Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3
Roman
Spannend, romantisch, sexy und geheimnisvoll!
Als letzte der drei Freundinnen muss sich nun auch Zoe McCourt dem schwierigen Rätsel um die drei keltischen Prinzessinnen stellen. Doch ein Umstand hält Zoe zunehmend von ihrer Aufgabe ab:...
Als letzte der drei Freundinnen muss sich nun auch Zoe McCourt dem schwierigen Rätsel um die drei keltischen Prinzessinnen stellen. Doch ein Umstand hält Zoe zunehmend von ihrer Aufgabe ab:...
Jetzt vorbestellen
versandkostenfrei
Taschenbuch
Fr. 12.90
inkl. MwSt.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3 “
Spannend, romantisch, sexy und geheimnisvoll!
Als letzte der drei Freundinnen muss sich nun auch Zoe McCourt dem schwierigen Rätsel um die drei keltischen Prinzessinnen stellen. Doch ein Umstand hält Zoe zunehmend von ihrer Aufgabe ab: Ausgerechnet Bradley Vane IV. macht ihr den Hof! Zwar fühlt Zoe sich insgeheim sehr zu dem sexy Erben eines Geschäftsimperiums hingezogen, doch hat sie sich geschworen, sich nie wieder von einem nutzlosen Müßiggänger verführen zu lassen. Aber schon bald muss sie sich eingestehen, wie wichtig Brad für ihr eigenes Glück bereits geworden ist ...
Als letzte der drei Freundinnen muss sich nun auch Zoe McCourt dem schwierigen Rätsel um die drei keltischen Prinzessinnen stellen. Doch ein Umstand hält Zoe zunehmend von ihrer Aufgabe ab: Ausgerechnet Bradley Vane IV. macht ihr den Hof! Zwar fühlt Zoe sich insgeheim sehr zu dem sexy Erben eines Geschäftsimperiums hingezogen, doch hat sie sich geschworen, sich nie wieder von einem nutzlosen Müßiggänger verführen zu lassen. Aber schon bald muss sie sich eingestehen, wie wichtig Brad für ihr eigenes Glück bereits geworden ist ...
Klappentext zu „Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3 “
Spannend, romantisch, sexy und geheimnisvoll!Als letzte der drei Freundinnen muss sich nun auch Zoe McCourt dem schwierigen Rätsel um die drei keltischen Prinzessinnen stellen. Doch ein Umstand hält Zoe zunehmend von ihrer Aufgabe ab: Ausgerechnet Bradley Vane IV. macht ihr den Hof! Zwar fühlt Zoe sich insgeheim sehr zu dem sexy Erben eines Geschäftsimperiums hingezogen, doch hat sie sich geschworen, sich nie wieder von einem nutzlosen Müssiggänger verführen zu lassen. Aber schon bald muss sie sich eingestehen, wie wichtig Brad für ihr eigenes Glück bereits geworden ist ...
Lese-Probe zu „Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3 “
Zeit des Glücks von Nora Roberts 1
... mehr
Mit sechzehn begegnete Zoe McCourt dem Jungen, der ihr Leben verändern sollte. Sie war als Älteste von vier Kindern in den Bergen von West Virginia aufgewachsen. Als sie zwölf war, war ihr Vater bereits mit der Frau eines anderen Mannesabgehauen.
Eigentlich hatte Zoe es nicht als großen Verlust empfunden. Ihr Daddy war ein aufbrausender, mürrischer Mann, der lieber mit seinen Kumpels Bier trank oder die Frau seines Nachbarn vögelte, statt sich um seine Familie zu kümmern. Aber sein Verschwinden war doch schwer für sie gewesen, weil er zumindest seinen Lohn zu Hause abgeliefert hatte.
Ihre Mutter war eine dünne, nervöse Frau, die zu viel rauchte, und sich, nachdem sie verlassen worden war, mit hartnäckiger Regelmäßigkeit Freunde zulegte, die vom gleichen Kaliber waren wie Bobby Lee McCourt. Sie machten sie für kurze Zeit glücklich, auf lange Sicht wütend und traurig, aber sie hielt es nie länger als einen Monat ohne Mann aus.
Crystal McCourt hatte ihre Brut in einem Doppelwohnwagen im Hillside Trailer Park großgezogen. Als ihr Ehemann das Weite gesucht hatte, betrank sie sich sinnlos und fuhr ihm in ihrem gebrauchten Camaro hinterher. Sie ließ Zoe mit ihren Geschwistern bedenkenlos allein.
Drei Tage blieb Crystal weg. Bobby, den »gottverdammten Hurensohn«, hatte sie nicht gefunden, aber sie kam wenigstens nüchtern zurück. Die Jagd nach ihm hatte sie ihre Selbstachtung und ihre Stelle in Debbies Schönheitssalon gekostet. Der Salon war zwar nicht mehr als eine Hütte, aber er hatte ihr wenigstens ein dauerhaftes Einkommen garantiert.
Der Rausschmiss machte Crystal nur noch härter. Sie setzte sich mit ihren Kindern zusammen und erklärte ihnen, es würde zwar ein steiniger Weg werden, aber sie würden es schon schaffen.
Dann hängte sie ihr Kosmetikerdiplom in die Küche des Wohnwagens und eröffnete ihren eigenen Salon. Sie unterbot Debbies Preise und hatte zudem ein geschicktes Händchen für gute Haarschnitte.
Und sie hatten es geschafft. Der Wohnwagen stank zwar ständig nach Peroxyd, Dauerwellen und Zigaretten, aber sie waren klargekommen.
Zoe wusch den Kundinnen den Kopf, fegte die Haare auf und kümmerte sich um ihre drei Geschwister. Als sich herausstellte, dass sie nicht unbegabt war, durfte sie auskämmen oder ab und zu tatsächlich schon mal schneiden.
Dabei träumte sie unentwegt von einem besseren Leben außerhalb des Wohnwagenparks.
In der Schule war sie gut, vor allem in Mathematik. Deshalb führte sie ihrer Mutter auch die Bücher. Schon lange vor ihrem vierzehnten Geburtstag war sie erwachsen, aber das Kind in ihr sehnte sich nach etwas anderem.
So war es keine Überraschung, dass sie im Alter von 16 Jahren auf James Marshall flog. Er war ganz anders als die anderen Jungen, die sie kannte, und nicht nur, weil er drei Jahre älter war als sie, also neunzehn. Nein, er war herumgekommen und hatte vieles gesehen. Und er sah aus wie ein Märchenprinz.
Sein Urgroßvater hatte im Bergwerk gearbeitet, aber an James haftete kein Kohlenstaub. Den hatten die späteren Generationen gründlich weggeschrubbt. Mittlerweile besaß seine Familie Geld. Ihnen gehörte das größte und prächtigste Haus in der Stadt, und James und seine jüngere Schwester gingen beide auf Privatschulen.
Die Marshalls gaben gerne große, rauschende Feste, und dann ließ Mrs. Marshall Crystal immer ins Haus kommen, damit sie sie frisierte. Oft begleitete Zoe sie, um Mrs. Marshall zu maniküren.
Zoe träumte von diesem Haus. Es war so sauber und voller Blumen und hübscher Dinge. Für sie war es ein tröstlicher Gedanke zu wissen, dass man wahrhaftig so wohnen konnte - und nicht alle Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht in einem Wohnwagen lebten, in dem es nach Chemie und kaltem Rauch roch.
Eines Tages wollte sie in genau so einem Haus wohnen, gelobte sie sich. Es brauchte ja nicht unbedingt so groß und prächtig wie das der Marshalls zu sein, aber auf jeden Fall sollte es ein richtiges Haus mit einem kleinen Garten sein.
Und eines Tages würde sie in all die Orte reisen, von denen Mrs. Marshall ständig erzählte - nach New York, nach Paris oder Rom.
Sie sparte jeden Penny von ihrem Trinkgeld und der Bezahlung, die sie für ihre Nebenjobs bekam, und da sie gut mit Geld umgehen konnte, hatte sie mit sechzehn bereits vierhundertvierzehn Dollar auf einem geheimen Sparkonto angesammelt.
Als sie im April sechzehn wurde, verdiente sie sich zusätzlich etwas, indem sie auf einer der Partys, die die Marshalls gaben, servierte.
Damals trug sie ihre dicken, schwarzen Haare lang und offen. Sie war zwar immer schlank gewesen, entwickelte jetzt jedoch darüber hinaus weibliche Kurven, sodass ihr die Jungen in Scharen hinterherliefen. Aber sie hatte keine Zeit für Jungen - jedenfalls nicht viel.
Sie hatte große, goldbraune Augen, die nachdenklich und forschend blickten, und volle Lippen, die sich nur selten zu einem Lächeln verzogen. Ihre Gesichtszüge waren klar und leicht exotisch, was einen interessanten Kontrast zu ihrer angeborenen Schüchternheit bildete.
