Das grosse Lesebuch
Anthologie
Zum 250. Geburtstag von Jean Paul. Er war der schwärmerisch verehrte Lieblingsautor des gebildeten Lesepublikums der Goethezeit. Seine Werke gehören bis
heute zum Kanon deutscher Literatur: faszinierende, aber auch verstörende Kunstgebilde, humoristisch...
heute zum Kanon deutscher Literatur: faszinierende, aber auch verstörende Kunstgebilde, humoristisch...
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Produktinformationen zu „Das grosse Lesebuch “
Zum 250. Geburtstag von Jean Paul. Er war der schwärmerisch verehrte Lieblingsautor des gebildeten Lesepublikums der Goethezeit. Seine Werke gehören bis
heute zum Kanon deutscher Literatur: faszinierende, aber auch verstörende Kunstgebilde, humoristisch vielgestaltig, feinsinnig. Diese Auswahl aus Jean Pauls
Werken ist eine Einladung, ihn (wieder)zuentdecken.
heute zum Kanon deutscher Literatur: faszinierende, aber auch verstörende Kunstgebilde, humoristisch vielgestaltig, feinsinnig. Diese Auswahl aus Jean Pauls
Werken ist eine Einladung, ihn (wieder)zuentdecken.
Klappentext zu „Das grosse Lesebuch “
Humor und Poesie - Das grosse Lesebuch zum 250. Geburtstag von Jean PaulDer 1763 in Wunsiedel geborene Johann Paul Friedrich Richter wurde als Jean Paul zum schwärmerisch verehrten Lieblingsautor des gebildeten Lesepublikums der Goethezeit, obwohl sich seine Werke als Gegenwelten zum künstlerischen Kosmos der Weimarer Klassiker präsentierten. Sie gehören bis heute zum Kanon deutscher Literatur: Faszinierende, aber auch verstörende Kunstgebilde, humoristisch vielgestaltig, vielsinnig, sonderlich bis zur Abseitigkeit.
Diese Auswahl aus Jean Pauls Werken ist als Einladung an literarisch neugierige Leser gedacht, sich einen Vorgeschmack auf nachfolgende Lektürevergnügungen zu schaffen.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT+KRITIK.
Lese-Probe zu „Das grosse Lesebuch “
Das große Lesebuch von Jean PaulÜber die poetische Poesie
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Ich wartete eine Stunde, eh' ich sie anfing, umso mehr, da kein Zuhörer da war. Endlich, als ich darauf nicht länger warten wollte, erschien doch einer, nämlich der unbekannte Jüngling; und ich hob natürlich froher an, wie folgt:
»Verehrter Hörsaal! Keine einzige Zeit hatte je ganz recht, aber auch keine ganz unrecht; beides macht eben, daß ihre Moussons, die ein halbes Jahr nach Süden geweht, wieder ein halbes bloß nach Norden wehen«......
Sogleich da unterbrach mich der ebenso verstimmende als verstimmte Jüngling im schwachen Scherze einer akademischen Vorlesers-Fiktion und versetzte fast ungehalten: »inzwischen ziehe an den Wendezirkeln (den Sinnbildern der Dicht- und Denkkunst) ja täglich das Wehen mit der Sonne um den Himmel - Auch gebrech' es meiner Antithese zwischen Stilistikern und Poetikern ganz an tapferer Synthese, nämlich an der organischen. Denn theoretische sei so dumm und hohl; wechselseitige Würfelseiten würden ja so bloß willkürlich hin- und hergemessen; und irgendeine Gleichung der feindlichen Körper käme so wenig dabei heraus als an einer Bildsäule und einem Rekruten durch beider Anlegen ans Rekruten-Maß - Hingegen eine organische Synthese sei eine hübsche Heirat, woraus stets ein lebendiges Kind entspringe« . . . .
Zum Schaden des Jünglings traf es sich, daß ich mich umsah und auf der Fensterbrüstung ein Blatt an mich, gegen Herder gerichtet, erblickte. »Ich antworte«, antwortete ich dem Jüngling, um erst das Blatt zu lesen. Was enthielt es aber anderes, als was ich von dem ersten besten ergrimmt davongelaufenen Poetiker vermuten konnte, da ichs so oft schon gehört, bekriegt und verflucht hatte, - nämlich das alte doppelseitige Verkennen der entflognen großen Seele, von welcher niemand stolz genug sein darf, zu sagen: »Ich habe sie ganz gekannt.« -
Ich sagte die Sache dem Jüngling mit drei Worten und fügte bei, ich möcht' es in Rücksicht der Irrtümer fast für ein Blatt aus dem gedruckten »Briefe eines Nürnbergers an mich« ansehen, wär' es nicht so gut und nicht mit ästhetischem Sinn geschrieben; »der edle Geist«, fuhr ich fort, »wurde von entgegengesetzten Zeiten und Parteien verkannt; doch nicht ganz ohne seine Schuld; denn er hatte den Fehler, daß er kein Stern erster oder sonstiger Größe war, sondern ein Bund von Sternen, aus welchem sich dann jeder ein beliebiges Sternbild buchstabiert, der eine das der Waage oder des Herbstes, der andere das des Krebses oder Sommers und so fort. Menschen mit vielartigen Kräften werden immer, die mit einartigen selten verkannt; jene berühren alle ihres Gleichen und ihres Ungleichen, diese nur ihres Gleichen.«
Der Jüngling lächelte und bemerkte, »ich hätte hoffen lassen, zwischen beiden Parteien oder mit andern Worten zwischen dem alten Realismus und dem neuen Idealismus eine organische Synthese aufzustellen«.
»Diese wäre denn, wie Sie selber sagten, ein Kind oder Leben aus zwei Leben; aber aus jeder Synthese entspinnt sich wieder eine Antithese der Geschlechter, und so hörte es ja nie auf . . . . .
1 Was später in der Vorlesung über Herder vorkommt, konnte weniger seine Seelengestalt als meine Empfindungen malen wollen. Der noch neue schwarze Grabhügel ist für die zitternde Hand nicht das Schreibpult oder Malergestell, um den abzuzeichnen, der unter dem Hügel liegt. Aber in der Beschreibung meines Lebens - wenn anders dieses flüchtige und sich vor dem ewigen Ich verflüchtigende Leben noch die Mühe einer Darstellung verdient - will ich, so gut ich kann, Herders Fürstenbild aufhängen und aus den schönen wenigen Jahren, die als Seelen- und Edenjahre ich mit ihm verlebte, die Strahlen zu seinen Seelenlinien holen und bringen. Freilich liegt in diesen letzten Jahren ein schwerer Schmerz für alle seine Liebenden; denn er erlebte seine jetzige Feier nicht, und dieses Gestirn ging, wie Lessing, hinter dem Gewölke der Zeit bleich-verschleiert hinab.
Indes auf diese Weise, mein Herr, werd' ich wenig fischen, daß man mich so auf einmal teils in die neue Metaphysik hineinschlägt, teils in den Dialog ... Geh' Er mutig heim, treuer Famulus, jetzo regieren Diskurse; - oder schwelg' Er draußen an den Nachtigallen um Ihn her; sie wollen ordentlich den Namenstag des heutigen Cantate-Sonntags feiern, wie die herrliche Abendsonne dessen Geburtstag; Er kann ja manches denken ...
