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Franziska Kurz
Franziska Kurz

Müssen Liebesromane immer seicht sein?

Nein, beweist die österreichisch-pakistanische Autorin Mehwish Sohail

„Like water in your hands“ ist das Debüt der österreichisch-pakistanischen Autorin Mehwish Sohail. Mehwish Sohail schreibt aus ihrer eigenen Erfahrungswelt als junge Muslimin in Europa. Und: Sie hat keine Scheu davor, im leichten Genre Liebesroman die schwere Last von psychischen Erkrankungen zu thematisieren. Fotonachweis: © Fabienne Dannacher; Foto klein: Kulturjournalistin Franziska Kurz

Ein Beitrag von Kulturjournalistin/Moderatorin Franziska Kurz

Über die Kunst, von schweren Themen leicht zu schreiben

Dass psychische Gesundheit enorm wichtig ist und wir vielen unserer Mitmenschen von aussen nicht ansehen können, wie gesund oder krank sie sind, ist uns in den letzten beiden Jahren wohl ganz besonders bewusst geworden.
Viele Ratgeber und Artikel dazu sind erschienen, die uns als Lesende klüger gemacht haben – oder unser Problembewusstsein geweckt haben. Spannende Biografien oder Einblicke wie "Bin ich schon depressiv oder ist das noch das Leben" von Till Raether haben die Bestsellerlisten gestürmt und in Krimis sind Kommissare mit Zwangsstörungen, Näheproblemen und ähnlichen Herausforderungen normal geworden.

Für den Liebesroman galt das bisher nicht: bis jetzt! Mehwish Sohail hat einen jungen Liebesroman geschrieben, der ganz ohne Herzchen und Sterne auskommt, dafür mit tiefen Einsichten darüber, wie es sein kann, wenn junge Menschen mit psychischen Problemen Freundschaften schliessen, sich kennenlernen und langsam mehr füreinander empfinden. „Like water in your hands“ ist der Auftakt zu einer geplanten Trilogie, spielt in Wien und erzählt die Liebesgeschichte von Arwa (19) und Tariq (22).

Ich habe mit der jungen Autorin Mehwish Sohail über das Schreiben, Inspiration, Triggerwarnungen und mehr gesprochen. Sind Sie gespannt, was sie mir erzählt hat?

Mehwish Sohail – der neue Stern am New-Adult Himmel – über mehr Vielfältigkeit & Tiefgang im leichten Genre Liebesroman

„Like water in your hands“ ist dein erstes Buch. Wie bist du zum Schreiben gekommen und was ist es für ein Gefühl, es jetzt in Händen zu halten?

Mehwish Sohail: Seit ich denken kann, wurde mir auf unterschiedlichen Weisen deutlich gemacht, dass die deutsche Sprache nicht „meine“ Sprache ist. Das hat mich gerade als Kind negativ beeinflusst, weil ich doch auch wie jede:r andere in meinem Umfeld damit aufgewachsen bin. Zu Schreiben war für mich daher eine Form, Macht zurückzuerlangen. Auch wenn die deutsche Sprache nicht nur bei mir oft für Frust sorgt, finde ich trotzdem, dass sie wie zum Geschichten erzählen gemacht wurde.

So kam ich also zum Schreiben: weil ich der Welt etwas beweisen wollte. Und drangeblieben bin ich, weil ich mich verliebt habe.

Mein erstes Buch nun in der Hand zu halten ist ein surreales Gefühl. Aber langsam setzt sich eine gewisse Ruhe ein. Es tut mir gut, das fertige Produkt zu sehen. Das hilft mir, am zweiten Band zu arbeiten, weil es mich daran erinnert, dass ich etwas beenden kann. Gerade das vergisst man ja oft während des Schreibprozesses.

Deine beiden jungen Hauptfiguren Arwa (19) und Tariq (22) haben einen Migrationshintergrund. Welche Rolle spielt das für dich?

Mehwish Sohail: Es spielt keine Rolle, weil es keine Wahl ist. Zumindest würde ich das nicht so formulieren. Es ist einfach ein Teil unserer Identität. Welchen Einfluss dieser Hintergrund auf unser tägliches Leben hat, kann man in meinen Büchern nachlesen.

Sollten Liebesromane grundsätzlich diverser/vielfältiger sein?