Was man ihr auftrug, erledigte sie perfekt, aber sie war äußerst zurückhaltend.
Vielleicht hatten es ja ihre Schüchternheit, ihr verträumter Blick oder ihre ruhige, kompetente Art James angetan. Auf jeden Fall flirtete er an jenem Vorfrühlingsabend mit ihr und brachte sie so durcheinander, dass sie schließlich einwilligte, sich wieder mit ihm zu treffen.
Sie trafen sich heimlich, was den romantischen Reiz erhöhte. Dass jemand wie James ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, überwältigte Zoe. Er hörte ihr zu, und nach und nach verlor sie ihre Schüchternheit und vertraute ihm ihre Träume und Hoffnungen an.
Er war lieb zu ihr, und wann immer sie sich wegstehlen konnte, unternahmen sie lange Autofahrten oder saßen einfach nur unter dem Sternenhimmel und redeten.
Dabei blieb es natürlich nicht.
Er sagte, er liebe sie. Er sagte, er brauche sie.
Und in einer warmen Juninacht nahm er ihr auf einer roten Decke, die sie auf dem weichen Waldboden ausgebreitet hatten, ihre Unschuld.
Auch danach blieb er lieb und aufmerksam und versprach, sie würden ewig zusammenbleiben. Sie glaubte ihm, und er glaubte wahrscheinlich selber daran.
Alles jedoch hat seinen Preis, und so musste Zoe dafür bezahlen, dass sie jung und naiv gewesen war. Allerdings wurde James gleichfalls nicht geschont, und vielleicht kostete ihn das sogar mehr als sie. Sie hatte zwar ihre Unschuld verloren, er jedoch einen viel größeren Schatz.
Sie warf dem Schatz einen Blick zu. Ihr Sohn.
Simon hatte ihrem Leben eine völlig neue Richtung, einen neuen Sinn gegeben. Das Kind hatte eine erwachsene Frau aus ihr gemacht.
Sie hatte ihr Haus bekommen - ein kleines Haus mit einem kleinen Garten -, und das hatte sie ganz alleine geschafft. An all die wundervollen Orte war sie zwar nicht gereist, von denen sie geträumt hatte, aber sie hatte alle Wunder der Welt durch die Augen ihres Sohnes gesehen.
Und jetzt, fast zehn Jahre nachdem sie ihn zum ersten Mal im Arm gehalten und ihm versprochen hatte, dass sie ihn nie im Stich lassen würde, sorgte sie dafür, dass ihr Sohn mehr vom Leben zu erwarten hatte.
Zoe McCourt, das schüchterne Mädchen aus den Hügeln von West Virginia, war dabei, ihr eigenes Geschäft in dem hübschen Städtchen Pleasant Valley in Pennsylvania zu eröffnen, zusammen mit zwei Frauen, die in nur zwei Monaten für sie zu Schwestern und Freundinnen geworden waren.
»Luxus«. Ihr gefiel der Name. Genau das sollte es für die Kunden sein. Zwar würden sie und ihre Freundinnen hart arbeiten müssen, aber auch das war in gewisser Weise Luxus, weil sie es durften und stets davon geträumt hatten, selbständig zu sein.
Malory Prices Galerie für Kunst und Kunsthandwerk würde auf einer Seite im Parterre ihres gemeinsamen Hauses eingerichtet werden, Dana Steeles Buchhandlung auf der anderen. Und ihr eigener Salon würde sich im ersten Stock befinden.
Nur noch ein paar Wochen, dachte Zoe. In ein paar Wochen war alles fertig, und sie konnten eröffnen.
Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr der Magen zusammen, aber nicht nur aus Angst, sondern gleichzeitig vor Aufregung.
Sie wusste genau, wie ihr Salon aussehen würde. Kräftige Farben und viel Licht im eigentlichen Salon, weichere, entspannendere Töne in den Behandlungsräumen. Kerzen würden Duft und Atmosphäre verbreiten, und an den Wänden würden interessante Bilder hängen. Und die Beleuchtung würde erstklassig und schmeichelhaft sein.
Luxus für Kopf, Körper und Geist, das wollte sie ihren Kunden geben.
Heute Abend fuhr sie vom Valley, wo sie wohnte und wo sie auch ihr Geschäft eröffnen würde, in die Hügel, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Simon starrte leicht mürrisch aus dem Fenster. Er war nicht glücklich, weil sie ihn gezwungen hatte, seinen Anzug anzuziehen.
Aber wenn man in einem Haus wie Warrior's Peak zum Abendessen eingeladen war, musste man sich halt passend kleiden.
Gedankenverloren zupfte sie am Saum ihres Kleides. Sie hatte es günstig in einem Outlet erstanden und hoffte nur, dass der dunkelrote Jerseystoff dem Anlass entsprach.
Vielleicht hätte sie sich besser ein kleines Schwarzes kaufen sollen, überlegte sie. Das hätte bestimmt würdevoller und nüchterner gewirkt. Doch sie liebte nun einmal Farben, und gerade heute Abend musste sie etwas für ihr Selbstvertrauen tun. Schließlich würde es einer der denkwürdigsten Abende in ihrem Leben werden, und da war es angebracht, dass sie ein Kleid trug, in dem sie sich wohl fühlte.
Zoe presste die Lippen zusammen. Sie musste jetzt endlich ihrem Sohn erklären, was es mit dem heutigen Abend auf sich hatte. Die Frage war nur, wie sollte sie es einem Neunjährigen verständlich machen?
»Ich glaube, wir sollten mal darüber sprechen, warum wir heute Abend zum Warrior's Peak fahren«, begann sie.
»Ich wette, außer mir trägt keiner einen Anzug«, murrte Simon.
»Ich wette, da irrst du dich.«
Er warf ihr einen listigen Blick von der Seite zu. »Um einen Dollar.«
»Okay, um einen Dollar«, willigte sie ein.
Er sah ihr so ähnlich, dachte sie voller Stolz und Freude. War es nicht seltsam, dass er so gar nichts von James hatte? Er hatte ihre Augen, ihren Mund, ihre Nase, ihre Haare.
»Na ja.« Sie räusperte sich. »Weißt du noch, wie ich vor zwei Monaten die Einladung dorthin bekommen habe? Und dass ich dort Malory und Dana kennen gelernt habe?«
»Ja klar, daran kann ich mich erinnern. Weil du mir am nächsten Tag Playstation zwei gekauft hast, und dabei hatte ich nicht mal Geburtstag.«
»Geschenke ohne Anlass sind die besten.« Sie hatte Simons Herzenswunsch damals erfüllen können, weil sie sich auf das ... Fantastische eingelassen und dafür zehntausend Dollar bekommen hatte.
»Du kennst Malory und Dana, und du kennst Flynn, Jordan und Bradley.«
»Ja, wir sind ja viel mit ihnen zusammen. Sie sind cool. Für alte Leute«, fügte er grinsend hinzu, weil er wusste, dass es sie zum Lachen bringen würde.
Aber sie lachte nicht.
»Ist irgendwas mit ihnen?«, fragte er alarmiert.
»Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.« Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. »Äh, manchmal sind Menschen irgendwie miteinander verbunden, ohne es zu wissen. Ich meine, Dana und Flynn sind Geschwister - na ja, Stiefbruder und Stiefschwester, und dann hat Dana sich mit Malory angefreundet, und Malory hat Flynn kennen gelernt, und ehe sie wussten, was los war, haben sich Malory und Flynn ineinander verliebt.«
»Willst du mir jetzt eine Liebesgeschichte erzählen? Ich muss gleich kotzen.«
»Dann sieh zu, dass du dich rechtzeitig aus dem Fenster beugst. Also, Flynns älteste Freunde sind Jordan und Bradley. Und als sie jünger waren, da, na ja, da sind Jordan und Dana häufiger miteinander ausgegangen.« Sicherer konnte eine Mutter es doch kaum formulieren. »Jordan und Bradley sind von hier weggezogen, aber dann kamen sie wieder, zum Teil wegen dieser Verbindung, auf die ich gleich komme. Und auch Jordan und Dana kamen wieder zusammen, und ... «
»Und jetzt wollen sie heiraten und Flynn und Malory ebenfalls. Das ist wie eine Seuche.« Simon hatte sich ihr zugewandt und verzog gepeinigt das Gesicht. »Wenn wir zu den Hochzeiten gehen wie zu der von Tante Joleen, dann muss ich bestimmt wieder einen Anzug anziehen, was? «
»Ja, es gehört zu meinen stillen Freuden, dich zu quälen. Ich will dir doch nur erklären, dass wir alle auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Und da ist noch was. Ich habe dir bisher nicht viel von den Leuten, die in Warrior's Peak wohnen, erzählt.«
»Das sind die magischen Leute.«
Zoe zuckte zusammen. Sie wurde langsamer und fuhr rechts an den Straßenrand. »Wie kommst du auf ›magische Leute‹?«
»Himmel, Mom, ich höre euch doch reden, wenn ihr eure Treffen und so habt. Sind sie denn Zauberer oder so was? Ich verstehe das nicht.«
»Nein. Ja. Ach, ich weiß nicht genau.« Wie sollte sie einem Kind erklären, was Götter waren? »Glaubst du an Zauberei, Simon? Ich meine damit keine Kartentricks, sondern Dinge, wie sie in Harry Potter oder Der kleine Hobbit beschrieben werden.«
»Wenn das nicht manchmal Wirklichkeit wäre, warum sollte es dann so viele Bücher und Filme darüber geben?«
»Guter Gedanke«, erwiderte Zoe. »Rowena und Pitte, die wir heute Abend auf dem Peak besuchen, sind magisch. Sie kommen von woanders, und sie leben hier, weil sie unsere Hilfe brauchen.«
»Warum?«
Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit endgültig errungen.