Ihre metaphysischen breiten Schul-Worte, mein Herr, kann ich, insofern jetzo auch meine Zahlwoche beginnen soll, unmöglich gebrauchen, weil dieser metaphysische Schnee nicht wie der poetische Spiegel Gestalten, sondern nur ein unbestimmtes Schimmern zurückwirft. Lassen Sie mich das Höchste der Poesie, den Parnassus-Gipfel, wo sich alle Parteien begegnen sollen, wenn sie auch auf Mittag- und auf Mitternachtseiten den Berg hinaufgezogen, auf andere Weise nennen. Wir haben etwas in uns, was unaufhaltbar einen ewigen Ernst, den Genuß einer unbegreiflichen Vereinigung mit einer unbekannten Realität als das letzte setzt. Das Spielen der Poesie kann ihr und uns nur Werkzeug, niemals Endzweck sein.«
»Ist Freiheit kein würdigster Zweck?« - »Freiheit wovon ist keiner und leer ohne die Freiheit woran und wozu; sonst wäre Nichtsein die größte negative Freiheit. Jedes Spiel ist eine Nachahmung des Ernstes, jedes Träumen setzt nicht nur ein vergangenes Wachen, auch ein künftiges voraus. Der Grund wie der Zweck eines Spiels ist keines; um Ernst, nicht um Spiel wird gespielt. Jedes Spiel ist bloß die sanfte Dämmerung, die von einem überwundenen Ernst zu seinem höhern führt.«
»Aber den höhern vernichtet wieder ein höheres Spiel« -
»Es wechsle lange fort und ab, aber endlich erscheint der höchste, der ewige Ernst. Über das Erheben kann man sich nicht erheben. Obgleich z. B. der Dichter die ganze Endlichkeit belachen kann: so wär' es doch Unsinn, die Unendlichkeit und das ganze Sein zu verspotten und folglich auch das Maß zu klein finden, womit er alles zu klein findet. Ein Gelächter von Ewigkeit her wäre aber um nichts ungereimter als ein ewiges Spielen des Spielens.2 Götter können spielen; aber Gott ist ernst.«
- »Ich fasse nichts von einem Ernste bei unendlicher Freiheit.« - »Aber auch bei unendlicher Notwendigkeit! Ich fasse freilich auch nichts davon und von einer Vereinigung beider, so wenig als ich das Sein oder Gott begreife; indes sind ewige Notwendigkeit und Freiheit zugleich unvertilgbar gegeben. Ewig dringen wir - als auf das Ur-Letzte und Ur-Erste - auf etwas Reales, das wir nicht schaffen, sondern finden und genießen und das zu uns, nicht aus uns kommt. Uns schaudert vor der Einsamkeit des Ich (wenn wir uns nur z. B. den unendlichen Geist des All vormalen); wir sind nicht gemacht, alles gemacht zu haben und auf dem ätherischen Throngipfel des Universums zu sitzen, sondern auf den steigenden Stufen unter dem Gott und neben Göttern.« - »Ist das Reale außer uns: so sind wir ewig geschieden davon; ist es in uns: so sind wirs selber.« - »Dasselbe gilt ganz vom Wahren; denn sein muß es sogar nach dem Skeptiker, weil irgend etwas, wenigstens das Existieren existiert; folglich hat das Erkennen noch ein höheres Ziel, aber außer sich, als das Erkennen des Erkennens. Dasselbe gilt von der sittlichen Schönheit. Das Gesetz ist nur der sittliche Idealismus; aber wo ist der sittliche Realismus? Wo ist denn die unendliche Materie zu dieser unendlichen Form? - Dasselbe gilt, sag' ich zuletzt, von dem höchsten Gegenstande der Liebe; in uns ist er uns ein Nichts; außer uns sehnen wir uns ewig umsonst; denn alle Liebe will weder Zweiheit, noch Einheit, sondern Vereinigung. « - »Endlich« - sagte der Jüngling mit frohem Lächeln - »haben wir ja etwas gefunden, was den Fuß- und Scheitelpunkt aufhebt, nämlich den Schwer- und Mittelpunkt. Die Synthese aller Antithesen, des In- und Außer-uns, des Stoffs und der Form, des Realen und Idealen, aller Differenzen ist die Indifferenz.«
2 Schillers Spieltrieb (von Kant geborgt) zerfällt wieder in einen höhern Stoff- und Formtrieb, und immer wird die letzte Synthese fehlen.
»Das ist die einzige Weise, den Knoten nicht zu zerschneiden, sondern zu verbrennen; diese Trotz-Forderung, das Verstummen der Philosophie für das leiseste Lehren derselben anzunehmen, die Stille für ein Pianissimo, kurz, die potenzierte Aufgabe für die Auflösung.«
»Zum Glück ist das Indifferenzieren schon ohne den Philosophen geschehen. Denn das Ewige ist; die Einwürfe des Verstandes gegen Schelling treffen die Gottheit, nicht das System, ihre, nicht seine Unbegreiflichkeit.«
»Ich gebe das eben auf Kosten nicht des Philosophen, sondern des Philosophierens zu. Ich glaube nicht bloß das Ewige, sondern den Ewigen. Was wir aber ewig fodern, ist weniger die Gleichung der Realität und unsers Denkens als die Ausgleichung, weniger die Erklärung als die Ergänzung unsers Wesens. «
»Wodurch kennen wir dieses Etwas als wieder durch und in uns?«
»Allerdings schließet sich wieder der alte platonische Zirkel zwischen Trieb und Gegenstand zu. Allein hier kann man nicht kühn erklären, sondern nur kühn vorzeigen. Aus demselben Grunde, warum der Realismus nicht vom Denken zu beweisen ist, kann er auch nicht durch dasselbe oder in dasselbe aufgelöset werden.
Man frage lieber den Realismus unserer Gefühle. Wem ist nicht in der körperlichen Gegenwart eines großen Mannes, einer göttlichen Seele, eines geliebtesten Herzens der Idealismus nichts? - Worin ist denn vor dem bloßen Begriff Gegenwart eines Menschen als eines Geistes von dessen Abwesenheit verschieden? - In nichts. Eine Wachsstatue könnte mir die Gestalt eines Menschen - ein Automat die Bewegung und Stimme -
3 Möge Schelling sich immer mehr der Naturphilosophie geloben und ihr durch die seltene Vereinigung von Phantasie, Tiefsinn und Witz den zweiten Bako geben, der der ungeheueren atomistischen Welt von Erfahrungen noch als ordnende Weltseele gebricht.
Diese oder ein Brief die Worte zubringen - wäre mir dies dessen Gegenwart?«
»Gar nicht! Auch die Erklärung etwa, daß Gegenwärtigkeit bloß im Bewußtsein meiner eigenen vor dem andern bestehe, schöbe die Antwort nur hinaus; denn ich könnte ja auch mich dem Repräsentanten repräsentieren lassen.«
»Und doch kennt das Herz den Himmel der Gegenwart und den Schmerz am Grabe. Überall bleibt ein Übergewicht des Realen. Es gibt einige Blitze in der ersten Liebe, zuweilen bei der Musik, bei großen Entschlüssen, bei großen Schmerzen, bei Entzückungen - da gibt es Blitze, welche den ganzen Himmel fliehend aufreißen, den wir suchen. Aber wer tut dies noch milder, fester, reiner, länger? Wer kann, wenn das Bild nicht zu kühn ist, gerade wie ein schönes Angesicht von einer schönen Seele, so das schöne Angesicht des urschönen Allgeistes werden? Ich denke, die Dichtkunst.«
(Hier gab mir der errötende Jüngling schnell die Hand und sagte sanft: »Die Dichtkunst!« Wie reizend schien er mir jetzo das schöne Morgenkleid des Lebens zu tragen, die Jugend!)
