Im Schein der Wegbeleuchtung stapfte der Uvovo mit gesenktem Kopf einher und hatte die knochigen, vierfingrigen Hände um die Brustriemen seines Rucksacks gelegt. Die Uvovo waren schlank und kleinwüchsig, aus dem zart bepelzten Gesicht leuchteten große, bernsteinfarbene Augen hervor. Als Greg ihn ansah, lächelte er.
»Chel, hab keine Angst - es passiert dir schon nichts.«
Der Uvovo schaute auf und überlegte einen Moment, dann lächelte er breit.
»Freund Gregori«, sagte er mit hohler, flötender Stimme. »Jedes Mal, wenn ich in einem Luftschiff mitfliege oder mit dem Shuttle zu unserer heiligen Segrana reise, staune ich am Ende, dass ich noch am Leben bin!«
Lachend schritten sie an der Schulter des Riesen entlang. Es war nasskalt, und Greg, der ein dünnes Arbeitshemd trug, bedauerte, nicht etwas Wärmeres angezogen zu haben.
»Und du hast noch immer keine Ahnung, wo in Ibsenskog das Zinsilu stattfindet?«, fragte Greg. Bei den Uvovo diente das Zinsilu einerseits der Bewertung ihres bisherigen Lebens, andererseits der Meditation. »Ich meine, wenn die Lauscher mit den Säern und Gelehrten in Kontakt treten möchten, könnten sie doch das Comnetz der Regierung nutzen ...« Ihm kam ein Gedanke. »Die werden dich doch nicht etwa versetzen, oder? Chel, die Grabung und die Berichte über den Tochterwald kann ich nicht allein bewältigen! - Ich bin auf deine Hilfe angewiesen. «
»Keine Sorge, Freund Gregori«, sagte der Uvovo. »Lauscher Weynl hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass mein Einsatz als sehr wichtig gilt. Ich bin sicher, dass ich nach dem Zinsilu gleich wieder zurückkomme.«
Hoffen wir, dass du Recht behalten wirst, dachte Greg. Das Institut zeigt wenig Nachsicht, wenn es um Fehler und unerreichte Ziele geht.
»Schließlich«, fuhr Chel fort, »feiert ihr in ein paar Tagen den Gründersieg, und die Zeremonien und Rituale möchte ich mir nicht entgehen lassen.«
Greg grinste schief. »Ja, sicher ... aber bei einigen unserer ›Rituale‹ geht es ganz schön ausgelassen zu ...«
Der Kiesweg wurde eben, als sie sich der Zepstation näherten. Greg vernahm das leise Fiepen der Umisk-Eidechsen, deren Höhlen an der Steilwand der Schulter des Riesen verteilt waren. Bei der Station handelte es sich um eine von Strebepfeilern gestützte Plattform mit zwei Aufbauten und einer fünf Meter langen überdachten Gangway. Ein Regierungsluftschiff hatte daran festgemacht, ein sacht schwankendes Fünfzehn-Meter-Schiff, das aus zwei mit Gurten aneinandergekoppelten zylindrischen Gassäcken bestand, unter denen eine luftdicht abgeschlossene Gondel hing. Die aufblasbaren Teile bestanden aus einem festen Mischgewebe, doch aufgrund des Einflusses der Witterung und nach mehrmaligem Flicken wirkten sie verschlissen, was sie mit den meisten Alltagszeppelinen in Regierungsbetrieb gemeinsam hatten. Im Cockpit der bootsförmigen Gondel leuchtete ein Lämpchen, und am Heck drehte sich ein dreiblättriger Propeller träge im stetig wehenden Meereswind.
Fredriksen, der Stationsleiter, winkte ihnen von der Tür des Warteraums aus zu, während gleichzeitig ein Mann in einem grüngrauen Overall von der Gangway trat und sich ihnen näherte.
»Guten Tag, guten Tag!«, sagte er und fasste erst Greg und dann den Uvovo in den Blick. »Ich bin Yakow, der Pilot. Wenn einer von Ihnen beiden der Gelehrte Cheluvahar ist, bin ich startbereit.«
»Ich bin der Gelehrte Cheluvahar«, sagte Chel.
»Ausgezeichnet. Dann lasse ich den Motor an.« Er nickte Greg zu und trat wieder auf die Gangway, wobei er den Kopf einziehen musste.
»Denk dran, mir eine Nachricht zu schicken, wenn du in Ibsenskog angekommen bist«, sagte Greg. »Und mach dir wegen des Flugs keine Sorgen - eh du dich versiehst, bist du schon da.«
»Ach, Freund Gregori - ich bin ein Krieger-Uvovo. Solche Prüfungen sind für mich so selbstverständlich wie das Atmen!«
Lächelnd wandte er sich ab und eilte dem Piloten nach. Das Winseln eines Elektromotors wurde lauter, während der Propeller sich immer schneller zu drehen begann. Die Holzkonstruktion knarrte, als der Stationsleiter die Gangway einholte und dann die Befestigungsleinen löste. Das Luftschiff trieb schwankend davon, wurde schneller und entfernte sich vom steilen Hang der Schulter des Riesen. Der Flug zum Gagarin-Raumhafen dauerte nur eine halbe Stunde, dann würde Chel auf einen kommerziellen Lifter umsteigen, der ihn zur Oststadt und dem Tochterwald Ibsenskog bringen würde. Greg konnte seinen Freund in den lichtundurchlässigen Luken nicht sehen, trotzdem winkte er etwa eine Minute lang, dann schaute er einfach nur noch zu, wie der Zeppelin in der Dunkelheit verschwand. Da es kühl geworden war, schloss er ein paar Hemdknöpfe und genoss weiterhin die Ruhe. Die Zepstation lag etwa fünfzehn Meter unterhalb der Hauptgrabungsstelle, aber trotzdem noch einhundert Meter über dem Meeresspiegel. Die Schulter des Riesen war eine imposante Erhebung, die aus einem gewaltigen Massiv, den Kentigernbergen, nach Osten vorsprang. Diese unberührte Wildnis wurde nur selten von Fallenstellern und Jägern aufgesucht, wenn gleich die Uvovo behaupteten, sie weitgehend erkundet zu haben.
