Zeit des Zorns
Roman
Ben, Chon und Ophelia sind ein unschlagbares Team. Mit Drogen verdienen sie Millionen. Dann macht ihnen das mexikanische Baja-Kartell ein Angebot, das sie besser nicht ausschlagen sollten. Aber Ben und Chon lehnen ab. Alles scheint gut zu gehen, bis Ophelia entführt wird.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Zeit des Zorns “
Ben, Chon und Ophelia sind ein unschlagbares Team. Mit Drogen verdienen sie Millionen. Dann macht ihnen das mexikanische Baja-Kartell ein Angebot, das sie besser nicht ausschlagen sollten. Aber Ben und Chon lehnen ab. Alles scheint gut zu gehen, bis Ophelia entführt wird.
Klappentext zu „Zeit des Zorns “
Wenn dein Feind dich in die Enge treibt. Dir den Boden unter den Füssen wegzieht. Wenn er dir nimmt, was du liebst. Dann bleibt kein Spielraum für Verhandlungen. Dann kommt die Zeit des Zorns. Ben und Chon betreiben ein exklusives Millionengeschäft mit erstklassigem Dope für erstklassige Kundschaft. Sie sind Yin und Yang, Gegensätze, die sich ergänzen. Sie lieben, was sie tun, und sie lieben Ophelia. Die drei sind ein unschlagbares Team: Ben investiert in Hilfsorganisationen, Ophelia bringt den Kreislauf des Geldes in Schwung, und Chon hält ihnen allen Ärger vom Hals. Doch nun macht das mexikanische Baja-Kartell ihnen ein Angebot, zu dem sie besser nicht nein sagen sollten. Aber Ben und Chon sagen nein. Und sie schlagen sich gut. Bis das Kartell Ophelia entführt. Um sie zu retten, sind Ben und Chon bereit, bis zum Äussersten zu gehen - gegen einen Feind, der keine Gnade kennt.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Zeit des Zorns “
Zeit des Zorns von Don Winslow 1
Fickt euch.
... mehr
Das ist heutzutage mehr oder weniger Chons Einstellung. Ophelia meint, Chon hat keine attitude, er hat baditude. »Macht seinen Charme aus«, sagt O. Worauf Chon entgegnet, dass es nur ein muy verstrahlter
Daddy fertig bringt, seine Tochter nach einer durchgeknallten Braut zu benennen, die sich ertränkt hat. Ganz schön verkorkstes Wunschdenken.
Das war nicht ihr Dad, klärt O ihn auf, sondern ihre Mom. Chuck hatte keinen blassen Schimmer, dass sie überhaupt geboren war, deshalb hat Paku gemacht, was sie wollte, und dem kleinen Mädchen den Namen »Ophelia« gegeben. Os Mutter Paku ist keine Indianerin oder so, O nennt sie einfach bloß »Paku«.
»Ist eine Abkürzung«, erklärt sie. P. A. K. U. Passiv Aggressive Königin des Universums. »Hat deine Mutter dich gehasst?«, hat Chon sie mal gefragt.
»Sie hat mich nicht gehasst«, erwiderte O. »Sie hat's bloß gehasst, mit mir schwanger zu sein, weil sie dabei total fett geworden ist - bei Paku heißt das, sie hat fünf Pfund zugelegt. Sie hat mich rausgepresst und auf dem Heimweg vom Krankenhaus ein Laufband gekauft.«
Ja, ja, ja, weil Paku total SOC R&B ist. South Orange County Rich and Beautiful. Blonde Haare, blaue Augen, fein geschnittenes Näschen
und dazu DBGT - die besten gekauften Titten (wenn man die Vorwahl 949 und echte Brüste hat, wird man für eine von den Amish People oder so was gehalten) -, der Rettungsring blieb nicht lange auf ihren Hüften. Paku fuhr nach Hause in ihre Drei-Millionen-Dollar-Hütte in Emerald Bay, schnallte sich die kleine Ophelia in einer Babytrage auf den Rücken und stellte sich aufs Band.
Marschierte zweitausend Meilen und kam trotzdem nirgends an.
