Dead / Alex Cross Bd.13
Roman. Deutsche Erstausgabe
Washington D.C.: Die ganze Stadt ist schockiert und fasziniert zugleich - von einem Serienmörder, der seine Taten spektakulär in Szene setzt. Zur selben Zeit plant ein Inhaftierter im Hochsicherheitsgefängnis in Colorado einen...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Dead / Alex Cross Bd.13 “
Washington D.C.: Die ganze Stadt ist schockiert und fasziniert zugleich - von einem Serienmörder, der seine Taten spektakulär in Szene setzt. Zur selben Zeit plant ein Inhaftierter im Hochsicherheitsgefängnis in Colorado einen medienwirksamen Ausbruch. Beide Psychopathen haben eines gemeinsam: sie haben den Profiler Alex Cross im Visier. Mit ihm spielen Sie ein eiskaltes und abgebrühtes Katz-und-Maus-Spiel. Sie halten sich für diabolischer als andere Mörder. Und sie sind sich ihrer Sache sehr sicher. Vielleicht sogar zu sicher.
Klappentext zu „Dead / Alex Cross Bd.13 “
Auge um Auge, Blut für Blut ...Zwei kaltblütige Psychopathen, ein Ziel: Alex Cross muss sterben! Der 13. Fall für den weltberühmten Profiler Alex Cross.
Washington D.C. ist geschockt und fasziniert von einem Mörder, der seine Taten spektakulär und mit grösstmöglichem Publikum in Szene setzt. In Colorado plant ein anderes kriminelles Superhirn in einem Hochsicherheitsgefängnis seine triumphale Rückkehr in die Freiheit. Beide Psychopathen haben einen Mann im Fadenkreuz: den Profiler Alex Cross. Sie spielen ein Katz-und-Maus-Spiel, eiskalt, rachsüchtig, medienwirksam. Sie halten sich für diabolischer, als alle anderen Massenmörder je zuvor. Und sie sind sich ihrer Sache sehr sicher. Zu sicher?
Ein diabolischer Thriller mit höchstem Blutgerinnungsfaktor - noch nie hat Patterson die Spannung gnadenloser auf die Spitze getrieben!
Lese-Probe zu „Dead / Alex Cross Bd.13 “
"Dead" von James PattersonRoman
Aus dem Amerikanischen
von Leo Strohm
Prolog
1 Bei der förmlichen Urteilsverkündung in Alexandria, Virginia, wegen elffachen Mordes bekam der
ehemalige FBI-Agent und Serienmörder Kyle Craig, genannt das Superhirn, von der US-Bezirksrichterin Nina Wolff eine herablassende Gardinenpredigt
zu hören. So fasste er zumindest die richterliche Schelte auf:
als eindeutige persönliche Kränkung, die er sich sehr zu Herzen nahm.
»Mr Craig, Sie sind in jeder nur denkbaren Hinsicht das bösartigste menschliche Wesen, das mir in diesem Gerichtssaal je
gegenübergestanden hat, und ich habe schon etliche abscheuliche Charaktere …«
Craig unterbrach sie. »Ganz herzlichen Dank, Frau Richterin. Ich fühle mich von Ihren freundlichen und, dessen bin ich
mir gewiss, wohl bedachten Worten geehrt. Wer wäre nicht erfreut, der Beste zu sein? Fahren Sie fort, bitte. Das ist Musik
in meinen Ohren.« Die Richterin Wolff nickte bedächtig, dann fuhr sie fort, als
hätte Craig kein Wort gesagt. »Als Wiedergutmachung für die unaussprechlichen Morde
und die vielen Misshandlungen, die Sie begangen haben, verurteile ich Sie hiermit zum Tode. Die Zeit bis zum Vollzug
der Strafe werden Sie in einem Hochsicherheitsgefängnis zubringen. Dort müssen Sie auf sämtliche normalen zwischenmenschlichen Kontakte verzichten. Sie werden niemals wieder
die Sonne sehen. Schafft ihn mir aus den Augen!«
»Sehr dramatisch«, rief Kyle Craig der Richterin Wolff zu,
während er aus dem Gerichtssaal geführt wurde. »Aber Sie irren
sich gewaltig. Sie haben sich soeben selbst zum Tod verurteilt.
Ich werde die Sonne sehr wohl wieder sehen, und dann
werde ich Sie sehen, Frau Richterin Wolff. Darauf können
Sie
... mehr
Gift nehmen. Ich werde auch Alex Cross wieder sehen.
Mit Sicherheit werde ich Alex Cross wieder sehen. Und seine
reizende Familie. Ich gebe Ihnen mein Wort, mein feierliches
Versprechen vor dieser versammelten Zeugenschar, diesem
jämmerlichen Publikum aus sensationslüsternen Gaffern und
Pressehyänen und allen anderen, die mich heute mit ihrer Anwesenheit beehren. Kyle Craig wird euch keine Ruhe lassen.«
Im Auditorium, inmitten der »sensationslüsternen Gaffer
und Pressehyänen«, saß auch Alex Cross. Er hörte die leeren Drohungen seines einstigen Freundes. Er konnte nur hoffen, dass das Hochsicherheitsgefängnis in Florence wirklich so
sicher war, wie es angeblich sein sollte.
2 Auf den Tag genau vier Jahre später saß, oder besser ausgedrückt,
schmorte Kyle Craig noch immer im Hochsicherheitsgefängnis in
Florence, Colorado, rund hundertsechzig Kilometer von Denver
entfernt. Während der ganzen Zeit hatte er die Sonne kein
einziges Mal gesehen. Er hatte so gut wie keine menschlichen
Kontakte gehabt. Seine Wut wurde größer, trieb Blüten, und
das war, wenn man es sich recht überlegte, eine fürchterliche
Vorstellung.
