Die Tochter des Webers
Roman. Deutsche Erstausgabe
Holland, 1580: Die junge Weberstochter Anna soll einen viel zu alten Witwer heiraten. Gemeinsam mit ihrer heimlichen Liebe, dem mittellosen Gärtner Jan, flieht sie nach England. Doch die neue Heimat empfängt sie nicht mit offenen Armen. Und dann stirbt auch noch Jan.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Tochter des Webers “
Holland, 1580: Die junge Weberstochter Anna soll einen viel zu alten Witwer heiraten. Gemeinsam mit ihrer heimlichen Liebe, dem mittellosen Gärtner Jan, flieht sie nach England. Doch die neue Heimat empfängt sie nicht mit offenen Armen. Und dann stirbt auch noch Jan.
Klappentext zu „Die Tochter des Webers “
Holland, 1580: Als die junge Weberstochter Anna erfährt, dass sie einen viel älteren Witwer heiraten soll, beschliesst sie, das Land zu verlassen. Gemeinsam mit ihrer heimlichen Liebe, dem mittellosen Gärtner Jan, gelingt die Flucht nach England. In der aufblühenden Tuchstadt Colchester hofft Anna ihr Glück zu finden. Doch die neue Heimat empfängt sie nicht mit offenen Armen: Hunger, harte Arbeit und das Misstrauen der Einheimischen machen den Neuanfang schwer. Als Jan auf tragische Weise stirbt, verliert Anna auch noch ihren einzigen Freund. Ganz auf sich allein gestellt, beginnt sie zu kämpfen - für ein selbstbestimmtes Leben und ihr ganz privates Glück.
Lese-Probe zu „Die Tochter des Webers “
Die Tochter des Webers von Elizabeth Jeffrey1. KAPITEL
Anna schlich über den Flur zu dem Raum gleich neben dem Hauseingang. Dort spähte sie durch einen Spalt in der Tür. Zwei Männer saßen drinnen am Tisch. Dass das Treffen in der besten Stube des Hauses stattfand, zeigte ihr, wie wichtig es sein musste. Einer der beiden war ihr Vater, ein hagerer, schwarz gekleideter Mann, der im Stehen andere Männer gewöhnlich überragte.
Ins Gespräch vertieft, strich er sich gelegentlich über den ordentlich gestutzten Bart, der grau schimmerte. Wachsam und ernst blickten Cornelis Fromenteels Augen unter den buschigen Brauen. Er betrachtete das Leben genau wie die Religion als ernste Angelegenheit. Anna erinnerte sich kaum, ihren Vater je lächeln gesehen zu haben. Gelacht hatte er noch nie. Der andere Mann war älter, mit einem geröteten Gesicht und einer Nase, die von seiner Vorliebe für Rotwein kündete.
Tatsächlich wurde der Pokal, der vor ihm stand, regelmäßig von seinem Gastgeber aus einem irdenen Krug nachgefüllt. Doch obwohl Cornelis Fromenteel die Pflichten der Gastfreundschaft ernst nahm, trank er selbst kaum etwas. Anna wusste, dass ihr Vater es nicht schätzte, die Kontrolle über seinen eisernen Willen zu verlieren. In diesem Augenblick hob der Besucher, Otto de Hane, den Pokal und nahm einen großen Schluck. Ein paar Tropfen Rotwein rannen an seinem Bart hinab und tropften auf die Halskrause, wo sie sich mit unzähligen anderen Flecken vereinten.
Unwillkürlich schauderte es Anna. Dieser Mann, ein zweifacher Witwer mit Töchtern, die älter waren als sie selbst, verhandelte da drinnen mit ihrem Vater über eine Heirat ihre Heirat. Und zu ihrem äußersten Entsetzen sah sie Cornelis Fromenteel zufrieden nicken. Nun hob er sogar seinen Pokal, um mit dem Gast auf den erfolgreichen
... mehr
Abschluss zu trinken!
Da hielt es Anna nicht länger an ihrem Beobachtungsplatz. Sie raffte die Röcke und lief den Flur entlang, ohne dass ihre weichen Schuhe auf den hübschen Fliesen ein Geräusch machten. Hinaus, nur hinaus in den ersten Sonnenschein des Vorfrühlingstages! Draußen legte der Gärtner gerade letzte Hand an die neuen, kunstvoll verschlungenen Knotenornamente aus Kräutern und Buchsbaum. Doch Anna schenkte ihm keine Beachtung, sondern eilte zu der Hecke, die einen alten, heruntergekommenen Weberschuppen vor den Augen der Hausbewohner verbarg. Hastig schlüpfte Anna in ihr Versteck. Dieser Schuppen war ihr Zufluchtsort. Niemand sonst kam hierher.