»Gerade das Höchste, was aller unserer Wirklichkeit, auch der schönsten des Herzens ewig abgeht, das gibt sie und malt auf den Vorhang der Ewigkeit das zukünftige Schauspiel; sie ist kein platter Spiegel der Gegenwart, sondern der Zauberspiegel der Zeit, welche nicht ist. Jenes Etwas, dessen Lücke unser Denken und unser Anschauen entzweiet und trennt, dieses Heiligste zieht sie durch ihre Zauberei vom Himmel näher herab; und wie die Moral der gebende und zeigende Arm aus der Wolke ist, so ist sie das helle süße Auge aus der Wolke.
Sie kann spielen, aber nur mit dem Irdischen, nicht mit dem Himmlischen. Sie soll die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern. Alles Himmlische wird erst durch Versetzung mit dem Wirklichen, wie der Regen des Himmels erst auf der Erde, für uns hell und labend. Doch beide muß uns nicht das Tal, sondern der Berg zubringen. Indes muß dem Dichter wie den Engeln 4 die Erkenntnis des Göttlichen die erste am Morgen sein, und die des Geschaffnen die spätere abends; denn aus einem Gott kommt wohl eine Welt, aber nicht aus einer Welt ein Gott.«
»Bei Gott!« sagte der Unbekannte. »Niemals«, fuhr ich fort, »ist daher vielleicht der Dichter wichtiger als in solchen Tagen, denen er unwichtiger erscheint, d. h. in unsern. Wer in die historische Zukunft hinaussieht, der findet unter den wachsenden Städten und Thronen, welche den Himmel immer mehr zu einem blauen Streif verbauen - in dem immer tiefern Einsinken der Völker in die weiche Erde der Sinnlichkeit - im tiefern Eingraben der goldhungrigen Selbsucht - ach in tausend Zeichen einer Zeit, worin Religion, Staat und Sitten abblühen, da findet man keine Hoffnung ihrer Emporhebung mehr - außer bloß durch zwei Arme, welche nicht der weltliche und der geistliche sind, aber zwei ähnliche, die Wissenschaft und die Dichtkunst. Letzte ist der stärkere. Sie darf singen, was niemand zu sagen wagt in schlechter Zeit. Große oder verschämte Gefühle, die sich vor der Welt verhüllen, krönt sie auf dem höchsten Throne; wenn jene sich wie Sterne am Tage verbergen, so gleicht sie dem Sterne der Weisen, der nach den Alten am Tage leuchtete. Wenn die Welt- und Geschäft-Menschen täglich stärker den Erdgeschmack der Zeit annehmen müssen, in der sie leben: so bricht der Genius, wie der Nachtschmetterling, der sich unter der Erde entpuppet, mit unversehrten Flügeln aus den Schollen in die Lüfte auf. Ist einst keine Religion mehr und jeder Tempel der Gottheit verfallen oder ausgeleert - möge nie das Kind eines guten Vaters diese Zeit erleben! -: dann wird noch im Musentempel der Gottdienst gehalten werden.
Denn dies ist eben das Große, daß, wenn Philosophie und Gelehrsamkeit sich im Zeitenlaufe zerreiben und verlieren, gleichwohl das älteste Dichterwerk noch wie sein Apollo ein Jüngling
4 Nach Augustin und den Scholastikern haben die Engel eine zweifache Erkenntnis, matutina cognitio oder die von der Gottheit, vespertina oder die von geschaffnen Dingen. Gerhard. loc. theolog. T. II. p. 24. bleibt, bloß weil das letzte Herz dem ersten gleicht, nicht aber so die Köpfe. Deswegen gibt es für die unabsehliche Wirkung des Dichters nur ein Gebot: beflecke die Ewigkeit nicht mit irgendeiner Zeit, gib nicht die Ewigkeit der Hölle statt des Himmels. Darf sich die Dichtkunst, weder zu mißfallen, noch zu gefallen suchend, absondern von der Gegenwart und uns, obwohl in Ahnungen, Resten, Seufzern, Lichtblicken, eine andere Welt zeigen in der hiesigen - wie einst das nordische Meer fremde Samen, Kokosnüsse etc. an die Küste der alten Welt antrieb und das Dasein der neuen ansagte -, so trete sie auch der verdorbnen, zugleich ebenso selbmörderischen als selbsüchtigen Zeit desto freier in den Weg, welche, den Tod aus Mangel an Himmel hassend, gern die hohe Muse nur zur Tänzerin und Flötenspielerin am flüchtigen Lebens-Gastmahl bestellte und herabzöge. Kommt die Muse groß, auf den Grabhügel statt auf den Kothurn steigend, und ist sie, obwohl ein Engel des Himmels, doch ein Todesengel der Erde: so wird, sagen sie, die Mahlzeit und die griechische Heiterkeit der Dichtkunst ganz gestört. Aber da die rechte Poesie keine Welt nimmt, ohne die bessere dafür zu geben: so leidet nur die gemeine Seele, die von einem Almosen des Augenblicks zum andern lebt, ohne den Schatz eines Innern zu haben, und welche zwar, wie sonst die alten Städte im Frühling, den Tod, nämlich dessen Bildnis hinausschafft, aber ohne das Leben hereinzubringen. Ist denn das Sterben in der Dichtkunst nicht ein Sterben vor Freude? Und wenn sie das Leben in einen Traum verkehrt - sogar das gelehrte literarische lässet sich so ansehen -: hat sie nicht die gestirnte Nacht im Hinterhalt, in welche der Traum hinein erwacht?« -
*
So weit meine letzte Vorlesung! Der Unbekannte sagte, er wolle meinen Erntekranz nicht ausdreschen: im ganzen sei er meiner Meinung, welche überhaupt an die Sätze des Idealismus grenze, dessen Begeisterung man so unverständig für bloßes Klang- wesen ausgebe; was den Menschen begeistere, sei unmöglich ein leeres Wort, sondern stets irgendein Sinn, den er unterlege. - Als wir beide schieden, wünscht' ich seinen Namen zu hören, da er meinen wisse. - »Sind Namen Geister?« fuhr er auf. »Das Unendliche ist ein Anonymum.«
Es lag etwas darin, etwas Außerweltliches, ungenannt wie im Geisterreiche, nur Geisterzwecke gesucht zu haben; indem ichs aber loben wollte, kam ich fast ins Widerspiel hinein: »Anonymität, vorzüglich wechselseitige,« sagt' ich, »ist allerdings etwas Geistermäßiges bei Untersuchungen. Auf Reisen sucht' ich oft mit einem zweiten Forscher zu gehen ohne Zu- und Vornamen, gleich den unbenannten Schmetterlingen, Fischen um uns oder den ungetauften Sonnen eines Nebelflecks. Noch anonymer wäre man ohne Gesicht; denn die Gesichtszüge sind halbe Namenzüge - aber auch unsichtbar, verriete wieder die Stimme - aber auch ohne diese, verriete wieder die Handschrift oder der Stil - Kurz, vollständige Anonymität bleibt, solange man existiert, wegen der Individuation fast unmöglich.«
Er harrte auf seinem Worte aus, nahm Abschied und sagte bloß, das Blatt wider Herder sei von ihm - - Wie widerlich wurde er mir, sogar durch seine schöne Gestalt! Ich hatte unter der ganzen Vorlesung an Herder gedacht und geglaubt, er tu' es auch. - »Addio Amico!« sagt' ich und ging davon, ohne ein Wort der Widerlegung; denn ich kenne diese Partei: eine Meinung, die man ihr heute vor ihren Augen ruinierte und köpfte, bringt sie den andern Tag auferstanden zurück und lässet sie wieder auf dem Kopfe tanzen, den man abgeschlagen.