Zu seinen Mitgefangenen gehörten unter anderem der »Unabomber« Ted Kaczynski, der Drahtzieher des Bombenattentats
von Oklahoma City, Terry Nichols, sowie die Al-Kaida-Terroristen Richard Reid und Zacarias Moussaoui. Auch sie hatten
in letzter Zeit nicht viel Sonnencreme gebraucht. Die Gefangenen waren dreiundzwanzig Stunden am Tag in schalldichten,
zwei mal vier Meter großen Betonzellen eingesperrt, vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten, sieht man von ihren
Rechtsanwälten und den Wachen ab. Irgendjemand hatte die
Erfahrung der Einsamkeit im Hochsicherheitsgefängnis von
Florence einmal als ein »tagtägliches Sterben« bezeichnet.
Sogar Kyle musste zugeben, dass die Flucht aus Florence
eine beängstigende Herausforderung und vielleicht sogar unmöglich war. Um die Wahrheit zu sagen: Noch nie war sie
einem Insassen geglückt, noch nicht einmal ansatzweise. Und
doch konnte man hoffen, man konnte träumen, man konnte
tüfteln und gelegentlich ein wenig die Fantasie bemühen. Man
konnte auf jeden Fall eine kleine Revanche planen.
Sein Fall war derzeit im Revisionsverfahren, und er bekam
einmal in der Woche Besuch von Mason Wainwright, seinem
Anwalt aus Denver. Auch heute kam er wieder pünktlich um
16 Uhr, so wie jedes Mal.
Mason Wainwright trug einen langen, silbergrauen Pferdeschwanz, abgewetzte schwarze Cowboystiefel und einen keck
in den Nacken geschobenen Cowboyhut, dazu eine Wildlederjacke, einen Gürtel aus Schlangenleder sowie eine große Hornbrille, die ihn wie einen gebildeten Country-and-Western-Sänger oder aber wie einen College-Professor mit einer Schwäche
für Country and Western aussehen ließ, je nachdem. Für einen
Rechtsanwalt war er wirklich eine ziemlich merkwürdige Erscheinung, aber Kyle Craig eilte der Ruf der Genialität voraus,
und so wurde seine Entscheidung für Wainwright von niemandem ernsthaft in Frage gestellt.
Craig und Wainwright umarmten sich zur Begrüßung. Wie
jedes Mal flüsterte Kyle dabei dem Rechtsanwalt ins Ohr:
»Hier drin sind keine Videoaufnahmen gestattet, richtig? Diese
Vorschrift ist immer noch in Kraft? Sind Sie sicher, Mr Wainwright?«
»Keine Videoaufnahmen«, erwiderte Wainwright. »Selbst
hier in diesem erbärmlichen Höllenloch gilt das Anwaltsgeheimnis. Ich bedaure, dass ich nicht mehr für Sie tun kann. Ich
möchte mich wirklich aufrichtig dafür entschuldigen. Sie wissen, was ich für Sie empfinde.«
»Ihre Loyalität steht für mich außer Frage, Mason.«
Im Anschluss an die Umarmung setzten sich Craig und der
Rechtsanwalt einander an einen grauen Metalltisch, der fest im
Betonboden verankert war, gegenüber. Auch die Stühle standen unverrückbar.
Jetzt richtete Kyle acht gezielte Fragen an den Anwalt, immer
dieselben Fragen, Woche für Woche. Er stellte sie in schneller
Folge, ohne seinem Rechtsbeistand Zeit für eine Antwort zu
lassen. Dieser saß in respektvollem Schweigen da.
»Truman Capote, der große Tröster aller eingekerkerten
Massenmörder, hat einmal gesagt, dass er sich vor zwei Dingen und nur vor diesen beiden Dingen fürchtet. Also was ist
schlimmer, verraten oder verlassen zu werden?«, begann Kyle
Craig, um sofort zur nächsten Frage überzugehen.
»Wann haben Sie sich zum allerersten Mal gezwungen, nicht
zu weinen, und wie alt waren Sie da?«
Und dann: »Verraten Sie mir mal, Herr Rechtsanwalt, wie
lange dauert es im Durchschnitt, bis ein Ertrinkender das Bewusstsein verliert?
Was mich neugierig macht: Finden Morde eigentlich überwiegend im Inneren oder im Freien statt?
Warum gilt Lachen bei Beerdigungen als anstößig, während
man bei Hochzeiten ungestraft weinen darf?
Kann man eine Hand auch dann noch klatschen hören, wenn
man alles Fleisch von ihr entfernt hat?
Auf wie viele Arten kann man eine Katze häuten, wenn man
will, dass sie während der ganzen Prozedur am Leben bleibt?
Und, ach ja, was machen eigentlich meine Boston Red
Sox?«
Dann herrschte Schweigen zwischen Kyle und dem Rechtsanwalt. Gelegentlich stellte der verurteilte Mörder noch ein
paar weiterführende Fragen – irgendwelche Einzelheiten über
die Red Sox zum Beispiel oder die New York Yankees, die er
abgrundtief hasste, oder über irgendeinen interessanten Killer, der draußen gerade am Werk war und von dem ihm sein
Rechtsanwalt berichtet hatte.
Bevor Mason Wainwright den Raum verließ, folgte noch
eine zweite Umarmung.