Obwohl Annas Vater mitunter davon sprach, den Schuppen abzureißen und an seiner Stelle Gemüse anzubauen, sobald der Knotengarten vollendet war. Und sobald er es sich leisten konnte.
Genau das war der springende Punkt: Cornelis Fromenteel lebte über seine Verhältnisse. Um die Stellung in der Gesellschaft einzunehmen, die er für angemessen hielt, benötigte man ein Vermögen. Aber genau dieses Vermögen nannte er nicht länger sein Eigen.
Das große Haus mit den Erkerfenstern, das etwas vor der Stadt lag, war viel zu groß für Cornelis, seine Frau Judith, ihr einziges Kind Anna und die Magd Bettris. Doch es war ein gutes Haus in einer standesgemäßen Lage, und Cornelis wollte es keinesfalls für ein bescheideneres Anwesen aufgeben. Leider entwickelten sich in diesem Jahr des Herrn 1580 die Geschäfte für den flämischen Tuchhändler nicht vorteilhaft. Billigere, aus England eingeführte Stoffe ließen die Preise sinken.
Einen Großteil davon fertigten Weber an, die während der Zeit der größten Glaubensverfolgungen vor zwanzig Jahren aus Flandern auf die Insel jenseits des Kanals geflohen waren. Cornelis, damals ein junger Mann, hatte keine Notwendigkeit gesehen, sein Vaterland zu verlassen. Bei aller Bedeutung seines Glaubens erlaubte er religiösen Angelegenheiten doch nie, den Geschäften im Weg zu stehen. Er hatte die Entscheidung, in Flandern zu bleiben, niemals bereut.
Nun jedoch hatten sich seine Geschicke zum Schlechteren gewendet: Vor Kurzem erst hatte er, um seinen Geschäften Aufwind zu verschaffen, Anteile an einem Schiff gekauft, das seine Tuche nach Portugal bringen sollte. Doch die Karavelle war im Golf von Biskaya gesunken und hatte nicht nur die gesamte Besatzung, sondern auch den Großteil seines Vermögens mit sich auf den Meeresgrund genommen. In seiner Bedrängnis kam dem Tuchhändler der einzige Vermögenswert in den Sinn, den er noch besaß: seine achtzehnjährige Tochter.
Selbstverständlich hätte er den Vorwurf weit von sich gewiesen, er verkaufe sie wie einen Ballen Stoff. Es ging ihm lediglich darum, Anna gut zu verheiraten das redete er sich jedenfalls ein. In dieser Lage traf es sich günstig, dass der reiche Otto de Hane gerade nach einer jungen Ehefrau Ausschau hielt. Anna befand sich im heiratsfähigen Alter. Was hätte also passender sein können, als dass Cornelis Fromenteel sie mit dem Freund wenn man ihn denn nach so kurzer Bekanntschaft bereits so nennen mochte und künftigen Geschäftspartner vermählte? An diesem Nachmittag wurden die letzten Einzelheiten des Ehevertrags besprochen. Die Stube, in der die beiden Männer saßen, verriet nichts über die bedrängten Verhältnisse des Gastgebers.
Auf den Tischen aus solidem Eichenholz lagen gemusterte Läufer. Die Bodenfliesen waren sauber geschrubbt, und mit Bibelszenen bemalte Kacheln schmückten die Fußleisten. Mit Bedacht hatte Cornelis die der Tür gegenüberliegende Wand mit goldverzierter Ledertapete bespannen lassen, damit die Eintretenden dieses Zeichen seines Wohlstands sofort sahen. An den anderen drei Wänden hingen Tapisserien. Die silbernen Wand- und Tischleuchter hatte Bettris poliert, bis sie glänzten, und der Wein funkelte rubinrot in den Pokalen.
Zufrieden schenkte Cornelis seinem Gast nach. Die Dinge entwickelten sich ganz nach seinen Vorstellungen. Im Schuppen lehnte sich Anna gegen den alten, verstaubten Webstuhl, die Augen fest geschlossen. Ihr Busen hob und senkte sich nicht nur weil sie wegen ihrer hastigen Flucht außer Atem war. In ihrem Innern tobte ein Gefühlsaufruhr.
Nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür mit einem leisen Klicken. Jan trat ein, der Gärtnersbursche, der Mijnheer Fromenteels Garten neu anlegen half. Hier im Weberschuppen trafen Anna und er sich, wann immer er auf dem Grundstück war.
Jan nahm Anna in die Arme, und sie lehnte sich gegen ihn. Tief sog sie den vertrauten Geruch ein: eine Mischung aus Erde, den würzigen Kräutern, die er gerade gepflanzt hatte, und seinem eigenen, sehr männlichen Duft. Doch als Jan mit dem Finger ihr Kinn anhob, um sie zu küssen, fing sie an zu zittern, und Tränen liefen über ihre Wangen.
"Was hast du, Liebste?", fragte er besorgt. "Was ist geschehen?"
"Oh Jan, was soll ich nur tun? Genau das, wovor ich mich am meisten gefürchtet habe, ist eingetreten: Mein Vater handelt gerade den Ehevertrag mit Mijnheer Otto de Hane aus, dem widerwärtigen, reichen Händler, der in dem großen Haus gleich am Marktplatz wohnt."
"Wie bitte?" Entsetzt trat Jan einen Schritt zurück und starrte sie an. Anna nickte, während sie einen Schluchzer unterdrückte.
"Doch, es ist wahr. Genau in diesem Augenblick schenkt mein Vater ihm von seinem besten Wein ein, damit dieser grässliche Kerl sich möglichst großzügig zeigt. Vorhin erst musste ich einen frischen Krug hineinbringen, damit der alte Lüstling sich die Ware noch einmal ausgiebig ansehen konnte. Am liebsten hätte er sie wohl auch schon getestet, aber ich habe mich schnell aus dem Staub gemacht. Auch so hatte er die Hand schon halb unter meinem Rock, bevor ich entkommen konnte."
Die Erinnerung ließ sie schaudern, und sie schluchzte verzweifelt auf.
"Was soll ich nur tun, Jan? Ich kann diesen alten Mann nicht heiraten ich kann einfach nicht!" "Natürlich nicht. Wir heiraten, genau wie wir es abgemacht haben", erwiderte Jan fest und schloss sie erneut in die Arme.
"Du weißt, dass ich jeden Groschen spare, den ich entbehren kann. Bald kann ich deinem Vater beweisen, dass ich dir ein standesgemäßes Leben ermöglichen kann ..."
Er hielt Anna leicht von sich ab. "Du willst mich doch heiraten, nicht wahr, Anna?"
"Ich wünsche es mir mehr als alles andere auf der Welt, das weißt du. Aber es ist zu spät, Jan. Genau in diesem Augenblick verspricht Vater mich diesem alten Mann."
Verzweifelt weinend klammerte sie sich an den Geliebten. Eine Weile strich er ihr nur stumm übers Haar, in seine eigenen Gedanken versunken. Schließlich sagte er, als sei es die natürlichste Schlussfolgerung der Welt: "Dann muss ich dich eben fortbringen."
Abrupt hob sie den Kopf. "Aber du kannst doch ... Ich meine ... Wo sollten wir denn hingehen? Er wird uns finden, und dann bringt er mich zurück und zwingt mich ..."
Sie brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen. "Nicht wenn wir nach England gehen." "England?"
"Warum nicht? Viele unserer Landsleute haben dort in der Zeit der Glaubensverfolgung durch die Spanier eine neue Heimat gefunden. Ich weiß, das ist eine ganze Weile her, aber sicherlich finden auch wir dort irgendwo freundliche Aufnahme."
Um zuversichtlich zu klingen, legte er mehr Überzeugung in seine Worte, als er insgeheim verspürte. Anna nickte langsam.
"Man hat mir erzählt, dass auch meine Großeltern nach England geflohen sind. Aber sie kamen nach ein paar Jahren zurück." Mit gerunzelter Stirn fügte sie hinzu: "Ich glaube, ihnen hat England nicht sonderlich gefallen."
"Ihnen vielleicht nicht. Aber viele Flüchtlinge sind dort geblieben", erklärte Jan mit Nachdruck. "England kann nicht so schlimm sein, wenn so viele Menschen immer noch dorthin gehen. Ich habe gehört, dass man dort ein gutes Auskommen finden kann, wenn man willens ist, hart zu arbeiten. Daran soll es bei mir nicht fehlen."