Ich ging so weit im schönen Garten, bis ich eine freie Aussicht in die sanfte, rosenrot darniederziehende Sonne hatte. - Die Nachtigallen schlugen in den Blüten, hoch über ihnen die Lerchen in den Abendwolken - durch alle runde Laubwäldchen war der Frühling gezogen und hatte seine Spuren an ihnen hängen lassen als Blüten und Düfte - ich dachte an jenen Geist, den ich (so selten auch der verschwendete Beinamen gegeben werden darf) noch nicht anders nennen kann als einen großen Menschen. Wie war Er immer unter Bäumen und Blumen, auf dem Lande so genesen-glücklich! Der Name Land ist recht; denn ans Land setzen die Schiffer ihre Verwundeten der Wellen zum Genesen. - Gleichsam mit einem Liebetrank der Inbrunst gegen die ganze Natur geboren, hielt Er wie ein Brahmine mit dem hohen Spinozismus des Herzens jedes Tierchen und jede Blüte wert und am Herzen fest; und ein Reisewagen, durch grünendes Leben gehend, war Sein Sonnenwagen, und nur dem freien Himmel schloß sich, wie unter der Musik, Sein Herz wie eine Blume recht weit-erheitert auf.
Als ich so an Ihn dachte, da die Sonne schön im vollen Glanze niederging, und der Gedanke mich nicht trösten konnte, daß dieser Geist nun neu-verbunden lebe mit seiner geliebten Natur: so stand der schöne Jüngling wieder vor mir, den ich vielleicht im untergehenden Glanze nicht bemerken können. - Er sagte bloß ernst, ohne Zorn und ohne Scherz: er nenne sich überall gerne, wo man etwas gegen ihn habe; - Namenlosigkeit gezieme keinem Gegner - wiewohl er dies kaum sei, da er Herder in seinen frühern Werken, eh' Ihn die Erde aus einem freien Kometen zu ihrem sanften Monde gemacht, genug verehre.
»Mein Name«, sagt er, »ist*****.« - »Der *** in meinem Romane? « fragt' ich erstaunt. - Er war es; aber man vergeb' es, wenn ich aus wichtigen Gründen den wahren Namen dem leichten Erraten überlasse.
Nun war so vieles geändert. - Dieser etwas stolze Jüngling hatte nie andere Irrtümer als verzeihliche; ich liebte ihn so stark, daß ich ihrer ungeachtet mit ihm über den teuren Toten zu reden wünschte.
»Höre mich, lieber Jüngling, jetzo willig über Ihn. Die Sterne kommen meinen Worten zu Hülfe. Sein himmlisch-gestimmtes Lied an die Nacht
Kommst du wieder, heilige stille Mutter Der Gestirn' und himmlischer Gedanken, etc.
5 Adrastea XII. S. 277.
hör' ich diesen Abend in einem fort in meinem Innern singen. Ich kann nur einiges über Ihn sagen; unzulänglich ists ohnehin; ein Mensch, der in Worte aufzulösen wäre, würde ein alltäglicher sein; den Sternen-Himmel malt keine Sternkarte, obgleich ein Gemälde etwa eine Landschaft. Du sprachst von Seiner neuern Veränderung als einer Hinabänderung. Gewiß mutest du nicht, wie das Vorurteil, dem Schriftsteller im ewig nur reifenden Leben die gemeine schwere Unveränderlichkeit zu, die man doch den Zeiten erlässet oder, wenn sie erschiene, verdächte - wenn nur das Göttliche im Menschen sich nicht verändert, oder (weil dies eins ist) nicht vernichtet; ebenso lässet die göttliche Ewigkeit den Zeiten-Strom unverändert über sich fließen. Der Mensch scheint oft veränderlich, weil die Zeit es ist. Der Pfeiler, der in den Wellen steht, scheint sich hin- und herzubrechen, bloß weil sich diese brechen, oft an ihm selber. Warum findet man Ihn nicht darin Lessing gleich? Ein Vater und Schöpfer der Zeit wird sehr bald deren Zuchtmeister und Feind; indes ihr bloßer Sohn nur ihr Schüler und Schmeichler wird. - Bloß für Jugend oder Schwäche ründet sich die Gegenwart zu, ohne Bedarf einer Zukunft; aber ein Sieger und Gegenfüßler irgendeiner Gegenwart ist auch einer für jede. So glich der geliebte Geist den Schwanen, welche in der harten Jahreszeit die Wasser offen erhalten durch ihr Bewegen.
Noch hab' ich nicht das volleste Wort von Ihm gesagt, Jüngling. War Er kein Dichter - was Er zwar oft von sich selber glaubte, eben am homerischen und shakespeareschen Maßstab stehend, oder auch von sehr berühmten andern Leuten -, so war Er bloß etwas Besseres, nämlich ein Gedicht, ein indisch-griechisches Epos, von irgendeinem reinsten Gott gemacht. Du verstehst die starke Rede. Sie ist wahr; und ich meinte Ihn vorhin sehr im Hin- und Hermalen der höchsten Poesie.
Aber wie soll ichs auseinandersetzen, da in der schönen Seele, eben wie in einem Gedichte, alles zusammenfloß und das Gute, das Wahre, das Schöne eine unteilbare Dreieinigkeit war? - Griechenland war Ihm das Höchste, und wie allgemein auch Sein episch-kosmopolitischer Geschmack lobte und anerkannte - sogar Seines Hamanns Stil -, so hing Er doch, zumal im Alter, wie ein vielgereister Odysseus nach der Rückkehr aus allen Blüten- Ländern, an der griechischen Heimat am innigsten. Er und Goethe allein (jeder nach seiner Weise) sind für uns die Wiederhersteller oder Winckelmanne des singenden Griechentums, dem alle Schwätzer voriger Jahrhunderte nicht die Philomelen- Zunge hatten lösen können.
Herder war gleichsam nach dem Leben griechisch gedichtet. Die Poesie war nicht etwa ein Horizont-Anhang ans Leben, wie man oft bei schlechtem Wetter am Gesichtkreise einen regenbogenfarbigen Wolken-Klumpen erblickt, sondern sie flog wie ein freier leichter Regenbogen glänzend über das dicke Leben als Himmelpforte. Daher kam Seine griechische Achtung für alle Leben-Stufen, Seine zurechtlegende epische Weise in allen Seinen Werken, welche als ein philosophisches Epos alle Zeiten, Formen, Völker, Geister mit der großen Hand eines Gottes unparteiisch vor das säkularische Auge (das Jahre nur am Jahrhundert ausmißt) und also auf die weiteste Bühne führt. Daher kam Sein griechischer Widerwille gegen jedes Überschlagen der Waage auf die eine oder die andere Seite; manche Sturm- und Folter-Gedichte6 konnten Seine geistige Marter bis zur körperlichen treiben; Er wollte die Opfer der Dichtkunst nur so schön und unverletzt erblicken, als der Donner des Himmels die getroffnen Menschen läßt. Darum zog Er, wie ein griechisches Gedicht, um jede, auch schönste Empfindung, z. B. um die Rührung, oft durch die Gewalt des Scherzes, früh die Grenze der Schönheit. Nur Menschen von flachen Empfindungen schwelgen in ihnen; die von tiefer fliehen ihre Allmacht und haben darum den Schein der Kälte.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Ich wartete eine Stunde, eh' ich sie anfing, umso mehr, da kein Zuhörer da war. Endlich, als ich darauf nicht länger warten wollte, erschien doch einer, nämlich der unbekannte Jüngling; und ich hob natürlich froher an, wie folgt:
»Verehrter Hörsaal! Keine einzige Zeit hatte je ganz recht, aber auch keine ganz unrecht; beides macht eben, daß ihre Moussons, die ein halbes Jahr nach Süden geweht, wieder ein halbes bloß nach Norden wehen«......
