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Franziska Kurz
Franziska Kurz

Mord im Hamburger Hafen

Erfolgsautorin Henrike Engel über ihre neue Saga um eine mutige Ärztin

Henrike Engels neue Roman-Reihe um die engagierte Ärztin Anne Fitzpatrick spielt um 1910 zur Kaiserzeit. Eine spannende Epoche, in der der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung beginnt. Foto: © Quirin Leppert

Ein Beitrag von Kulturjournalistin/Moderatorin Franziska Kurz

Neu im Buchregal: Krimi-Spannung im historischen Hamburg

Die dunkle Jahreszeit dauert schon eine ganze Weile an und vielleicht ist Ihnen ja langsam ein bisschen langweilig? Ich hätte da einen spannenden Schmökertipp, der Krimihandlung mit geheimnisvollen Figuren und dazu historische Fülle, Hamburger Nebel und starke Frauen bietet.
Ich durfte für das Leseerlebnis dieses Krimiwinters mit Henrike Engel, der Schöpferin von „Die Hafenärztin“ sprechen. Dabei habe ich die frühere Drehbuchautorin befragt zu Inspiration und Recherche, wahren Hintergründen und geschichtlichem Interesse.

Worum geht's in Band 1 der "Hafenärztin"? In der Kaiserzeit geht ein Serienmörder um im Hamburger Hafenviertel. Seine Opfer sind Frauen aus der Arbeiterklasse, die zwar von ihren Familien vermisst werden, aber den Oberen der Stadt nicht wichtig sind. Zwei Leichen werden im Hafenbecken neben dem Frauenhaus entdeckt, in dem Anne Fitzpatrick arbeitet. Sie ist nicht nur eine der ersten Ärztinnen Deutschlands, sondern setzt sich auch für Frauenrechte ein. Eine brisante Mischung, zu der sich Polizeiarbeit in der Zeit weit vor DNA-Abgleich und eine engagierte, mutige Frau mit einem grossen Geheimnis gesellen.

Von mutigen Frauen, Zuflucht, Mord in bester Gesellschaft und Geheimnissen - Autorin Henrike Engel im Interview

Was reizte dich daran, die Handlung in das Hamburg der Kaiserzeit zu verlagern?

Henrike Engel: Zum einen, weil das Bild, das wir uns von dieser Zeit machen, manchmal etwas eindimensional ist – wir denken an Kaiser Wilhelm, Frauen in Korsetts und grossen Hüten, Militärparaden und Pickelhauben.

Tatsächlich finden in der Kaiserzeit aber auch die grossen Themen der Moderne ihren Ursprung: Psychologie, Vegetarismus, Reformpädagogik, ökologisch bewusste Lebensführung und nicht zu vergessen: der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung.

Tolle Parallelen zu unserer Zeit!

Wie lange und wo hast du recherchiert, um die Ereignisse und das Leben zu dieser Zeit so bildreich darstellen zu können?

Henrike Engel: Das kann ich nicht eingrenzen, ich sammle über Jahre immer wieder Geschichten, Bilder, Themen, die sich dann auf einmal zu einer Geschichte entwickeln. Während des Schreibens muss ich dann immer wieder nachrecherchieren.

Deine Heldin, Dr. Anne Fitzpatrick, begründet in Hamburg eines der ersten Frauenhäuser, die Frauen in Not warmes Essen, Zuflucht und kostenlose medizinische Versorgung bieten. Gab es diese Häuser wirklich und was hat dich dazu bewogen, dieses Haus in den Mittelpunkt der Ereignisse zu stellen?

Henrike Engel: Hamburg war bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert das Zentrum der Frauenbewegung. Die Frauenrechtlerin Lida Heymann gründete schliesslich 1897 das Frauenhaus in der Paulstrasse, das auch in meinem Buch eine Rolle spielt. Interessant finde ich daran nicht nur, dass die Idee uns heute so modern vorkommt, sondern dass diese Häuser und das Engagement der Frauen durchaus umstritten waren. In der Öffentlichkeit, in der Politik, aber auch die Frauenverbände untereinander hatten unterschiedliche Auffassung darüber, wie weit die Wohlfahrt gehen sollte. Und überall dort, wo es gegensätzliche Interessen gibt, liegen spannende Konflikte und also auch Geschichten.