Den Mund an Kyles Wange gelegt, flüsterte der Rechtsanwalt: »Es ist alles bereit. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. In Washington, D.C., werden bedeutende Dinge geschehen, schon bald. Die Rache ist nahe. Wir rechnen mit einem
großen Publikum. Alles dir zu Ehren.«
Kyle Craig nahm diese Neuigkeiten wortlos zur Kenntnis,
doch er legte die beiden Zeigefinger zusammen und drückte
sie fest an den Schädel des Rechtsanwaltes. Sehr fest drückte
er zu und hinterließ einen eindeutigen Abdruck, der ohne Umwege direkt in Mason Wainwrights Gehirn übertragen wurde.
Die beiden Zeigefinger hatten ein Kreuz geformt.
Erster Teil
Die ganze Welt
ist eine Bühne
1 Washington, D.C.
In der ersten Geschichte, einem
Thriller, geht es um einen irakischen Soldaten und eine Krimiautorin. Der Soldat beobachtete ein zwölfstöckiges Gebäude
mit Luxusapartments, er dachte: So leben also die Reichen und
Berühmten. Im besten Fall bescheuert und auf jeden Fall sehr
gefährlich. Dann ging er Punkt für Punkt seine Liste durch und überprüfte, wie er in das Gebäude eindringen konnte.
Der Dienstboteneingang auf der Rückseite des luxuriösen
Apartmenthauses namens Riverwalk wurde von den Bewohnern praktisch gar nicht benutzt, nicht einmal von ihren trägen
Lakaien. Er lag deutlich abgeschiedener als der Haupteingang
oder die Tiefgarage und war auch deutlich verwundbarer.
Eine einzige, verstärkte Tür ohne zusätzliche, von außen erkennbare Sicherungsmaßnahmen. Der Türrahmen war rundherum mit einem Alarmdraht versehen.
Jeder Versuch eines gewaltsamen Eindringens würde gleichzeitig Alarm in der Riverwalk-Zentrale und bei einem nur
wenige Querstraßen entfernt angesiedelten, privaten Sicherheitsdienst auslösen.
Fest montierte Kameras überwachten bei Tag sämtliche Lieferungen und andere Aktivitäten.
Nach 19 Uhr war die Benutzung des Eingangs verboten.
Dann wurden auch die Bewegungsmelder scharf geschaltet.
Der Soldat war überzeugt, dass all das ihm keine Probleme
bereiten würde. Im Gegenteil, es brachte ihm sogar eher einen
Vorteil.
Yousef Qasim hatte zwölf Jahre lang als Captain des irakischen Geheimdienstes unter Saddam Hussein gedient. Er
besaß einen siebten Sinn für alles, was mit der Illusion der
Sicherheit zusammenhing. Qasim konnte erkennen, was die
Amerikaner nicht erkannten, dass sie nämlich durch ihre Technologie-Verliebtheit selbstgefällig und für Gefahren blind wurden. Der beste Weg ins Riverwalk war gleichzeitig auch der
einfachste.
Die Antwort lag im Müll. Qasim wusste, dass er regelmäßig
jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag nach draußen gestellt wurde. Die amerikanische Effizienz, die hierzulande so hoch geschätzt wurde, war ebenfalls eine der großen
Schwächen des Luxusgebäudes.
Effizienz bedeutet Vorhersehbarkeit.
Vorhersehbarkeit bedeutet Schwäche.
2 Wie auf Kommando wurde um 16.34 Uhr die Tür des Dienstboteneingangs von innen geöffnet.
Ein groß gewachsener, schwarzer
Lakai in einem fleckigen, grünen Overall und mit einem silberfarbenen Afro machte eine Kette, die an der Innenseite der Tür
befestigt war, an einem Wandhaken außerhalb fest. Der mit
Müllbeuteln aus Plastik voll geladene Rollwagen war zu breit
und passte nicht durch die Tür.
Mit trägen Bewegungen schleppte der Mann immer zwei
Säcke gleichzeitig zu zwei Müllcontainern am hinteren Ende
einer überdachten Laderampe.
Dieser Mann ist immer noch ein Sklave der Weißen, dachte
Qasim. Schau ihn dir an – dieses erbärmliche Schlurfen, der
gesenkte Blick. Er weiß es selbst. Er hasst seinen Job, und er
hasst die widerlichen Leute im Riverwalk.
Qasim schaute genau zu und zählte. Zwölf Schritte von der
Tür bis zum Container, neun Sekunden, um die Müllsäcke hineinzuwerfen, dann wieder zurück.
Beim dritten Mal schlüpfte Qasim im Rücken des Mannes
unbemerkt ins Haus. Falls sich die Kamera durch seine Mütze
und den grünen Overall nicht täuschen ließ, dann war das
nicht weiter schlimm. Bis irgendjemand sich aufmachen und
die Sicherheitslücke genauer untersuchen würde, war er längst
wieder über alle Berge.
Ohne Mühe entdeckte er die spärlich beleuchtete Hintertreppe. Vorsichtig erklomm Qasim den ersten Absatz, dann
nahm er die nächsten drei im Laufschritt. Durch das Laufen
wurde das aufgestaute Adrenalin freigesetzt, und das war gut
so, damit er sich wieder ganz unter Kontrolle hatte.
Auf dem Absatz im vierten Stock befand sich ein leer stehender Putzmittelschrank. Dort verstaute er den mitgebrachten
Kleidersack und lief bis in den zwölften Stock hinauf.
