Das Allgäu darf pausieren: In „Sonne über Gudhjem“ lässt Kluftinger-Autor Michael Kobr den Landpolizisten Lennart Ipsen auf der dänischen Urlaubsinsel Bornholm ermitteln. Foto: © Justine Hoegh JH-Photograph
Mord meets Hygge: Der neue Bornholm-Krimi von Michael Kobr
Wer Michael Kobrs neuen Krimi „Sonne über Gudhjem“ liest, möchte am liebsten in die nächste Fähre nach Bornholm hüpfen. Daran ändert auch der geräucherte Schweinebauer nichts – im Gegenteil. Aber jetzt nochmal von vorne: Michael Kobr – Co-Autor der Kluftinger-Krimis – hat seinen ersten Solo-Krimi geschrieben! (Wie das war – so ganz ohne Sparringspartner Volker Klüpfel – erzählt er übrigens im Interview weiter unten).
Tatort ist Kobrs liebstes Reiseziel: die dänische Ostseeinsel Bornholm. Auf der ist es einfach malerisch schön und herrlich hyggelig. Für ein Krimi-Hirn wie Michael Kobr fast zu idyllisch: „Irgendwann zwischen der achten Kardamomschnecke und dem vierten Räucherhering wurde es mir zu ruhig“, erzählt er von seinem Bornholm-Urlaub 2021, in dem das neue Buch entstand. „So wurden die Nachbarn zu potentiellen Romanfiguren, das Küstenstädtchen zum Romanschauplatz und die Geschichte Bornholms zur Quelle für ein dunkles Geheimnis.“
In einer der berühmten Bornholmer Räuchereien liegt dann bei Kobr prompt – neben Schinken und Speck – der geräucherte Schweinebauer selbst...
Ob er noch mit Genuss Räucherschinken essen kann, wie sein neuer Bornholm-Kommissar so ist und mehr, verrät Bestsellerautor Michael Kobr im Interview:
Im Urlaub auf Bornholm ist Ihnen einfach zu langweilig geworden und die Fantasie ist schliesslich mit Ihnen durchgegangen. Ist Ihr Hirn denn so auf Krimi gepolt, dass selbst die ultimative Inselidylle Sie auf verbrecherische Gedanken bringt?
Michael Kobr: So schockierend das jetzt auch klingen mag: Wahrscheinlich trifft das genau den Punkt. Kein Wunder eigentlich, ich schreibe nur Krimis, ich lese dauernd Krimis und wenn nicht, dann höre ich sie mir als Hörbuch an. Wobei ja gerade die Idylle danach schreit, dass etwas passiert, was sie ein wenig aufbricht. Dann ist sie viel besser auszuhalten. Wie ja auch zu Hause im Allgäu.
War das Ihr erster (oder eher Ihr letzter) Urlaub auf Bornholm? Was werden wohl die Insulaner zu Ihren Mordfantasien sagen?
Michael Kobr: Der Urlaub war wie eine Art Fluchtpunkt während der Pandemie. Die Dänen haben einfach alles draussen stattfinden lassen. Wunderbar. Aber zuvor waren wir schon ganz oft mit dem Camper dort, vor fast fünfzehn Jahren zum ersten Mal. Es ist einfach herrlich, die Erholung beginnt in exakt jenem Augenblick, in dem man von der Fähre rollt, und schon ist man hyggelig-skandinavisch entschleunigt. Ich hoffe inständig, dass die Insulaner mir das alles nicht krummnehmen, ich habe mich zumindest bemüht, die Insel nicht ganz schlecht wegkommen zu lassen.
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Erster Solo-Trip für Michael Kobr. Welche neue Freiheit er beim Schreiben genossen hat, verrät er im Interview. Foto: © Justine Hoegh JH-Photograph
Worum geht's im neuen Buch von Michael Kobr?
Kriminalpolizist Lennart Ipsen braucht einen Neuanfang. Frisch getrennt und völlig ausgebrannt zieht er auf das beschaulichste Fleckchen Erde, das er kennt, die Insel Bornholm. Bei der kleinen Insel-Polizei wird er doch hoffentlich Stress und Hektik hinter sich lassen können und stattdessen zum Angeln und Lesen kommen. Wäre da nicht die Leiche, die plötzlich die Inselidylle trübt. Schweinebauer Steffen Kristensen wurde in seiner eigenen Räucherkammer gefunden, die Tür von aussen verschlossen. Gleich mehrere Verdächtige kommen ins Spiel: der geldgierige Schwiegersohn, der örtliche Ferienhaus-Platzhirsch und auch die deutschen Nachbarn, die sich am Schweinemist-Gestank störten...
Fortsetzung des Interviews
Wie war es für Sie, einen Krimi-Plot ohne Ihren Sparringspartner Volker Klüpfel zu entwickeln? Hat Ihnen die gemeinsame Arbeit gefehlt oder tauschen Sie sich eh über Projekte aus?
Michael Kobr: Erstmal wusste ich gar nicht, wie ich die Arbeit konkret angehe. Volker und ich besprechen ja alle Ideen, alle Plots sonst zusammen und schreiben auch alles ganz akribisch auf. Letztlich habe ich das einfach für mich selbst auch wieder so gemacht. Es war aber schon spannend, diesmal nicht immer nach einem Kompromiss suchen zu müssen, sondern einfach alles machen zu können, was ich wollte. Ich glaube, beide Arbeitsweisen haben etwas für sich, und die gemeinsamen Projekte mit Volker gehen ja weiter – "Die Unverbesserlichen", wie auch die Kluftinger-Krimis.
Was für ein Typ ist Ihr neuer dänischer Kommissar Lennart Ipsen? Welche Macken oder Stärken bringt er mit und was macht ihn als Ermittler-Persönlichkeit aus?
Michael Kobr: Lennart Ipsen ist ein Mittvierziger, den ein Burn-Out in seiner internationalen Karriere bei Interpol und der EU ausgebremst hat. Obendrein kam dann auch noch die Scheidung von deiner Frau, die Trennung von seinen beiden Töchtern. Lennart sucht also Entschleunigung und Ruhe in einem Neuanfang auf Bornholm, das er noch aus Kindertagen als Urlaubsparadies kennt. Seine Schwächen sind ein gewisser Hang zu Ängsten und Hypochondrie, eine seiner Stärken ist seine Kombinationsgabe und die Ruhe, mit der er seine Aufgaben erledigt. Und er ist echt ein „Netter“…
Das Mordopfer wurde in einer Räucherkammer zusammen mit Schinken und Speck zu Tode geräuchert. Ipsen läuft erst das Wasser im Munde zusammen, bis er realisiert, dass da kein normaler Schinkenduft am Tatort weht. Wie kommt man denn auf so eine Todesart? Und können Sie noch Räucherschinken mit Genuss essen?
Michael Kobr: (lacht) In Bornholm kommt man um Räucherduft gar nicht herum, auch wenn es sich dabei normalerweise um Fisch dreht. Aber ich hatte ja dieses Ferienhaus gemietet, im Wald von Dueodde, wo ein leichter Duft nach Schweinemist durch den Wald zieht, wenn der Wind mal ungünstig steht. Wahrscheinlich kam die Idee daher. Und beim Geräucherten ist mir zumindest auf Bornholm der frische, noch warme Hering eh am liebsten – im Idealfall mit Butterbrot, Eigelb und ein wenig Radieschen angerichtet zum Bornholmer Nationalgericht „Sonne über Gudhjem“.