»Das werde ich dir erzählen. Es klingt zwar wie eine erfundene Geschichte, ist aber keine. Ich muss allerdings beim Reden weiterfahren, sonst kommen wir zu spät.«
»Okay.«
Sie holte tief Luft. »Vor langer, langer Zeit lebte an einem Ort hinter dem so genannten Vorhang der Träume oder Vorhang der Macht, wie er gleichzeitig genannt wird, ein junger Gott ...«
»Wie Apollo?«
»Ja, so ähnlich, aber kein griechischer Gott, sondern ein keltischer. Er war der Sohn des Königs. Und als er alt genug war, besuchte er unsere Welt, lernte ein Mädchen kennen und verliebte sich in sie.«
Simons Mundwinkel zuckten. »Warum passiert denn so was pausenlos?«
»Können wir das später besprechen? Jetzt haben wir zu wenig Zeit. Also, sie verliebten sich, und seine Eltern erlaubten ihm, das Mädchen mit nach Hause zu bringen, damit er es heiraten konnte, obwohl es eigentlich damals nicht erlaubt war. Einige der Götter hatten nichts dagegen, aber andere schon. Es gab Kämpfe und ... «
»Cool.«
»Und die Welt teilte sich in zwei Reiche auf. Ja, so könnte man sagen. Eins, in dem der junge Gott mit seiner menschlichen Frau regierte, und eins, in dem ein böser Zauberer herrschte.«
»Voll cool.«
»Der junge König hatte drei Töchter. Sie wurden als Halbgöttinnen bezeichnet, weil sie ja eine menschliche Mutter hatten. Jede der Töchter hatte eine besondere Begabung. Bei der einen war es Musik und Kunst, bei der anderen war es Schreiben und Wissen, und bei der dritten war es Mut und Tapferkeit.«
Bei dem Gedanken daran bekam sie einen trockenen Mund. Sie schluckte und fuhr fort: »Sie war so eine Art Kriegerin. Die Schwestern standen einander sehr nahe, und ihre Eltern liebten sie. Damit ihnen in diesen unruhigen Zeiten nichts passierte, ließen sie sie von einem Krieger und einer Lehrerin bewachen. Dann - und jetzt halt dich zurück - verliebten sich der Krieger und die Lehrerin ineinander.«
Simon ließ den Kopf zurücksinken und verdrehte die Augen. »Ich wusste es.«
»Da die Töchter keine sarkastischen neunjährigen Jungen waren, freuten sie sich für die beiden und gaben ihnen Gelegenheit, sich ab und zu zurückzuziehen. Dadurch waren sie jedoch nicht mehr so gut bewacht, wie es nötig gewesen wäre. Das nutzte der böse Zauberer zu seinem Vorteil, und er schlich sich heran und belegte sie mit einem Fluch. Durch den Zauberspruch wurden die Seelen der Töchter gestohlen und in einem Glaskasten mit drei Schlössern und drei Schlüsseln eingesperrt.«
»Mann, das tut doch weh.«
»Ja, bestimmt. Die Seelen waren also in dem Kasten gefangen und konnten nur heraus, wenn die Schlüssel von menschlicher Hand einer nach dem anderen in den Schlössern umgedreht wurden.«
Da ihre Finger prickelten, rieb sie damit über den Rock ihres Kleides. »Weißt du, eben weil sie halb menschlich waren, machte der Zauberer es so, dass sie nur von Menschen gerettet werden konnten, weil er das für unmöglich hielt. Die Lehrerin bekam die Schlüssel - mit denen sie allerdings nichts anfangen konnte -, und sie und der Krieger wurden verbannt und in unsere Welt geschickt. In jeder Generation mussten sie nun drei Menschen, die dafür ausersehen waren, den Kasten zu öffnen, ausfindig machen und sie bitten, nach den Schlüsseln zu suchen. Und jeder einzelne Mensch hatte dafür nur vier Wochen Zeit.«
»Wow, und du musst einen Schlüssel finden? Warum bist gerade du ausgesucht worden?«
Zoe stieß die Luft aus. Ihr Sohn war wirklich ein intelligenter und logisch denkender Junge. »Ich weiß nicht genau. Mal, Dana und ich sehen aus wie die Töchter. Die Glastöchter heißen sie. Rowena ist eine Künstlerin, und oben auf dem Peak hängt ein Bild von ihnen, das sie gemalt hat. Es ist alles irgendwie miteinander verknüpft, Simon. Wir haben eine Verbindung untereinander, mit den Schlüsseln und mit den Töchtern. Man könnte es vermutlich als Schicksal bezeichnen.«
»Und wenn ihr die Schlüssel nicht findet, dann bleiben sie in dem Kasten gefangen?«
»In dem Kasten sind ihre Seelen. Ihre Körper liegen in Glassärgen, wie bei Schneewittchen, und warten.«
»Rowena und Pitte sind die Lehrerin und der Krieger.« Er nickte. »Und du und Malory und Dana, ihr müsst die Schlüssel finden und alles in Ordnung bringen.«
»So ungefähr. Malory und Dana waren schon an der Reihe und haben ihre Schlüssel gefunden. Jetzt bin ich dran.«
»Du findest ihn bestimmt.« Er sah sie ernst an. »Du findest ja auch immer alles, was ich verloren habe.«
Wenn es nur so einfach wäre wie ein verlorenes Spielzeug ihres Sohnes zu finden, dachte sie. »Ich werde mich jedenfalls sehr bemühen. Der Zauberer - sein Name ist Kane - hat versucht, uns aufzuhalten, Simon. Er wird es auch bei mir versuchen. Er kann einem wirklich Angst einjagen, aber ich werde trotzdem mein Bestes tun.«
»Du wirst ihn in den Hintern treten.«
Das Lachen löste ein wenig den Knoten in ihrem Magen. »Das habe ich vor. Ich wollte dir das eigentlich alles nicht erzählen, aber es wäre nicht richtig gewesen.«
»Nein, wir sind schließlich ein Team.«
»Ja, wir sind ein großartiges Team.«
Zoe schwieg, weil sie an den Toren von Warrior's Peak angekommen waren. Sie waren flankiert von zwei steinernen Kriegern, die kampfbereit die Hände an den Schwertknäufen hatten. Zoe hatte sie von Anfang an großartig gefunden. Was für eine Verbindung mochte sie wohl zu diesen prächtigen Kriegern haben? Sie holte tief Luft und fuhr durch das Tor.
»Geil«, sagte Simon.
»Das kannst du mit Fug und Recht behaupten.«
Sie verstand seine Reaktion auf das Haus. Sie hatte das Gleiche gedacht, als sie beim ersten Mal staunend vor dem Haus gestanden hatte.
»Haus« war allerdings nicht die richtige Bezeichnung für Warrior's Peak. Halb Schloss, halb Festung, thronte es hoch über dem Valley und beherrschte es. Es war aus schwarzem Stein erbaut, mit Türmchen und Zinnen und Furcht erregenden Wasserspeiern, die aussahen, als wollten sie jeden Moment herunterspringen. Umgeben war es von weiten Rasenflächen, deren natürliche Grenze der Wald bildete. Auf dem höchsten Turm flatterte eine weiße Fahne mit einem goldenen Schlüsselemblem.
Die Sonne sank gerade, und die leuchtenden Farben des Abendrots unterstrichen den dramatischen Anblick.
Bald würde es dunkel sein, dachte Zoe, und am Himmel würde nur die schmale Sichel des zunehmenden Mondes stehen, das Symbol für den Beginn ihrer Suche.
»Drinnen ist es ebenso beeindruckend, wie in einem Film. Fass bloß nichts an. «
»Mom! «
»Ich bin nervös, versteh das bitte.« Langsam fuhr Zoe auf den Eingang zu. »Wirklich, fass da drinnen nichts an. «
Sie hielt an. Hoffentlich war sie weder die Erste noch die Letzte. Rasch holte sie den Lippenstift aus ihrer Tasche, um sich die Lippen nachzuziehen. Mit einer geübten Handbewegung zupfte sie die geraden Fransen ihrer Haare zurecht, die sie im Moment kürzer trug als ihr Sohn.