Als die Positionslampen des Zeppelins nicht mehr zu sehen waren, ließ Greg das Panorama auf sich wirken, die Küstenebene, die sich kilometerweit nach Osten erstreckte bis zum dunklen Korzybski-See und den Lichtern der Stadt, die an dessen Westufer verteilt waren. Weit im Süden funkelten die Lichter von Hammergard, das auf einer Landbrücke lag, die Loch Morwen vom Meer trennte; jenseits der Stadt, verborgen im Abenddunst, lag die von zahlreichen Buchten und Fjorden zerschnittene Küste mit der Oststadt. Südlich davon erstreckten sich Hügel und ein Hochtal, die der Tochterwald Ibsenskog bedeckte. Ein wenig südlich davon waren die wie Diamanten funkelnden Lichter des Gagarin-Raumhafens zu erkennen, ein paar Kilometer im Nordwesten lagen Hoch-Lochiel und Landfall, wo der ausgeschlachtete Rumpf des alten Kolonieschiffes Hyperion in der traurigen Stille des Erinnerungstals ruhte. Noch weiter im Norden lagen Neu-Kelso, Engerhold, Laika, dann waren da noch die Baumfällersiedlungen und Bauernhöfe im Norden und Westen und am nordöstlichen Horizont die Stadt Trond.
Seine Stimmung verdüsterte sich. Erst vor zwei Monaten hatte er Trond verlassen und war aus der Falle der Lebensgemeinschaft mit Inga geflohen, ein verhängnisvoller Fehler, dessen Wunden noch immer schmerzten. Ehe seine Gedanken jedoch anfingen, um den Schmerz zu kreisen, straffte er sich und atmete die kühle Nachtluft ein, entschlossen, sich nicht der Bitterkeit und der Trauer zu ergeben. Stattdessen wandte er den Blick nach Süden und beobachtete den Mondaufgang.
Eine blaugrüne Sichel stieg hinter den zerklüfteten Gipfeln des Hrothgar-Gebirges hervor, das den Horizont säumte: Niwjesta, der üppig bewaldete Mond von Darien, auf dem es von Leben und Geheimnissen wimmelte, Heimat der Uvovo, den Hütern des weitläufigen Waldes, den sie Segrana nannten. Vor Jahrtausenden hatte der größte Teil ihrer Waldzivilisation Darien bewohnt, das sie Umara nannten, doch eine nicht näher bestimmbare Katastrophe hatte die Planetenbevölkerung ausgelöscht, und zurückgeblieben waren nur die Bewohner des Mondes.
In einer solch klaren Nacht hüllte der Sternennebel in Dariens oberer Atmosphäre Niwjesta in ein gazeartiges Halo aus verschwimmenden Farben, das einem märchenhaften Auge glich, welches auf die kleine Nische herunterblickte, die sich die Menschen auf dieser fremden Welt geschaffen hatten. Dieser Anblick verfehlte es nie, ihn aufzumuntern. Doch es wurde immer kühler, deshalb knöpfte er das Hemd bis zum Hals zu und machte sich auf den Rückweg. Auf halber Strecke klingelte sein Comm. Er nahm es aus der Hemdtasche, und als er sah, dass sein älterer Bruder dran war, nahm er den Anruf entgegen.
»Hallo, Ian - wie schaut's aus?«, sagte er im Gehen.
»Gar nicht so schlecht. Bin gerade vom Manöver zurückgekommen und freu mich auf den Gründertag. Ich mach mir Hoffnung auf Heimaturlaub. Und bei dir?«
Greg lächelte. Ian war Teilzeitsoldat beim Freiwilligenkorps, und wenn er nicht zu Hause bei seiner Frau und seiner Tochter war, tat er nichts lieber, als kilometerweit durch den Sumpf zu stapfen oder in den Basaltklippen des Hrothgar-Gebirges herumzukraxeln.
»Ich habe mich ganz gut eingelebt«, antwortete er. »Ich bekomme meine Aufgaben allmählich in den Griff und passe auf, dass die Teams ihre Berichte regelmäßig schreiben, so in der Art.«
»Aber willst du wirklich bei der Tempelausgrabung bleiben, Greg? Wie du weißt, haben wir hier genug Platz, und vor der Episode mit Inga hast du dich in Hammergard doch immer wohlgefühlt ...«
Greg grinste.