»Die Symbolkraft ist der Hammer, oder?«, fragt O, als sie mit der Geschichte fertig ist. Sie glaubt, dass daher ihre Vorliebe für Elektrowerkzeug rührt. »Als hätte es diesen einschneidenden, unterschwelligen Einfluss gebraucht. Ich meine, ich war noch ein Baby, und da war das ständige rhythmische Summen und Brummen, die blinkenden Lichter und der ganze Scheiß? Also bitte.«
Als sie alt genug war und kapierte, dass Ophelia Hamlets bipolar gestörte kleine Borderline-Freundin war, die ohne Rückfahrkarte schwimmen ging, bestand sie darauf, von ihren Freunden nur noch »O« genannt zu werden. Die zeigten sich durchaus kooperativ, wobei es aber nicht ganz unriskant war, sich den Spitznamen »O« zu verpassen, wenn man für ohrenbetäubend laute Orgasmen bekannt war. Einmal ging O auf einer Party mit einem Kerl nach oben. Und fing vor lauter Glück an loszuschreien. Trotz der Musik und allem konnte man sie bis unten hören. Der Techno stampfte, aber O übertönte ihn mühelos fünf Oktaven höher. Ihre Freunde lachten. Sie waren alle schon bei Pyjama-Partys gewesen, auf denen O ihren Hochleistungs-Häschenvibrator mit den vielen beweglichen Teilen ausgepackt hatte, und sie kannten den Refrain.
»Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch«, flötete ihre Freundin Ashley.
O war das nicht peinlich. Sie kam total entspannt und glücklich wieder runter, zuckte mit den Schultern und meinte: »Was soll ich sagen? Ich komme halt gern.«
Ihre Freunde kannten sie also als »O«, aber ihre Freundinnen nannten sie »Multiple O«. Hätte schlimmer kommen können, hätte »Big O« sein können, aber sie ist so ein zierliches Mädchen. Einsvierundsechzig und spindeldürr. Nicht bulimisch oder magersüchtig wie Dreiviertel der Frauen in Laguna, sie hat einfach einen Stoffwechsel wie ein Düsentriebwerk. Verbrennt Treibstoff wie blöde. Das Mädchen kann essen, aber kotzen liegt ihr nicht.
»Ich bin wie eine Elfe«, würde sie sagen. »Knabenhaft.«
Na ja, nicht ganz.
Ein Knabe mit knallbunten Tattoos vom Hals an über die linke Schulter und den ganzen Arm runter - silbrige Delphine tanzen mit goldenen Meeresnymphen durchs Wasser, hohe blaue Wellen brechen, und grellgrüne Schlingpflanzen ranken sich drum herum. Ihr einst blondes Haar ist jetzt blond und blau mit zinnoberroten Strähnchen, und sie trägt einen Stecker im rechten Nasenflügel. Womit sie sagen will ...
Fick dich, Paku.
Ein wunderschöner Tag in Laguna.
Aber sind hier nicht alle Tage schön?
Denkt Chon, als er einem weiteren Sonnentag entgegenblickt. Einem nach dem anderen und immer wieder und wieder ...
Noch einer.
Er denkt an Sartre.
Bens Haus steht auf einem Felsvorsprung oberhalb von Table Rock Beach, und ein hübscheres Fleckchen hat man nicht gesehen, was auch das Mindeste ist, wenn man bedenkt, wie viele Nullen der Betrag hatte, den Ben dafür hinblättern musste. Table Rock ist ein riesiger Felsen, der - je nach Wasserstand - ungefähr fünfzig Meter weit in den Ozean ragt und irgendwie, na ja, an einen Tisch erinnert. Man muss keine Intel ligenzbestie sein, um darauf zu kommen.
Das Wohnzimmer, in dem er sitzt, ist von der Decke bis zum Fußboden voll verglast, die Scheiben getönt, so dass man von jedem Winkel aus die umwerfende Aussicht betrachten kann - das Meer, die Klippen und die Insel Catalina am Horizont -, aber Chons Augen kleben am Bildschirm seines Laptops.