Sogleich da unterbrach mich der ebenso verstimmende als verstimmte Jüngling im schwachen Scherze einer akademischen Vorlesers-Fiktion und versetzte fast ungehalten: »inzwischen ziehe an den Wendezirkeln (den Sinnbildern der Dicht- und Denkkunst) ja täglich das Wehen mit der Sonne um den Himmel - Auch gebrech' es meiner Antithese zwischen Stilistikern und Poetikern ganz an tapferer Synthese, nämlich an der organischen. Denn theoretische sei so dumm und hohl; wechselseitige Würfelseiten würden ja so bloß willkürlich hin- und hergemessen; und irgendeine Gleichung der feindlichen Körper käme so wenig dabei heraus als an einer Bildsäule und einem Rekruten durch beider Anlegen ans Rekruten-Maß - Hingegen eine organische Synthese sei eine hübsche Heirat, woraus stets ein lebendiges Kind entspringe« . . . .
Zum Schaden des Jünglings traf es sich, daß ich mich umsah und auf der Fensterbrüstung ein Blatt an mich, gegen Herder gerichtet, erblickte. »Ich antworte«, antwortete ich dem Jüngling, um erst das Blatt zu lesen. Was enthielt es aber anderes, als was ich von dem ersten besten ergrimmt davongelaufenen Poetiker vermuten konnte, da ichs so oft schon gehört, bekriegt und verflucht hatte, - nämlich das alte doppelseitige Verkennen der entflognen großen Seele, von welcher niemand stolz genug sein darf, zu sagen: »Ich habe sie ganz gekannt.« -
Ich sagte die Sache dem Jüngling mit drei Worten und fügte bei, ich möcht' es in Rücksicht der Irrtümer fast für ein Blatt aus dem gedruckten »Briefe eines Nürnbergers an mich« ansehen, wär' es nicht so gut und nicht mit ästhetischem Sinn geschrieben; »der edle Geist«, fuhr ich fort, »wurde von entgegengesetzten Zeiten und Parteien verkannt; doch nicht ganz ohne seine Schuld; denn er hatte den Fehler, daß er kein Stern erster oder sonstiger Größe war, sondern ein Bund von Sternen, aus welchem sich dann jeder ein beliebiges Sternbild buchstabiert, der eine das der Waage oder des Herbstes, der andere das des Krebses oder Sommers und so fort. Menschen mit vielartigen Kräften werden immer, die mit einartigen selten verkannt; jene berühren alle ihres Gleichen und ihres Ungleichen, diese nur ihres Gleichen.«
Der Jüngling lächelte und bemerkte, »ich hätte hoffen lassen, zwischen beiden Parteien oder mit andern Worten zwischen dem alten Realismus und dem neuen Idealismus eine organische Synthese aufzustellen«.
»Diese wäre denn, wie Sie selber sagten, ein Kind oder Leben aus zwei Leben; aber aus jeder Synthese entspinnt sich wieder eine Antithese der Geschlechter, und so hörte es ja nie auf . . . . .
1 Was später in der Vorlesung über Herder vorkommt, konnte weniger seine Seelengestalt als meine Empfindungen malen wollen. Der noch neue schwarze Grabhügel ist für die zitternde Hand nicht das Schreibpult oder Malergestell, um den abzuzeichnen, der unter dem Hügel liegt. Aber in der Beschreibung meines Lebens - wenn anders dieses flüchtige und sich vor dem ewigen Ich verflüchtigende Leben noch die Mühe einer Darstellung verdient - will ich, so gut ich kann, Herders Fürstenbild aufhängen und aus den schönen wenigen Jahren, die als Seelen- und Edenjahre ich mit ihm verlebte, die Strahlen zu seinen Seelenlinien holen und bringen. Freilich liegt in diesen letzten Jahren ein schwerer Schmerz für alle seine Liebenden; denn er erlebte seine jetzige Feier nicht, und dieses Gestirn ging, wie Lessing, hinter dem Gewölke der Zeit bleich-verschleiert hinab.
Indes auf diese Weise, mein Herr, werd' ich wenig fischen, daß man mich so auf einmal teils in die neue Metaphysik hineinschlägt, teils in den Dialog ... Geh' Er mutig heim, treuer Famulus, jetzo regieren Diskurse; - oder schwelg' Er draußen an den Nachtigallen um Ihn her; sie wollen ordentlich den Namenstag des heutigen Cantate-Sonntags feiern, wie die herrliche Abendsonne dessen Geburtstag; Er kann ja manches denken ...