»Ehrlich, Ian, mir geht's hier gut. Ich mag meinen Job, die Umgebung ist so friedlich und die Aussicht phantastisch! Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich bin an dem Ort, wo ich sein möchte.«
»Schon okay, Kleiner, wollte nur mal nachfragen. Übrigens, hast du schon was von Ned gehört?«
»Hat mir nur kurz geschrieben, aber das ist okay. Als Arzt hat er im Moment alle Hände voll zu tun ...«
Ned, der dritte und jüngste Bruder, hielt zu Ians Ärger nur sporadisch Kontakt, weshalb Greg sich häufig bemüßigt fühlte, ihn in Schutz zu nehmen.
»Aye, beschäftigt, verstehe. Und wann werden wir dich voraussichtlich wiedersehen? Kannst du nicht zum Fest herkommen? «
»Tut mir leid, Ian, ich werde hier gebraucht. Aber in vierzehn Tagen nehme ich im Uminsky-Institut an einer Konferenz teil - sollen wir uns dort treffen?«
»Klingt gut. Sag mir rechtzeitig Bescheid, dann komme ich rüber.«
Sie verabschiedeten sich und unterbrachen die Verbindung. Greg schlenderte weiter, erwartungsvoll lächelnd, das Comm in der Hand. Er dachte an die Ausgrabungsstätte auf der Schulter des Riesen, an die vielen Stunden, die er damit verbracht hatte, behutsam die verzierten Stelen oder Bodenfliesen bloßzulegen, ganz zu schweigen von den vielen Tagen, die das Katalogisieren, Datieren und Analysieren von Proben und deren Zuordnung erforderten. Hin und wieder - eigentlich ziemlich oft - war das frustrierend, denn es fehlte ihnen ein Leitfaden, der es ihnen ermöglicht hätte, die Bedeutung der Anlage und ihre Funktion zu verstehen. Selbst die Uvovo-Gelehrten waren überfordert und erklärten, die Kunst der Steinbearbeitung sei in der Zeit des Krieges der Langen Nacht, einer der dunkleren Epochen in der Geschichte der Uvovo, verlorengegangen.
Als er zehn Minuten später die höchste Stelle erreicht hatte, klingelte sein Comm erneut, und ohne den Anrufernamen vom Display abzulesen, sagte er:
»Hallo, Mom.«
»Gregory, mein Sohn, wie geht es dir?«
»Mir geht's gut, ich bin gesund und munter, wirklich ...«
»Ja, jetzt, wo du endlich ihren Fängen entkommen bist! Aber fühlst du dich nicht einsam zwischen all den kalten
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Auf den ersten Blick waren sie ein alptraumhaftes Durcheinander von Klauen, Stacheln und schwarz funkelnden Augenclustern. Die Biologie der Schwärmer wies zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Reptilien auf, doch wenn man sie sah, hielt man sie unwillkürlich für Insekten. Sie hatten sechs, acht, zehn oder mehr Gliedmaßen, ihre Größe variierte je nach Spezialisierung zwischen der eines Ponys und der eines Wals. In diesem Fall hatten sie es mit stiergroßen Plänklern zu tun, mit elf schwarz-grünen Monstern, die sich, sprossenförmige Waffen schwingend, auf das havarierte Trägerschiff stürzten.
»Feuer erwidern!«, sagte der Sergeant und blickte zu den sechs Marines hinüber, die hinter der improvisierten Barrikade aus Munitionskisten und Panzerplatten hockten. Mehr war ihm nicht geblieben, nachdem der Colonel und der Rest der Besatzung vor ein paar Stunden mit den Hovermags zum Krater und dem Bau des Schwarms aufgebrochen waren. Der eine Mann zog ein wenig die Schulter hoch, legte den Kopf schief und blickte durchs Zielfernrohr seines Karabiners ...
»Ich habe gesagt, ihr sollt warten«, sagte der Sergeant und schätzte den sich rasch verringernden Abstand. »Heckgefechtstürme bereitmachen ... Ziele erfassen ... und Feuer!«
Ein wahrer Hagel schwerkalibriger Granaten wurde auf die vorderen Schwärmer abgefeuert und warf sie von den Spinnenbeinen. Als sie sich wieder aufrichteten, geschützt durch den Biopanzer, der das irdische Militär seit Beginn der Invasion vor zwei Jahren in Erstaunen versetzte, fluchte der Sergeant.
»Pulsfeuer!«, brüllte er. »Los!«
Gleißend helle Strahlen trafen die Schwärmer, verdichtete Knoten energetisch angeregter Materie, die den Panzer erhitzen und gleichzeitig verschmoren sollten. Der Gegner erwiderte das Feuer mit bogenförmigen, dünnen schwarzen Salven, doch als die Turmjockeys sich einschossen, löste sich die Formation der Schwärmer auf, und sie verteilten sich. Der Sergeant befahl daraufhin seinen Männern, das Feuer zu eröffnen, und schloss sich ihnen mit seinem eigenen Karabiner an. Das vernichtende Kreuzfeuer traf auf einen geschwächten, verwirrten Gegner. Nach einer knappen Minute gab es auf dem steinigen Hang nichts mehr, was lebendig oder unversehrt gewesen wäre.
Die Marines lachten und grinsten, klatschten sich mit den handschuhverhüllten Handflächen ab. Der Sergeant hatte kaum Zeit, Atem zu holen und den Karabiner nachzuladen, als der Mann von der Steuerkonsole mit erregter Stimme meldete:
»Sergeant! - Flugobjekt geortet, Entfernung drei Kilometer, rasch näher kommend!«
Der Sergeant schwenkte herum, wandte sich zum Steuerbordniedergang und schulterte im Gehen seinen Karabiner. »Wie sieht das Profil aus, Soldat?«
»Schwer zu sagen - der Sensor ist so gut wie hinüber ...«
»Ich will eine Antwort, und zwar schnell!«
Dann befahl er allen vier Geschütztürmen, das sich nähernde Flugobjekt ins Visier zu nehmen, und kletterte in dem Moment aus der oberen Luke des Trägerschiffs, als der Mann an der Steuerung sich wieder meldete.