»Du siehst gut aus. Können wir jetzt reingehen?«
»Ich möchte, dass wir nicht nur gut, sondern toll aussehen.« Sie packte Simon am Kinn und fuhr ihm mit ihrem Kamm durch die Haare. Er schaute sie finster an. »Wenn du das Essen nicht magst, dann tu einfach so, als ob du essen würdest, aber sag um Himmels willen nicht, dass es dir nicht schmeckt und gib bitte keine Würgelaute von dir. Du kannst später zu Hause noch etwas essen.«
»Können wir auf dem Rückweg bei McDonald's vorbeifahren? «
»Eventuell. So, jetzt sind wir so weit. Okay.« Sie steckte den Kamm wieder in ihre Tasche und wollte gerade die Autotür öffnen, als der alte Mann, der die Gäste stets empfing, dies bereits für sie tat. Zoe zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie ihn sah. »Oh, danke.«
»Es ist mir eine Ehre, Miss. Guten Abend.«
Simon musterte ihn mit einem langen Blick. »Hi.« »Hallo, junger Herr.«
Simon, dem die Anrede gefiel, grinste ihn an. »Sind Sie einer von den magischen Leuten?«
Der alte Mann verzog sein faltiges Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Vielleicht. Wie gefiele dir das?« »Prima. Aber warum sind Sie so alt?«
»Simon! «
»Das ist eine gute Frage, Miss«, erwiderte der Mann.
»Ich bin so alt, weil ich lange leben durfte. Das wünsche ich dir auch.« Ächzend beugte er sich zu Simon herunter. »Möchtest du etwas Wahres wissen?«
»Okay.«
»Wir sind alle magische Leute, aber manche wissen es, und manche wissen es nicht.«
Mühsam richtete er sich wieder auf. »Ich kümmere mich um Ihren Wagen, Miss. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.«
»Danke.« Zoe ergriff Simons Hand und trat zum Säulenportal. Die Flügeltüren schwangen auf, noch bevor sie klopfen konnte, und Rowena stand auf der Schwelle.
Ihre leuchtend roten Haare, die ihr bis über die Schultern fielen, bildeten einen wunderbaren Kontrast zu ihrem langen, moosgrünen Kleid. Um den Hals trug sie eine lange Silberkette mit einem funkelnden Edelstein, in dem sich das Licht aus der Eingangshalle widerspiegelte.
Sie streckte Zoe die Hand entgegen, um sie willkommen zu heißen, der Blick aus ihren dunkelgrünen Augen jedoch galt Simon.
»Willkommen.« Sie hatte einen leichten Akzent, der Zoe an all die fremden Länder erinnerte, die sie früher einmal hatte bereisen wollen. »Wie schön, dich wiederzusehen. Und es ist mir eine Freude, dich endlich kennen zu lernen, Simon. «
»Simon, das ist Miss Rowena.«
»Nur Rowena, bitte. Ich hoffe, wir werden bald Freunde. Kommt doch herein.« Sie ergriff Zoes Hand und legte die andere Hand leicht auf Simons Schulter.
»Sind wir womöglich zu spät?«
»Nein, überhaupt nicht.« Rowena schritt über den Steinfußboden mit seinen bunten Mosaiken. »Malory und Flynn fehlen noch. Die anderen sind im Salon. Sag mir, Simon, magst du Kalbsleber und Rosenkohl?«
Simon gab einen Würgelaut von sich, doch sofort fiel ihm ein, dass seine Mutter ihm das strikt verboten hatte. Verlegen peilte er Zoe an, die knallrot geworden war. Rowena lachte jedoch lediglich. »Da ich das genauso wenig mag, steht es glücklicherweise heute Abend nicht auf dem Speiseplan. Unsere Gäste«, verkündete sie, während sie in den Salon trat. »Pitte, darf ich dir Master McCourt vorstellen?«
Simon stieß seine Mutter mit dem Ellbogen an. »Master«, flüsterte er begeistert.
Rowenas Geliebter passte im Aussehen zu ihr. Sein eleganter dunkler Anzug saß wie angegossen, und seine dichten, schwarzen Haare umrahmten ein kraftvolles Gesicht, in dem jeder Knochen wie gemeißelt wirkte. Aus strahlend blauen Augen musterte er Simon, zog eine Augenbraue hoch und gab ihm die Hand.
»Guten Abend, Master McCourt. Was kann ich dir zu trinken anbieten?«
»Darf ich eine Coke haben?«
»Selbstverständlich.«
»Bitte, macht es euch bequem.« Rowena wies auf die Sessel.
Dana hatte sich bereits erhoben und begrüßte sie. »Hey, Simon, wie geht's?«
» Gut. Aber ich habe einen Dollar verloren, weil der Typ und Brad Anzüge anhaben.«
»Pech.«
»Ich gehe zu Brad, okay, Mom?«
»Ja, ist gut, aber ...« Zoe seufzte, als Simon davon-stürmte. »Fass nichts an«, rief sie warnend hinterher.
»Er macht schon nichts falsch. Wie geht es dir?«
»Ich weiß nicht.« Zoe zuckte die Schultern. Danas dunkelbraune Augen waren voller Verständnis, und Zoe fühlte dankbar, wie sehr sie ihr und Malory vertraute. »Ich bin ein bisschen nervös, aber reden wir nicht darüber. Du siehst toll aus.«
Das stimmte wirklich. Danas dichte braune Haare umrahmten schwungvoll ihr Gesicht und betonten ihr energisches Kinn. Die Frisur, die sie ihr verpasst hatte, stand ihr echt gut, dachte Zoe. Erleichtert stellte sie fest, dass Dana über ihrem formellen schwarzen Kleid ein ziegelrotes Jackett trug.
»Noch besser«, fügte sie hinzu, »du wirkst glücklich.« Sie hob Danas Hand, um den prachtvollen Rubinring zu bewundern. »Jordan hat einen exzellenten Geschmack, was Ringe und Verlobte angeht.«
»Das finde ich ebenfalls.« Dana schaute zu der Couch hinüber, auf der Jordan sich mit Pitte unterhielt. Sie sahen beide den Kriegern am Tor ähnlich. »Da habe ich mir doch tatsächlich einen großen, gut aussehenden Typ geangelt.«
Ja, sie waren ein wundervolles Paar, stellte Zoe fest. Dana mit ihrer sexy Amazonenfigur und der große, muskulöse Jordan.
»Du möchtest sicher ein Glas Champagner.« Rowena trat zu ihnen und reichte Zoe eine Champagnerflöte. »Danke.«
»Dein Sohn ist ein Juwel.«
Stolz trat an die Stelle von Nervosität. »Ja, er ist das Kostbarste in meinem Leben.«
»Das macht dich reich.« Rowena legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter. »Er und Bradley scheinen gute Freunde zu sein.«
»Ja, sie verstanden sich auf Anhieb«, bestätigte Zoe.
Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, es kam ihr so unwahrscheinlich vor. Und doch steckten die beiden die Köpfe zusammen und waren offensichtlich in ein angeregtes Gespräch vertieft. Der Mann in dem eleganten ziegelgrauen Anzug und der Junge in seinem dunkelbraunen Anzug, der ihm - oh Gott - schon eine Spur zu klein war.
Es kam ihr seltsam vor, dass Simon sich mit einem Mann, in dessen Gegenwart sie sich permanent unwohl fühlte, so gut verstand. Normalerweise hatten sie und ihr Sohn den gleichen Geschmack.
Jetzt schaute Brad auf, und seine Augen, die fast die gleiche Farbe hatten wie sein Anzug, trafen ihre.
O ja, dachte Zoe, genau das war der Grund. Er sah einfach zu gut aus, er war zu reich, er hatte zu viel von allem. Nicht deine Liga, Mädchen, ermahnte sich Zoe. Deine Erfahrung lehrt dich absolute Vorsicht.
Allerdings würde James Marshall neben Bradley Charles Vane IV. wie eine Witzblattfigur wirken. Die Vanes besaßen eine Baumarktkette, HomeMakers, mit Läden im ganzen Land, und sein Vermögen machte Brad zu einem mächtigen, privilegierten Mann.
Und sein blendendes Aussehen, seine dunkelblonden Haare, die nachdenklichen Augen und der sinnliche Mund machten ihn für Zoe zu einem gefährlichen Mann. Außerdem konnte sie ihn schlecht einschätzen. In der einen Minute war er arrogant und kühl, in der nächsten hitzköpfig und bestimmend - und dann wieder überraschend nett.
Zoe vertraute keinem Mann, den sie nicht einkalkulieren konnte. Was allerdings Simon betraf, so vertraute sie ihm seltsamerweise. Er würde ihrem Jungen nie etwas tun, da war sie sich ganz sicher. Und sie konnte ebenso wenig leugnen, dass er bestens mit ihm zurechtkam.