Copyright: Frau mit grossem, schwarzen Hut: Arcangel Images / Ildiko Neer; Mann: FXQuadro / iStock / Getty Images; Frau mit weissem Hut: © Magdalena Russocka / Trevillion Images

Die drei Hauptfiguren aus "Die Hafenärztin":


Anne Fitzpatrick, Hafenärztin: Hochbegabt, studiert als eine der ersten Frauen Medizin in Edinburgh. 1910 Flucht aus England.
Helene Curtius, Pastorentochter: Scharfsinnig und klug, tritt für Frauenrechte ein und will unbedingt studieren, was aber ihr Vater nicht erlaubt.
Berthold Rheydt, Kommissar: Hat bei einem tragischen Unglück Frau und Sohn verloren und seither der Liebe abgeschworen. Findet Erfüllung nur im Beruf und beim Sport.

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Dr. Anne Fitzpatrick lernt Kommissar Berthold Rheydt kennen, der in einer grausigen Mordserie ermittelt – Frauen wird die Kehle durchschnitten und sie werden im Hafen abgelegt, in der Nähe des Frauenhauses. In diesem Duo treffen zwei sehr verschiedene Charaktere aufeinander. Sie, sehr modern für diese Zeit und mutig, trifft auf einen Mann, der schon viel verloren hat und nun am Rand der Selbstzerstörung steht – woher kam die Inspiration für diese Beiden?

Henrike Engel: Ohje... vom Seriengucken vielleicht? Ehrlich gesagt: ich weiss es nicht. Die Figuren fliegen mir zu und leisten mir Gesellschaft. Grundsätzlich mag ich keine eindimensionalen und einfachen Charaktere. Weder in der Literatur noch im wahren Leben.

Hat deine Erfahrung als Drehbuchautorin dir das Schreiben der „Hafenärztin“ erleichtert oder sind das zwei ganz verschiedene Arten zu schreiben?

Henrike Engel: Ja zu beidem. Ich war Dramaturgin am Theater – mit klassischem Drama, Aktstruktur und Handlungsaufbau kenne ich mich aus. Beim Serienschreiben fürs Fernsehen habe ich dann noch einmal viel dazu gelernt, was ein guter Cliffhanger ist zum Beispiel. Aber natürlich: Prosa zu schreiben funktioniert trotzdem ganz anders!

„Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ ist ja der Auftakt zu einer Reihe um Dr. Anne Fitzpatrick – war die Planung für diese Reihe eine andere als das Nachdenken und Schreiben eines einzelnen, abgeschlossenen Romans? Wie weit im Voraus hast du für sie und ihre MitstreiterInnen gedacht?

Henrike Engel: Das ist in der Tat etwas ganz anderes! Ich denke beim Schreiben von Band eins bereits weitere mögliche Geschichten mit.

Und lege viele, viele Fährten aus und Figuren an, die ich später einmal weiterspinnen kann.

Mir macht es sehr viel mehr Vergnügen, eine Reihe zu schreiben, epischer zu erzählen und eigentlich auch raffinierter. Man kann auch die kleinen Nebencharaktere mit tollen Geschichten bedenken und hält sich die Möglichkeit offen, alles irgendwann wieder aufzunehmen und weiter zu erzählen – das macht irre viel Spass. Also ich hätte noch Geschichten für viele Bände...

Ich freue mich schon auf den zweiten Band, der im Mai 2022 erscheinen wird und hoffe, Sie sind neugierig geworden.

Wenn Sie historische Krimis mögen und sofort weiterlesen möchten, sollten Sie auch Elsa Dix´ Bücher ausprobieren: "Die Tote in der Sommerfrische" ist ein fabelhafter Serienauftakt in einem ähnlichen Stil. Und wenn es eher ein gedanklicher Ausflug in die Goldenen Zwanziger sein soll, lesen Sie in mein Interview mit Helene Sommerfeld zu Polizeiärztin Magda Fuchs hinein.

Franziska Kurz ist seit Juli 2020 Moderatorin bei #Weltbildliest. Seit 2015 bereichert sie mit ihrem Blog "franzi liest" die wunderbare Welt der Bücher und Buchfans. Als Literatur- und Kulturjournalistin ist sie regelmässig zu Gast bei Radio und TV und schreibt für zahlreiche Frauen- und Lifestyle-Magazine. Das "Münchner Kindl" bezeichnet sich selbst als buch- und wortverliebt, als Taschensammlerin und Spasüchtige. Mehr von ihr auf www.franzi-liest.de.