»Die Freund-Feind-Kennung hat ergeben, dass es sich um ein freundliches Flugobjekt handelt, Sergeant - ein Schwenkflügler, und der Pilot fragt nach Ihnen.«
»Stellen Sie ihn durch.«
Auf einem der kleinen Helmmonitore wurde das Gesicht des Piloten abgebildet. Der Beschriftung des hinter ihm befindlichen Schotts nach zu schließen war er ein Deutscher.
»Sergeant, ich habe nicht viel Zeit«, sagte der Pilot mit leichtem Akzent auf Englisch. »Ich soll Sie und Ihre Männer evakuieren und in den Orbit bringen ...«
»Tut mir leid, Lieutenant, aber ... mein befehlshabender Offizier hält sich noch im Krater auf und ist in Kampfhandlungen verwickelt! Hören Sie, bis zum Rand des Kraters sind es knapp fünfhundert Meter - Sie könnten mich und meine Leute rüberbringen und dann ...«
»Vorschlag abgelehnt. Ich habe genaue Anweisungen. Außerdem wurden alle Einheiten, die es bis dorthin geschafft hatten, überwältigt und vernichtet, ganze Regimenter und Brigaden, Sergeant. Es tut mir leid ...« Der Pilot langte nach oben und betätigte einen Schalter. »Voraussichtliche Ankunftszeit in weniger als fünf Minuten, Sergeant. Bitte halten Sie sich bereit.«
Der Monitor wurde dunkel. Der Sergeant stützte sich auf das Geländer und blickte verbittert zu dem kilometerlangen Graben hinüber, den das Trägerschiff in die Flanke des Mons Olympus gepflügt hatte. Dann gab er Befehl, das Schiff zu verlassen.
Am dunstverschleierten Marshimmel schwoll der Vortexflügler von einem kleinen Punkt zu einem ausladenden Flugobjekt an, das sich, getragen von vier kardanisch befestigten Spinjets, langsam absenkte. Die Landestützen fanden auf dem Rumpf des Trägerschiffs Halt, und untermalt vom Geheul der Triebwerke wurden die gehfähigen Verwundeten und die Tragen mit den Schwerverletzten in den Frachtraum gehoben. Die Turmjockeys, der Konsolenmann und das halbe Dutzend Marines schlossen sich ihnen an, als sich auf einmal über Funk der deutsche Pilot meldete.
»Eine große Anzahl Schwärmer ist im Anflug, Sergeant. Bitte beeilen Sie sich.«
Als der letzte seiner Männer in den Vortexflügler kletterte, drehte sich der Sergeant um und blickte zum Mons Olympus hinüber, der vom aufgewirbelten Staub und den Rauchfahnen der Schlacht in einen Dunstschleier gehüllt wurde. Nur wenige Kilometer entfernt stieg eine dichte Wolke dunkler Motten auf. Als er sah, wie schnell sie sich näherten, fasste er einen Entschluss.
»Sie sollten besser die Luke dicht machen und starten, Lieutenant«, sagte er, sprang wieder in das havarierte Trägerschiff und schloss hinter sich die Luke. »Ich werde die Schwärmer mit unseren Geschütztürmen ablenken, damit Sie unbehelligt in den Orbit kommen.«
»Nein! Sergeant, ich befehle Ihnen ...«
»Verzeihung, Sir, aber Sie würden es sonst nicht schaffen, deshalb ist klar, was ich zu tun habe.«
Er unterbrach die Verbindung, rannte zum Kommandodeck und warf im Laufen die Luken zu. Der Technikoffizier des Colonels hatte alle vier Gefechtstürme auf die Steuerkonsole geschaltet, doch das war nicht die einzige Modifikation, die er vorgenommen hatte ...
Das Dröhnen der Spinjets schwoll zu einem Kreischen an, die Landestützen lösten sich vom Rumpf, und der Transporter hob ab. Im nächsten Moment jagten ihn die vier schwenkbaren Triebwerke steil in den Himmel. Einige Vorreiter des Schwarms versuchten, die Maschine abzufangen, doch dann nahm das Trägerschiff sie unter Feuer. Trotzdem hätten sie der Beute wohl weiter nachgesetzt, hätte sich das Trägerschiff nicht auf einmal bewegt wie ein großes, verwundetes Tier. Langsam stieg es über den langen Graben auf, den es in den Boden gepflügt hatte. Staubschleier und Steine sowie Teile der Rumpfpanzerung und der Außensensoren lösten sich von der Unterseite, und als das Trägerschiff den eingedrückten Bug zur Mitte des Kraters wandte, änderte der Schwarm den Kurs.
Auf dem Kommandodeck bemühte sich der Sergeant schwitzend und fluchend, auch noch das letzte Quäntchen Schub aus den protestierenden Triebwerken hervorzukitzeln. Die beim atmosphärischen Landeanflug aufgetretenen Schäden hatten eine sichere Landung auf dem Kraterboden unmöglich gemacht, weshalb der Colonel entschieden hatte, mit den Hovermags weiterzufliegen. Eine sichere Landung hatte der Sergeant allerdings nicht im Sinn.