Ihre metaphysischen breiten Schul-Worte, mein Herr, kann ich, insofern jetzo auch meine Zahlwoche beginnen soll, unmöglich gebrauchen, weil dieser metaphysische Schnee nicht wie der poetische Spiegel Gestalten, sondern nur ein unbestimmtes Schimmern zurückwirft. Lassen Sie mich das Höchste der Poesie, den Parnassus-Gipfel, wo sich alle Parteien begegnen sollen, wenn sie auch auf Mittag- und auf Mitternachtseiten den Berg hinaufgezogen, auf andere Weise nennen. Wir haben etwas in uns, was unaufhaltbar einen ewigen Ernst, den Genuß einer unbegreiflichen Vereinigung mit einer unbekannten Realität als das letzte setzt. Das Spielen der Poesie kann ihr und uns nur Werkzeug, niemals Endzweck sein.«
»Ist Freiheit kein würdigster Zweck?« - »Freiheit wovon ist keiner und leer ohne die Freiheit woran und wozu; sonst wäre Nichtsein die größte negative Freiheit. Jedes Spiel ist eine Nachahmung des Ernstes, jedes Träumen setzt nicht nur ein vergangenes Wachen, auch ein künftiges voraus. Der Grund wie der Zweck eines Spiels ist keines; um Ernst, nicht um Spiel wird gespielt. Jedes Spiel ist bloß die sanfte Dämmerung, die von einem überwundenen Ernst zu seinem höhern führt.«
»Aber den höhern vernichtet wieder ein höheres Spiel« -
»Es wechsle lange fort und ab, aber endlich erscheint der höchste, der ewige Ernst. Über das Erheben kann man sich nicht erheben. Obgleich z. B. der Dichter die ganze Endlichkeit belachen kann: so wär' es doch Unsinn, die Unendlichkeit und das ganze Sein zu verspotten und folglich auch das Maß zu klein finden, womit er alles zu klein findet. Ein Gelächter von Ewigkeit her wäre aber um nichts ungereimter als ein ewiges Spielen des Spielens.2 Götter können spielen; aber Gott ist ernst.«
- »Ich fasse nichts von einem Ernste bei unendlicher Freiheit.« - »Aber auch bei unendlicher Notwendigkeit! Ich fasse freilich auch nichts davon und von einer Vereinigung beider, so wenig als ich das Sein oder Gott begreife; indes sind ewige Notwendigkeit und Freiheit zugleich unvertilgbar gegeben. Ewig dringen wir - als auf das Ur-Letzte und Ur-Erste - auf etwas Reales, das wir nicht schaffen, sondern finden und genießen und das zu uns, nicht aus uns kommt. Uns schaudert vor der Einsamkeit des Ich (wenn wir uns nur z. B. den unendlichen Geist des All vormalen); wir sind nicht gemacht, alles gemacht zu haben und auf dem ätherischen Throngipfel des Universums zu sitzen, sondern auf den steigenden Stufen unter dem Gott und neben Göttern.« - »Ist das Reale außer uns: so sind wir ewig geschieden davon; ist es in uns: so sind wirs selber.« - »Dasselbe gilt ganz vom Wahren; denn sein muß es sogar nach dem Skeptiker, weil irgend etwas, wenigstens das Existieren existiert; folglich hat das Erkennen noch ein höheres Ziel, aber außer sich, als das Erkennen des Erkennens. Dasselbe gilt von der sittlichen Schönheit. Das Gesetz ist nur der sittliche Idealismus; aber wo ist der sittliche Realismus? Wo ist denn die unendliche Materie zu dieser unendlichen Form? - Dasselbe gilt, sag' ich zuletzt, von dem höchsten Gegenstande der Liebe; in uns ist er uns ein Nichts; außer uns sehnen wir uns ewig umsonst; denn alle Liebe will weder Zweiheit, noch Einheit, sondern Vereinigung. « - »Endlich« - sagte der Jüngling mit frohem Lächeln - »haben wir ja etwas gefunden, was den Fuß- und Scheitelpunkt aufhebt, nämlich den Schwer- und Mittelpunkt. Die Synthese aller Antithesen, des In- und Außer-uns, des Stoffs und der Form, des Realen und Idealen, aller Differenzen ist die Indifferenz.«
2 Schillers Spieltrieb (von Kant geborgt) zerfällt wieder in einen höhern Stoff- und Formtrieb, und immer wird die letzte Synthese fehlen.
»Das ist die einzige Weise, den Knoten nicht zu zerschneiden, sondern zu verbrennen; diese Trotz-Forderung, das Verstummen der Philosophie für das leiseste Lehren derselben anzunehmen, die Stille für ein Pianissimo, kurz, die potenzierte Aufgabe für die Auflösung.«
»Zum Glück ist das Indifferenzieren schon ohne den Philosophen geschehen. Denn das Ewige ist; die Einwürfe des Verstandes gegen Schelling treffen die Gottheit, nicht das System, ihre, nicht seine Unbegreiflichkeit.«
»Ich gebe das eben auf Kosten nicht des Philosophen, sondern des Philosophierens zu. Ich glaube nicht bloß das Ewige, sondern den Ewigen. Was wir aber ewig fodern, ist weniger die Gleichung der Realität und unsers Denkens als die Ausgleichung, weniger die Erklärung als die Ergänzung unsers Wesens. «
»Wodurch kennen wir dieses Etwas als wieder durch und in uns?«
»Allerdings schließet sich wieder der alte platonische Zirkel zwischen Trieb und Gegenstand zu. Allein hier kann man nicht kühn erklären, sondern nur kühn vorzeigen. Aus demselben Grunde, warum der Realismus nicht vom Denken zu beweisen ist, kann er auch nicht durch dasselbe oder in dasselbe aufgelöset werden.
Man frage lieber den Realismus unserer Gefühle. Wem ist nicht in der körperlichen Gegenwart eines großen Mannes, einer göttlichen Seele, eines geliebtesten Herzens der Idealismus nichts? - Worin ist denn vor dem bloßen Begriff Gegenwart eines Menschen als eines Geistes von dessen Abwesenheit verschieden? - In nichts. Eine Wachsstatue könnte mir die Gestalt eines Menschen - ein Automat die Bewegung und Stimme -
3 Möge Schelling sich immer mehr der Naturphilosophie geloben und ihr durch die seltene Vereinigung von Phantasie, Tiefsinn und Witz den zweiten Bako geben, der der ungeheueren atomistischen Welt von Erfahrungen noch als ordnende Weltseele gebricht.
Diese oder ein Brief die Worte zubringen - wäre mir dies dessen Gegenwart?«
»Gar nicht! Auch die Erklärung etwa, daß Gegenwärtigkeit bloß im Bewußtsein meiner eigenen vor dem andern bestehe, schöbe die Antwort nur hinaus; denn ich könnte ja auch mich dem Repräsentanten repräsentieren lassen.«
»Und doch kennt das Herz den Himmel der Gegenwart und den Schmerz am Grabe. Überall bleibt ein Übergewicht des Realen. Es gibt einige Blitze in der ersten Liebe, zuweilen bei der Musik, bei großen Entschlüssen, bei großen Schmerzen, bei Entzückungen - da gibt es Blitze, welche den ganzen Himmel fliehend aufreißen, den wir suchen. Aber wer tut dies noch milder, fester, reiner, länger? Wer kann, wenn das Bild nicht zu kühn ist, gerade wie ein schönes Angesicht von einer schönen Seele, so das schöne Angesicht des urschönen Allgeistes werden? Ich denke, die Dichtkunst.«
(Hier gab mir der errötende Jüngling schnell die Hand und sagte sanft: »Die Dichtkunst!« Wie reizend schien er mir jetzo das schöne Morgenkleid des Lebens zu tragen, die Jugend!)
»Gerade das Höchste, was aller unserer Wirklichkeit, auch der schönsten des Herzens ewig abgeht, das gibt sie und malt auf den Vorhang der Ewigkeit das zukünftige Schauspiel; sie ist kein platter Spiegel der Gegenwart, sondern der Zauberspiegel der Zeit, welche nicht ist. Jenes Etwas, dessen Lücke unser Denken und unser Anschauen entzweiet und trennt, dieses Heiligste zieht sie durch ihre Zauberei vom Himmel näher herab; und wie die Moral der gebende und zeigende Arm aus der Wolke ist, so ist sie das helle süße Auge aus der Wolke.
