Jenseits des Individuums - Emotion und Organisation / Schriften des Sigmund-Freud-Instituts (PDF)
In modernen Gesellschaften bewegen sich die Menschen unentwegt in Organisationen, deren Strukturen, Regeln und Werte sie einerseits gestalten, deren Gestalt andererseits ihr Fühlen, Urteilen und Handeln beeinflusst. »Jede Organisation institutionalisiert...
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Produktinformationen zu „Jenseits des Individuums - Emotion und Organisation / Schriften des Sigmund-Freud-Instituts (PDF)“
In modernen Gesellschaften bewegen sich die Menschen unentwegt in Organisationen, deren Strukturen, Regeln und Werte sie einerseits gestalten, deren Gestalt andererseits ihr Fühlen, Urteilen und Handeln beeinflusst. »Jede Organisation institutionalisiert auf der einen Seite institutionelle Praktiken, um alle Emotionen ihrer Mitglieder zu dämpfen, die ihr vermeintlich schaden; auf der anderen Seite institutionalisiert sie Praktiken, um alle Emotionen ihrer Mitglieder zu fördern, die ihr vermeintlich nützen«, heisst es bei Rolf Haubl, dem dieses Buch gewidmet ist. Die Aufsätze machen deutlich, dass Emotionen neben ihrem Gefühlsgehalt kognitive Anteile, Motivations- und Handlungsbezüge sowie psychische, physische und gestische Reaktions- und Ausdrucksqualitäten besitzen. Emotionen gehen über das empfindende Individuum hinaus, sie berühren intersubjektive und gesellschaftliche Bereiche, die ihrerseits auf die Emotionen einwirken. Mit diesen Wechselwirkungen befassen sich die Beiträge namhafter Autoren und Autorinnen aus den Blickwinkeln der Psychoanalyse, Sozialpsychologie, Soziologie, Organisationstheorie, Erziehungswissenschaft und Literatur.
Lese-Probe zu „Jenseits des Individuums - Emotion und Organisation / Schriften des Sigmund-Freud-Instituts (PDF)“
"Aggression und politische Sozialisation (S. 286-287)Hans-Joachim Busch
Überlegungen zu einer politischen Psychologie des Subjekts Freud hat in seiner epochalen Schrift »Das Unbehagen in der Kultur« das Schicksal der Menschheit an den historischen Ausgang des Grundkonflikts zwischen Eros und Destruktionstrieb geknüpft. Wie dieser Ausgang günstig zu gestalten ist, die Vernichtung und der Untergang der menschlichen Gattung verhindert werden kann, ist eine Aufgabe, die seither im Mittelpunkt der Bemühungen einer psychoanalytischen Sozialpsychologie zu stehen hat. Diese Bemühungen sind sicher zahlreich gewesen und gewiss nicht fruchtlos geblieben.
Durch verschiedene theoretische Entwicklungen in der Psychoanalyse mitbedingt, haben sich aber in der Einschätzung der Triebe und Kultur schicksalhaft miteinander verknüpfenden Grundsatzfrage Freuds Differenzen ergeben. Es herrscht eine Tendenz, den positiven, Bindungen und Beziehungen knüpfenden, erotischen Kräften mehr Aufmerksamkeit zu widmen und den ihnen entgegenwirkenden Strebungen weniger Beachtung zu schenken.
Sie hängt sicher mit der Überlegung zusammen, Freuds Triebkonzept sei grundsätzlich wenig haltbar und sei daher zugunsten ich-psychologischer, entwicklungspsychologischer oder objektbeziehungspsychologischer Ansätze in den Hintergrund zu stellen oder ganz aufzugeben. Der Gewinn, den diese nachfreudschen Ansätze erbracht haben, soll nicht inAbrede gestellt werden. Gleichwohl denke ich, dass die theoretischen Vorteile, die sie mit sich bringen, unnötigerweise mit Einbußen an gegenwartsdiagnostischer Triftigkeit erkauft sind. Die theoretischen Neuerungen gehen mit einer konzeptuellen Abschwächung des Einflusses von Aggression auf Sozialisation, Interaktion und gesellschaftliche Beziehungen einher. Die offensichtlich andauernde Gewaltförmigkeit in der heutigen Welt der
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Spätmoderne kann in diesem revidierten Format psychoanalytischer Sozialpsychologie nicht hinreichend erfasst werden.