Als das Raumschiff sich dem Krater näherte, gewann es stetig Höhe. Durch den Boden drang das Ächzen des überlasteten Unterbaus. Immer mehr rote Warnlämpchen flackerten, einer der Backbordsuspensoren arbeitete im Grenzbereich. Der Sergeant achtete vor allem auf den Schwarm, der sich auf das Raumfahrzeug von der Erde stürzte.
Plötzlich war das Trägerschiff in eine wirbelnde Wolke von Schwärmern gehüllt. Einige landeten auf dem Rumpf, suchten nach einem Halt, nach einem Zugang ins Schiff. Im nächsten Moment fielen zwei Suspensoren aus, und das Schiff neigte sich nach Backbord. Der Sergeant leitete mehr Energie in die Backbordbrenner, ohne auf den gellenden Alarm und das von mittschiffs kommende Krachen und Hämmern zu achten. Als er den Zenit seiner Flugbahn erreichte, richtete sich der Transporter auf, ein gewaltiges Raketengeschoss, mit dem der Sergeant auf den Bau des Schwarms zielte.
Nach zehn Sekunden Sturzflug rückte das dröhnende Hämmern näher, bis es nur noch ein oder zwei Schotts vom Kommandodeck entfernt war.
Als nach zwanzig Sekunden die zernarbten, graubraunen Türme des Baus die Sichtluke ausfüllten, brannte der heckseitige Steuerbordbrenner durch. Der Sergeant unterbrach die Energiezufuhr und belastete den Steuerbord- Bugbrenner bis in den roten Bereich.
Nach dreißig Sekunden, untermalt vom ohrenbetäubenden Hämmern und dem Tosen der Triebwerke, platzte die Luke des Kommandodecks auf. Ein groteskes Wesen, halb Wespe, halb Alligator, zwängte sich durch die Öffnung. Als es den dem Schiff entgegenstürzenden Bau sah, erstarrte es für einen Moment, dann zog es sich hektisch wieder zurück. Der Sergeant schleuderte ihm eine Thermitgranate hinterher und drehte sich lachend und mit ausgebreiteten Armen zur Sichtluke um ...
Schnitt
Der Mons Olympus, aus dem Orbit betrachtet
In der Wolke der Schwärmer erkennt man den Brigade-Träger, der, eine Fahne aus entweichenden Gasen und Flüssigkeiten hinter sich herziehend, dem Schwarmbau entgegenstürzt. Plötzlich weitet sich der Blickwinkel, und man sieht einen Großteil des mit Trümmern übersäten und von Einschlägen zernarbten Kraters, als der Transporter aufprallt. Einen Moment lang werden nur Trümmer hochgeschleudert, dann lassen drei blendend helle Explosionen in rascher Folge die Umrisse des Baus verschwimmen ...
Kommentar: In der ersten Phase der Schlacht um den Mars wurden mit speziell angefertigten Antriebsaggregaten zahlreiche Asteroiden gegen die Schwarmarmada gelenkt, wodurch eine große Anzahl von Schiffen aus dem Mars orbit fortgelockt wurde. Bei der Entscheidungsschlacht und der Bodenoffensive verlor die Erde über vierhunderttausend Mann sowie neunundsiebzig größere Kriegsschiffe und zahlreiche Begleitschiffe. Trotz der großen Opfer gelang es nicht, alle Masterminds des Schwarms zu vernichten oder sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Allerdings wurden große Mengen von Biowaffen zerstört, darunter auch die Raketen, die Städte in China, Europa und Amerika verwüstet haben, sowie mehrere Brutkammern, wodurch die Produktion neuer Schwarmkrieger zum Erliegen kam und der erwartete Angriff auf die Erde hinausgezögert wurde.
Die Schlacht brachte der Menschheit Kummer und Schmerz, verschaffte uns aber auch eine Atempause, fünf entscheidende Monate, in denen drei interstellare Kolonieraumschiffe fertiggestellt wurden, drei von geplanten fünfzehn. Das letzte Kolonieschiff, die Tenebrosa, startete vor vier Tagen vom Poseidon-Dock im hohen Orbit und folgte damit ihren Schwesterschiffen, der Hyperion und der Forrestral, auf einer Flugbahn, die von der Hauptstreitmacht des Gegners fortweist. Alle drei Raumschiffe sind mit dem revolutionären, neuartigen Überlichtantrieb ausgestattet, der es ihnen erlaubt, durch den subrealen Hyperraum gewaltige Entfernungen zurückzulegen. Als Erste unternahm die Hyperion den Überlichtsprung, dann folgte zwei Tage später die Forrestral. Die Tenebrosa wird den Abschluss bilden. Ihr Flug wird von übergeordneten AIs bestimmt, die darauf programmiert sind, mittels willkürlicher Kursänderungen jede Verfolgung unmöglich zu machen und anschließend nach besiedelbaren erdähnlichen Planeten zu suchen.
Nun sind sie fort, die drei Archen, auf denen die Überlebenshoffnung der Menschheit ruht, drei Samenkörner der Erde, die in die unermessliche Sternennacht hinausfliegen. Nun müssen wir unsere Aufmerksamkeit und all unsere Kraft auf den bevorstehenden Großangriff richten. In zwölf Tagen werden die Vorausformationen des Schwarms auf dem Mond landen und unsere zivilen und militärischen Vorposten angreifen. Wir wissen, was uns erwartet. Der Schwarm verfolgt seit je die Strategie, alles niederzumetzeln und zu zerstören, was ihm in die Quere kommt, deshalb dürfen wir nicht mit Gnade oder Nachsicht rechnen, wenn er irgendwann den Luftraum der Erde erreicht.
