Die Ares-Entscheidung / Covert One Bd.8
Roman. Deutsche Erstausgabe
Uganda: ein Spezialkommando der US-Forces wird aufgerieben - von bislang harmlosen, einheimischen Bauern! Hintergrund: ein Experiment mit einer Biowaffe, die immun gegen Angst und Schmerz macht. Das Team von Covert One sucht die Drahtzieher. Sitzen sie in den eigenen Reihen?
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Produktinformationen zu „Die Ares-Entscheidung / Covert One Bd.8 “
Uganda: ein Spezialkommando der US-Forces wird aufgerieben - von bislang harmlosen, einheimischen Bauern! Hintergrund: ein Experiment mit einer Biowaffe, die immun gegen Angst und Schmerz macht. Das Team von Covert One sucht die Drahtzieher. Sitzen sie in den eigenen Reihen?
Klappentext zu „Die Ares-Entscheidung / Covert One Bd.8 “
Im Norden Ugandas wird ein Spezialkommando der US-Streitkräfte von bisher friedlichen Bauern ausgelöscht. Offenbar besassen die Menschen fast übermenschliche Kräfte. Alles deutet darauf hin, dass sie ein bisher unbekannter Erreger immun gegen Schmerz und Angst machte - eine teuflische Biowaffe, die die Welt ins Chaos stürzen könnte. Das Team von Covert One muss alles daransetzen, der Bedrohung Herr zu werden. Doch der Feind sitzt in den eigenen Reihen ...
Lese-Probe zu „Die Ares-Entscheidung / Covert One Bd.8 “
Die Ares Entscheidung von Robert LudlumKapitel eins
ÜBER NORDUGANDA
12. November, 02:03 Uhr GMT+3
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Die Umgebung schien sich in der dröhnenden Dunkelheit aufzulösen. Craig Rivera fragte sich, ob Astronauten auch eine so umfassende Leere erlebten, ob sie so wie er jetzt das Gefühl hatten, nicht weit davon entfernt zu sein, Gott zu sehen.
Er blickte auf das schwache grüne Leuchten des Zifferblatts an seinem Handgelenk. Die Buchstaben waren kyrillisch, aber die Ziffern, die seine Höhe und die Koordinaten anzeigten, waren so, wie er es von seiner Trainingsausrüstung gewohnt war.
Rivera neigte sich leicht in Richtung Norden, während er in freiem Fall die Fünfzehntausend-Fuß-Marke passierte. Ein Hauch feuchter Wärme begann die Haut rund um seine Sauerstoffmaske auftauen zu lassen, und unter ihm wurde die Dunkelheit von vereinzelten schwachen Lichtpunkten durchbrochen.
Lagerfeuer.
Als die GPS-Anzeige bestätigte, dass er sich genau über der Landezone befand, drehte er sich einen Moment lang auf den Rücken und blickte zum Sternenhimmel hinauf, doch die Umrisse des Flugzeugs, aus dem er abgesprungen war, waren nicht mehr auszumachen.
Sie waren allein. Das wenigstens hatte man ihm ganz klar gesagt.
Er wusste nur wenig über das Land, in das er mit 200 km/h hinabstürzte, und noch weniger über den Mann, den sie finden sollten. Caleb Bahame war ein Terrorist und ein grausamer Mörder, über den sich die Leute so furchtbare Geschichten erzählten, dass man nur schwer sagen konnte, ob die Informationen über ihn der Wahrheit entsprachen oder reine Schauermärchen waren. Einige der Geschichten waren jedoch zweifellos wahr. Dass er seinen Männern befahl, kleinen Kindern die Glieder mit heißen Macheten abzuhacken, war durch Fotos belegt. Genauso wie das qualvolle Sterben der Kinder an ihren verbrannten Wunden.
Bilder wie diese ließen Rivera an der Vollkommenheit Gottes zweifeln. Hielt er wohl seine schützende Hand über diese Mission gegen Bahame?
Nicht dass solche philosophischen Fragen irgendeinen Einfluss gehabt hätten auf das, was sich Rivera vorgenommen hatte. Er würde herausfinden, ob dieser Bahame bei all seiner zerstörerischen Energie auch imstande war, Kugeln aufzuhalten, die auf ihn abgefeuert wurden. Für diesen Test würde er mehrere Magazine verfeuern.
Er sah erneut auf den Höhenmesser und drehte sich auf den Bauch. Durch seine Sprungbrille blickte er auf das Blätterdach des Dschungels hinunter. Einige Sekunden später wurde das Leuchten der Ziffern rot; er öffnete den Fallschirm und stürzte auf eine Lichtung zu, die er noch nicht sehen konnte, von der die Geheimdienstleute jedoch geschworen hatten, dass sie da war.
Er war nur noch etwas mehr als hundert Fuß über der Erde, als er seine Landezone erblickte und darauf zusteuerte. In dem Sekundenbruchteil, als er festen Boden unter den Füßen spürte, rollte er sich mit einer fließenden Bewegung ab, die er immer wieder trainiert hatte. Er schnappte seinen Fallschirm und lief zwischen die schützenden Bäume, dann warf er seine Ausrüstung auf den Boden und holte Nachtsichtbrille und Gewehr heraus.
Das etwas abgenutzte AK-47 fühlte sich ein wenig fremd in seinen Händen an, als er es von links nach rechts schwenkte und lauschte, wie seine Leute in Abständen von dreißig Sekunden landeten. Als der Vierte unten war, aktivierte er sein Kehlkopfmikrofon.
»Alles okay bei euch?«
Bei solchen Sprüngen blieb immer ein gewisses Restrisiko, deshalb spürte er, wie sich seine Anspannung ein wenig löste, als sich alle unverletzt meldeten.