Er zwinkerte ihr zu. "Und ich glaube kaum, dass dein Vater uns in England suchen würde."
"Nein, er würde die Insel niemals betreten. Schließlich macht er die Engländer dafür verantwortlich, dass seine Geschäfte nicht gut laufen."
Die Augen noch tränenfeucht, wagte Anna ein vorsichtiges Lächeln. "Glaubst du wirklich, es würde uns gelingen, Jan? Glaubst du, wir könnten nach England fliehen?"
"Wir können alles tun, was dich vor einer Heirat mit Otto de Hane rettet", verkündete er entschieden. Er ließ Anna los und ging zum Fenster. Es war beinahe vollständig mit Spinnweben verhangen, aber das bemerkte er gar nicht.
"Als Erstes müssen wir irgendwie nach Nieuwport gelangen", überlegte er laut. "Wenn wir nur den Hafen erreichen, dann finden wir sicher ein Schiff, das uns nach England bringt."
Jetzt trat auch Anna zu dem Fenster. "Es ist ein weiter Weg bis dort. Wie lange müssen wir laufen, um Nieuwport zu erreichen?"
"Zwei Tage vielleicht ...", antwortete er abwesend. Doch plötzlich bekam seine Stimme einen anderen Klang. "Aber wenn ich ein Boot hätte ..."
Als er sich zu ihr umdrehte, leuchteten seine Augen voller Tatendrang. "Das ist es! Wir nehmen ein Boot."
"Wann?"
"Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Lass uns noch heute Nacht aufbrechen. Hör zu ich sage dir, was du zu tun hast ..."
Übersetzung: Sabine Schlimm
Da hielt es Anna nicht länger an ihrem Beobachtungsplatz. Sie raffte die Röcke und lief den Flur entlang, ohne dass ihre weichen Schuhe auf den hübschen Fliesen ein Geräusch machten. Hinaus, nur hinaus in den ersten Sonnenschein des Vorfrühlingstages! Draußen legte der Gärtner gerade letzte Hand an die neuen, kunstvoll verschlungenen Knotenornamente aus Kräutern und Buchsbaum. Doch Anna schenkte ihm keine Beachtung, sondern eilte zu der Hecke, die einen alten, heruntergekommenen Weberschuppen vor den Augen der Hausbewohner verbarg. Hastig schlüpfte Anna in ihr Versteck. Dieser Schuppen war ihr Zufluchtsort. Niemand sonst kam hierher.
Obwohl Annas Vater mitunter davon sprach, den Schuppen abzureißen und an seiner Stelle Gemüse anzubauen, sobald der Knotengarten vollendet war. Und sobald er es sich leisten konnte.
Genau das war der springende Punkt: Cornelis Fromenteel lebte über seine Verhältnisse. Um die Stellung in der Gesellschaft einzunehmen, die er für angemessen hielt, benötigte man ein Vermögen. Aber genau dieses Vermögen nannte er nicht länger sein Eigen.
Das große Haus mit den Erkerfenstern, das etwas vor der Stadt lag, war viel zu groß für Cornelis, seine Frau Judith, ihr einziges Kind Anna und die Magd Bettris. Doch es war ein gutes Haus in einer standesgemäßen Lage, und Cornelis wollte es keinesfalls für ein bescheideneres Anwesen aufgeben. Leider entwickelten sich in diesem Jahr des Herrn 1580 die Geschäfte für den flämischen Tuchhändler nicht vorteilhaft. Billigere, aus England eingeführte Stoffe ließen die Preise sinken.
Einen Großteil davon fertigten Weber an, die während der Zeit der größten Glaubensverfolgungen vor zwanzig Jahren aus Flandern auf die Insel jenseits des Kanals geflohen waren. Cornelis, damals ein junger Mann, hatte keine Notwendigkeit gesehen, sein Vaterland zu verlassen. Bei aller Bedeutung seines Glaubens erlaubte er religiösen Angelegenheiten doch nie, den Geschäften im Weg zu stehen. Er hatte die Entscheidung, in Flandern zu bleiben, niemals bereut.
Nun jedoch hatten sich seine Geschicke zum Schlechteren gewendet: Vor Kurzem erst hatte er, um seinen Geschäften Aufwind zu verschaffen, Anteile an einem Schiff gekauft, das seine Tuche nach Portugal bringen sollte. Doch die Karavelle war im Golf von Biskaya gesunken und hatte nicht nur die gesamte Besatzung, sondern auch den Großteil seines Vermögens mit sich auf den Meeresgrund genommen. In seiner Bedrängnis kam dem Tuchhändler der einzige Vermögenswert in den Sinn, den er noch besaß: seine achtzehnjährige Tochter.