Wenngleich die Schwarmsoldaten nichts weiter als straff organisierte Drohnen sind, müssen wir davon ausgehen, dass die Masterminds intelligent und lernfähig sind, sonst hätten sie nicht die Technik der Raumfahrt entwickelt. Wenn die Masterminds also lernfähig sind, wollen wir ihre Lehrmeister sein und sie lehren, was es heißt, die Wiege der Menschheit anzugreifen ...
Ende des Datenfiles ...
Teil Eins
Greg
Die Dämmerung senkte sich von Osten her auf das Meer herab, als Greg Cameron Chel zur Zepstation geleitete. Zur Rechten des Weges ragte die gewaltige Schulter des Riesen auf, der Schatten gesprenkelt von blau leuchtenden Ineka-Käfern, zur Linken lag der Zaun, hinter dem es steil in die Tiefe ging. Der Himmel war wolkenlos, so dass der Sternennebel zu sehen war, der auf ewig durch die obere Atmosphäre von Darien wirbelte. Heute war er rötlich gefärbt, mit rosafarbenen Fäden - ein beruhigender, sich langsam verändernder Geisterhimmel.
Greg aber wusste, dass sein Begleiter alles andere als ruhig war. Im Schein der Wegbeleuchtung stapfte der Uvovo mit gesenktem Kopf einher und hatte die knochigen, vierfingrigen Hände um die Brustriemen seines Rucksacks gelegt. Die Uvovo waren schlank und kleinwüchsig, aus dem zart bepelzten Gesicht leuchteten große, bernsteinfarbene Augen hervor. Als Greg ihn ansah, lächelte er.
»Chel, hab keine Angst - es passiert dir schon nichts.«
Der Uvovo schaute auf und überlegte einen Moment, dann lächelte er breit.
»Freund Gregori«, sagte er mit hohler, flötender Stimme. »Jedes Mal, wenn ich in einem Luftschiff mitfliege oder mit dem Shuttle zu unserer heiligen Segrana reise, staune ich am Ende, dass ich noch am Leben bin!«
Lachend schritten sie an der Schulter des Riesen entlang. Es war nasskalt, und Greg, der ein dünnes Arbeitshemd trug, bedauerte, nicht etwas Wärmeres angezogen zu haben.
»Und du hast noch immer keine Ahnung, wo in Ibsenskog das Zinsilu stattfindet?«, fragte Greg. Bei den Uvovo diente das Zinsilu einerseits der Bewertung ihres bisherigen Lebens, andererseits der Meditation. »Ich meine, wenn die Lauscher mit den Säern und Gelehrten in Kontakt treten möchten, könnten sie doch das Comnetz der Regierung nutzen ...« Ihm kam ein Gedanke. »Die werden dich doch nicht etwa versetzen, oder? Chel, die Grabung und die Berichte über den Tochterwald kann ich nicht allein bewältigen! - Ich bin auf deine Hilfe angewiesen. «
»Keine Sorge, Freund Gregori«, sagte der Uvovo. »Lauscher Weynl hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass mein Einsatz als sehr wichtig gilt. Ich bin sicher, dass ich nach dem Zinsilu gleich wieder zurückkomme.«
Hoffen wir, dass du Recht behalten wirst, dachte Greg. Das Institut zeigt wenig Nachsicht, wenn es um Fehler und unerreichte Ziele geht.
»Schließlich«, fuhr Chel fort, »feiert ihr in ein paar Tagen den Gründersieg, und die Zeremonien und Rituale möchte ich mir nicht entgehen lassen.«
Greg grinste schief. »Ja, sicher ... aber bei einigen unserer ›Rituale‹ geht es ganz schön ausgelassen zu ...«
Der Kiesweg wurde eben, als sie sich der Zepstation näherten. Greg vernahm das leise Fiepen der Umisk-Eidechsen, deren Höhlen an der Steilwand der Schulter des Riesen verteilt waren. Bei der Station handelte es sich um eine von Strebepfeilern gestützte Plattform mit zwei Aufbauten und einer fünf Meter langen überdachten Gangway. Ein Regierungsluftschiff hatte daran festgemacht, ein sacht schwankendes Fünfzehn-Meter-Schiff, das aus zwei mit Gurten aneinandergekoppelten zylindrischen Gassäcken bestand, unter denen eine luftdicht abgeschlossene Gondel hing. Die aufblasbaren Teile bestanden aus einem festen Mischgewebe, doch aufgrund des Einflusses der Witterung und nach mehrmaligem Flicken wirkten sie verschlissen, was sie mit den meisten Alltagszeppelinen in Regierungsbetrieb gemeinsam hatten. Im Cockpit der bootsförmigen Gondel leuchtete ein Lämpchen, und am Heck drehte sich ein dreiblättriger Propeller träge im stetig wehenden Meereswind.
Fredriksen, der Stationsleiter, winkte ihnen von der Tür des Warteraums aus zu, während gleichzeitig ein Mann in einem grüngrauen Overall von der Gangway trat und sich ihnen näherte.