Keine dreieinhalb Minuten nach dem Betreten des Luxushauses stand er vor der Eingangstür zum Apartment 12F. Er
suchte den richtigen Standort in Relation zum Türspion. Sein
Finger schwebte über dem weißen, in den gestrichenen Backstein eingelassenen Klingelknopf.
Dabei beließ er es. Heute klingelte er nicht.
Lautlos machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das
Haus auf dem Weg, auf dem er auch hereingekommen war.
Wenige Minuten später stand er draußen auf der belebten Connecticut Avenue.
Die Probe war ziemlich gut gelaufen. Er hatte keine entscheidenden Schwachstellen bemerkt und keine Überraschungen
erlebt. Jetzt ließ sich Qasim im feierabendlichen Fußgängerstrom dahintreiben. In dieser Herde war er nicht zu erkennen,
unsichtbar, genau wie es sein musste.
Er empfand keine Ungeduld, was die Hinrichtung im zwölften Stock anging. Zeit spielte für ihn keine Rolle. Die Vorbereitung, der richtige Zeitpunkt, der Abschluss, der Erfolg: Das
waren die Dinge, auf die es ankam.
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, dann wäre
Yousef Qasim bereit, seine Rolle zu spielen.
Ein Amerikaner nach dem anderen käme dran.
3 Ich war schon seit einer ganzen
Weile nicht mehr bei der Polizei.
Und bis jetzt hatte ich damit auch
keine Probleme.
Ich lehnte mit dem Rücken an der Küchentür, nippte an
einem Becher mit Nanas Kaffee und überlegte, ob es womöglich an unserem Wasser lag, jedenfalls war klar: Meine drei
Kinder wurden viel zu schnell groß. Im Handumdrehen sozusagen. Entweder kann man den Gedanken, dass die Kinder
irgendwann das Haus verlassen, nicht ertragen, oder man kann
es nicht erwarten. Ich gehörte eindeutig und entschieden zum
ersten Lager.
Mein Jüngster, Alex junior – Ali – kam demnächst in die Vorschule. Er war außerdem ein ziemlich gerissenes Kerlchen, der
eigentlich nie den Mund hielt, es sei denn, man wollte wirklich etwas von ihm wissen. Zu seinen Leidenschaften gehörten
derzeit Tiersendungen, das Baseball-Team der Washington Nationals, die Michael-Jordan-Biographie Salt in His Shoes und
alles, was irgendwie mit dem Weltall zu tun hatte, darunter
auch eine sehr merkwürdige Fernsehserie mit dem Titel Gigantor und einer noch merkwürdigeren Titelmelodie, die ich einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Meine knapp dreizehnjährige Tochter Jannie hatte angefangen, ihrem dünnen Mädchenkörper die ersten zarten Rundungen hinzuzufügen. Sie war unsere Künstlerin und Schauspielerin und belegte Kurse im Rahmen eines von der Stadt
Washington geförderten Malprojektes.
Und schließlich Damon, der gerade die Marke von einem
Meter fünfundachtzig erreicht hatte und sich auf die Highschool freute. Bis jetzt hatte er noch nicht angefangen, irgend
welche Schreie, Brülllaute oder Flüche von sich zu geben, er
schien seine Umgebung überhaupt etwas rücksichtsvoller zu
behandeln als seine Altersgenossen. Damon wurde sogar von
einigen »Prep-Schools« – Privatschulen mit besonders anspruchsvollen Lehrplänen – umworben. Besonders hartnäckig
machte sich eine Schule aus Massachusetts bemerkbar.
Auch bei mir befand sich vieles im Umbruch. Meine psychotherapeutische Privatpraxis lief recht gut. Zum ersten Mal seit
Jahren stand ich ganz offiziell nicht mehr im Dienst der Strafverfolgungsbehörden. Ich gehörte nicht mehr dazu.
Nun ja, zumindest fast nicht. Es gab da eine gewisse Brianna
Stone in meinem Leben, Detective Brianna Stone, auch bekannt als »der Felsblock«, wenn man sich mit ihren Kollegen
und Untergebenen aus dem Morddezernat über sie unterhielt.
Bree und ich hatten uns auf der Abschiedsfeier eines gemeinsamen Bekannten kennen gelernt, eines Polizisten, der sich in
den Ruhestand verabschiedet hatte. Die erste halbe Stunde an
jenem Abend haben wir über unsere Arbeit geredet und die
nächsten paar Stunden dann über uns – zum Teil auch über
sehr merkwürdige Dinge wie ihren Schlagzyklus als Paddlerin
eines Drachenboot-Teams. Am Ende des Abends musste ich
eigentlich gar nichts mehr sagen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann war wahrscheinlich sie diejenige, die etwas gesagt
hat. Dann führte eines zum anderen, und ich ging an diesem
Abend mit Bree nach Hause. Wir haben nie wieder einen Gedanken daran verschwendet, wie es dazu gekommen ist. Na ja,
ich glaube, dass Bree mich an jenem Abend gefragt hat, ob ich
noch mit zu ihr komme.