Selbstverständlich hätte er den Vorwurf weit von sich gewiesen, er verkaufe sie wie einen Ballen Stoff. Es ging ihm lediglich darum, Anna gut zu verheiraten das redete er sich jedenfalls ein. In dieser Lage traf es sich günstig, dass der reiche Otto de Hane gerade nach einer jungen Ehefrau Ausschau hielt. Anna befand sich im heiratsfähigen Alter. Was hätte also passender sein können, als dass Cornelis Fromenteel sie mit dem Freund wenn man ihn denn nach so kurzer Bekanntschaft bereits so nennen mochte und künftigen Geschäftspartner vermählte? An diesem Nachmittag wurden die letzten Einzelheiten des Ehevertrags besprochen. Die Stube, in der die beiden Männer saßen, verriet nichts über die bedrängten Verhältnisse des Gastgebers.
Auf den Tischen aus solidem Eichenholz lagen gemusterte Läufer. Die Bodenfliesen waren sauber geschrubbt, und mit Bibelszenen bemalte Kacheln schmückten die Fußleisten. Mit Bedacht hatte Cornelis die der Tür gegenüberliegende Wand mit goldverzierter Ledertapete bespannen lassen, damit die Eintretenden dieses Zeichen seines Wohlstands sofort sahen. An den anderen drei Wänden hingen Tapisserien. Die silbernen Wand- und Tischleuchter hatte Bettris poliert, bis sie glänzten, und der Wein funkelte rubinrot in den Pokalen.
Zufrieden schenkte Cornelis seinem Gast nach. Die Dinge entwickelten sich ganz nach seinen Vorstellungen. Im Schuppen lehnte sich Anna gegen den alten, verstaubten Webstuhl, die Augen fest geschlossen. Ihr Busen hob und senkte sich nicht nur weil sie wegen ihrer hastigen Flucht außer Atem war. In ihrem Innern tobte ein Gefühlsaufruhr.
Nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür mit einem leisen Klicken. Jan trat ein, der Gärtnersbursche, der Mijnheer Fromenteels Garten neu anlegen half. Hier im Weberschuppen trafen Anna und er sich, wann immer er auf dem Grundstück war.
Jan nahm Anna in die Arme, und sie lehnte sich gegen ihn. Tief sog sie den vertrauten Geruch ein: eine Mischung aus Erde, den würzigen Kräutern, die er gerade gepflanzt hatte, und seinem eigenen, sehr männlichen Duft. Doch als Jan mit dem Finger ihr Kinn anhob, um sie zu küssen, fing sie an zu zittern, und Tränen liefen über ihre Wangen.
"Was hast du, Liebste?", fragte er besorgt. "Was ist geschehen?"
"Oh Jan, was soll ich nur tun? Genau das, wovor ich mich am meisten gefürchtet habe, ist eingetreten: Mein Vater handelt gerade den Ehevertrag mit Mijnheer Otto de Hane aus, dem widerwärtigen, reichen Händler, der in dem großen Haus gleich am Marktplatz wohnt."
"Wie bitte?" Entsetzt trat Jan einen Schritt zurück und starrte sie an. Anna nickte, während sie einen Schluchzer unterdrückte.
"Doch, es ist wahr. Genau in diesem Augenblick schenkt mein Vater ihm von seinem besten Wein ein, damit dieser grässliche Kerl sich möglichst großzügig zeigt. Vorhin erst musste ich einen frischen Krug hineinbringen, damit der alte Lüstling sich die Ware noch einmal ausgiebig ansehen konnte. Am liebsten hätte er sie wohl auch schon getestet, aber ich habe mich schnell aus dem Staub gemacht. Auch so hatte er die Hand schon halb unter meinem Rock, bevor ich entkommen konnte."
Die Erinnerung ließ sie schaudern, und sie schluchzte verzweifelt auf.
"Was soll ich nur tun, Jan? Ich kann diesen alten Mann nicht heiraten ich kann einfach nicht!" "Natürlich nicht. Wir heiraten, genau wie wir es abgemacht haben", erwiderte Jan fest und schloss sie erneut in die Arme.
