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  • 4 Sterne

    14 von 23 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    SternchenBlau, 11.03.2020

    Als Buch bewertet

    Die Sprache hat Sogwirkung. Verena Güntner baut ein faszinierendes Figurengeflecht auf. Dennoch liess mich „Power“ etwas ratlos zurück.

    Eine radikale Suche

    Die Sprache hat Sogwirkung. Verena Güntner baut ein faszinierendes Figurengeflecht auf. Dennoch liess mich „Power“ etwas ratlos zurück.

    Vieles von dem, was ich an „Power“ mochte, lag an den kleinen überraschenden Wendungen in der Geschichte, die in vieler Hinsicht immer radikaler wurde. Daher möchte ich nicht so konkret auf den Inhalt eingehen. Aber Power ist der Hund, der verschwindet, und vom Mädchen Kerze und den anderen Kindern des Dorfes gesucht wird.

    Sehr gut gefallen hat mir die Betrachtung, dass Kinder viel mehr Macht haben, als wir ihnen gemeinhin zugestehen. Das ist gerade in Hinblick auf die „Fridays for Future“-Bewegung ein hoffnungsfroher Gedanken. Die Kinder in „Power“ schwanken daher zwischen zwei Phänomenen: Zum einen sind die Kinder mit dem Phänomen des Adultismus konfrontiert, der Diskriminierung aufgrund ihres jungen Lebensalters. Dass sie nicht ernst genommen werden, allein aufgrund der Tatsache, dass sie Kinder sind. Und dadurch, dass sie nicht ernst genommen werden, kommt eine Dynamik in Gange, die sich später nicht mehr stoppen lässt. Zum anderen geht es um die sogenannte Parentifizierung, da werden die Rollen von Kindern und Erwachsenen umgekehrt, was für die Kinder eine individuelle wie strukturelle Überforderung bedeutet. Diese Umkehrung findest statt, wenn die ältliche Hitschke Kerze verzweifelt bittet, ihren verschwundenen Hund zu suchen. Adultisms und Parentifizierung, wird bei Güntner klar, sind Antithesen, die vollends parallel existieren können. Und beide lasten den Kindern und Jugendlichen etwas auf, was ihre freie Entfaltung behindert.

    „»Dort auf der Höhe von Beilmanns Tanne liegt ein halb toter Käfer auf dem Gehweg. Da gehst du jetzt hin und schaust ihn dir an, stehst ihm bei, bis er tot ist.« Die Hitschke sieht sie verwirrt an. »Warum?« »Deine Chance, dich auf das Schlimmste vorzubereiten.«“

    Wenn es um die Kinder im Wald geht, liegt die Geschichte irgendwo zwischen „Herr der Fliegen“ und der Rattenfänger von Hameln, und der Name des Hundes ist hier durchaus programmatisch zu sehen, es geht eben auch um Macht: Wer bestimmt, wann Ende ist? Wer ist der Leitwolf? Dass es mit Kerze eine HerrIN ist, eine RattenfängerIN, eine LeitwölfIN, dieser Gender Twist hat mir sehr gut gefallen. Von der feinen Beobachtung der Sozialstruktur hat mich „Power“ an „Unter Leuten“ von Juli Zeh erinnert.

    Die Ursachen der ganzen Misere haben viel mit toxischer Männlichkeit und Gewalt (gegen Kinder, Erwachsene und Tiere) zu tun. Die Missetaten der Väter (oder Nicht-Väter) suchen letztendlich die Kinder heim. Das zu lesen ist zermürbend und schmerzhaft, und ich möchte dies explizit auch als Content Note / CN benennen. Gerade, weil sich diese Themen im Verlauf des Buches einschleichen und nicht von Anfang an klar ersichtlich sind, auch, wenn es absehbar ist, wie hier:

    „Dass sie den Kühlschrank immer zu kalt einstelle, hat der Karl oft geschimpft, dass das Stromverschwendung sei, und den Regler zurück auf minus drei gestellt. Doch sobald er das Haus verliess, drehte sie ihn wieder hoch und bemerkte abends eine leise Freude in sich, wenn sie ihm die harte Butter hinstellte. Lange ging das so, Jahre. Verbissen drehten sie den Regler täglich hin und her, bis er kaputtging und bei minus drei einrastete. Karl hatte gewonnen.“

    „Power“ bildet diese Kausalitäten nach und auch, wenn ich beim Lesen einige erahnen konnte, so gefiel mir doch Güntners Spurensuche. Der Verlauf von Hitschkes Geschichte hat mir nicht nur einmal die Atemluft abgeschnürt.