Bree hatte sich absolut im Griff, sie besaß eine enorme
Stärke, die ausschließlich positiv und in keiner Weise negativ
war. Dazu kam, dass sie einen ganz natürlichen Zugang zu den
Kindern zu haben schien. Sie waren verrückt nach ihr. Gerade
eben jagte sie Ali im Olympiasiegertempo durch das Erdgeschoss unseres Hauses in der Fifth Street und brüllte, als wäre
sie tatsächlich der Kinder verschlingende Alien, der sie vorgab
zu sein, während Ali sie mit einem Star-Wars-Laserschwert in
Schach hielt. »Dieses Schwert kann mir nichts anhaben«, rief
sie. »Gleich spürst du den Geschmack des Teppichs auf deinen Lippen!«
Bree und ich hielten uns an diesem Morgen nicht allzu lange
in der Fifth Street auf. Um ehrlich zu sein … wären wir länger
dort geblieben, ich hätte mich höchstwahrscheinlich gezwungen gesehen, sie nach oben zu locken, um ihr meine nicht existierende Briefmarkensammlung zu zeigen oder vielleicht mein
Laserschwert.
Zum ersten Mal, seit wir zusammen waren, hatten wir es
geschafft, unsere Dienstpläne so zu gestalten, dass wir ein paar
Tage gemeinsam wegfahren konnten. Ich ging zur Haustür
hinaus und sang dabei laut die letzten Zeilen von Stevie Wonders allererstem Hit »Fingertips Part 2«: »Good-bye, goodbye. Good-bye, good-bye. Good-bye, good-bye, good-bye.«
Ich kannte den ganzen Text auswendig, eine meiner herausragenden Begabungen.
Ich zwinkerte Bree zu und kniff sie in die Wange. »Man
sollte sie immer mit einem Lachen zurücklassen«, sagte ich.
»Oder zumindest verwirrt«, erwiderte sie und zwinkerte
ebenfalls.
Unser Ziel, der Catoctin Mountain Park in Maryland, befindet sich im Osten der Appalachen, nicht allzu weit von
Washington entfernt … und auch nicht zu dicht daran.
Mit Sicherheit werde ich Alex Cross wieder sehen. Und seine
reizende Familie. Ich gebe Ihnen mein Wort, mein feierliches
Versprechen vor dieser versammelten Zeugenschar, diesem
jämmerlichen Publikum aus sensationslüsternen Gaffern und
Pressehyänen und allen anderen, die mich heute mit ihrer Anwesenheit beehren. Kyle Craig wird euch keine Ruhe lassen.«
Im Auditorium, inmitten der »sensationslüsternen Gaffer
und Pressehyänen«, saß auch Alex Cross. Er hörte die leeren Drohungen seines einstigen Freundes. Er konnte nur hoffen, dass das Hochsicherheitsgefängnis in Florence wirklich so
sicher war, wie es angeblich sein sollte.
2 Auf den Tag genau vier Jahre später saß, oder besser ausgedrückt,
schmorte Kyle Craig noch immer im Hochsicherheitsgefängnis in
Florence, Colorado, rund hundertsechzig Kilometer von Denver
entfernt. Während der ganzen Zeit hatte er die Sonne kein
einziges Mal gesehen. Er hatte so gut wie keine menschlichen
Kontakte gehabt. Seine Wut wurde größer, trieb Blüten, und
das war, wenn man es sich recht überlegte, eine fürchterliche
Vorstellung.
Zu seinen Mitgefangenen gehörten unter anderem der »Unabomber« Ted Kaczynski, der Drahtzieher des Bombenattentats
von Oklahoma City, Terry Nichols, sowie die Al-Kaida-Terroristen Richard Reid und Zacarias Moussaoui. Auch sie hatten
in letzter Zeit nicht viel Sonnencreme gebraucht. Die Gefangenen waren dreiundzwanzig Stunden am Tag in schalldichten,
zwei mal vier Meter großen Betonzellen eingesperrt, vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten, sieht man von ihren
Rechtsanwälten und den Wachen ab. Irgendjemand hatte die
Erfahrung der Einsamkeit im Hochsicherheitsgefängnis von
Florence einmal als ein »tagtägliches Sterben« bezeichnet.
Sogar Kyle musste zugeben, dass die Flucht aus Florence
eine beängstigende Herausforderung und vielleicht sogar unmöglich war. Um die Wahrheit zu sagen: Noch nie war sie
einem Insassen geglückt, noch nicht einmal ansatzweise. Und
doch konnte man hoffen, man konnte träumen, man konnte
tüfteln und gelegentlich ein wenig die Fantasie bemühen. Man
konnte auf jeden Fall eine kleine Revanche planen.
Sein Fall war derzeit im Revisionsverfahren, und er bekam
einmal in der Woche Besuch von Mason Wainwright, seinem
Anwalt aus Denver. Auch heute kam er wieder pünktlich um
16 Uhr, so wie jedes Mal.
Mason Wainwright trug einen langen, silbergrauen Pferdeschwanz, abgewetzte schwarze Cowboystiefel und einen keck
in den Nacken geschobenen Cowboyhut, dazu eine Wildlederjacke, einen Gürtel aus Schlangenleder sowie eine große Hornbrille, die ihn wie einen gebildeten Country-and-Western-Sänger oder aber wie einen College-Professor mit einer Schwäche
für Country and Western aussehen ließ, je nachdem. Für einen
Rechtsanwalt war er wirklich eine ziemlich merkwürdige Erscheinung, aber Kyle Craig eilte der Ruf der Genialität voraus,
und so wurde seine Entscheidung für Wainwright von niemandem ernsthaft in Frage gestellt.