O kommt rein, sieht ihn an und fragt: »Internet-Pornos?«
»Ich bin süchtig.«
»Alle sind süchtig nach Internet-Pornos«, sagt sie. Sie selbst eingeschlossen - O steht total drauf. Loggt sich ein, tippt »weibliche Ejakulation« und guckt sich die Clips an. »Bei einem Mann ist's aber ein Klischee. Kannst du nicht nach was anderem süchtig sein?«
»Zum Beispiel?«
»Weiß nicht«, antwortet sie. »Heroin. Mach einen auf Retro. «
»Was ist mit HIV?«
»Kannst dir doch saubere Nadeln besorgen.« Sie denkt, vielleicht wär's cool, einen Junkie als Liebhaber zu haben. Wenn man genug gevögelt hat und sich nicht mehr mit ihm abgeben will, lässt man ihn einfach in der Ecke liegen - die ganze »Tragischer Hipster«-Nummer. Bis es langweilig wird und der Entzug beginnt, dann kann man ihn am Wochenende in der Klinik besuchen und ihn, wenn er rauskommt, zur Gruppentherapie begleiten, bis auch das langweilig wird. Dann macht man halt was anderes.
Vielleicht Moutain-Bike fahren.
Egal, Chon ist dünn genug, um als Junkie durchzugehen, total groß, knochig, muskulös - sieht aus wie aus Metallteilen vom Schrottplatz zusammengeschraubt. Scharfkantig. Ihre Freundin Ashley meinte, wahrscheinlich kann man sich an Chon beim Ficken schneiden, und wahrscheinlich weiß die Schlampe ganz genau, wovon sie spricht.
»Hab dir eine SMS geschickt«, sagt O.
»Hab keine Nachrichten gecheckt.«
Er glotzt immer noch auf den Bildschirm. Muss ja super heiß sein, denkt sie. Ungefähr zwanzig Sekunden später fragt er: »Was wolltest du denn?«
»Sagen, dass ich herkomme.«
»Ach.«
Sie kann sich nicht erinnern, wann aus John Chon wurde, dabei kennt sie ihn praktisch sein ganzes Leben lang, schon seit der Vorschule. Sogar damals hatte er schon diese baditude. Die Lehrer hassten Chon. Ha-a-a-a-ssten ihn. Zwei Monate vor dem Highschoolabschluss hat er's hingeschmissen. Nicht, dass Chon dumm wäre - er ist wahnsinnig schlau; lag einfach an seiner baditude.
O greift nach der Bong auf dem gläsernen Wohnzimmertisch. »Was dagegen, wenn ich rauche?«
»Mach langsam«, warnt er sie.
»Wieso?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ist dein Nachmittag.«
Sie schnappt sich das Zippo und zündet die Pfeife an. Nimmt einen mittelprächtig tiefen Zug, spürt, wie der Rauch in ihre Lungen zieht, sich in ihrem Bauch verteilt und ihren Kopf ausfüllt. Chonny hat nicht gelogen - das ist wirklich starkes Hydro-Gras - wie man es von Ben & Chonny's erwartet, die das beste Hydro-Gras dieseits von ...
Von gar nichts.
Sie bauen einfach das beste Hydro-Gras an, Punkt.
O ist sofort breit.
Sie liegt auf dem Sofa und lässt das High über sich hinweg und durch sich hindurch spülen. Hammerhart geiles Dope, es kribbelt auf ihrer Haut. Macht sie rallig. Das ist allerhand, O wird scharf von Luft. Sie öffnet ihre Jeans, fährt mit dem Finger rein und klimpert ihr Lied.
Typisch Chon, denkt O - obwohl sie durch das Super-Dope und ihre aufblühende Knospe eigentlich schon jenseits jeglicher Denkfähigkeit ist -, sitzt lieber da und glotzt verpixelten Sex, anstatt es einer echten Frau zu besorgen, die es sich nur eine Armeslänge entfernt selbst macht.
»Komm fick mich«, hört sie sich sagen.
Chon steht auf, langsam, als wär's eine lästige Aufgabe. Beugt sich über sie und sieht ihr ein paar Sekunden lang zu. O würde ihn ja packen und zu sich runterziehen, aber sie hat nur eine Hand frei und er scheint viel zu weit weg zu sein. Endlich zieht er seinen Reißverschluss runter und ja, denkt sie, der ultracoole, abgeklärte, Ashley fickende Zenmeister ist hart wie Diamant.