Mehwish Sohail: Eine sehr interessante Frage. Meine Antwort ist simpel: Ja. Ausser man möchte ganzen Menschengruppen den Zugang zu den eigenen Geschichten verwehren. Zudem ist es aus meiner Sicht langweilig, immer nur dieselben Geschichten über dieselben Menschen zu lesen und schreiben. Das gilt aber für alle Genres.

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Bevor das Buch beginnt, lesen wir eine Triggerwarnung für Depressionen, Angststörungen und Panikattacken. Wovor soll diese Warnung schützen?

Mehwish Sohail: Triggerwarnungen sind für mich persönlich eine Orientierung. Sie schützen nicht direkt, können aber dabei helfen, Schutzmassnahmen zu ergreifen.

Ich selbst bin nicht so leicht beeinflusst von solchen Themen, aber wenn ich mehrere Geschichten hintereinander konsumiere, in denen es zum Beispiel um Angststörungen geht, kann sich das auf Dauer negativ auf meine mentale Gesundheit auswirken – wenn nicht gar, langsam, aber sicher eine Depression oder Panikattacke hervorrufen.

Eine Triggerwarnung hilft mir also, für mich selbst zu bestimmen, ob ich gerade bereit bin, mich auf so ein Art Geschichte einzulassen.

„Like Water in your hands“ behandelt all die oben genannten Themen, und ich möchte nicht, dass meine Leser:innen unvorbereitet damit konfrontiert werden. Ich möchte sie selbst darüber entscheiden lassen, damit sie, wie im Buch angemerkt, das bestmögliche Leseerlebnis haben.

Arwa und Tariq kämpfen beide - unterschiedlich sichtbar nach aussen - mit ihren Dämonen im Inneren. Warum hast du diese beiden Figuren so erschaffen mit ihren doch sehr schweren Paketen im eigentlich leichten Genre Liebesroman?

Mehwish Sohail: Wer behauptet denn, dass das Genre „leicht“ ist? Das ist leider ein ziemlich grosses Vorurteil.

Ich glaube nicht daran, dass überhaupt ein ganzes Genre „leicht“ oder „schwierig“ sein kann – so wie ich das wahrnehme, bietet jeder Bereich mal das eine oder das andere. Gerade das macht das Schreiben so spannend. Labels sind ja eher für den Markt, um zu der richtigen Zielgruppe zu finden. Für mich sind meine Geschichten aber nur eines: Geschichten. Am Anfang sind da Figuren, die ein oder mehrere Konflikte mit sich tragen, und von da ergibt sich dann eine Handlung – in Arwa und Tariqs Beispiel würde man diese Handlung dann wohl Liebesroman nennen. Ich mache mir keine grossen Gedanken darüber. Ich schreibe einfach über die Themen, die mich gerade beschäftigen. Und vor allem schreibe ich das, was sich für mich richtig anfühlt.

Band 2 deiner „Like this“-Reihe ist schon für nächstes Jahr angekündigt. Kannst du ein bisschen was dazu verraten?

Mehwish Sohail: Gerne. Ich kann verraten, dass der zweite Band ein Liebesbrief und zeitgleich eine Kritik an meine Generation – der Generation Instagram und Social Media – ist. Und ausserdem darf man in Band 2 nicht nur Wien besser erkundigen, sondern auch einen Exkurs in die wunderschönen Landschaften Österreichs machen. Das ruft gerade viel Sehnsucht nach den Bergen in mir hervor – und ich hoffe, bei den Leser:innen dann auch.

Liebe Mehwish, vielen Dank dir für deine Zeit und die spannenden Antworten!

Band zwei der geplanten Trilogie erscheint übrigens am 22.06.2022 "Like feathers between my ribs", wenn Sie jetzt neugierig geworden sind.

Franziska Kurz ist seit Juli 2020 Moderatorin bei #Weltbildliest. Seit 2015 bereichert sie mit ihrem Blog "franzi liest" die wunderbare Welt der Bücher und Buchfans. Als Literatur- und Kulturjournalistin ist sie regelmässig zu Gast bei Radio und TV und schreibt für zahlreiche Frauen- und Lifestyle-Magazine. Das "Münchner Kindl" bezeichnet sich selbst als buch- und wortverliebt, als Taschensammlerin und Spasüchtige. Mehr von ihr auf www.franzi-liest.de.