Craig und Wainwright umarmten sich zur Begrüßung. Wie
jedes Mal flüsterte Kyle dabei dem Rechtsanwalt ins Ohr:
»Hier drin sind keine Videoaufnahmen gestattet, richtig? Diese
Vorschrift ist immer noch in Kraft? Sind Sie sicher, Mr Wainwright?«
»Keine Videoaufnahmen«, erwiderte Wainwright. »Selbst
hier in diesem erbärmlichen Höllenloch gilt das Anwaltsgeheimnis. Ich bedaure, dass ich nicht mehr für Sie tun kann. Ich
möchte mich wirklich aufrichtig dafür entschuldigen. Sie wissen, was ich für Sie empfinde.«
»Ihre Loyalität steht für mich außer Frage, Mason.«
Im Anschluss an die Umarmung setzten sich Craig und der
Rechtsanwalt einander an einen grauen Metalltisch, der fest im
Betonboden verankert war, gegenüber. Auch die Stühle standen unverrückbar.
Jetzt richtete Kyle acht gezielte Fragen an den Anwalt, immer
dieselben Fragen, Woche für Woche. Er stellte sie in schneller
Folge, ohne seinem Rechtsbeistand Zeit für eine Antwort zu
lassen. Dieser saß in respektvollem Schweigen da.
»Truman Capote, der große Tröster aller eingekerkerten
Massenmörder, hat einmal gesagt, dass er sich vor zwei Dingen und nur vor diesen beiden Dingen fürchtet. Also was ist
schlimmer, verraten oder verlassen zu werden?«, begann Kyle
Craig, um sofort zur nächsten Frage überzugehen.
»Wann haben Sie sich zum allerersten Mal gezwungen, nicht
zu weinen, und wie alt waren Sie da?«
Und dann: »Verraten Sie mir mal, Herr Rechtsanwalt, wie
lange dauert es im Durchschnitt, bis ein Ertrinkender das Bewusstsein verliert?
Was mich neugierig macht: Finden Morde eigentlich überwiegend im Inneren oder im Freien statt?
Warum gilt Lachen bei Beerdigungen als anstößig, während
man bei Hochzeiten ungestraft weinen darf?
Kann man eine Hand auch dann noch klatschen hören, wenn
man alles Fleisch von ihr entfernt hat?
Auf wie viele Arten kann man eine Katze häuten, wenn man
will, dass sie während der ganzen Prozedur am Leben bleibt?
Und, ach ja, was machen eigentlich meine Boston Red
Sox?«
Dann herrschte Schweigen zwischen Kyle und dem Rechtsanwalt. Gelegentlich stellte der verurteilte Mörder noch ein
paar weiterführende Fragen – irgendwelche Einzelheiten über
die Red Sox zum Beispiel oder die New York Yankees, die er
abgrundtief hasste, oder über irgendeinen interessanten Killer, der draußen gerade am Werk war und von dem ihm sein
Rechtsanwalt berichtet hatte.
Bevor Mason Wainwright den Raum verließ, folgte noch
eine zweite Umarmung.
Den Mund an Kyles Wange gelegt, flüsterte der Rechtsanwalt: »Es ist alles bereit. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. In Washington, D.C., werden bedeutende Dinge geschehen, schon bald. Die Rache ist nahe. Wir rechnen mit einem
großen Publikum. Alles dir zu Ehren.«
Kyle Craig nahm diese Neuigkeiten wortlos zur Kenntnis,
doch er legte die beiden Zeigefinger zusammen und drückte
sie fest an den Schädel des Rechtsanwaltes. Sehr fest drückte
er zu und hinterließ einen eindeutigen Abdruck, der ohne Umwege direkt in Mason Wainwrights Gehirn übertragen wurde.
Die beiden Zeigefinger hatten ein Kreuz geformt.
Erster Teil
Die ganze Welt
ist eine Bühne
1 Washington, D.C.
In der ersten Geschichte, einem
Thriller, geht es um einen irakischen Soldaten und eine Krimiautorin. Der Soldat beobachtete ein zwölfstöckiges Gebäude
mit Luxusapartments, er dachte: So leben also die Reichen und
Berühmten. Im besten Fall bescheuert und auf jeden Fall sehr
gefährlich. Dann ging er Punkt für Punkt seine Liste durch und überprüfte, wie er in das Gebäude eindringen konnte.
Der Dienstboteneingang auf der Rückseite des luxuriösen
Apartmenthauses namens Riverwalk wurde von den Bewohnern praktisch gar nicht benutzt, nicht einmal von ihren trägen
Lakaien. Er lag deutlich abgeschiedener als der Haupteingang
oder die Tiefgarage und war auch deutlich verwundbarer.
Eine einzige, verstärkte Tür ohne zusätzliche, von außen erkennbare Sicherungsmaßnahmen. Der Türrahmen war rundherum mit einem Alarmdraht versehen.
Jeder Versuch eines gewaltsamen Eindringens würde gleichzeitig Alarm in der Riverwalk-Zentrale und bei einem nur
wenige Querstraßen entfernt angesiedelten, privaten Sicherheitsdienst auslösen.
Fest montierte Kameras überwachten bei Tag sämtliche Lieferungen und andere Aktivitäten.
Nach 19 Uhr war die Benutzung des Eingangs verboten.
Dann wurden auch die Bewegungsmelder scharf geschaltet.
Der Soldat war überzeugt, dass all das ihm keine Probleme
bereiten würde. Im Gegenteil, es brachte ihm sogar eher einen
Vorteil.
Yousef Qasim hatte zwölf Jahre lang als Captain des irakischen Geheimdienstes unter Saddam Hussein gedient. Er
besaß einen siebten Sinn für alles, was mit der Illusion der
Sicherheit zusammenhing. Qasim konnte erkennen, was die
Amerikaner nicht erkannten, dass sie nämlich durch ihre Technologie-Verliebtheit selbstgefällig und für Gefahren blind wurden. Der beste Weg ins Riverwalk war gleichzeitig auch der
einfachste.
