Im Spiegel der »Meninas« (PDF)
- Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenloser tolino webreader
Das Gemälde »Las Meninas« oder »Die Hoffräulein« im Museo del Prado zu Madrid gilt als das Hauptwerk des Diego Velázquez. Vom Spiegel der »Meninas« ist in einem gegenständlichen und einem übertragenen Sinn die Rede. Zum einen ist der an der Rückwand des Raums aufgehängte Spiegel gemeint, der das Doppelbildnis des spanischen Königs Philipps IV. und seiner Gemahlin Mariana von Österreich reflektiert. Zum anderen stellt das Gemälde als Ganzes einen >Spiegel< dar, der mit dem berühmten Selbstbildnis des Malers ein umfassendes Bild auch seines Künstlertums wiedergibt. Auf den »Meninas« spricht Velázquez über sich selbst, aber auch über sein Verhältnis zu seinem künstlerischen >Konkurrenten< Peter Paul Rubens, dessen Gemälde in Kopienform im Hintergrund des dargestellten Saales zu sehen sind. Wieso aber hat Velázquez sie bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt? Die Analyse der »Meninas« führt zur Kritik bisheriger Interpretationen und zu einem neuen Verständnis der Malerei des Velázquez insgesamt.
Die Kenner der Räumlichkeiten im Alcázar – die königliche Familie und Jahrzehnte später noch Zeugen wie Antonio Palomino – kannten den Urheber und die Themen der an der Schmalseite des Saals gehängten Gemälde, die auf den Gebieten der Teppichwirkerei bzw. Malerei und der Musik zwei Wettstreite zwischen göttlicher und menschlicher Kunstfertigkeit und Urteilskraft zum Gegenstand hatten. Wie oben dargelegt, darf Velázquez als der Organisator der Gemäldeausstattung des »Cuarto del Principe« angesehen werden. Auch die Entscheidung, diese Lokalität zum Schauplatz des Gruppenbildnisses zu machen, wird man ihm nicht absprechen können.
Eine diesbezügliche Anordnung des Königs ist nicht dokumentiert, aber selbst wenn sie es gegeben hätte, was wenig wahrscheinlich ist, dürfte der Maler sein Künstlerwort in die Entscheidung mit eingebracht haben. In jedem Fall aber war es Velázquez, der als Entwerfer des Gemäldes die Orientierung der Ansicht im Raum festgelegt und damit auch die genannten Rubensgemälde zum Spiegelbild des Königspaars und zu seinem Selbstbildnis in ein bestimmtes Verhältnis gesetzt hatte. Mit ganzer Absicht rückte er die Idee eines Wettstreits in das zentrale Blickfeld seines Gemäldes, die Idee eines Paragone auch zwischen dem Maler der »Meninas« – und Rubens.
Nun hat aber Velázquez die Werke des Rubens (bzw. Kopien derselben) dem Licht entzogen. Sogleich erhebt sich die Gegenfrage: Tat er dies, weil sie in der Hauptsache seines Gruppenbildnisses unwichtig waren und daher ohne weiteres dem malerischen Helldunkelkonzept des Raums ›geopfert‹ werden konnten? Oder verbirgt sich hinter dieser Verdunkelung ein bewußter Akt der Abwertung des großen
Sie kontrastieren mit der Helligkeit des rosafarbenen Bodens im Vordergrund, zumal da das Licht so geführt wird, daß die Schlagschatten der Figuren nicht auf den freien Platz des Fußbodens fallen, sondern nach hinten abgelenkt und damit unsichtbar werden. Künstliche Raumbeleuchtungen blieben ausgeschlossen. Die Leuchter an der Decke wurden weggelassen, nicht zuletzt um die Leinwände an der Rückwand unüberschnitten dem Blick darzubieten.
Diese schauen nun den Betrachter, abgesehen von einigen gerade noch schemenhaft zu erahnenden Figuren, wie zwei große schwarze Rechtecke an. Bildlos gewordene Bilder. Selbst wenn der Saal zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit Leuchtern ausgestattet gewesen sein sollte, so hatte der Maler für das Beleuchtungswesen seines Gemäldes seine eigenen, von solchen Vorgegebenheiten prinzipiell unabhängigigen Entscheidungen zu treffen.
Aufschlußreich ist ein Blick auf die in jener Zeit beliebten »Galerie-« und »Kunstkammerbilder« von der Hand Frans Franckens II, David Teniers’ des Jüngeren und Willem van Haechts.152 Der Vergleich bietet sich nicht nur wegen der dichten Behängung der Wände mit Gemälden an, sondern auch wegen der Figurierung des Raums mit Besuchern und dem Mäzen – z.B. dem Erzherzog Leopold Ludwig in seiner Brüsseler Galerie – und der Darstellung eines Malers bzw. einer Allegorie der Malerei vor der Staffelei.
Als königlicher Auftraggeber inmitten seiner Gemälde fungiert ja auch Philipp IV. mit seiner Gemahlin im Spiegel der »Meninas«. So hätte sich für ein Gruppenbildnis mit Mäzen und Malerselbstbildnis in einer Gemäldegalerie, hier im »Cuarto del Principe«, ebensogut ein hell ausgeleuchteter Raum mit einer zwar verkleinerten, aber dennoch in Form und Farbe originalgetreuen Wiedergabe der Gemälde angeboten. Doch die Analogie mit den »Galeriebildern« geht offenbar nicht auf. Velázquez sah von der Prototypik dieses Genres insofern ab, als er auf die Genauigkeit der Gemäldeportraits zugunsten ihres Erscheinungsbildes im Raumdunkel verzichtete, wodurch die Gegenstände auf den Leinwänden neben und über den Türen und auf den perspektivisch verkürzten zwischen den Fenstern nicht mehr zu erkennen waren."
- Autor: Reinhard Liess
- 2003, 1. Auflage, 118 Seiten, Deutsch
- Verlag: V&R unipress
- ISBN-10: 3862340007
- ISBN-13: 9783862340002
- Erscheinungsdatum: 12.02.2003
Abhängig von Bildschirmgrösse und eingestellter Schriftgrösse kann die Seitenzahl auf Ihrem Lesegerät variieren.
- Dateiformat: PDF
- Grösse: 1.77 MB
- Ohne Kopierschutz
- Vorlesefunktion
eBooks und Audiobooks (Hörbuch-Downloads) mit der Familie teilen und gemeinsam geniessen. Mehr Infos hier.
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Im Spiegel der »Meninas«".
Kommentar verfassen