Sie kann spielen, aber nur mit dem Irdischen, nicht mit dem Himmlischen. Sie soll die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern. Alles Himmlische wird erst durch Versetzung mit dem Wirklichen, wie der Regen des Himmels erst auf der Erde, für uns hell und labend. Doch beide muß uns nicht das Tal, sondern der Berg zubringen. Indes muß dem Dichter wie den Engeln 4 die Erkenntnis des Göttlichen die erste am Morgen sein, und die des Geschaffnen die spätere abends; denn aus einem Gott kommt wohl eine Welt, aber nicht aus einer Welt ein Gott.«
»Bei Gott!« sagte der Unbekannte. »Niemals«, fuhr ich fort, »ist daher vielleicht der Dichter wichtiger als in solchen Tagen, denen er unwichtiger erscheint, d. h. in unsern. Wer in die historische Zukunft hinaussieht, der findet unter den wachsenden Städten und Thronen, welche den Himmel immer mehr zu einem blauen Streif verbauen - in dem immer tiefern Einsinken der Völker in die weiche Erde der Sinnlichkeit - im tiefern Eingraben der goldhungrigen Selbsucht - ach in tausend Zeichen einer Zeit, worin Religion, Staat und Sitten abblühen, da findet man keine Hoffnung ihrer Emporhebung mehr - außer bloß durch zwei Arme, welche nicht der weltliche und der geistliche sind, aber zwei ähnliche, die Wissenschaft und die Dichtkunst. Letzte ist der stärkere. Sie darf singen, was niemand zu sagen wagt in schlechter Zeit. Große oder verschämte Gefühle, die sich vor der Welt verhüllen, krönt sie auf dem höchsten Throne; wenn jene sich wie Sterne am Tage verbergen, so gleicht sie dem Sterne der Weisen, der nach den Alten am Tage leuchtete. Wenn die Welt- und Geschäft-Menschen täglich stärker den Erdgeschmack der Zeit annehmen müssen, in der sie leben: so bricht der Genius, wie der Nachtschmetterling, der sich unter der Erde entpuppet, mit unversehrten Flügeln aus den Schollen in die Lüfte auf. Ist einst keine Religion mehr und jeder Tempel der Gottheit verfallen oder ausgeleert - möge nie das Kind eines guten Vaters diese Zeit erleben! -: dann wird noch im Musentempel der Gottdienst gehalten werden.
Denn dies ist eben das Große, daß, wenn Philosophie und Gelehrsamkeit sich im Zeitenlaufe zerreiben und verlieren, gleichwohl das älteste Dichterwerk noch wie sein Apollo ein Jüngling
4 Nach Augustin und den Scholastikern haben die Engel eine zweifache Erkenntnis, matutina cognitio oder die von der Gottheit, vespertina oder die von geschaffnen Dingen. Gerhard. loc. theolog. T. II. p. 24. bleibt, bloß weil das letzte Herz dem ersten gleicht, nicht aber so die Köpfe. Deswegen gibt es für die unabsehliche Wirkung des Dichters nur ein Gebot: beflecke die Ewigkeit nicht mit irgendeiner Zeit, gib nicht die Ewigkeit der Hölle statt des Himmels. Darf sich die Dichtkunst, weder zu mißfallen, noch zu gefallen suchend, absondern von der Gegenwart und uns, obwohl in Ahnungen, Resten, Seufzern, Lichtblicken, eine andere Welt zeigen in der hiesigen - wie einst das nordische Meer fremde Samen, Kokosnüsse etc. an die Küste der alten Welt antrieb und das Dasein der neuen ansagte -, so trete sie auch der verdorbnen, zugleich ebenso selbmörderischen als selbsüchtigen Zeit desto freier in den Weg, welche, den Tod aus Mangel an Himmel hassend, gern die hohe Muse nur zur Tänzerin und Flötenspielerin am flüchtigen Lebens-Gastmahl bestellte und herabzöge. Kommt die Muse groß, auf den Grabhügel statt auf den Kothurn steigend, und ist sie, obwohl ein Engel des Himmels, doch ein Todesengel der Erde: so wird, sagen sie, die Mahlzeit und die griechische Heiterkeit der Dichtkunst ganz gestört. Aber da die rechte Poesie keine Welt nimmt, ohne die bessere dafür zu geben: so leidet nur die gemeine Seele, die von einem Almosen des Augenblicks zum andern lebt, ohne den Schatz eines Innern zu haben, und welche zwar, wie sonst die alten Städte im Frühling, den Tod, nämlich dessen Bildnis hinausschafft, aber ohne das Leben hereinzubringen. Ist denn das Sterben in der Dichtkunst nicht ein Sterben vor Freude? Und wenn sie das Leben in einen Traum verkehrt - sogar das gelehrte literarische lässet sich so ansehen -: hat sie nicht die gestirnte Nacht im Hinterhalt, in welche der Traum hinein erwacht?« -
*
So weit meine letzte Vorlesung! Der Unbekannte sagte, er wolle meinen Erntekranz nicht ausdreschen: im ganzen sei er meiner Meinung, welche überhaupt an die Sätze des Idealismus grenze, dessen Begeisterung man so unverständig für bloßes Klang- wesen ausgebe; was den Menschen begeistere, sei unmöglich ein leeres Wort, sondern stets irgendein Sinn, den er unterlege. - Als wir beide schieden, wünscht' ich seinen Namen zu hören, da er meinen wisse. - »Sind Namen Geister?« fuhr er auf. »Das Unendliche ist ein Anonymum.«
Es lag etwas darin, etwas Außerweltliches, ungenannt wie im Geisterreiche, nur Geisterzwecke gesucht zu haben; indem ichs aber loben wollte, kam ich fast ins Widerspiel hinein: »Anonymität, vorzüglich wechselseitige,« sagt' ich, »ist allerdings etwas Geistermäßiges bei Untersuchungen. Auf Reisen sucht' ich oft mit einem zweiten Forscher zu gehen ohne Zu- und Vornamen, gleich den unbenannten Schmetterlingen, Fischen um uns oder den ungetauften Sonnen eines Nebelflecks. Noch anonymer wäre man ohne Gesicht; denn die Gesichtszüge sind halbe Namenzüge - aber auch unsichtbar, verriete wieder die Stimme - aber auch ohne diese, verriete wieder die Handschrift oder der Stil - Kurz, vollständige Anonymität bleibt, solange man existiert, wegen der Individuation fast unmöglich.«
Er harrte auf seinem Worte aus, nahm Abschied und sagte bloß, das Blatt wider Herder sei von ihm - - Wie widerlich wurde er mir, sogar durch seine schöne Gestalt! Ich hatte unter der ganzen Vorlesung an Herder gedacht und geglaubt, er tu' es auch. - »Addio Amico!« sagt' ich und ging davon, ohne ein Wort der Widerlegung; denn ich kenne diese Partei: eine Meinung, die man ihr heute vor ihren Augen ruinierte und köpfte, bringt sie den andern Tag auferstanden zurück und lässet sie wieder auf dem Kopfe tanzen, den man abgeschlagen.
Ich ging so weit im schönen Garten, bis ich eine freie Aussicht in die sanfte, rosenrot darniederziehende Sonne hatte. - Die Nachtigallen schlugen in den Blüten, hoch über ihnen die Lerchen in den Abendwolken - durch alle runde Laubwäldchen war der Frühling gezogen und hatte seine Spuren an ihnen hängen lassen als Blüten und Düfte - ich dachte an jenen Geist, den ich (so selten auch der verschwendete Beinamen gegeben werden darf) noch nicht anders nennen kann als einen großen Menschen. Wie war Er immer unter Bäumen und Blumen, auf dem Lande so genesen-glücklich! Der Name Land ist recht; denn ans Land setzen die Schiffer ihre Verwundeten der Wellen zum Genesen. - Gleichsam mit einem Liebetrank der Inbrunst gegen die ganze Natur geboren, hielt Er wie ein Brahmine mit dem hohen Spinozismus des Herzens jedes Tierchen und jede Blüte wert und am Herzen fest; und ein Reisewagen, durch grünendes Leben gehend, war Sein Sonnenwagen, und nur dem freien Himmel schloß sich, wie unter der Musik, Sein Herz wie eine Blume recht weit-erheitert auf.