Rivera schlich lautlos durch den Dschungel, das Dröhnen des Windes war dem Summen der Insekten und dem Kreischen der tropischen Vögel gewichen. Sie hatten diese Gegend ausgewählt, weil das unwegsame Gelände eine Besiedelung unmöglich machte. Vielleicht würden sie ihre Wahl verfluchen, dachte er, wenn sie erst einmal dreißig Kilometer marschiert waren, aber im Moment zählte vor allem die Tatsache, dass niemand sie mit glühenden Macheten verfolgte.
Seine Leute reihten sich in exakt bemessenen Abständen hintereinander ein, dann ging es los in Richtung Norden. Rivera marschierte hinter einem kleinen drahtigen Mann, der einen schwarzen Pullover mit abgeschnittenen Ärmeln trug, aus dem die grün bemalten Arme herausragten. Er schwenkte sein israelisches Maschinengewehr ständig hin und her, während er über das Gelände glitt, auf dem ein gewöhnlicher Mann hilflos von einem Baum zum nächsten gestolpert wäre. Doch er war kein gewöhnlicher Mann. Das war keiner von ihnen.
Ihre Ausrüstung und Kleidung war ein Mosaik von Bestandteilen aus aller Welt. Keiner von ihnen hatte Tätowierungen oder andere Kennzeichen, an denen sie sich identifizieren ließen - ja sogar ihre Zahnfüllungen waren so verändert worden, dass man ihre Herkunft nicht mehr bestimmen konnte. Sollten sie in Gefangenschaft geraten oder getötet werden, so würde ihnen kein Ruhm zuteilwerden. Niemand würde heroische Geschichten über sie verbreiten, die den Angehörigen ein wenig Trost gespendet hätten. Alles, was an sie erinnern würde, war ein kleiner Grabstein auf einem leeren Grab.
»Wir nähern uns dem Treffpunkt.« Die Stimme des Mannes an der Spitze klang leicht verzerrt in Riveras Ohr. »Etwa zehn Meter.«
Die geordnete Reihe löste sich im Dschungel auf, und die Männer verteilten sich um ein kleines Stück Land, das erst vor Kurzem durch einen Blitzeinschlag verbrannt war. Rivera spähte zwischen den Blättern hindurch auf die verkohlten Bäume und erkannte schließlich den groß gewachsenen Ugander, der allein in der Asche stand. Er rührte sich nicht - nur sein Kopf zuckte bei jedem Geräusch, so als wäre da immer noch ein Rest von Elektrizität, die in kleinen Stromstößen aus der verbrannten Erde kam.
»Jetzt«, sprach Rivera in sein Mikrofon.
Er hatte es hundertmal im Training miterlebt, aber es machte ihn immer wieder stolz zu sehen, wie seine Männer aus dem Dschungel auftauchten. Auf neutralem Boden konnten sie es mit jedem Gegner aufnehmen, selbst mit dem britischen SAS, der israelischen Schajetet 13 oder der Armee des Teufels, wenn es sein musste.
Der Mann auf der Lichtung stieß einen überraschten Laut aus, dann riss er den Arm hoch, um sein Gesicht zu bedecken. »Nehmt eure Nachtsichtbrillen ab!« Er sprach Englisch mit starkem Akzent. »So war es ausgemacht.«
»Warum?«, erwiderte Rivera, nahm aber seine Brille ab und bedeutete seinen Männern, es ebenso zu machen. Es war eine etwas seltsame Bedingung, aber sie hatten es tatsächlich so vereinbart.
»Ihr dürft mein Gesicht nicht sehen«, antwortete der Mann. »Bahame kann durch deine Augen sehen. Er kann Gedanken lesen.«
»Dann kennen Sie ihn also?«, fragte Rivera.
Der Ugander war nur noch als schattenhafte Gestalt zu erkennen, doch man sah deutlich, wie er die Schultern hängen ließ, als er antwortete. »Er hat mich als Kind von zu Hause weggeholt. Ich habe viele Jahre in seiner Armee gekämpft. Ich habe Dinge getan, die man gar nicht aussprechen kann.«
»Aber Sie sind entkommen.«
»Ja. Ich habe eine Familie verfolgt, die in den Dschungel flüchtete, als wir ihr Dorf angriffen. Ich habe ihnen aber nichts getan, sondern bin einfach nur gelaufen. Tagelang.«
»Sie haben unseren Leuten gesagt, Sie wüssten, wo man ihn findet.«
Er antwortete nicht, deshalb holte Rivera einen Beutel voll Euroscheine aus seinem Rucksack und hielt ihn dem Mann hin. Der Ugander nahm das Geld, sagte aber immer noch nichts. Er starrte auf den Nylonbeutel in seinen Händen hinunter.
»Ich habe sechs Kinder. Eines - mein Sohn - ist sehr krank.«
»Mit dem Geld können Sie ihm helfen.«
»Ja.«
Er hielt ihm ein Blatt Papier hin, und Rivera nahm es entgegen. Er hielt die Nachtsichtbrille vor die Augen, um die handgezeichnete Karte zu begutachten. Es war beeindruckend, wie detailliert sie war; die Karte schien mehr oder weniger den Satellitenfotos von dem Gebiet zu entsprechen.
»Ich habe meinen Teil getan«, sagte der Ugander.
Rivera nickte und wandte sich zum Gehen, doch der Mann hielt ihn an der Schulter zurück.
»Lauft weg«, riet er. »Sagt dem Mann, der euch hergeschickt hat, dass ihr ihn nicht finden könnt.«
»Warum sollten wir das tun?«
»Er führt eine Armee von Dämonen an. Nichts kann ihnen Angst machen. Man kann sie auch nicht töten. Manche sagen sogar, dass sie fliegen können.«
Rivera schüttelte die Hand des Mannes ab und verschwand im dichten Dschungel.
Die Armee des Teufels.