»Guten Tag, guten Tag!«, sagte er und fasste erst Greg und dann den Uvovo in den Blick. »Ich bin Yakow, der Pilot. Wenn einer von Ihnen beiden der Gelehrte Cheluvahar ist, bin ich startbereit.«
»Ich bin der Gelehrte Cheluvahar«, sagte Chel.
»Ausgezeichnet. Dann lasse ich den Motor an.« Er nickte Greg zu und trat wieder auf die Gangway, wobei er den Kopf einziehen musste.
»Denk dran, mir eine Nachricht zu schicken, wenn du in Ibsenskog angekommen bist«, sagte Greg. »Und mach dir wegen des Flugs keine Sorgen - eh du dich versiehst, bist du schon da.«
»Ach, Freund Gregori - ich bin ein Krieger-Uvovo. Solche Prüfungen sind für mich so selbstverständlich wie das Atmen!«
Lächelnd wandte er sich ab und eilte dem Piloten nach. Das Winseln eines Elektromotors wurde lauter, während der Propeller sich immer schneller zu drehen begann. Die Holzkonstruktion knarrte, als der Stationsleiter die Gangway einholte und dann die Befestigungsleinen löste. Das Luftschiff trieb schwankend davon, wurde schneller und entfernte sich vom steilen Hang der Schulter des Riesen. Der Flug zum Gagarin-Raumhafen dauerte nur eine halbe Stunde, dann würde Chel auf einen kommerziellen Lifter umsteigen, der ihn zur Oststadt und dem Tochterwald Ibsenskog bringen würde. Greg konnte seinen Freund in den lichtundurchlässigen Luken nicht sehen, trotzdem winkte er etwa eine Minute lang, dann schaute er einfach nur noch zu, wie der Zeppelin in der Dunkelheit verschwand. Da es kühl geworden war, schloss er ein paar Hemdknöpfe und genoss weiterhin die Ruhe. Die Zepstation lag etwa fünfzehn Meter unterhalb der Hauptgrabungsstelle, aber trotzdem noch einhundert Meter über dem Meeresspiegel. Die Schulter des Riesen war eine imposante Erhebung, die aus einem gewaltigen Massiv, den Kentigernbergen, nach Osten vorsprang. Diese unberührte Wildnis wurde nur selten von Fallenstellern und Jägern aufgesucht, wenn gleich die Uvovo behaupteten, sie weitgehend erkundet zu haben.
Als die Positionslampen des Zeppelins nicht mehr zu sehen waren, ließ Greg das Panorama auf sich wirken, die Küstenebene, die sich kilometerweit nach Osten erstreckte bis zum dunklen Korzybski-See und den Lichtern der Stadt, die an dessen Westufer verteilt waren. Weit im Süden funkelten die Lichter von Hammergard, das auf einer Landbrücke lag, die Loch Morwen vom Meer trennte; jenseits der Stadt, verborgen im Abenddunst, lag die von zahlreichen Buchten und Fjorden zerschnittene Küste mit der Oststadt. Südlich davon erstreckten sich Hügel und ein Hochtal, die der Tochterwald Ibsenskog bedeckte. Ein wenig südlich davon waren die wie Diamanten funkelnden Lichter des Gagarin-Raumhafens zu erkennen, ein paar Kilometer im Nordwesten lagen Hoch-Lochiel und Landfall, wo der ausgeschlachtete Rumpf des alten Kolonieschiffes Hyperion in der traurigen Stille des Erinnerungstals ruhte. Noch weiter im Norden lagen Neu-Kelso, Engerhold, Laika, dann waren da noch die Baumfällersiedlungen und Bauernhöfe im Norden und Westen und am nordöstlichen Horizont die Stadt Trond.
Seine Stimmung verdüsterte sich. Erst vor zwei Monaten hatte er Trond verlassen und war aus der Falle der Lebensgemeinschaft mit Inga geflohen, ein verhängnisvoller Fehler, dessen Wunden noch immer schmerzten. Ehe seine Gedanken jedoch anfingen, um den Schmerz zu kreisen, straffte er sich und atmete die kühle Nachtluft ein, entschlossen, sich nicht der Bitterkeit und der Trauer zu ergeben. Stattdessen wandte er den Blick nach Süden und beobachtete den Mondaufgang.
Eine blaugrüne Sichel stieg hinter den zerklüfteten Gipfeln des Hrothgar-Gebirges hervor, das den Horizont säumte: Niwjesta, der üppig bewaldete Mond von Darien, auf dem es von Leben und Geheimnissen wimmelte, Heimat der Uvovo, den Hütern des weitläufigen Waldes, den sie Segrana nannten. Vor Jahrtausenden hatte der größte Teil ihrer Waldzivilisation Darien bewohnt, das sie Umara nannten, doch eine nicht näher bestimmbare Katastrophe hatte die Planetenbevölkerung ausgelöscht, und zurückgeblieben waren nur die Bewohner des Mondes.
In einer solch klaren Nacht hüllte der Sternennebel in Dariens oberer Atmosphäre Niwjesta in ein gazeartiges Halo aus verschwimmenden Farben, das einem märchenhaften Auge glich, welches auf die kleine Nische herunterblickte, die sich die Menschen auf dieser fremden Welt geschaffen hatten. Dieser Anblick verfehlte es nie, ihn aufzumuntern. Doch es wurde immer kühler, deshalb knöpfte er das Hemd bis zum Hals zu und machte sich auf den Rückweg. Auf halber Strecke klingelte sein Comm. Er nahm es aus der Hemdtasche, und als er sah, dass sein älterer Bruder dran war, nahm er den Anruf entgegen.