Als ich so an Ihn dachte, da die Sonne schön im vollen Glanze niederging, und der Gedanke mich nicht trösten konnte, daß dieser Geist nun neu-verbunden lebe mit seiner geliebten Natur: so stand der schöne Jüngling wieder vor mir, den ich vielleicht im untergehenden Glanze nicht bemerken können. - Er sagte bloß ernst, ohne Zorn und ohne Scherz: er nenne sich überall gerne, wo man etwas gegen ihn habe; - Namenlosigkeit gezieme keinem Gegner - wiewohl er dies kaum sei, da er Herder in seinen frühern Werken, eh' Ihn die Erde aus einem freien Kometen zu ihrem sanften Monde gemacht, genug verehre.
»Mein Name«, sagt er, »ist*****.« - »Der *** in meinem Romane? « fragt' ich erstaunt. - Er war es; aber man vergeb' es, wenn ich aus wichtigen Gründen den wahren Namen dem leichten Erraten überlasse.
Nun war so vieles geändert. - Dieser etwas stolze Jüngling hatte nie andere Irrtümer als verzeihliche; ich liebte ihn so stark, daß ich ihrer ungeachtet mit ihm über den teuren Toten zu reden wünschte.
»Höre mich, lieber Jüngling, jetzo willig über Ihn. Die Sterne kommen meinen Worten zu Hülfe. Sein himmlisch-gestimmtes Lied an die Nacht
Kommst du wieder, heilige stille Mutter Der Gestirn' und himmlischer Gedanken, etc.
5 Adrastea XII. S. 277.
hör' ich diesen Abend in einem fort in meinem Innern singen. Ich kann nur einiges über Ihn sagen; unzulänglich ists ohnehin; ein Mensch, der in Worte aufzulösen wäre, würde ein alltäglicher sein; den Sternen-Himmel malt keine Sternkarte, obgleich ein Gemälde etwa eine Landschaft. Du sprachst von Seiner neuern Veränderung als einer Hinabänderung. Gewiß mutest du nicht, wie das Vorurteil, dem Schriftsteller im ewig nur reifenden Leben die gemeine schwere Unveränderlichkeit zu, die man doch den Zeiten erlässet oder, wenn sie erschiene, verdächte - wenn nur das Göttliche im Menschen sich nicht verändert, oder (weil dies eins ist) nicht vernichtet; ebenso lässet die göttliche Ewigkeit den Zeiten-Strom unverändert über sich fließen. Der Mensch scheint oft veränderlich, weil die Zeit es ist. Der Pfeiler, der in den Wellen steht, scheint sich hin- und herzubrechen, bloß weil sich diese brechen, oft an ihm selber. Warum findet man Ihn nicht darin Lessing gleich? Ein Vater und Schöpfer der Zeit wird sehr bald deren Zuchtmeister und Feind; indes ihr bloßer Sohn nur ihr Schüler und Schmeichler wird. - Bloß für Jugend oder Schwäche ründet sich die Gegenwart zu, ohne Bedarf einer Zukunft; aber ein Sieger und Gegenfüßler irgendeiner Gegenwart ist auch einer für jede. So glich der geliebte Geist den Schwanen, welche in der harten Jahreszeit die Wasser offen erhalten durch ihr Bewegen.
Noch hab' ich nicht das volleste Wort von Ihm gesagt, Jüngling. War Er kein Dichter - was Er zwar oft von sich selber glaubte, eben am homerischen und shakespeareschen Maßstab stehend, oder auch von sehr berühmten andern Leuten -, so war Er bloß etwas Besseres, nämlich ein Gedicht, ein indisch-griechisches Epos, von irgendeinem reinsten Gott gemacht. Du verstehst die starke Rede. Sie ist wahr; und ich meinte Ihn vorhin sehr im Hin- und Hermalen der höchsten Poesie.
Aber wie soll ichs auseinandersetzen, da in der schönen Seele, eben wie in einem Gedichte, alles zusammenfloß und das Gute, das Wahre, das Schöne eine unteilbare Dreieinigkeit war? - Griechenland war Ihm das Höchste, und wie allgemein auch Sein episch-kosmopolitischer Geschmack lobte und anerkannte - sogar Seines Hamanns Stil -, so hing Er doch, zumal im Alter, wie ein vielgereister Odysseus nach der Rückkehr aus allen Blüten- Ländern, an der griechischen Heimat am innigsten. Er und Goethe allein (jeder nach seiner Weise) sind für uns die Wiederhersteller oder Winckelmanne des singenden Griechentums, dem alle Schwätzer voriger Jahrhunderte nicht die Philomelen- Zunge hatten lösen können.
Herder war gleichsam nach dem Leben griechisch gedichtet. Die Poesie war nicht etwa ein Horizont-Anhang ans Leben, wie man oft bei schlechtem Wetter am Gesichtkreise einen regenbogenfarbigen Wolken-Klumpen erblickt, sondern sie flog wie ein freier leichter Regenbogen glänzend über das dicke Leben als Himmelpforte. Daher kam Seine griechische Achtung für alle Leben-Stufen, Seine zurechtlegende epische Weise in allen Seinen Werken, welche als ein philosophisches Epos alle Zeiten, Formen, Völker, Geister mit der großen Hand eines Gottes unparteiisch vor das säkularische Auge (das Jahre nur am Jahrhundert ausmißt) und also auf die weiteste Bühne führt. Daher kam Sein griechischer Widerwille gegen jedes Überschlagen der Waage auf die eine oder die andere Seite; manche Sturm- und Folter-Gedichte6 konnten Seine geistige Marter bis zur körperlichen treiben; Er wollte die Opfer der Dichtkunst nur so schön und unverletzt erblicken, als der Donner des Himmels die getroffnen Menschen läßt. Darum zog Er, wie ein griechisches Gedicht, um jede, auch schönste Empfindung, z. B. um die Rührung, oft durch die Gewalt des Scherzes, früh die Grenze der Schönheit. Nur Menschen von flachen Empfindungen schwelgen in ihnen; die von tiefer fliehen ihre Allmacht und haben darum den Schein der Kälte.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Jean Paul
Johann Paul Friedrich Richter wurde 1763 in Wunsiedel geboren und starb 1825 in Bayreuth. Seine Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau veranlasste ihn, seine Werke unter dem Namen Jean Paul zu veröffentlichen. 1795 erschien sein Roman »Hesperus oder 45 Hundposttage«, der der grösste literarische Erfolg seit Goethes »Die Leiden des jungen Werther« wurde. Die späteren Romane »Siebenkäs«, »Flegeljahre« und »Titan« gelten heute als die wichtigsten Werke Jean Pauls. Wölfel, KurtKurt Wölfel, Prof. em. für Germanistik der Universität Bonn, ist Mitglied der Jean Paul-Gesellschaft und ein passionierter Kenner der Werke Jean Pauls.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jean Paul
- 2013, 2. Aufl., 464 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Kurt Wölfel
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596904986
- ISBN-13: 9783596904983
- Erscheinungsdatum: 21.02.2013
Rezension zu „Das grosse Lesebuch “
Diese Auswahl an Jean Pauls Werken ist als Einladung an literarisch neugierige Leser gedacht, sich einen Vorgeschmack auf nachfolgende Lektürevergnügungen zu schaffen. Rosenfluh Publikation 20140601
Pressezitat
Diese Auswahl an Jean Pauls Werken ist als Einladung an literarisch neugierige Leser gedacht, sich einen Vorgeschmack auf nachfolgende Lektürevergnügungen zu schaffen. Rosenfluh Publikation 20140601
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