Kapitel zwei
VOR DER OSTKÜSTE AFRIKAS
12. November, 04:12 Uhr GMT+3
»Sie müssen verstehen, Admiral, es ist gerade die zerstörerische Herrschaft von Idi Amin, die Uganda heute zu so einem leuchtenden Vorbild macht. Wir haben enorme Anstrengungen unternommen - wirtschaftlich, politisch, in der Krankheitsbekämpfung. Aber die Welt will es nicht anerkennen. Sie will nicht einsehen, wie weit mein Land schon gekommen ist. Deshalb sind die Investoren sehr zurückhaltend, und Probleme tauchen wieder auf, die wir schon fast überwunden hatten.«
Der Zigarrenrauch stieg aus Charles Sembutus Mund auf - er rauchte ein Exemplar aus Admiral Jamison Kayes privatem Vorrat von Arturo-Fuente-Zigarren, während er seinen Vortrag über die moralische Verpflichtung der Welt gegenüber dem Land, das er regierte, hielt.
Kaye hörte mit ausdrucksloser Miene zu und ließ sich seine generelle Abneigung gegen Politiker nicht anmerken. Er war selbst in ärmlichen Verhältnissen auf einer Farm in Kentucky aufgewachsen, und seine Familie hatte auch in den schlimmsten Zeiten nie irgendeine Unterstützung erwartet. Sein Vater sagte immer, dass einen niemand wieder auf die Beine bringen könne. Entweder man stand allein wieder auf oder man blieb am Boden.
»Sie werden also verstehen, Admiral, warum es so wichtig ist, was wir hier tun. Und wie ernst die Lage ist.«
»Ja, Sir, Mr. President.«
Seine Frau ermahnte ihn oft, nicht so streng über Politiker zu urteilen, und sie hatte meistens recht. Aber nicht diesmal. Sembutu hatte die Macht in Uganda durch einen blutigen Umsturz an sich gerissen, bei dem nicht nur der frühere Präsident und seine Familie ermordet worden waren, sondern auch Tausende seiner Anhänger.
Es klopfte leise an der Tür, und der Admiral war froh, seinen Captain hereinkommen zu sehen.
»Gentlemen, wir haben die Livebilder auf den Monitoren. Wenn Sie mir bitte folgen.«
Die Kommandozentrale für diese Operation war in den Tiefen des Flugzeugträgers untergebracht - in einem engen Raum, der dazu da war, Ereignisse zu überwachen, über die keine Zeitung je berichten würde.
Die beiden Frauen, die die komplexen elektronischen Geräte bedienten, sprangen auf, als der Admiral und sein Gast eintraten, doch eine abwinkende Handbewegung ließ sie sogleich wieder an ihre Plätze zurückkehren.
»Das sind Bilder von Ihren Soldaten?« Sembutu zeigte auf die fünf Monitore. Grünlich leuchtend zog der Dschungel langsam auf dem Bildschirm vorbei.
»Jeder der Männer trägt eine Kamera an seiner Uniform, von der die Bilder via Satellit zu uns kommen«, erklärte Kaye.
Sembutu trat vor und las die Namen der Männer unter dem jeweiligen Monitor, während Kaye auf einem sicheren Telefon eine Nummer wählte.
Er hatte ein ziemlich ungutes Gefühl im Bauch, als es klingelte. Seiner Ansicht nach war Krieg so etwas wie der Normalzustand in Afrika - gelegentliche Perioden des Friedens waren eher die Ausnahme. Seine Jungs in eine Situation zu schicken, die sie nur teilweise kannten und die seiner Meinung nach Amerika auch gar nichts anging, erinnerte ihn verdammt stark an Somalia. Doch er hatte keine Wahl. Das war keine verrückte Operation, die sich irgendjemand in einem vergessenen Winkel des Pentagons ausgedacht hatte.
Das Telefon klickte, und die unverkennbare Stimme von Sam Adams Castilla war zu hören.
»Ja, Admiral?«
»Sie sind gelandet und unterwegs zu ihrem Ziel.« »Sind alle sicher gelandet?«
»Ja, Mr. President. Bis jetzt läuft alles nach Plan.«
Kapitel drei
NORDUGANDA
12. November, 06:09 Uhr GMT+3
Das Licht der Morgendämmerung sickerte allmählich durch das Blätterdach und vertrieb die Dunkelheit, die sich als sehr angenehm erwiesen hatte. Lieutenant Craig Rivera schlüpfte an dem Mann vor ihm vorbei; er wollte selbst die Führung übernehmen, bis die verwirrende Dämmerung schließlich dem Tag wich.
Der Tau auf den Blättern begann bereits zu verdunsten und erfüllte die Luft mit dieser drückenden Feuchtigkeit, die einem das Atmen schwer machte. Er stieg einen steilen felsigen Abhang hinauf, an dessen Spitze er sich in Bauchlage begab. Mehr als eine Minute lang suchte er das Gewirr von Blättern und Zweigen nach einer menschlichen Gestalt ab. Nichts. Nur das endlose Schimmern feuchter Blätter.
Er wollte schon weitergehen, als ihn ein Knacken in seinem Ohrhörer erstarren ließ, gefolgt von einer Stimme. »Behaltet den Himmel im Auge.«
Rivera drückte sich an einen dicken Baumstamm und blickte nach oben, während seine Hand zu seinem Kehlkopfmikro ging. »Was gibt's?«
»Bahame könnte jederzeit zuschlagen und Kugelblitze aus seinem Arsch abschießen.«
Das leise Kichern seiner Männer durchzog die Stille, und er ging weiter und überlegte, was er antworten sollte. »Funkdisziplin, Leute. Vergessen wir nicht, was mit den anderen passiert ist.«
Eine Einheit der Afrikanischen Union hatte vor sechs Monaten einen Hinweis auf Bahames Aufenthaltsort bekommen und die Verfolgung aufgenommen. Eine Audioaufnahme war alles, was noch von ihnen übrig war.
Rivera würde es seinen Männern nie erzählen, aber das ruhige Geplauder am Lagerfeuer, die plötzlichen Schüsse und automatisches Gewehrfeuer, die Schreie der Angreifer, die nichts Menschliches an sich hatten, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und schließlich der brutale Kampf Mann gegen Mann, das Stöhnen, das Röcheln der Sterbenden.