Trotzdem verspannte sich jeder Muskel in ihrem Körper, als Brad jetzt auf sie zukam.
»Wie fühlst du dich?«
»Och, ganz okay.«
»Du hast also Simon erzählt, was hier vor sich geht?«
»Er hat ein Recht darauf, es zu wissen. Ich ...«
»Du brauchst mir nicht gleich an die Gurgel zu springen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich derselben Meinung bin. Er hat nicht nur das Recht, es zu wissen, er ist zudem intelligent genug, um damit klarzukommen.«
»Oh.« Zoe fixierte ihr Glas. »Tut mir Leid. Ich bin ein bisschen nervös.«
»Vielleicht hilft es dir ja, dich daran zu erinnern, dass du nicht alleine bist.«
In diesem Moment drang Lärm aus der Eingangshalle. Kurz darauf raste Moe, Flynns großer, schwarzer Katastrophenhund in den Salon. Begeistert bellend stürzte er sich auf das Tablett mit den Canapés, das auf einem der niedrigen Tische stand.
Flynn und Malory spurteten als Nächste in den Salon, gefolgt von einer lachenden Rowena.
...
Übersetzung: Margarethe van Pée
Taschenbuchausgabe September 2012 bei Blanvalet Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Mit sechzehn begegnete Zoe McCourt dem Jungen, der ihr Leben verändern sollte. Sie war als Älteste von vier Kindern in den Bergen von West Virginia aufgewachsen. Als sie zwölf war, war ihr Vater bereits mit der Frau eines anderen Mannesabgehauen.
Eigentlich hatte Zoe es nicht als großen Verlust empfunden. Ihr Daddy war ein aufbrausender, mürrischer Mann, der lieber mit seinen Kumpels Bier trank oder die Frau seines Nachbarn vögelte, statt sich um seine Familie zu kümmern. Aber sein Verschwinden war doch schwer für sie gewesen, weil er zumindest seinen Lohn zu Hause abgeliefert hatte.
Ihre Mutter war eine dünne, nervöse Frau, die zu viel rauchte, und sich, nachdem sie verlassen worden war, mit hartnäckiger Regelmäßigkeit Freunde zulegte, die vom gleichen Kaliber waren wie Bobby Lee McCourt. Sie machten sie für kurze Zeit glücklich, auf lange Sicht wütend und traurig, aber sie hielt es nie länger als einen Monat ohne Mann aus.
Crystal McCourt hatte ihre Brut in einem Doppelwohnwagen im Hillside Trailer Park großgezogen. Als ihr Ehemann das Weite gesucht hatte, betrank sie sich sinnlos und fuhr ihm in ihrem gebrauchten Camaro hinterher. Sie ließ Zoe mit ihren Geschwistern bedenkenlos allein.
Drei Tage blieb Crystal weg. Bobby, den »gottverdammten Hurensohn«, hatte sie nicht gefunden, aber sie kam wenigstens nüchtern zurück. Die Jagd nach ihm hatte sie ihre Selbstachtung und ihre Stelle in Debbies Schönheitssalon gekostet. Der Salon war zwar nicht mehr als eine Hütte, aber er hatte ihr wenigstens ein dauerhaftes Einkommen garantiert.
Der Rausschmiss machte Crystal nur noch härter. Sie setzte sich mit ihren Kindern zusammen und erklärte ihnen, es würde zwar ein steiniger Weg werden, aber sie würden es schon schaffen.
Dann hängte sie ihr Kosmetikerdiplom in die Küche des Wohnwagens und eröffnete ihren eigenen Salon. Sie unterbot Debbies Preise und hatte zudem ein geschicktes Händchen für gute Haarschnitte.
Und sie hatten es geschafft. Der Wohnwagen stank zwar ständig nach Peroxyd, Dauerwellen und Zigaretten, aber sie waren klargekommen.
Zoe wusch den Kundinnen den Kopf, fegte die Haare auf und kümmerte sich um ihre drei Geschwister. Als sich herausstellte, dass sie nicht unbegabt war, durfte sie auskämmen oder ab und zu tatsächlich schon mal schneiden.
Dabei träumte sie unentwegt von einem besseren Leben außerhalb des Wohnwagenparks.
In der Schule war sie gut, vor allem in Mathematik. Deshalb führte sie ihrer Mutter auch die Bücher. Schon lange vor ihrem vierzehnten Geburtstag war sie erwachsen, aber das Kind in ihr sehnte sich nach etwas anderem.
So war es keine Überraschung, dass sie im Alter von 16 Jahren auf James Marshall flog. Er war ganz anders als die anderen Jungen, die sie kannte, und nicht nur, weil er drei Jahre älter war als sie, also neunzehn. Nein, er war herumgekommen und hatte vieles gesehen. Und er sah aus wie ein Märchenprinz.
Sein Urgroßvater hatte im Bergwerk gearbeitet, aber an James haftete kein Kohlenstaub. Den hatten die späteren Generationen gründlich weggeschrubbt. Mittlerweile besaß seine Familie Geld. Ihnen gehörte das größte und prächtigste Haus in der Stadt, und James und seine jüngere Schwester gingen beide auf Privatschulen.
Die Marshalls gaben gerne große, rauschende Feste, und dann ließ Mrs. Marshall Crystal immer ins Haus kommen, damit sie sie frisierte. Oft begleitete Zoe sie, um Mrs. Marshall zu maniküren.
Zoe träumte von diesem Haus. Es war so sauber und voller Blumen und hübscher Dinge. Für sie war es ein tröstlicher Gedanke zu wissen, dass man wahrhaftig so wohnen konnte - und nicht alle Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht in einem Wohnwagen lebten, in dem es nach Chemie und kaltem Rauch roch.
Eines Tages wollte sie in genau so einem Haus wohnen, gelobte sie sich. Es brauchte ja nicht unbedingt so groß und prächtig wie das der Marshalls zu sein, aber auf jeden Fall sollte es ein richtiges Haus mit einem kleinen Garten sein.
Und eines Tages würde sie in all die Orte reisen, von denen Mrs. Marshall ständig erzählte - nach New York, nach Paris oder Rom.
Sie sparte jeden Penny von ihrem Trinkgeld und der Bezahlung, die sie für ihre Nebenjobs bekam, und da sie gut mit Geld umgehen konnte, hatte sie mit sechzehn bereits vierhundertvierzehn Dollar auf einem geheimen Sparkonto angesammelt.
Als sie im April sechzehn wurde, verdiente sie sich zusätzlich etwas, indem sie auf einer der Partys, die die Marshalls gaben, servierte.
Damals trug sie ihre dicken, schwarzen Haare lang und offen. Sie war zwar immer schlank gewesen, entwickelte jetzt jedoch darüber hinaus weibliche Kurven, sodass ihr die Jungen in Scharen hinterherliefen. Aber sie hatte keine Zeit für Jungen - jedenfalls nicht viel.
Sie hatte große, goldbraune Augen, die nachdenklich und forschend blickten, und volle Lippen, die sich nur selten zu einem Lächeln verzogen. Ihre Gesichtszüge waren klar und leicht exotisch, was einen interessanten Kontrast zu ihrer angeborenen Schüchternheit bildete.
Was man ihr auftrug, erledigte sie perfekt, aber sie war äußerst zurückhaltend.
Vielleicht hatten es ja ihre Schüchternheit, ihr verträumter Blick oder ihre ruhige, kompetente Art James angetan. Auf jeden Fall flirtete er an jenem Vorfrühlingsabend mit ihr und brachte sie so durcheinander, dass sie schließlich einwilligte, sich wieder mit ihm zu treffen.
Sie trafen sich heimlich, was den romantischen Reiz erhöhte. Dass jemand wie James ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, überwältigte Zoe. Er hörte ihr zu, und nach und nach verlor sie ihre Schüchternheit und vertraute ihm ihre Träume und Hoffnungen an.
Er war lieb zu ihr, und wann immer sie sich wegstehlen konnte, unternahmen sie lange Autofahrten oder saßen einfach nur unter dem Sternenhimmel und redeten.
Dabei blieb es natürlich nicht.
Er sagte, er liebe sie. Er sagte, er brauche sie.
Und in einer warmen Juninacht nahm er ihr auf einer roten Decke, die sie auf dem weichen Waldboden ausgebreitet hatten, ihre Unschuld.
Auch danach blieb er lieb und aufmerksam und versprach, sie würden ewig zusammenbleiben. Sie glaubte ihm, und er glaubte wahrscheinlich selber daran.
Alles jedoch hat seinen Preis, und so musste Zoe dafür bezahlen, dass sie jung und naiv gewesen war. Allerdings wurde James gleichfalls nicht geschont, und vielleicht kostete ihn das sogar mehr als sie. Sie hatte zwar ihre Unschuld verloren, er jedoch einen viel größeren Schatz.
Sie warf dem Schatz einen Blick zu. Ihr Sohn.