Über Motive solcher – was die zivilisatorische Bewältigung von Destruktivität betrifft – psychoanalytisch-sozialpsychologischer Zuversichtlichkeit kann man sicher nur spekulieren. Mein Eindruck von den mit der Rezeption der Psychoanalyse in Deutschland ab den 1960er-Jahren gemachten (natürlich auch eigenen) Erfahrungen war, dass sie auch der Beruhigung geschichtlich geprägter Zukunftssorgen diente. Die destruktive, menschenfeindliche Vergangenheit der Vätergeneration wurde durch die 1968er-Generation gleichsam eingekapselt.
So musste sie sich nicht mit der bedrohlichenMöglichkeit, dass etwas davon von den Vätern auf sie übergegangen sei, auseinandersetzen. Vaterlosigkeit, in einem anderen Sinn als bei Mitscherlich (als Sich-von-den-Vätern-Lossagen), konnte dann willkommen geheißen bzw. gesucht werden: als Hort von aggressionsfreier, friedfertig-fortschrittlicher Praxis. Die Aggression, die dabei selber mobilisiert wurde, hatte ihrerseits etwas Sprachloses, war schwer thematisierbar; sie wurde, anders als es eine wirklich kritische Praxis erfordern würde, nicht reflexiv."
Über Motive solcher – was die zivilisatorische Bewältigung von Destruktivität betrifft – psychoanalytisch-sozialpsychologischer Zuversichtlichkeit kann man sicher nur spekulieren. Mein Eindruck von den mit der Rezeption der Psychoanalyse in Deutschland ab den 1960er-Jahren gemachten (natürlich auch eigenen) Erfahrungen war, dass sie auch der Beruhigung geschichtlich geprägter Zukunftssorgen diente. Die destruktive, menschenfeindliche Vergangenheit der Vätergeneration wurde durch die 1968er-Generation gleichsam eingekapselt.
So musste sie sich nicht mit der bedrohlichenMöglichkeit, dass etwas davon von den Vätern auf sie übergegangen sei, auseinandersetzen. Vaterlosigkeit, in einem anderen Sinn als bei Mitscherlich (als Sich-von-den-Vätern-Lossagen), konnte dann willkommen geheißen bzw. gesucht werden: als Hort von aggressionsfreier, friedfertig-fortschrittlicher Praxis. Die Aggression, die dabei selber mobilisiert wurde, hatte ihrerseits etwas Sprachloses, war schwer thematisierbar; sie wurde, anders als es eine wirklich kritische Praxis erfordern würde, nicht reflexiv."
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Autoren-Porträt von Timo Hoyer, Ullrich Beumer, Marianne Leuzinger-Bohleber
Dr. Ullrich Beumer, Diplom-Pädagoge, ist Coach, Supervisor (DGSv), Trainer und Management-Berater. Er coacht unterschiedlichste Organisationen im Profit- und Non-Profit-Bereich und begleitet sie in Veränderungsprozessen. Er ist Gesellschafter und Geschäftsführer der inscape gGmbH, Fortbildungs- und Beratungsinstitut für Organisationsberatung, Coaching und Training mit Sitz in Köln. Er ist Gastwissenschaftler am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt a. M., Mitglied der ISPSO (International Society for the Psychoanalytic Study of Organizations) und der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv).
Bibliographische Angaben
- Autoren: Timo Hoyer , Ullrich Beumer , Marianne Leuzinger-Bohleber
- 2011, 1. Auflage, 363 Seiten, Deutsch
- Herausgegeben: Timo Hoyer, Ullrich Beumer, Marianne Leuzinger-Bohleber
- Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
- ISBN-10: 3647454168
- ISBN-13: 9783647454160
- Erscheinungsdatum: 20.07.2011
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