    Gestolpert bin ich, immer wieder über die Grundkonstruktion. Warum wehren sich die Eltern nicht „normal“ und holen die Behörden zu Hilfe? Wie können sie in dieser quasi feudalen Blase leben? Manches ist mir zu simplifiziert, wie die Geschichte von dem Jungen Henni, dem einzigen Nazi im Dorf:

    „In den umliegenden Dörfern gibt es viele, in einem leben sogar nur Nazis. Henne hat diesbezüglich einfach Pech gehabt. Am Anfang ist er rumgegangen und hat alle möglichen Leute gefragt, ob sie auch Nazis werden wollen. Sogar die Ausländer und die ganz kleinen Kinder hat er gefragt.“

    Aber eigentlich brauchte er nur ein Bisschen Liebe und den Gruppenzusammenhalt und dann war er kein Nazi mehr. Wenn ich das weiterdenke, liegt darin eine noch grössere Unentschlossenheit: Ist Kerzes Kindergruppe im Wald nun ein Dystopie oder eine Utopie? Diktatur oder Befreiung? Zwang oder Freiheit? Schon das Bild des Rudels lässt in mir immer ein faschistoides Bild entstehen. Ja, ich weiss, ich soll mich all dieses Fragen, aber wenn ich dann das Ende betrachte, bleibt mir das Fragezeichen zu unentschlossen. Aber vielleicht fehlt mir einfach auch nur der Code, dass ich diesen Roman dechiffrieren könnte.

    Fazit

    „Powers“ Nominierung beim Preis der Leipziger Buchmesse finde ich gerechtfertigt, denn die Autorin traut sich etwas und ihr Stil erzeugte einen starken Sog, so dass ich das Buch nur schlecht weglegen konnte. Meine Ratlosigkeit ist aber auch eine Woche nach meinem Lektüreende noch vorhanden, das ist zwar sicherlich gewollt, hinterlässt aber ein unbefriedigendes Gefühl. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen und eine Empfehlung für alle, die sich auf ein ungewöhnliches Buch einlassen möchten. Aber bitte beachtet, dass es keine leichte Lektüre ist, die durchaus Menschen mit Gewalterfahrung triggern kann.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Kaffeeelse, 10.12.2020

    Als Buch bewertet

    "Power" ist ein etwas dystopisch angehauchtes Buch. Obwohl ich es direkt nicht diesem Genre zuordnen würde. aber irgendetwas in dieser Richtung hat es.

    In einem Dorf verschwindet ein Hund namens Power und eine ältere Frau, die Tier-Halterin bittet ein junges Mädchen diesen Hund zu suchen. Dabei ist erstaunlich, dass fast alle vorkommenden Personen richtige Namen haben. Nur eben dieses Mädchen nicht, sie heisst Kerze, sie brennt, sie brennt für etwas. Und mit diesem Brennen bringt die anfangs etwas Ausgegrenzte alle anderen Kinder dazu ihr auf der Suche nach Power zu folgen. Power, eine Kraft, zerstörerisch oder friedlich ?!?! Dabei suchen die Kinder nicht nur, sie verändern sich auch, werden tierähnlicher, animalischer, verweigern sich der Zivilisation, eine Gesellschaftskritik schimmert durch. Schliesslich verschwinden die Kinder in den Sommerferien sogar im Wald. Dies verärgert natürlich die erwachsenen Dorfbewohner und lässt die Gefüge dieser dörflichen Welt ins Wanken geraten. Wobei diese dörfliche Welt mit einem gewissen Fragezeichen formuliert ist. Denn verortet ist die Handlung von Power nirgends. Ich habe zumindest nichts herauslesen können. Hier darf man sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Für mich ist dieses Buch eine Gesellschaftskritik an unserer technisierten, patriarchalen und computergesteuerten Welt, die nach und nach unsere Wurzeln vergisst und auch dadurch unser Bestehen gefährdet. Spannend ist dieses Buch geschrieben und sehr düster, eben fast dystopisch. Obwohl es in der heutigen Zeit verortet ist, denke ich zumindest, und keine schreckliche Sache die Welt verändert hat. aber brauchen wir diese schreckliche Sache überhaupt? Oder sind nicht schon wir Menschen diese schreckliche Sache, die einmal über uns kommt, oder schon über uns gekommen ist? Gedanken, die gerade in der jetzigen Corona-Zeit eine neue Bedeutung gewinnen!