Seine Leute hatten den Vorfall als etwas abgetan, was ihnen selbst nie passieren hätte können. Diese Truppen der Afrikanischen Union - waren das nicht die Typen, die einen Stoffpudel als Maskottchen hatten? Jede Pfadfindergruppe sei schlagkräftiger, meinten sie abschätzig.
Als Teamführer hatte Rivera jedoch die Akten der toten Soldaten gesehen. Das waren keine Politessen aus dem Kongo, wie einer seiner Männer nach ein paar Bieren gescherzt hatte.
Rivera reckte eine Faust in die Höhe und duckte sich, während er sein AK-47 zwischen den Bäumen auf einen braunen Fleck richtete, der in dem grünen Meer auftauchte. Hinter sich hörte er nichts, doch er wusste, dass seine Männer bereits ausschwärmten und in Verteidigungsposition gingen.
Er kroch langsam vorwärts und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen und keine Blätter über sich zu bewegen. Fünf Minuten und zwanzig Meter später lichtete sich der Wald und sie hatten den Rand eines kleinen Dorfes erreicht.
Die Strohwand der Hütte vor ihm war so ziemlich das Einzige, was nicht verbrannt war - und das schloss die Dorfbewohner mit ein. Es war schwer zu sagen, wie viele verkohlte Leichen neben den Überresten eines Fußballtors aufgestapelt waren, aber vierzig waren es bestimmt. Offenbar waren sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt. Sie waren auf Bahames Territorium angekommen.
Hinter sich hörte er ein leises Stöhnen und etwas, das so klang als würde ein Körper auf die weiche Erde fallen. Er stieß einen leisen Fluch hervor und eilte zu dem Geräusch zurück, den Finger am Abzug seiner Waffe.
»Sorry, Boss. Ich hab sie auch erst im letzten Moment gesehen.«
Die Frau kauerte sich gegen einen Baum, die Hände in erstarrter Panik gehoben. Ihre Augen sprangen hin und her, als seine Männer aus dem Buschwerk auftauchten.
»Was glaubt ihr, wer sie ist?«, fragte einer von ihnen leise.
»Da vorne ist ein Dorf«, antwortete Rivera. »Oder zumindest war da eins. Bahame war hier. Sie muss ihm entwischt sein. Wahrscheinlich lebt sie schon ein paar Tage allein hier draußen.«
Sie hatte eine klaffende Wunde am Arm, die offensichtlich infiziert war, und ihr Fußknöchel war nach rechts verdreht, die Knochen drückten gegen die Haut, ohne sie jedoch ganz zu durchstoßen. Rivera versuchte ihr Alter zu schätzen, doch da waren zu viele widersprüchliche Merkmale; ihre Haut sah aus wie ein alter Reifen, sie hatte kräftige drahtige Arme und gerade weiße Zähne. Er musste sich eingestehen, dass er in Wahrheit gar nichts über sie wusste und auch nie etwas wissen würde.
»Was machen wir mit ihr?«, fragte einer seiner Männer. »Sprechen Sie Englisch?«, fragte Rivera langsam und deutlich.
Sie begann in ihrer Muttersprache zu reden, und die Männer erschraken angesichts ihrer lauten Stimme. Rivera drückte ihr eine Hand auf den Mund und hob einen Finger an die Lippen. »Sprechen Sie ein bisschen Englisch?«, wiederholte er.
Als er die Hand wegnahm, sprach sie leiser, aber immer noch in ihrer Sprache.
»Was meinst du, Boss?«
Rivera trat einen Schritt zurück, und ein paar salzige Schweißtropfen liefen ihm über die Oberlippe und in den Mund. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er wollte die Kommandozentrale anrufen, aber er wusste, was Admiral Kaye sagen würde - dass er nicht selbst vor Ort war. Dass er das nicht entscheiden könne.
»Sie ist keine Anhängerin von Bahame - nach dem, was er mit ihrem Dorf gemacht hat.«
»Ja«, stimmte einer seiner Männer zu. »Aber die Leute haben Angst vor ihm und wollen ihn nicht ärgern. Sie halten ihn für einen Zauberer.«
»Also, was meint ihr?«, fragte Rivera.
»Wenn wir sie laufen lassen - woher sollen wir wissen, dass sie nicht redet? Verdammt, wir können ihr ja nicht einmal sagen, dass sie nichts von uns erzählen soll.«
Er hatte recht. Was hatte ihr Kontaktmann gesagt? Dass Bahame durch die Augen der Leute sehen konnte? Legenden hatten ihre Wurzeln meistens in der Realität. Vielleicht hatten die Menschen solche Angst vor ihm, dass sogar diejenigen, die ihn hassten, ihm alles erzählten, damit er sie in Ruhe ließ.
»Wir könnten sie an den Baum fesseln und knebeln«, schlug ein anderer vor.
Was sie hier machten, war Wahnsinn. Sie standen schutzlos herum und vergeudeten wertvolle Zeit.
»Boss, das können wir nicht machen. Sie würde verdursten oder ein wildes Tier würde sie sich holen.«
Der Mann, der direkt hinter ihr stand, zog sein Messer. »Sie wird sowieso nicht überleben, ganz allein. Wir würden ihr einen Gefallen tun.«
Rivera stand wie versteinert da - viel zu lange für einen Teamführer. Unentschlossenheit zu zeigen war in seiner Position nicht unbedingt ratsam. Die logische Reaktion war immer, es so zu machen, wie man es in der Ausbildung gelernt hatte - aber die ganze Ausbildung half einem wenig, wenn man in einer solchen Situation war, wenn man ganz real vor der Frage stand, ob man das Leben einer unschuldigen Frau beenden sollte, nur weil es die Sache vielleicht vereinfacht hätte.