Die Antwort lag im Müll. Qasim wusste, dass er regelmäßig
jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag nach draußen gestellt wurde. Die amerikanische Effizienz, die hierzulande so hoch geschätzt wurde, war ebenfalls eine der großen
Schwächen des Luxusgebäudes.
Effizienz bedeutet Vorhersehbarkeit.
Vorhersehbarkeit bedeutet Schwäche.
2 Wie auf Kommando wurde um 16.34 Uhr die Tür des Dienstboteneingangs von innen geöffnet.
Ein groß gewachsener, schwarzer
Lakai in einem fleckigen, grünen Overall und mit einem silberfarbenen Afro machte eine Kette, die an der Innenseite der Tür
befestigt war, an einem Wandhaken außerhalb fest. Der mit
Müllbeuteln aus Plastik voll geladene Rollwagen war zu breit
und passte nicht durch die Tür.
Mit trägen Bewegungen schleppte der Mann immer zwei
Säcke gleichzeitig zu zwei Müllcontainern am hinteren Ende
einer überdachten Laderampe.
Dieser Mann ist immer noch ein Sklave der Weißen, dachte
Qasim. Schau ihn dir an – dieses erbärmliche Schlurfen, der
gesenkte Blick. Er weiß es selbst. Er hasst seinen Job, und er
hasst die widerlichen Leute im Riverwalk.
Qasim schaute genau zu und zählte. Zwölf Schritte von der
Tür bis zum Container, neun Sekunden, um die Müllsäcke hineinzuwerfen, dann wieder zurück.
Beim dritten Mal schlüpfte Qasim im Rücken des Mannes
unbemerkt ins Haus. Falls sich die Kamera durch seine Mütze
und den grünen Overall nicht täuschen ließ, dann war das
nicht weiter schlimm. Bis irgendjemand sich aufmachen und
die Sicherheitslücke genauer untersuchen würde, war er längst
wieder über alle Berge.
Ohne Mühe entdeckte er die spärlich beleuchtete Hintertreppe. Vorsichtig erklomm Qasim den ersten Absatz, dann
nahm er die nächsten drei im Laufschritt. Durch das Laufen
wurde das aufgestaute Adrenalin freigesetzt, und das war gut
so, damit er sich wieder ganz unter Kontrolle hatte.
Auf dem Absatz im vierten Stock befand sich ein leer stehender Putzmittelschrank. Dort verstaute er den mitgebrachten
Kleidersack und lief bis in den zwölften Stock hinauf.
Keine dreieinhalb Minuten nach dem Betreten des Luxushauses stand er vor der Eingangstür zum Apartment 12F. Er
suchte den richtigen Standort in Relation zum Türspion. Sein
Finger schwebte über dem weißen, in den gestrichenen Backstein eingelassenen Klingelknopf.
Dabei beließ er es. Heute klingelte er nicht.
Lautlos machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das
Haus auf dem Weg, auf dem er auch hereingekommen war.
Wenige Minuten später stand er draußen auf der belebten Connecticut Avenue.
Die Probe war ziemlich gut gelaufen. Er hatte keine entscheidenden Schwachstellen bemerkt und keine Überraschungen
erlebt. Jetzt ließ sich Qasim im feierabendlichen Fußgängerstrom dahintreiben. In dieser Herde war er nicht zu erkennen,
unsichtbar, genau wie es sein musste.
Er empfand keine Ungeduld, was die Hinrichtung im zwölften Stock anging. Zeit spielte für ihn keine Rolle. Die Vorbereitung, der richtige Zeitpunkt, der Abschluss, der Erfolg: Das
waren die Dinge, auf die es ankam.
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, dann wäre
Yousef Qasim bereit, seine Rolle zu spielen.
Ein Amerikaner nach dem anderen käme dran.
3 Ich war schon seit einer ganzen
Weile nicht mehr bei der Polizei.
Und bis jetzt hatte ich damit auch
keine Probleme.
Ich lehnte mit dem Rücken an der Küchentür, nippte an
einem Becher mit Nanas Kaffee und überlegte, ob es womöglich an unserem Wasser lag, jedenfalls war klar: Meine drei
Kinder wurden viel zu schnell groß. Im Handumdrehen sozusagen. Entweder kann man den Gedanken, dass die Kinder
irgendwann das Haus verlassen, nicht ertragen, oder man kann
es nicht erwarten. Ich gehörte eindeutig und entschieden zum
ersten Lager.
Mein Jüngster, Alex junior – Ali – kam demnächst in die Vorschule. Er war außerdem ein ziemlich gerissenes Kerlchen, der
eigentlich nie den Mund hielt, es sei denn, man wollte wirklich etwas von ihm wissen. Zu seinen Leidenschaften gehörten
derzeit Tiersendungen, das Baseball-Team der Washington Nationals, die Michael-Jordan-Biographie Salt in His Shoes und
alles, was irgendwie mit dem Weltall zu tun hatte, darunter
auch eine sehr merkwürdige Fernsehserie mit dem Titel Gigantor und einer noch merkwürdigeren Titelmelodie, die ich einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Meine knapp dreizehnjährige Tochter Jannie hatte angefangen, ihrem dünnen Mädchenkörper die ersten zarten Rundungen hinzuzufügen. Sie war unsere Künstlerin und Schauspielerin und belegte Kurse im Rahmen eines von der Stadt
Washington geförderten Malprojektes.