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  • 3 Sterne

    Lena, 24.10.2020

    Als Buch bewertet

    Die 11-jährige Kerze lebt zusammen mit ihrer Mutter in einem kleinen abgelegenen Dorf in Ostdeutschland, das umgeben von einem Wald ist. Als der kleine Hund der Nachbarin Frau Hitschke verschwindet, sieht es Kerze als ihren Auftrag an, Power zu finden und der Hitschke zurückzubringen - tot oder lebendig.
    Kerze nutzt ihr detektivisches Gespür, befragt Einwohner und sucht nach Spuren von Power. Als die Sommerferien beginnen, schliessen sich ihrer Suche die Kinder des Ortes an und sie beginnen zu trainieren, sich wie ein Hund zu verhalten, zu bellen und zu schnüffeln, bis sie sich komplett unter der Anleitung von Kerze in den Wald zurückziehen. Die Eltern können nur hilflos zusehen, wie sich ihre Kinder absondern und machen dafür die einsame Frau Hitschke verantwortlich.

    "Power" ist eine aussergewöhnliche Geschichte über ein besonderes Mädchen, die überspitzt dargestellt ist. Die Handlung ist verstörend und zieht einen in ihren Bann, auch wenn man sich nicht vorstellen kann, dass so ein Szenario in Deutschland möglich ist. Die Hilflosigkeit der Erwachsenen ist dabei genauso erschreckend wie das rigorose Verhalten der Kinder, die sich sektenartig einem 11-jährigen charismatischen Mädchen anschliessen, das ihnen Befehle erteilt, die sie hinnehmen, um dazuzugehören.
    Die Atmosphäre des Romans ist bedrohlich, fast schon apokalyptisch. Kerze gründet mit den anderen Kindern des Dorfes eine Art Parallelgesellschaft im Wald, führt ihr eigenes Rudel an, während die Suche nach Power in Vergessenheit gerät und die Dorfgemeinschaft an dem Kontrollverlust über die Kinder zu zerbrechen droht und wütend nach einem Sündenbock sucht.
    Das Buch ist surreal, stellt aber die Missstände der Gesellschaft nicht unrealistisch, sondern nur in einer extrem krassen Form dar. Angeprangert werden Probleme wie die Einsamkeit im Alter, Vernachlässigung, Radikalisierung, Manipulation, Alleinherrschaft und Fanatismus.
    Als Jugendbuch angelegt, ist "Power" trotz der komplexen Themen leicht zu lesen. Die Sprache ist nüchtern und reduziert, aber gerade die einfachen Erklärungen, die Kerze frech gibt, sind unglaublich pointiert und regen zum Nachdenken an. Auch wenn man während des Romanverlaufs über weite Strecken nur irritiert mit dem Kopf darüber schütteln kann, was ausgelöst durch die Suche nach einem kleinen Hund mit dem Dorf passiert, ist es eine kurze Geschichte, die mir sprachlich und aufgrund ihrer Andersartigkeit gut gefallen hat. Eine Erklärung für das Verhalten der Kinder, die sich urplötzlich einer Aussenseiterin anschliessen, sowie ein Ausblick darauf, welche Konsequenzen das Dorf am Ende aus dieser Abkehr von allen gesellschaftlichen Normen zieht, hätte ich mir schon gewünscht.

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