»Wir gehen weiter«, beschloss er und schlug einen Weg ein, der um das ausgebrannte Dorf herumführte. Er würde ohnehin schon genug zu erklären haben, im unwahrscheinlichen Fall, dass er eines Tages vor der Himmelstür stehen würde. Einen Mord an einer wehrlosen Frau wollte er nicht auch noch auf seiner Liste haben.
...
Übersetzung: Norbert Jakober
Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Die Umgebung schien sich in der dröhnenden Dunkelheit aufzulösen. Craig Rivera fragte sich, ob Astronauten auch eine so umfassende Leere erlebten, ob sie so wie er jetzt das Gefühl hatten, nicht weit davon entfernt zu sein, Gott zu sehen.
Er blickte auf das schwache grüne Leuchten des Zifferblatts an seinem Handgelenk. Die Buchstaben waren kyrillisch, aber die Ziffern, die seine Höhe und die Koordinaten anzeigten, waren so, wie er es von seiner Trainingsausrüstung gewohnt war.
Rivera neigte sich leicht in Richtung Norden, während er in freiem Fall die Fünfzehntausend-Fuß-Marke passierte. Ein Hauch feuchter Wärme begann die Haut rund um seine Sauerstoffmaske auftauen zu lassen, und unter ihm wurde die Dunkelheit von vereinzelten schwachen Lichtpunkten durchbrochen.
Lagerfeuer.
Als die GPS-Anzeige bestätigte, dass er sich genau über der Landezone befand, drehte er sich einen Moment lang auf den Rücken und blickte zum Sternenhimmel hinauf, doch die Umrisse des Flugzeugs, aus dem er abgesprungen war, waren nicht mehr auszumachen.
Sie waren allein. Das wenigstens hatte man ihm ganz klar gesagt.
Er wusste nur wenig über das Land, in das er mit 200 km/h hinabstürzte, und noch weniger über den Mann, den sie finden sollten. Caleb Bahame war ein Terrorist und ein grausamer Mörder, über den sich die Leute so furchtbare Geschichten erzählten, dass man nur schwer sagen konnte, ob die Informationen über ihn der Wahrheit entsprachen oder reine Schauermärchen waren. Einige der Geschichten waren jedoch zweifellos wahr. Dass er seinen Männern befahl, kleinen Kindern die Glieder mit heißen Macheten abzuhacken, war durch Fotos belegt. Genauso wie das qualvolle Sterben der Kinder an ihren verbrannten Wunden.
Bilder wie diese ließen Rivera an der Vollkommenheit Gottes zweifeln. Hielt er wohl seine schützende Hand über diese Mission gegen Bahame?
Nicht dass solche philosophischen Fragen irgendeinen Einfluss gehabt hätten auf das, was sich Rivera vorgenommen hatte. Er würde herausfinden, ob dieser Bahame bei all seiner zerstörerischen Energie auch imstande war, Kugeln aufzuhalten, die auf ihn abgefeuert wurden. Für diesen Test würde er mehrere Magazine verfeuern.
Er sah erneut auf den Höhenmesser und drehte sich auf den Bauch. Durch seine Sprungbrille blickte er auf das Blätterdach des Dschungels hinunter. Einige Sekunden später wurde das Leuchten der Ziffern rot; er öffnete den Fallschirm und stürzte auf eine Lichtung zu, die er noch nicht sehen konnte, von der die Geheimdienstleute jedoch geschworen hatten, dass sie da war.
Er war nur noch etwas mehr als hundert Fuß über der Erde, als er seine Landezone erblickte und darauf zusteuerte. In dem Sekundenbruchteil, als er festen Boden unter den Füßen spürte, rollte er sich mit einer fließenden Bewegung ab, die er immer wieder trainiert hatte. Er schnappte seinen Fallschirm und lief zwischen die schützenden Bäume, dann warf er seine Ausrüstung auf den Boden und holte Nachtsichtbrille und Gewehr heraus.
Das etwas abgenutzte AK-47 fühlte sich ein wenig fremd in seinen Händen an, als er es von links nach rechts schwenkte und lauschte, wie seine Leute in Abständen von dreißig Sekunden landeten. Als der Vierte unten war, aktivierte er sein Kehlkopfmikrofon.
»Alles okay bei euch?«
Bei solchen Sprüngen blieb immer ein gewisses Restrisiko, deshalb spürte er, wie sich seine Anspannung ein wenig löste, als sich alle unverletzt meldeten.
Rivera schlich lautlos durch den Dschungel, das Dröhnen des Windes war dem Summen der Insekten und dem Kreischen der tropischen Vögel gewichen. Sie hatten diese Gegend ausgewählt, weil das unwegsame Gelände eine Besiedelung unmöglich machte. Vielleicht würden sie ihre Wahl verfluchen, dachte er, wenn sie erst einmal dreißig Kilometer marschiert waren, aber im Moment zählte vor allem die Tatsache, dass niemand sie mit glühenden Macheten verfolgte.
Seine Leute reihten sich in exakt bemessenen Abständen hintereinander ein, dann ging es los in Richtung Norden. Rivera marschierte hinter einem kleinen drahtigen Mann, der einen schwarzen Pullover mit abgeschnittenen Ärmeln trug, aus dem die grün bemalten Arme herausragten. Er schwenkte sein israelisches Maschinengewehr ständig hin und her, während er über das Gelände glitt, auf dem ein gewöhnlicher Mann hilflos von einem Baum zum nächsten gestolpert wäre. Doch er war kein gewöhnlicher Mann. Das war keiner von ihnen.
Ihre Ausrüstung und Kleidung war ein Mosaik von Bestandteilen aus aller Welt. Keiner von ihnen hatte Tätowierungen oder andere Kennzeichen, an denen sie sich identifizieren ließen - ja sogar ihre Zahnfüllungen waren so verändert worden, dass man ihre Herkunft nicht mehr bestimmen konnte. Sollten sie in Gefangenschaft geraten oder getötet werden, so würde ihnen kein Ruhm zuteilwerden. Niemand würde heroische Geschichten über sie verbreiten, die den Angehörigen ein wenig Trost gespendet hätten. Alles, was an sie erinnern würde, war ein kleiner Grabstein auf einem leeren Grab.