Und schließlich Damon, der gerade die Marke von einem
Meter fünfundachtzig erreicht hatte und sich auf die Highschool freute. Bis jetzt hatte er noch nicht angefangen, irgend
welche Schreie, Brülllaute oder Flüche von sich zu geben, er
schien seine Umgebung überhaupt etwas rücksichtsvoller zu
behandeln als seine Altersgenossen. Damon wurde sogar von
einigen »Prep-Schools« – Privatschulen mit besonders anspruchsvollen Lehrplänen – umworben. Besonders hartnäckig
machte sich eine Schule aus Massachusetts bemerkbar.
Auch bei mir befand sich vieles im Umbruch. Meine psychotherapeutische Privatpraxis lief recht gut. Zum ersten Mal seit
Jahren stand ich ganz offiziell nicht mehr im Dienst der Strafverfolgungsbehörden. Ich gehörte nicht mehr dazu.
Nun ja, zumindest fast nicht. Es gab da eine gewisse Brianna
Stone in meinem Leben, Detective Brianna Stone, auch bekannt als »der Felsblock«, wenn man sich mit ihren Kollegen
und Untergebenen aus dem Morddezernat über sie unterhielt.
Bree und ich hatten uns auf der Abschiedsfeier eines gemeinsamen Bekannten kennen gelernt, eines Polizisten, der sich in
den Ruhestand verabschiedet hatte. Die erste halbe Stunde an
jenem Abend haben wir über unsere Arbeit geredet und die
nächsten paar Stunden dann über uns – zum Teil auch über
sehr merkwürdige Dinge wie ihren Schlagzyklus als Paddlerin
eines Drachenboot-Teams. Am Ende des Abends musste ich
eigentlich gar nichts mehr sagen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann war wahrscheinlich sie diejenige, die etwas gesagt
hat. Dann führte eines zum anderen, und ich ging an diesem
Abend mit Bree nach Hause. Wir haben nie wieder einen Gedanken daran verschwendet, wie es dazu gekommen ist. Na ja,
ich glaube, dass Bree mich an jenem Abend gefragt hat, ob ich
noch mit zu ihr komme.
Bree hatte sich absolut im Griff, sie besaß eine enorme
Stärke, die ausschließlich positiv und in keiner Weise negativ
war. Dazu kam, dass sie einen ganz natürlichen Zugang zu den
Kindern zu haben schien. Sie waren verrückt nach ihr. Gerade
eben jagte sie Ali im Olympiasiegertempo durch das Erdgeschoss unseres Hauses in der Fifth Street und brüllte, als wäre
sie tatsächlich der Kinder verschlingende Alien, der sie vorgab
zu sein, während Ali sie mit einem Star-Wars-Laserschwert in
Schach hielt. »Dieses Schwert kann mir nichts anhaben«, rief
sie. »Gleich spürst du den Geschmack des Teppichs auf deinen Lippen!«
Bree und ich hielten uns an diesem Morgen nicht allzu lange
in der Fifth Street auf. Um ehrlich zu sein … wären wir länger
dort geblieben, ich hätte mich höchstwahrscheinlich gezwungen gesehen, sie nach oben zu locken, um ihr meine nicht existierende Briefmarkensammlung zu zeigen oder vielleicht mein
Laserschwert.
Zum ersten Mal, seit wir zusammen waren, hatten wir es
geschafft, unsere Dienstpläne so zu gestalten, dass wir ein paar
Tage gemeinsam wegfahren konnten. Ich ging zur Haustür
hinaus und sang dabei laut die letzten Zeilen von Stevie Wonders allererstem Hit »Fingertips Part 2«: »Good-bye, goodbye. Good-bye, good-bye. Good-bye, good-bye, good-bye.«
Ich kannte den ganzen Text auswendig, eine meiner herausragenden Begabungen.
Ich zwinkerte Bree zu und kniff sie in die Wange. »Man
sollte sie immer mit einem Lachen zurücklassen«, sagte ich.
»Oder zumindest verwirrt«, erwiderte sie und zwinkerte
ebenfalls.
Unser Ziel, der Catoctin Mountain Park in Maryland, befindet sich im Osten der Appalachen, nicht allzu weit von
Washington entfernt … und auch nicht zu dicht daran.
... weniger
Autoren-Porträt von James Patterson
James Patterson, geboren 1947, war Kreativdirektor bei einer grossen amerikanischen Werbeagentur. Seine Thriller um den Kriminalpsychologen Alex Cross machten ihn zu einem der erfolgreichsten Bestsellerautoren der Welt. Auch die Romane seiner packenden Thrillerserie um Detective Lindsay Boxer und den »Women's Murder Club« erreichen durchweg die Spitzenplätze der internationalen Bestsellerlisten. Regelmässig tut er sich für seine Bücher mit anderen namhaften Autoren oder Stars zusammen wie mit Dolly Parton für den »New York Times«-Nr.-1-Bestseller »Run, Rose, Run«. James Patterson lebt mit seiner Familie in Palm Beach und Westchester County, N.Y.
Bibliographische Angaben
- Autor: James Patterson
- 2009, Deutsche Erstausgabe, 381 Seiten, Masse: 12,2 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Leo Strohm
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442372046
- ISBN-13: 9783442372041
- Erscheinungsdatum: 20.04.2009
Rezension zu „Dead / Alex Cross Bd.13 “
"Spannung pur!"
Pressezitat
"James Patterson erfüllt alles, was ein Thriller-Liebhaber erwartet: Eiskalt, klar, kompromisslos erzählt!" Bild am Sonntag
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