Simon hatte ihrem Leben eine völlig neue Richtung, einen neuen Sinn gegeben. Das Kind hatte eine erwachsene Frau aus ihr gemacht.
Sie hatte ihr Haus bekommen - ein kleines Haus mit einem kleinen Garten -, und das hatte sie ganz alleine geschafft. An all die wundervollen Orte war sie zwar nicht gereist, von denen sie geträumt hatte, aber sie hatte alle Wunder der Welt durch die Augen ihres Sohnes gesehen.
Und jetzt, fast zehn Jahre nachdem sie ihn zum ersten Mal im Arm gehalten und ihm versprochen hatte, dass sie ihn nie im Stich lassen würde, sorgte sie dafür, dass ihr Sohn mehr vom Leben zu erwarten hatte.
Zoe McCourt, das schüchterne Mädchen aus den Hügeln von West Virginia, war dabei, ihr eigenes Geschäft in dem hübschen Städtchen Pleasant Valley in Pennsylvania zu eröffnen, zusammen mit zwei Frauen, die in nur zwei Monaten für sie zu Schwestern und Freundinnen geworden waren.
»Luxus«. Ihr gefiel der Name. Genau das sollte es für die Kunden sein. Zwar würden sie und ihre Freundinnen hart arbeiten müssen, aber auch das war in gewisser Weise Luxus, weil sie es durften und stets davon geträumt hatten, selbständig zu sein.
Malory Prices Galerie für Kunst und Kunsthandwerk würde auf einer Seite im Parterre ihres gemeinsamen Hauses eingerichtet werden, Dana Steeles Buchhandlung auf der anderen. Und ihr eigener Salon würde sich im ersten Stock befinden.
Nur noch ein paar Wochen, dachte Zoe. In ein paar Wochen war alles fertig, und sie konnten eröffnen.
Bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr der Magen zusammen, aber nicht nur aus Angst, sondern gleichzeitig vor Aufregung.
Sie wusste genau, wie ihr Salon aussehen würde. Kräftige Farben und viel Licht im eigentlichen Salon, weichere, entspannendere Töne in den Behandlungsräumen. Kerzen würden Duft und Atmosphäre verbreiten, und an den Wänden würden interessante Bilder hängen. Und die Beleuchtung würde erstklassig und schmeichelhaft sein.
Luxus für Kopf, Körper und Geist, das wollte sie ihren Kunden geben.
Heute Abend fuhr sie vom Valley, wo sie wohnte und wo sie auch ihr Geschäft eröffnen würde, in die Hügel, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Simon starrte leicht mürrisch aus dem Fenster. Er war nicht glücklich, weil sie ihn gezwungen hatte, seinen Anzug anzuziehen.
Aber wenn man in einem Haus wie Warrior's Peak zum Abendessen eingeladen war, musste man sich halt passend kleiden.
Gedankenverloren zupfte sie am Saum ihres Kleides. Sie hatte es günstig in einem Outlet erstanden und hoffte nur, dass der dunkelrote Jerseystoff dem Anlass entsprach.
Vielleicht hätte sie sich besser ein kleines Schwarzes kaufen sollen, überlegte sie. Das hätte bestimmt würdevoller und nüchterner gewirkt. Doch sie liebte nun einmal Farben, und gerade heute Abend musste sie etwas für ihr Selbstvertrauen tun. Schließlich würde es einer der denkwürdigsten Abende in ihrem Leben werden, und da war es angebracht, dass sie ein Kleid trug, in dem sie sich wohl fühlte.
Zoe presste die Lippen zusammen. Sie musste jetzt endlich ihrem Sohn erklären, was es mit dem heutigen Abend auf sich hatte. Die Frage war nur, wie sollte sie es einem Neunjährigen verständlich machen?
»Ich glaube, wir sollten mal darüber sprechen, warum wir heute Abend zum Warrior's Peak fahren«, begann sie.
»Ich wette, außer mir trägt keiner einen Anzug«, murrte Simon.
»Ich wette, da irrst du dich.«
Er warf ihr einen listigen Blick von der Seite zu. »Um einen Dollar.«
»Okay, um einen Dollar«, willigte sie ein.
Er sah ihr so ähnlich, dachte sie voller Stolz und Freude. War es nicht seltsam, dass er so gar nichts von James hatte? Er hatte ihre Augen, ihren Mund, ihre Nase, ihre Haare.
»Na ja.« Sie räusperte sich. »Weißt du noch, wie ich vor zwei Monaten die Einladung dorthin bekommen habe? Und dass ich dort Malory und Dana kennen gelernt habe?«
»Ja klar, daran kann ich mich erinnern. Weil du mir am nächsten Tag Playstation zwei gekauft hast, und dabei hatte ich nicht mal Geburtstag.«
»Geschenke ohne Anlass sind die besten.« Sie hatte Simons Herzenswunsch damals erfüllen können, weil sie sich auf das ... Fantastische eingelassen und dafür zehntausend Dollar bekommen hatte.
»Du kennst Malory und Dana, und du kennst Flynn, Jordan und Bradley.«
»Ja, wir sind ja viel mit ihnen zusammen. Sie sind cool. Für alte Leute«, fügte er grinsend hinzu, weil er wusste, dass es sie zum Lachen bringen würde.
Aber sie lachte nicht.
»Ist irgendwas mit ihnen?«, fragte er alarmiert.
»Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.« Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. »Äh, manchmal sind Menschen irgendwie miteinander verbunden, ohne es zu wissen. Ich meine, Dana und Flynn sind Geschwister - na ja, Stiefbruder und Stiefschwester, und dann hat Dana sich mit Malory angefreundet, und Malory hat Flynn kennen gelernt, und ehe sie wussten, was los war, haben sich Malory und Flynn ineinander verliebt.«
»Willst du mir jetzt eine Liebesgeschichte erzählen? Ich muss gleich kotzen.«
»Dann sieh zu, dass du dich rechtzeitig aus dem Fenster beugst. Also, Flynns älteste Freunde sind Jordan und Bradley. Und als sie jünger waren, da, na ja, da sind Jordan und Dana häufiger miteinander ausgegangen.« Sicherer konnte eine Mutter es doch kaum formulieren. »Jordan und Bradley sind von hier weggezogen, aber dann kamen sie wieder, zum Teil wegen dieser Verbindung, auf die ich gleich komme. Und auch Jordan und Dana kamen wieder zusammen, und ... «
»Und jetzt wollen sie heiraten und Flynn und Malory ebenfalls. Das ist wie eine Seuche.« Simon hatte sich ihr zugewandt und verzog gepeinigt das Gesicht. »Wenn wir zu den Hochzeiten gehen wie zu der von Tante Joleen, dann muss ich bestimmt wieder einen Anzug anziehen, was? «
»Ja, es gehört zu meinen stillen Freuden, dich zu quälen. Ich will dir doch nur erklären, dass wir alle auf die eine oder andere Art miteinander verbunden sind. Und da ist noch was. Ich habe dir bisher nicht viel von den Leuten, die in Warrior's Peak wohnen, erzählt.«
»Das sind die magischen Leute.«
Zoe zuckte zusammen. Sie wurde langsamer und fuhr rechts an den Straßenrand. »Wie kommst du auf ›magische Leute‹?«
»Himmel, Mom, ich höre euch doch reden, wenn ihr eure Treffen und so habt. Sind sie denn Zauberer oder so was? Ich verstehe das nicht.«
»Nein. Ja. Ach, ich weiß nicht genau.« Wie sollte sie einem Kind erklären, was Götter waren? »Glaubst du an Zauberei, Simon? Ich meine damit keine Kartentricks, sondern Dinge, wie sie in Harry Potter oder Der kleine Hobbit beschrieben werden.«
»Wenn das nicht manchmal Wirklichkeit wäre, warum sollte es dann so viele Bücher und Filme darüber geben?«
»Guter Gedanke«, erwiderte Zoe. »Rowena und Pitte, die wir heute Abend auf dem Peak besuchen, sind magisch. Sie kommen von woanders, und sie leben hier, weil sie unsere Hilfe brauchen.«
»Warum?«
Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit endgültig errungen.