"Du weißt, dass ich jeden Groschen spare, den ich entbehren kann. Bald kann ich deinem Vater beweisen, dass ich dir ein standesgemäßes Leben ermöglichen kann ..."
Er hielt Anna leicht von sich ab. "Du willst mich doch heiraten, nicht wahr, Anna?"
"Ich wünsche es mir mehr als alles andere auf der Welt, das weißt du. Aber es ist zu spät, Jan. Genau in diesem Augenblick verspricht Vater mich diesem alten Mann."
Verzweifelt weinend klammerte sie sich an den Geliebten. Eine Weile strich er ihr nur stumm übers Haar, in seine eigenen Gedanken versunken. Schließlich sagte er, als sei es die natürlichste Schlussfolgerung der Welt: "Dann muss ich dich eben fortbringen."
Abrupt hob sie den Kopf. "Aber du kannst doch ... Ich meine ... Wo sollten wir denn hingehen? Er wird uns finden, und dann bringt er mich zurück und zwingt mich ..."
Sie brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen. "Nicht wenn wir nach England gehen." "England?"
"Warum nicht? Viele unserer Landsleute haben dort in der Zeit der Glaubensverfolgung durch die Spanier eine neue Heimat gefunden. Ich weiß, das ist eine ganze Weile her, aber sicherlich finden auch wir dort irgendwo freundliche Aufnahme."
Um zuversichtlich zu klingen, legte er mehr Überzeugung in seine Worte, als er insgeheim verspürte. Anna nickte langsam.
"Man hat mir erzählt, dass auch meine Großeltern nach England geflohen sind. Aber sie kamen nach ein paar Jahren zurück." Mit gerunzelter Stirn fügte sie hinzu: "Ich glaube, ihnen hat England nicht sonderlich gefallen."
"Ihnen vielleicht nicht. Aber viele Flüchtlinge sind dort geblieben", erklärte Jan mit Nachdruck. "England kann nicht so schlimm sein, wenn so viele Menschen immer noch dorthin gehen. Ich habe gehört, dass man dort ein gutes Auskommen finden kann, wenn man willens ist, hart zu arbeiten. Daran soll es bei mir nicht fehlen."
Er zwinkerte ihr zu. "Und ich glaube kaum, dass dein Vater uns in England suchen würde."
"Nein, er würde die Insel niemals betreten. Schließlich macht er die Engländer dafür verantwortlich, dass seine Geschäfte nicht gut laufen."
Die Augen noch tränenfeucht, wagte Anna ein vorsichtiges Lächeln. "Glaubst du wirklich, es würde uns gelingen, Jan? Glaubst du, wir könnten nach England fliehen?"
"Wir können alles tun, was dich vor einer Heirat mit Otto de Hane rettet", verkündete er entschieden. Er ließ Anna los und ging zum Fenster. Es war beinahe vollständig mit Spinnweben verhangen, aber das bemerkte er gar nicht.
"Als Erstes müssen wir irgendwie nach Nieuwport gelangen", überlegte er laut. "Wenn wir nur den Hafen erreichen, dann finden wir sicher ein Schiff, das uns nach England bringt."
Jetzt trat auch Anna zu dem Fenster. "Es ist ein weiter Weg bis dort. Wie lange müssen wir laufen, um Nieuwport zu erreichen?"
"Zwei Tage vielleicht ...", antwortete er abwesend. Doch plötzlich bekam seine Stimme einen anderen Klang. "Aber wenn ich ein Boot hätte ..."
Als er sich zu ihr umdrehte, leuchteten seine Augen voller Tatendrang. "Das ist es! Wir nehmen ein Boot."
"Wann?"
"Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Lass uns noch heute Nacht aufbrechen. Hör zu ich sage dir, was du zu tun hast ..."
Übersetzung: Sabine Schlimm
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Autoren-Porträt von Elizabeth Jeffrey
Elizabeth Jeffrey begann ihre Karriere mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, bevor sie einen Literaturwettbewerb gewann und sich als Autorin von Kinderbüchern und historischen Romanen einen Namen machte. Elizabeth Jeffrey lebt in der Nähe von Colchester/Essex, dem Schauplatz vieler ihrer Romane.Sabine Schlimm lebt als Übersetzerin, Autorin und Lektorin in Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Elizabeth Jeffrey
- 2010, 428 Seiten, Masse: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schlimm, Sabine
- Übersetzer: Sabine Schlimm
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 389941733X
- ISBN-13: 9783899417333
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