»Wir nähern uns dem Treffpunkt.« Die Stimme des Mannes an der Spitze klang leicht verzerrt in Riveras Ohr. »Etwa zehn Meter.«
Die geordnete Reihe löste sich im Dschungel auf, und die Männer verteilten sich um ein kleines Stück Land, das erst vor Kurzem durch einen Blitzeinschlag verbrannt war. Rivera spähte zwischen den Blättern hindurch auf die verkohlten Bäume und erkannte schließlich den groß gewachsenen Ugander, der allein in der Asche stand. Er rührte sich nicht - nur sein Kopf zuckte bei jedem Geräusch, so als wäre da immer noch ein Rest von Elektrizität, die in kleinen Stromstößen aus der verbrannten Erde kam.
»Jetzt«, sprach Rivera in sein Mikrofon.
Er hatte es hundertmal im Training miterlebt, aber es machte ihn immer wieder stolz zu sehen, wie seine Männer aus dem Dschungel auftauchten. Auf neutralem Boden konnten sie es mit jedem Gegner aufnehmen, selbst mit dem britischen SAS, der israelischen Schajetet 13 oder der Armee des Teufels, wenn es sein musste.
Der Mann auf der Lichtung stieß einen überraschten Laut aus, dann riss er den Arm hoch, um sein Gesicht zu bedecken. »Nehmt eure Nachtsichtbrillen ab!« Er sprach Englisch mit starkem Akzent. »So war es ausgemacht.«
»Warum?«, erwiderte Rivera, nahm aber seine Brille ab und bedeutete seinen Männern, es ebenso zu machen. Es war eine etwas seltsame Bedingung, aber sie hatten es tatsächlich so vereinbart.
»Ihr dürft mein Gesicht nicht sehen«, antwortete der Mann. »Bahame kann durch deine Augen sehen. Er kann Gedanken lesen.«
»Dann kennen Sie ihn also?«, fragte Rivera.
Der Ugander war nur noch als schattenhafte Gestalt zu erkennen, doch man sah deutlich, wie er die Schultern hängen ließ, als er antwortete. »Er hat mich als Kind von zu Hause weggeholt. Ich habe viele Jahre in seiner Armee gekämpft. Ich habe Dinge getan, die man gar nicht aussprechen kann.«
»Aber Sie sind entkommen.«
»Ja. Ich habe eine Familie verfolgt, die in den Dschungel flüchtete, als wir ihr Dorf angriffen. Ich habe ihnen aber nichts getan, sondern bin einfach nur gelaufen. Tagelang.«
»Sie haben unseren Leuten gesagt, Sie wüssten, wo man ihn findet.«
Er antwortete nicht, deshalb holte Rivera einen Beutel voll Euroscheine aus seinem Rucksack und hielt ihn dem Mann hin. Der Ugander nahm das Geld, sagte aber immer noch nichts. Er starrte auf den Nylonbeutel in seinen Händen hinunter.
»Ich habe sechs Kinder. Eines - mein Sohn - ist sehr krank.«
»Mit dem Geld können Sie ihm helfen.«
»Ja.«
Er hielt ihm ein Blatt Papier hin, und Rivera nahm es entgegen. Er hielt die Nachtsichtbrille vor die Augen, um die handgezeichnete Karte zu begutachten. Es war beeindruckend, wie detailliert sie war; die Karte schien mehr oder weniger den Satellitenfotos von dem Gebiet zu entsprechen.
»Ich habe meinen Teil getan«, sagte der Ugander.
Rivera nickte und wandte sich zum Gehen, doch der Mann hielt ihn an der Schulter zurück.
»Lauft weg«, riet er. »Sagt dem Mann, der euch hergeschickt hat, dass ihr ihn nicht finden könnt.«
»Warum sollten wir das tun?«
»Er führt eine Armee von Dämonen an. Nichts kann ihnen Angst machen. Man kann sie auch nicht töten. Manche sagen sogar, dass sie fliegen können.«
Rivera schüttelte die Hand des Mannes ab und verschwand im dichten Dschungel.
Die Armee des Teufels.
Kapitel zwei
VOR DER OSTKÜSTE AFRIKAS
12. November, 04:12 Uhr GMT+3
»Sie müssen verstehen, Admiral, es ist gerade die zerstörerische Herrschaft von Idi Amin, die Uganda heute zu so einem leuchtenden Vorbild macht. Wir haben enorme Anstrengungen unternommen - wirtschaftlich, politisch, in der Krankheitsbekämpfung. Aber die Welt will es nicht anerkennen. Sie will nicht einsehen, wie weit mein Land schon gekommen ist. Deshalb sind die Investoren sehr zurückhaltend, und Probleme tauchen wieder auf, die wir schon fast überwunden hatten.«
Der Zigarrenrauch stieg aus Charles Sembutus Mund auf - er rauchte ein Exemplar aus Admiral Jamison Kayes privatem Vorrat von Arturo-Fuente-Zigarren, während er seinen Vortrag über die moralische Verpflichtung der Welt gegenüber dem Land, das er regierte, hielt.
Kaye hörte mit ausdrucksloser Miene zu und ließ sich seine generelle Abneigung gegen Politiker nicht anmerken. Er war selbst in ärmlichen Verhältnissen auf einer Farm in Kentucky aufgewachsen, und seine Familie hatte auch in den schlimmsten Zeiten nie irgendeine Unterstützung erwartet. Sein Vater sagte immer, dass einen niemand wieder auf die Beine bringen könne. Entweder man stand allein wieder auf oder man blieb am Boden.
