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Verführerisch: „Die Schokoladenvilla“ von Maria Nikolai

Die Autorin über Frauen im 19. Jahrhundert: "enge Korsetts im doppelten Sinn"

Rund um die süsse Versuchung Schokolade dreht sich der aktuelle Roman von Maria Nikolai, „Die Schokoladenvilla“. Ein Genuss, für den die Autorin durchaus selbst viel übrig hat, wie sie im Gespräch verrät. Doch hinter dem verführerischen Titel steckt natürlich mehr:

In der Familiensaga „Die Schokoladenvilla“ geht es um eine Industriellenfamilie des frühen 20. Jahrhunderts. Die Rothmanns aus Stuttgart sind erfolgreiche Schokoladenfabrikanten. Als Tochter des Hauses führt Judith ein privilegiertes Leben im Degerlocher Villenviertel. Doch viel wichtiger als privater Luxus ist ihr die Zukunft des Familienunternehmens und die hohe Kunst der Schokoladenherstellung. Ihr ehrgeiziges Ziel: Die Fabrik eines Tages selbst zu leiten. Für eine junge Frau um 1900 eine Anmassung! Ihr Vater hat ganz andere Pläne für sie, eine vorteilhafte Heirat.

Die Erfolgsgeschichten von grossen Traditionsmarken wie Moser-Roth aus Stuttgart lieferten Maria Nikolai die Inspiration für den fiktiven Plot wie sie im Gespräch erzählt. „Es ist nicht nur ein historisches Gewand, das dieses Buch bekommen hat, sondern es ist verwoben mit echter Geschichte.“ Vor ihrem Debüt-Roman machte sich Maria Nikolai vor allem als Autorin von historischen Sachbüchern einen Namen. In der „Schokoladenvilla“ verwebt sie ihre Leidenschaft für die Vergangenheit und fachmännische Recherche mit einer zarten Liebesgeschichte.

Maria Nikolai will nicht mit Frauen aus dem 19. Jahrhundert tauschen: "Damals arbeiteten die Frauen praktisch Tag und Nacht"

Haben Sie eine Leidenschaft für Süsses? Oder wie kamen Sie darauf sich mit der Herstellung von Schokolade zu beschäftigen?

Maria Nikolai: Schokolade mag ich schon sehr gerne! Ich mag sie lieber, als ich sie mir eigentlich gönnen kann. Das geht wohl vielen so. Schokolade ist ein Thema, das, glaube ich, viele anspricht, als verführerisch, als genussvoll. Da war es naheliegend für mich, die Idee zu einer Familiensaga zu verarbeiten.

Schauplatz Ihrer Schokoladen-Saga ist Stuttgart Anfang des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich haben einige bekannte Schokoladen-Unternehmen dort ihren Ursprung. Haben Sie sich hier Inspirationen geholt?

Maria Nikolai: Ich komme vom historischen Sachbuch und habe mich deswegen gleich in die Archive begeben. Vom Fabrikgebäude her basiert die „Schokoladenvilla“ auf der Firma von Moser-Roth um 1880. Im Roman ist sie schon ein bisschen in die Jahre gekommen, da soll sie modernisiert werden. Es gab noch mehr Firmen wie Waldbaur, die mit den Katzenzungen am Markt sind, aber von grösseren Unternehmen aufgekauft wurden. Sie SZ-Schnitten gibt es auch noch, damals auch ein Stuttgarter Unternehmen. Diese Fabriken sind hervorgegangen aus alten Zuckerbäckereien. Es waren schwäbische Zuckerbäcker, die machten Schokolade und bildetensich oftmals in Paris oder in der Schweiz weiter. Im Laufe der Zeit, als Schokolade zunehmend für die Masse hergestellt wurde, vergrösserten sie sich und stellten die Sachen industriell her.

Stuttgart gibt als Setting also viel wirkliche Historie her. Was die „Schokoladenvilla“ vielleicht etwas besonders macht: Es ist nicht nur ein historisches Gewand, das dieses Buch bekommen hat, sondern es ist verwoben mit echter Geschichte.

Enge Korsetts - nicht nur bei der Kleidung

Ihre Romanheldin Judith Rothmann ist vom Herzen her eine echte Unternehmerin mit viel Erfindergeist. Wie schwer hatten es Frauen vor 100 Jahren, ein selbstbestimmtes Leben zu führen?

Maria Nikolai: Sehr. Natürlich ist ein Roman immer Fiktion. Aber es gab mit Margarete Steiff zum Beispiel durchaus erfolgreiche Unternehmerinnen auch in diesen Zeiten. Es gab immer wieder Frauen, die sich aus diesen engen Korsetts gelöst haben. Wenn man die Korsetts beispielsweise um 1903 anschaut, die damals gängig waren und die die Frauen tragen mussten, hatten diese eine S-Form. Der Oberkörper wurde extrem vorgedrückt und das Becken nach hinten gerückt. Das bedeutete eine extreme Beeinträchtigung des Körpers. Und es gab damals die Tendenz der Frauen, sich davon zu befreien. Es war die Zeit der Frauenbewegung, es war die Zeit der Suffragetten, die natürlich noch bis nach dem ersten Weltkrieg gebraucht haben, bis erste Forderungen auch umgesetzt wurden. Aber die Frauen strebten schon danach, sich zu befreien. Eine Geschichte wie die von Judith ist denkbar und plausibel. Aber es war nicht der Weg, den eine Durchschnittsfrau dieser Zeit gegangen wäre.

Wie sah das Leben einer Durchschnittsfrau aus?

Maria Nikolai: Man muss zwischen der Ober- und der Unterschicht unterscheiden. Hier haben die Frauen immer mitarbeiten müssen, das darf man nicht vergessen. Was natürlich zu einer Überbelastung führte, weil diese Frauen ja auch die ganze Familie versorgten mit dem Wenigen, was sie hatten. Diese Arbeiterhaushalte, das habe ich auch im Buch versucht darzustellen, waren sehr arm und auch wirklich in Not. Da arbeiteten die Frauen praktisch Tag und Nacht für die Familie und für das Einkommen. In der Oberschicht hingegen ging es eher darum, mit den Töchtern gute Geschäftsverbindungen zu knüpfen. Auch da ist das Buch nahe an der Wirklichkeit. Wilhelm Rothmann, Judiths Vater, versucht, sie möglichst gewinnbringend an den Mann zu bringen. Das ist sehr üblich gewesen.

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