»Hallo, Ian - wie schaut's aus?«, sagte er im Gehen.
»Gar nicht so schlecht. Bin gerade vom Manöver zurückgekommen und freu mich auf den Gründertag. Ich mach mir Hoffnung auf Heimaturlaub. Und bei dir?«
Greg lächelte. Ian war Teilzeitsoldat beim Freiwilligenkorps, und wenn er nicht zu Hause bei seiner Frau und seiner Tochter war, tat er nichts lieber, als kilometerweit durch den Sumpf zu stapfen oder in den Basaltklippen des Hrothgar-Gebirges herumzukraxeln.
»Ich habe mich ganz gut eingelebt«, antwortete er. »Ich bekomme meine Aufgaben allmählich in den Griff und passe auf, dass die Teams ihre Berichte regelmäßig schreiben, so in der Art.«
»Aber willst du wirklich bei der Tempelausgrabung bleiben, Greg? Wie du weißt, haben wir hier genug Platz, und vor der Episode mit Inga hast du dich in Hammergard doch immer wohlgefühlt ...«
Greg grinste.
»Ehrlich, Ian, mir geht's hier gut. Ich mag meinen Job, die Umgebung ist so friedlich und die Aussicht phantastisch! Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich bin an dem Ort, wo ich sein möchte.«
»Schon okay, Kleiner, wollte nur mal nachfragen. Übrigens, hast du schon was von Ned gehört?«
»Hat mir nur kurz geschrieben, aber das ist okay. Als Arzt hat er im Moment alle Hände voll zu tun ...«
Ned, der dritte und jüngste Bruder, hielt zu Ians Ärger nur sporadisch Kontakt, weshalb Greg sich häufig bemüßigt fühlte, ihn in Schutz zu nehmen.
»Aye, beschäftigt, verstehe. Und wann werden wir dich voraussichtlich wiedersehen? Kannst du nicht zum Fest herkommen? «
»Tut mir leid, Ian, ich werde hier gebraucht. Aber in vierzehn Tagen nehme ich im Uminsky-Institut an einer Konferenz teil - sollen wir uns dort treffen?«
»Klingt gut. Sag mir rechtzeitig Bescheid, dann komme ich rüber.«
Sie verabschiedeten sich und unterbrachen die Verbindung. Greg schlenderte weiter, erwartungsvoll lächelnd, das Comm in der Hand. Er dachte an die Ausgrabungsstätte auf der Schulter des Riesen, an die vielen Stunden, die er damit verbracht hatte, behutsam die verzierten Stelen oder Bodenfliesen bloßzulegen, ganz zu schweigen von den vielen Tagen, die das Katalogisieren, Datieren und Analysieren von Proben und deren Zuordnung erforderten. Hin und wieder - eigentlich ziemlich oft - war das frustrierend, denn es fehlte ihnen ein Leitfaden, der es ihnen ermöglicht hätte, die Bedeutung der Anlage und ihre Funktion zu verstehen. Selbst die Uvovo-Gelehrten waren überfordert und erklärten, die Kunst der Steinbearbeitung sei in der Zeit des Krieges der Langen Nacht, einer der dunkleren Epochen in der Geschichte der Uvovo, verlorengegangen.
Als er zehn Minuten später die höchste Stelle erreicht hatte, klingelte sein Comm erneut, und ohne den Anrufernamen vom Display abzulesen, sagte er:
»Hallo, Mom.«
»Gregory, mein Sohn, wie geht es dir?«
»Mir geht's gut, ich bin gesund und munter, wirklich ...«
»Ja, jetzt, wo du endlich ihren Fängen entkommen bist! Aber fühlst du dich nicht einsam zwischen all den kalten
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Michael Cobley
Cobley, MichaelMichael Cobley, geboren 1951 in Leichester, studierte Ingenieurswissenschaften an der Universität von Strathclyde. Als Herausgeber verschiedener Magazine und durch seine Kurzgeschichten machte er sich schnell einen Namen in der Fantasy-Literatur. "Schattenkönige", sein erster Roman, war in Grossbritannien auf Anhieb ein riesiger Erfolg. Cobley lebt und arbeitet in Glasgow.
Stöbe, Norbert
Norbert Stöbe, 1953 in Troisdorf geboren, begann schon als Chemiestudent zu schreiben. Neben seiner Tätigkeit als Chemiker am Institut Textilchemie und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen übersetzte er die ersten Bücher. Sein Roman New York ist himmlisch wurde mit dem C. Bertelsmann Förderpreis und dem Kurd-Lasswitz-Preis ausgezeichnet. Seine Erzählung Der Durst der Stadt erhielt den Kurd-Lasswitz-Preis und die Kurzgeschichte Zehn Punkte den Deutschen Science Fiction Preis. Zu seinen weiteren bekannten Romanen zählen Spielzeit, Namenlos und Der Weg nach unten. Norbert Stöbe ist einer der bekanntesten deutschen Science-Fiction-Schriftsteller. Er lebt als freier Autor und Übersetzer in Stolberg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Cobley
- 2010, 620 Seiten, Masse: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Stöbe, Norbert
- Übersetzer: Norbert Stöbe
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453525426
- ISBN-13: 9783453525429
- Erscheinungsdatum: 12.07.2010
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