»Sie werden also verstehen, Admiral, warum es so wichtig ist, was wir hier tun. Und wie ernst die Lage ist.«
»Ja, Sir, Mr. President.«
Seine Frau ermahnte ihn oft, nicht so streng über Politiker zu urteilen, und sie hatte meistens recht. Aber nicht diesmal. Sembutu hatte die Macht in Uganda durch einen blutigen Umsturz an sich gerissen, bei dem nicht nur der frühere Präsident und seine Familie ermordet worden waren, sondern auch Tausende seiner Anhänger.
Es klopfte leise an der Tür, und der Admiral war froh, seinen Captain hereinkommen zu sehen.
»Gentlemen, wir haben die Livebilder auf den Monitoren. Wenn Sie mir bitte folgen.«
Die Kommandozentrale für diese Operation war in den Tiefen des Flugzeugträgers untergebracht - in einem engen Raum, der dazu da war, Ereignisse zu überwachen, über die keine Zeitung je berichten würde.
Die beiden Frauen, die die komplexen elektronischen Geräte bedienten, sprangen auf, als der Admiral und sein Gast eintraten, doch eine abwinkende Handbewegung ließ sie sogleich wieder an ihre Plätze zurückkehren.
»Das sind Bilder von Ihren Soldaten?« Sembutu zeigte auf die fünf Monitore. Grünlich leuchtend zog der Dschungel langsam auf dem Bildschirm vorbei.
»Jeder der Männer trägt eine Kamera an seiner Uniform, von der die Bilder via Satellit zu uns kommen«, erklärte Kaye.
Sembutu trat vor und las die Namen der Männer unter dem jeweiligen Monitor, während Kaye auf einem sicheren Telefon eine Nummer wählte.
Er hatte ein ziemlich ungutes Gefühl im Bauch, als es klingelte. Seiner Ansicht nach war Krieg so etwas wie der Normalzustand in Afrika - gelegentliche Perioden des Friedens waren eher die Ausnahme. Seine Jungs in eine Situation zu schicken, die sie nur teilweise kannten und die seiner Meinung nach Amerika auch gar nichts anging, erinnerte ihn verdammt stark an Somalia. Doch er hatte keine Wahl. Das war keine verrückte Operation, die sich irgendjemand in einem vergessenen Winkel des Pentagons ausgedacht hatte.
Das Telefon klickte, und die unverkennbare Stimme von Sam Adams Castilla war zu hören.
»Ja, Admiral?«
»Sie sind gelandet und unterwegs zu ihrem Ziel.« »Sind alle sicher gelandet?«
»Ja, Mr. President. Bis jetzt läuft alles nach Plan.«
Kapitel drei
NORDUGANDA
12. November, 06:09 Uhr GMT+3
Das Licht der Morgendämmerung sickerte allmählich durch das Blätterdach und vertrieb die Dunkelheit, die sich als sehr angenehm erwiesen hatte. Lieutenant Craig Rivera schlüpfte an dem Mann vor ihm vorbei; er wollte selbst die Führung übernehmen, bis die verwirrende Dämmerung schließlich dem Tag wich.
Der Tau auf den Blättern begann bereits zu verdunsten und erfüllte die Luft mit dieser drückenden Feuchtigkeit, die einem das Atmen schwer machte. Er stieg einen steilen felsigen Abhang hinauf, an dessen Spitze er sich in Bauchlage begab. Mehr als eine Minute lang suchte er das Gewirr von Blättern und Zweigen nach einer menschlichen Gestalt ab. Nichts. Nur das endlose Schimmern feuchter Blätter.
Er wollte schon weitergehen, als ihn ein Knacken in seinem Ohrhörer erstarren ließ, gefolgt von einer Stimme. »Behaltet den Himmel im Auge.«
Rivera drückte sich an einen dicken Baumstamm und blickte nach oben, während seine Hand zu seinem Kehlkopfmikro ging. »Was gibt's?«
»Bahame könnte jederzeit zuschlagen und Kugelblitze aus seinem Arsch abschießen.«
Das leise Kichern seiner Männer durchzog die Stille, und er ging weiter und überlegte, was er antworten sollte. »Funkdisziplin, Leute. Vergessen wir nicht, was mit den anderen passiert ist.«
Eine Einheit der Afrikanischen Union hatte vor sechs Monaten einen Hinweis auf Bahames Aufenthaltsort bekommen und die Verfolgung aufgenommen. Eine Audioaufnahme war alles, was noch von ihnen übrig war.
Rivera würde es seinen Männern nie erzählen, aber das ruhige Geplauder am Lagerfeuer, die plötzlichen Schüsse und automatisches Gewehrfeuer, die Schreie der Angreifer, die nichts Menschliches an sich hatten, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und schließlich der brutale Kampf Mann gegen Mann, das Stöhnen, das Röcheln der Sterbenden.
Seine Leute hatten den Vorfall als etwas abgetan, was ihnen selbst nie passieren hätte können. Diese Truppen der Afrikanischen Union - waren das nicht die Typen, die einen Stoffpudel als Maskottchen hatten? Jede Pfadfindergruppe sei schlagkräftiger, meinten sie abschätzig.
Als Teamführer hatte Rivera jedoch die Akten der toten Soldaten gesehen. Das waren keine Politessen aus dem Kongo, wie einer seiner Männer nach ein paar Bieren gescherzt hatte.
Rivera reckte eine Faust in die Höhe und duckte sich, während er sein AK-47 zwischen den Bäumen auf einen braunen Fleck richtete, der in dem grünen Meer auftauchte. Hinter sich hörte er nichts, doch er wusste, dass seine Männer bereits ausschwärmten und in Verteidigungsposition gingen.
Er kroch langsam vorwärts und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen und keine Blätter über sich zu bewegen. Fünf Minuten und zwanzig Meter später lichtete sich der Wald und sie hatten den Rand eines kleinen Dorfes erreicht.
Die Strohwand der Hütte vor ihm war so ziemlich das Einzige, was nicht verbrannt war - und das schloss die Dorfbewohner mit ein. Es war schwer zu sagen, wie viele verkohlte Leichen neben den Überresten eines Fußballtors aufgestapelt waren, aber vierzig waren es bestimmt. Offenbar waren sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt. Sie waren auf Bahames Territorium angekommen.
