Geständnisse eines Küchenchefs (ePub)
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Montags keine Meeresfrüchte! Das ist noch eine der harmloseren Gefahren, auf die Anthony Bourdain in seinen gnadenlosen, abgründig witzigen Memoiren hinweist. Von der Strandkneipe bis zum Nobelrestaurant hat er alles durchlebt, was diese wahrhaft heisse Szene zu bieten hat. Ein unvergesslicher Blick hinter die Küchentür und eine abenteuerliche Reise in die dunklen Gefilde der kulinarischen Welt.
- Autor: Anthony Bourdain
- 2013, 352 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Dinka Mrkowatschki
- Verlag: Penguin Random House
- ISBN-10: 3641106206
- ISBN-13: 9783641106201
- Erscheinungsdatum: 28.02.2013
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- Dateiformat: ePub
- Grösse: 0.67 MB
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Die Warnungen kommen leider erst weiter hinten. Zu spät erfahren wir von Anthony Bourdain, dass "die ganze Welt des Kochens ... nicht meine Welt" ist, dass er typischerweise übertreibt und ohnehin fast aller Kochklatsch "dubios" sei. Da hat also ein mittelmässiger Koch die Küchenversion von Sex, Drugs & Rock 'n' Roll abgeliefert, dabei weder das eine noch das andere wesentlich bereichert, und dennoch einen internationalen Bestseller produziert ("Geständnisse eines Küchenchefs". Was Sie über Restaurants nie wissen wollten. Aus dem Amerikanischen von Dinka Mrkowatschki. Karl Blessing Verlag, München 2001. 351 S., 23,- ). Schon mehr als achtzigtausend Leser sind ihm in Deutschland bis heute erlegen, eine gigantische Auflage für ein Buch aus dem Küchensektor, für eines ohne Rezepte zumal. Ein verwöhnter Spross der oberen Mittelschicht gerät ins Milieu, hier in der Version grossstädtischer Gastronomie ohne viel Anspruch, die Unterschlupf für wüste Gesellen mit wüsten Praktiken bietet. Es entwickelt sich ein Hollywood-Lebenslauf: Underdog, harte Umgebung, Leiden und Läuterung, zeitgemäss dann nicht bis zum Happy-End, sondern bis zur knorrigen Persönlichkeit mit richtig schön viel Spuren des Lebens. Die ganze Geschichte wird gewürzt mit "Enthüllungen" über Küchenpraktiken. Deren Substanz - "Montags keine Meeresfrüchte", als wenn man nicht an jedem Tag schlechte bekommen könnte - ist gering und korrespondiert mit dem schwachen Niveau der jeweiligen Restaurants. Nach zwei Dritteln des Buches gibt es eine sachliche und atmosphärisch präzise Schilderung von Bourdains Küchenalltag in seinem letzten Restaurant ("Les Halles" in New York), und erst auf Seite 300 beginnt das Staunen über die Qualität eines guten Restaurants und dessen Personal. Woher denn das zarte Mädchen komme, das da noch cooler arbeitet als ein unerschütterlicher ecuadorianischer Haudegen nach fünfundzwanzig Berufsjahren? "Alain Ducasse", gibt man Bourdain zur Antwort, vom Grossmeister der Küchenpräzision also. So anekdotisch wird die hohe Kunst gestreift. Die Rezeption hat sich überwiegend auf die vermeintlich pikanten Stellen (Geschlechtsverkehr auf dem Mehlsack) gestützt und eine forciert ruppige Sprache schon für Inhalt gehalten ("Vermeiden Sie um jeden Preis diesen ekligen Rotz, der in Öl in Schraubgläsern vor sich hin rottet"). Dabei hätte auffallen müssen, dass dieses Buch vor allem zur Gewinnung der Stammtisch-Hoheit in Küchenfragen instrumentalisiert werden kann. Da haben in der Küche die Leute "komische Papierhüte" auf, sind Vegetarier "Hohlköpfe", will man "Hausmannskost essen, von wem auch immer", und wird bekannt: "Wenn ich ,Künstler' höre, denke ich an jemanden, der es nicht für nötig hält, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen." Und überhaupt ist ein anständiger Mensch, wer Drogen konsumiert, säuft und sein übriges tut und trotzdem pünktlich zur Arbeit kommt. Darf man sich wundern, dass solch ein Buch nun ausgerechnet in Deutschland, einem Land, in dem man zu Recht ein nach wie vor bescheidenes Verhältnis zur Esskultur beklagt, zu ungeahnten Ehren kommt und zudem - in völligem Missverständnis - als Enthüllungsbuch über die Spitzenküche gelesen wird? Welch wohlfeiler Büttel für die Neidgeplagten, die immer noch ein gutes Restaurant für einen Schickimicki-Treffpunkt halten und die gesamte Entwicklung zur bürgerlichen Gourmetküche verschlafen haben! Für die, deren notwendiger Neuwagen schon einen Tag nach dem Kauf einen so grossen Wertverlust hat, dass man mit der Summe jeden Monat ein Drei-Sterne-Haus besuchen könnte. Bravo, man hat es ja schon immer gewusst. Andere Bücher - auch Amerika, auch Küche - schaffen es nicht zu solcher Popularität, werden bei uns gar nicht erst veröffentlicht: "Becoming a Chef" von Dornenburg/Page oder Michael Ruhlmans "The Soul of a Chef", zwei enorm detaillierte Werke über Köche, Küche und schwierige Werdegänge mit einer ausschliesslich konstruktiven Orientierung. Aber das wäre dann wohl etwas für Leute, die sich tatsächlich für Essen interessieren.
JÜRGEN DOLLASE
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