»Das werde ich dir erzählen. Es klingt zwar wie eine erfundene Geschichte, ist aber keine. Ich muss allerdings beim Reden weiterfahren, sonst kommen wir zu spät.«
»Okay.«
Sie holte tief Luft. »Vor langer, langer Zeit lebte an einem Ort hinter dem so genannten Vorhang der Träume oder Vorhang der Macht, wie er gleichzeitig genannt wird, ein junger Gott ...«
»Wie Apollo?«
»Ja, so ähnlich, aber kein griechischer Gott, sondern ein keltischer. Er war der Sohn des Königs. Und als er alt genug war, besuchte er unsere Welt, lernte ein Mädchen kennen und verliebte sich in sie.«
Simons Mundwinkel zuckten. »Warum passiert denn so was pausenlos?«
»Können wir das später besprechen? Jetzt haben wir zu wenig Zeit. Also, sie verliebten sich, und seine Eltern erlaubten ihm, das Mädchen mit nach Hause zu bringen, damit er es heiraten konnte, obwohl es eigentlich damals nicht erlaubt war. Einige der Götter hatten nichts dagegen, aber andere schon. Es gab Kämpfe und ... «
»Cool.«
»Und die Welt teilte sich in zwei Reiche auf. Ja, so könnte man sagen. Eins, in dem der junge Gott mit seiner menschlichen Frau regierte, und eins, in dem ein böser Zauberer herrschte.«
»Voll cool.«
»Der junge König hatte drei Töchter. Sie wurden als Halbgöttinnen bezeichnet, weil sie ja eine menschliche Mutter hatten. Jede der Töchter hatte eine besondere Begabung. Bei der einen war es Musik und Kunst, bei der anderen war es Schreiben und Wissen, und bei der dritten war es Mut und Tapferkeit.«
Bei dem Gedanken daran bekam sie einen trockenen Mund. Sie schluckte und fuhr fort: »Sie war so eine Art Kriegerin. Die Schwestern standen einander sehr nahe, und ihre Eltern liebten sie. Damit ihnen in diesen unruhigen Zeiten nichts passierte, ließen sie sie von einem Krieger und einer Lehrerin bewachen. Dann - und jetzt halt dich zurück - verliebten sich der Krieger und die Lehrerin ineinander.«
Simon ließ den Kopf zurücksinken und verdrehte die Augen. »Ich wusste es.«
»Da die Töchter keine sarkastischen neunjährigen Jungen waren, freuten sie sich für die beiden und gaben ihnen Gelegenheit, sich ab und zu zurückzuziehen. Dadurch waren sie jedoch nicht mehr so gut bewacht, wie es nötig gewesen wäre. Das nutzte der böse Zauberer zu seinem Vorteil, und er schlich sich heran und belegte sie mit einem Fluch. Durch den Zauberspruch wurden die Seelen der Töchter gestohlen und in einem Glaskasten mit drei Schlössern und drei Schlüsseln eingesperrt.«
»Mann, das tut doch weh.«
»Ja, bestimmt. Die Seelen waren also in dem Kasten gefangen und konnten nur heraus, wenn die Schlüssel von menschlicher Hand einer nach dem anderen in den Schlössern umgedreht wurden.«
Da ihre Finger prickelten, rieb sie damit über den Rock ihres Kleides. »Weißt du, eben weil sie halb menschlich waren, machte der Zauberer es so, dass sie nur von Menschen gerettet werden konnten, weil er das für unmöglich hielt. Die Lehrerin bekam die Schlüssel - mit denen sie allerdings nichts anfangen konnte -, und sie und der Krieger wurden verbannt und in unsere Welt geschickt. In jeder Generation mussten sie nun drei Menschen, die dafür ausersehen waren, den Kasten zu öffnen, ausfindig machen und sie bitten, nach den Schlüsseln zu suchen. Und jeder einzelne Mensch hatte dafür nur vier Wochen Zeit.«
»Wow, und du musst einen Schlüssel finden? Warum bist gerade du ausgesucht worden?«
Zoe stieß die Luft aus. Ihr Sohn war wirklich ein intelligenter und logisch denkender Junge. »Ich weiß nicht genau. Mal, Dana und ich sehen aus wie die Töchter. Die Glastöchter heißen sie. Rowena ist eine Künstlerin, und oben auf dem Peak hängt ein Bild von ihnen, das sie gemalt hat. Es ist alles irgendwie miteinander verknüpft, Simon. Wir haben eine Verbindung untereinander, mit den Schlüsseln und mit den Töchtern. Man könnte es vermutlich als Schicksal bezeichnen.«
»Und wenn ihr die Schlüssel nicht findet, dann bleiben sie in dem Kasten gefangen?«
»In dem Kasten sind ihre Seelen. Ihre Körper liegen in Glassärgen, wie bei Schneewittchen, und warten.«
»Rowena und Pitte sind die Lehrerin und der Krieger.« Er nickte. »Und du und Malory und Dana, ihr müsst die Schlüssel finden und alles in Ordnung bringen.«
»So ungefähr. Malory und Dana waren schon an der Reihe und haben ihre Schlüssel gefunden. Jetzt bin ich dran.«
»Du findest ihn bestimmt.« Er sah sie ernst an. »Du findest ja auch immer alles, was ich verloren habe.«
Wenn es nur so einfach wäre wie ein verlorenes Spielzeug ihres Sohnes zu finden, dachte sie. »Ich werde mich jedenfalls sehr bemühen. Der Zauberer - sein Name ist Kane - hat versucht, uns aufzuhalten, Simon. Er wird es auch bei mir versuchen. Er kann einem wirklich Angst einjagen, aber ich werde trotzdem mein Bestes tun.«
»Du wirst ihn in den Hintern treten.«
Das Lachen löste ein wenig den Knoten in ihrem Magen. »Das habe ich vor. Ich wollte dir das eigentlich alles nicht erzählen, aber es wäre nicht richtig gewesen.«
»Nein, wir sind schließlich ein Team.«
»Ja, wir sind ein großartiges Team.«
Zoe schwieg, weil sie an den Toren von Warrior's Peak angekommen waren. Sie waren flankiert von zwei steinernen Kriegern, die kampfbereit die Hände an den Schwertknäufen hatten. Zoe hatte sie von Anfang an großartig gefunden. Was für eine Verbindung mochte sie wohl zu diesen prächtigen Kriegern haben? Sie holte tief Luft und fuhr durch das Tor.
»Geil«, sagte Simon.
»Das kannst du mit Fug und Recht behaupten.«
Sie verstand seine Reaktion auf das Haus. Sie hatte das Gleiche gedacht, als sie beim ersten Mal staunend vor dem Haus gestanden hatte.
»Haus« war allerdings nicht die richtige Bezeichnung für Warrior's Peak. Halb Schloss, halb Festung, thronte es hoch über dem Valley und beherrschte es. Es war aus schwarzem Stein erbaut, mit Türmchen und Zinnen und Furcht erregenden Wasserspeiern, die aussahen, als wollten sie jeden Moment herunterspringen. Umgeben war es von weiten Rasenflächen, deren natürliche Grenze der Wald bildete. Auf dem höchsten Turm flatterte eine weiße Fahne mit einem goldenen Schlüsselemblem.
Die Sonne sank gerade, und die leuchtenden Farben des Abendrots unterstrichen den dramatischen Anblick.
Bald würde es dunkel sein, dachte Zoe, und am Himmel würde nur die schmale Sichel des zunehmenden Mondes stehen, das Symbol für den Beginn ihrer Suche.
»Drinnen ist es ebenso beeindruckend, wie in einem Film. Fass bloß nichts an. «
»Mom! «
»Ich bin nervös, versteh das bitte.« Langsam fuhr Zoe auf den Eingang zu. »Wirklich, fass da drinnen nichts an. «
Sie hielt an. Hoffentlich war sie weder die Erste noch die Letzte. Rasch holte sie den Lippenstift aus ihrer Tasche, um sich die Lippen nachzuziehen. Mit einer geübten Handbewegung zupfte sie die geraden Fransen ihrer Haare zurecht, die sie im Moment kürzer trug als ihr Sohn.
»Du siehst gut aus. Können wir jetzt reingehen?«
»Ich möchte, dass wir nicht nur gut, sondern toll aussehen.« Sie packte Simon am Kinn und fuhr ihm mit ihrem Kamm durch die Haare. Er schaute sie finster an. »Wenn du das Essen nicht magst, dann tu einfach so, als ob du essen würdest, aber sag um Himmels willen nicht, dass es dir nicht schmeckt und gib bitte keine Würgelaute von dir. Du kannst später zu Hause noch etwas essen.«
»Können wir auf dem Rückweg bei McDonald's vorbeifahren? «
»Eventuell. So, jetzt sind wir so weit. Okay.« Sie steckte den Kamm wieder in ihre Tasche und wollte gerade die Autotür öffnen, als der alte Mann, der die Gäste stets empfing, dies bereits für sie tat. Zoe zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie ihn sah. »Oh, danke.«
»Es ist mir eine Ehre, Miss. Guten Abend.«
Simon musterte ihn mit einem langen Blick. »Hi.« »Hallo, junger Herr.«
Simon, dem die Anrede gefiel, grinste ihn an. »Sind Sie einer von den magischen Leuten?«
Der alte Mann verzog sein faltiges Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Vielleicht. Wie gefiele dir das?« »Prima. Aber warum sind Sie so alt?«
»Simon! «
»Das ist eine gute Frage, Miss«, erwiderte der Mann.