Hinter sich hörte er ein leises Stöhnen und etwas, das so klang als würde ein Körper auf die weiche Erde fallen. Er stieß einen leisen Fluch hervor und eilte zu dem Geräusch zurück, den Finger am Abzug seiner Waffe.
»Sorry, Boss. Ich hab sie auch erst im letzten Moment gesehen.«
Die Frau kauerte sich gegen einen Baum, die Hände in erstarrter Panik gehoben. Ihre Augen sprangen hin und her, als seine Männer aus dem Buschwerk auftauchten.
»Was glaubt ihr, wer sie ist?«, fragte einer von ihnen leise.
»Da vorne ist ein Dorf«, antwortete Rivera. »Oder zumindest war da eins. Bahame war hier. Sie muss ihm entwischt sein. Wahrscheinlich lebt sie schon ein paar Tage allein hier draußen.«
Sie hatte eine klaffende Wunde am Arm, die offensichtlich infiziert war, und ihr Fußknöchel war nach rechts verdreht, die Knochen drückten gegen die Haut, ohne sie jedoch ganz zu durchstoßen. Rivera versuchte ihr Alter zu schätzen, doch da waren zu viele widersprüchliche Merkmale; ihre Haut sah aus wie ein alter Reifen, sie hatte kräftige drahtige Arme und gerade weiße Zähne. Er musste sich eingestehen, dass er in Wahrheit gar nichts über sie wusste und auch nie etwas wissen würde.
»Was machen wir mit ihr?«, fragte einer seiner Männer. »Sprechen Sie Englisch?«, fragte Rivera langsam und deutlich.
Sie begann in ihrer Muttersprache zu reden, und die Männer erschraken angesichts ihrer lauten Stimme. Rivera drückte ihr eine Hand auf den Mund und hob einen Finger an die Lippen. »Sprechen Sie ein bisschen Englisch?«, wiederholte er.
Als er die Hand wegnahm, sprach sie leiser, aber immer noch in ihrer Sprache.
»Was meinst du, Boss?«
Rivera trat einen Schritt zurück, und ein paar salzige Schweißtropfen liefen ihm über die Oberlippe und in den Mund. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er wollte die Kommandozentrale anrufen, aber er wusste, was Admiral Kaye sagen würde - dass er nicht selbst vor Ort war. Dass er das nicht entscheiden könne.
»Sie ist keine Anhängerin von Bahame - nach dem, was er mit ihrem Dorf gemacht hat.«
»Ja«, stimmte einer seiner Männer zu. »Aber die Leute haben Angst vor ihm und wollen ihn nicht ärgern. Sie halten ihn für einen Zauberer.«
»Also, was meint ihr?«, fragte Rivera.
»Wenn wir sie laufen lassen - woher sollen wir wissen, dass sie nicht redet? Verdammt, wir können ihr ja nicht einmal sagen, dass sie nichts von uns erzählen soll.«
Er hatte recht. Was hatte ihr Kontaktmann gesagt? Dass Bahame durch die Augen der Leute sehen konnte? Legenden hatten ihre Wurzeln meistens in der Realität. Vielleicht hatten die Menschen solche Angst vor ihm, dass sogar diejenigen, die ihn hassten, ihm alles erzählten, damit er sie in Ruhe ließ.
»Wir könnten sie an den Baum fesseln und knebeln«, schlug ein anderer vor.
Was sie hier machten, war Wahnsinn. Sie standen schutzlos herum und vergeudeten wertvolle Zeit.
»Boss, das können wir nicht machen. Sie würde verdursten oder ein wildes Tier würde sie sich holen.«
Der Mann, der direkt hinter ihr stand, zog sein Messer. »Sie wird sowieso nicht überleben, ganz allein. Wir würden ihr einen Gefallen tun.«
Rivera stand wie versteinert da - viel zu lange für einen Teamführer. Unentschlossenheit zu zeigen war in seiner Position nicht unbedingt ratsam. Die logische Reaktion war immer, es so zu machen, wie man es in der Ausbildung gelernt hatte - aber die ganze Ausbildung half einem wenig, wenn man in einer solchen Situation war, wenn man ganz real vor der Frage stand, ob man das Leben einer unschuldigen Frau beenden sollte, nur weil es die Sache vielleicht vereinfacht hätte.
»Wir gehen weiter«, beschloss er und schlug einen Weg ein, der um das ausgebrannte Dorf herumführte. Er würde ohnehin schon genug zu erklären haben, im unwahrscheinlichen Fall, dass er eines Tages vor der Himmelstür stehen würde. Einen Mord an einer wehrlosen Frau wollte er nicht auch noch auf seiner Liste haben.
...
Übersetzung: Norbert Jakober
Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Robert Ludlum, Kyle Mills
Ludlum, RobertRobert Ludlum erreichte mit seinen Romanen, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden, weltweit eine Auflage von über 300 Millionen Exemplaren. Robert Ludlum verstarb im März 2001. Die Romane aus seinem Nachlass erscheinen bei Heyne.
Mills, Kyle
Kyle Mills, Jahrgang 1966, lebt in Jackson Hole, Wyoming, wo er sich neben dem Schreiben von Thrillern dem Skifahren und Bergsteigen widmet. In den USA ist Kyle Mills mit seinen Romanen regelmässig in den Bestsellerlisten zu finden und gilt neben Tom Clancy, Frederick Forsyth oder David Baldacci als Erneuerer des intelligenten Politthrillers.Besuchen Sie Kyle Mills im Internet unter www.kylemills.com
Bibliographische Angaben
- Autoren: Robert Ludlum , Kyle Mills
- 2012, 543 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Jakober, Norbert
- Übersetzer: Norbert Jakober
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453811429
- ISBN-13: 9783453811423
- Erscheinungsdatum: 12.12.2011
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