»Ich bin so alt, weil ich lange leben durfte. Das wünsche ich dir auch.« Ächzend beugte er sich zu Simon herunter. »Möchtest du etwas Wahres wissen?«
»Okay.«
»Wir sind alle magische Leute, aber manche wissen es, und manche wissen es nicht.«
Mühsam richtete er sich wieder auf. »Ich kümmere mich um Ihren Wagen, Miss. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.«
»Danke.« Zoe ergriff Simons Hand und trat zum Säulenportal. Die Flügeltüren schwangen auf, noch bevor sie klopfen konnte, und Rowena stand auf der Schwelle.
Ihre leuchtend roten Haare, die ihr bis über die Schultern fielen, bildeten einen wunderbaren Kontrast zu ihrem langen, moosgrünen Kleid. Um den Hals trug sie eine lange Silberkette mit einem funkelnden Edelstein, in dem sich das Licht aus der Eingangshalle widerspiegelte.
Sie streckte Zoe die Hand entgegen, um sie willkommen zu heißen, der Blick aus ihren dunkelgrünen Augen jedoch galt Simon.
»Willkommen.« Sie hatte einen leichten Akzent, der Zoe an all die fremden Länder erinnerte, die sie früher einmal hatte bereisen wollen. »Wie schön, dich wiederzusehen. Und es ist mir eine Freude, dich endlich kennen zu lernen, Simon. «
»Simon, das ist Miss Rowena.«
»Nur Rowena, bitte. Ich hoffe, wir werden bald Freunde. Kommt doch herein.« Sie ergriff Zoes Hand und legte die andere Hand leicht auf Simons Schulter.
»Sind wir womöglich zu spät?«
»Nein, überhaupt nicht.« Rowena schritt über den Steinfußboden mit seinen bunten Mosaiken. »Malory und Flynn fehlen noch. Die anderen sind im Salon. Sag mir, Simon, magst du Kalbsleber und Rosenkohl?«
Simon gab einen Würgelaut von sich, doch sofort fiel ihm ein, dass seine Mutter ihm das strikt verboten hatte. Verlegen peilte er Zoe an, die knallrot geworden war. Rowena lachte jedoch lediglich. »Da ich das genauso wenig mag, steht es glücklicherweise heute Abend nicht auf dem Speiseplan. Unsere Gäste«, verkündete sie, während sie in den Salon trat. »Pitte, darf ich dir Master McCourt vorstellen?«
Simon stieß seine Mutter mit dem Ellbogen an. »Master«, flüsterte er begeistert.
Rowenas Geliebter passte im Aussehen zu ihr. Sein eleganter dunkler Anzug saß wie angegossen, und seine dichten, schwarzen Haare umrahmten ein kraftvolles Gesicht, in dem jeder Knochen wie gemeißelt wirkte. Aus strahlend blauen Augen musterte er Simon, zog eine Augenbraue hoch und gab ihm die Hand.
»Guten Abend, Master McCourt. Was kann ich dir zu trinken anbieten?«
»Darf ich eine Coke haben?«
»Selbstverständlich.«
»Bitte, macht es euch bequem.« Rowena wies auf die Sessel.
Dana hatte sich bereits erhoben und begrüßte sie. »Hey, Simon, wie geht's?«
» Gut. Aber ich habe einen Dollar verloren, weil der Typ und Brad Anzüge anhaben.«
»Pech.«
»Ich gehe zu Brad, okay, Mom?«
»Ja, ist gut, aber ...« Zoe seufzte, als Simon davon-stürmte. »Fass nichts an«, rief sie warnend hinterher.
»Er macht schon nichts falsch. Wie geht es dir?«
»Ich weiß nicht.« Zoe zuckte die Schultern. Danas dunkelbraune Augen waren voller Verständnis, und Zoe fühlte dankbar, wie sehr sie ihr und Malory vertraute. »Ich bin ein bisschen nervös, aber reden wir nicht darüber. Du siehst toll aus.«
Das stimmte wirklich. Danas dichte braune Haare umrahmten schwungvoll ihr Gesicht und betonten ihr energisches Kinn. Die Frisur, die sie ihr verpasst hatte, stand ihr echt gut, dachte Zoe. Erleichtert stellte sie fest, dass Dana über ihrem formellen schwarzen Kleid ein ziegelrotes Jackett trug.
»Noch besser«, fügte sie hinzu, »du wirkst glücklich.« Sie hob Danas Hand, um den prachtvollen Rubinring zu bewundern. »Jordan hat einen exzellenten Geschmack, was Ringe und Verlobte angeht.«
»Das finde ich ebenfalls.« Dana schaute zu der Couch hinüber, auf der Jordan sich mit Pitte unterhielt. Sie sahen beide den Kriegern am Tor ähnlich. »Da habe ich mir doch tatsächlich einen großen, gut aussehenden Typ geangelt.«
Ja, sie waren ein wundervolles Paar, stellte Zoe fest. Dana mit ihrer sexy Amazonenfigur und der große, muskulöse Jordan.
»Du möchtest sicher ein Glas Champagner.« Rowena trat zu ihnen und reichte Zoe eine Champagnerflöte. »Danke.«
»Dein Sohn ist ein Juwel.«
Stolz trat an die Stelle von Nervosität. »Ja, er ist das Kostbarste in meinem Leben.«
»Das macht dich reich.« Rowena legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter. »Er und Bradley scheinen gute Freunde zu sein.«
»Ja, sie verstanden sich auf Anhieb«, bestätigte Zoe.
Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, es kam ihr so unwahrscheinlich vor. Und doch steckten die beiden die Köpfe zusammen und waren offensichtlich in ein angeregtes Gespräch vertieft. Der Mann in dem eleganten ziegelgrauen Anzug und der Junge in seinem dunkelbraunen Anzug, der ihm - oh Gott - schon eine Spur zu klein war.
Es kam ihr seltsam vor, dass Simon sich mit einem Mann, in dessen Gegenwart sie sich permanent unwohl fühlte, so gut verstand. Normalerweise hatten sie und ihr Sohn den gleichen Geschmack.
Jetzt schaute Brad auf, und seine Augen, die fast die gleiche Farbe hatten wie sein Anzug, trafen ihre.
O ja, dachte Zoe, genau das war der Grund. Er sah einfach zu gut aus, er war zu reich, er hatte zu viel von allem. Nicht deine Liga, Mädchen, ermahnte sich Zoe. Deine Erfahrung lehrt dich absolute Vorsicht.
Allerdings würde James Marshall neben Bradley Charles Vane IV. wie eine Witzblattfigur wirken. Die Vanes besaßen eine Baumarktkette, HomeMakers, mit Läden im ganzen Land, und sein Vermögen machte Brad zu einem mächtigen, privilegierten Mann.
Und sein blendendes Aussehen, seine dunkelblonden Haare, die nachdenklichen Augen und der sinnliche Mund machten ihn für Zoe zu einem gefährlichen Mann. Außerdem konnte sie ihn schlecht einschätzen. In der einen Minute war er arrogant und kühl, in der nächsten hitzköpfig und bestimmend - und dann wieder überraschend nett.
Zoe vertraute keinem Mann, den sie nicht einkalkulieren konnte. Was allerdings Simon betraf, so vertraute sie ihm seltsamerweise. Er würde ihrem Jungen nie etwas tun, da war sie sich ganz sicher. Und sie konnte ebenso wenig leugnen, dass er bestens mit ihm zurechtkam.
Trotzdem verspannte sich jeder Muskel in ihrem Körper, als Brad jetzt auf sie zukam.
»Wie fühlst du dich?«
»Och, ganz okay.«
»Du hast also Simon erzählt, was hier vor sich geht?«
»Er hat ein Recht darauf, es zu wissen. Ich ...«
»Du brauchst mir nicht gleich an die Gurgel zu springen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich derselben Meinung bin. Er hat nicht nur das Recht, es zu wissen, er ist zudem intelligent genug, um damit klarzukommen.«
»Oh.« Zoe fixierte ihr Glas. »Tut mir Leid. Ich bin ein bisschen nervös.«
»Vielleicht hilft es dir ja, dich daran zu erinnern, dass du nicht alleine bist.«
In diesem Moment drang Lärm aus der Eingangshalle. Kurz darauf raste Moe, Flynns großer, schwarzer Katastrophenhund in den Salon. Begeistert bellend stürzte er sich auf das Tablett mit den Canapés, das auf einem der niedrigen Tische stand.
Flynn und Malory spurteten als Nächste in den Salon, gefolgt von einer lachenden Rowena.
...
Übersetzung: Margarethe van Pée
Taschenbuchausgabe September 2012 bei Blanvalet Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
... weniger
Autoren-Porträt von Nora Roberts
Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmässig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2012, Neuveröffentlichung, 384 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Margarethe van Pée
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442379350
- ISBN-13: 9783442379354
- Erscheinungsdatum: 15.08.2012
Kommentare zu "Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3"
0 Gebrauchte Artikel zu „Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 12Schreiben Sie einen Kommentar zu "Zeit des Glücks / Zeit Trilogie Bd.3".
Kommentar verfassen