Er fängt ganz gelassen und kontrolliert an, wohlüberlegt, als wäre sein Schwanz ein Billardstock und als müsse er noch üben, aber nach einer Weile knallt er die Kugeln wütend in die Löcher, bamm bamm bamm. Dabei treibt er ihre zarten Schultern immer tiefer in die Sofalehne.
Er will sich den Krieg aus dem Kopf ficken, stößt zu, als könnte er die Bilder damit vertreiben, als würden die schlimmen Eindrücke mit dem Abspritzen (Horrorgasmus?) aus ihm rausgeschleudert, aber das wird nicht passieren, wird nicht passieren, wird nicht passieren, wird nicht passieren, obwohl sie tut, was sie kann, die Hüfte hebt und sich aufbäumt, als wollte sie ihn aus ihrer Farngrotte werfen, diesen Eindringling, diese Maschine, die ihren Regenwald abholzt, ihren schlüpfrig feuchten Dschungel.
Und sie schreit ...
Oh, oh. Oh.
Oh, oh, ohhh...
O!
Als sie aufwacht ...
... jedenfalls mehr oder weniger ...
... sitzt Chon am Esstisch, starrt immer noch auf den Lap- top, putzt jetzt aber eine Waffe, die er in alle möglichen Einzelteile zerlegt und auf einem Strandtuch ausgebreitet hat. Weil Ben absolut durchdrehen würde, wenn Chon Öl auf dem Tisch oder dem Teppich verschmiert. Ben ist pingelig mit seinen Sachen. Chon behauptet, er benehme sich wie eine Frau, aber Ben sieht das anders. Jeder schöne Gegenstand steht für ein Risiko, das man eingeht, wenn man Hydro-Gras anbaut und vertickt.
Obwohl Ben seit Monaten nicht mehr hier war, sind Chon und O immer noch vorsichtig mit seinem Kram.
O hofft, dass die Pistolenteile nicht bedeuten, dass Chon wieder mit I-Rock-And-Roll, wie er's nennt, anfangen will. Das hat er zweimal gemacht, seitdem er nicht mehr beim Militär ist, bezahlt von einer dieser zwielichtigen privaten Sicherheitsfirmen. Danach kommt er, wie er sagt, mit leerer
Seele und vollem Konto zurück.
Warum macht er überhaupt so was?
Man muss die Talente, die man hat, zu Geld machen.
Chon hat die Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg erlangt, ist zur Navy gegangen und von dort aus gleich weiter auf die SEAL-Schule. Sechzig Meilen südlich von hier in Silver Strand haben sie ihn durch den Ozean gequält. Ließen ihn auf dem Rücken im eiskalten Wintermeer treiben, während arktische Wellen auf ihn einprügelten (Waterboarding war einfach ein Teil der Ausbildung, liebe Freunde, ganz normales Prozedere). Er bekam schwere Holzstämme auf die Schultern gelegt, musste Sanddünen hochrennen und knietief durch den Ozean waten. Dann musste er unter Wasser tauchen und die Luft anhalten, bis er glaubte, seine Lungen würden platzen. Sie taten, was ihnen einfiel, damit er die Reißleine zog und ausstieg - aber sie kapierten nicht, dass Chon Gefallen am Schmerz fand. Als ihnen das endlich aufging, brachten sie ihm alles bei, was ein ernsthaft irrer, und irre athletischer, Mann im Element H2O so anstellen kann.
Dann schickten sie ihn nach Stanland.
Afghanistan.
Wo ...
... es Sand gibt, sogar Schnee, aber keine Spur von einem Ozean. Taliban surfen nicht. Chon auch nicht, er hasst den pseudo-coolen Scheiß, es
hatte ihm immer gefallen, der einzige heterosexuelle Mann in Laguna zu sein, der nicht surfen ging, er fand's einfach nur komisch, dass die es sich sechsstellige Beträge kosten ließen, ihn zum Aquaman auszubilden, nur um ihn anschließend an einen Ort zu verfrachten, wo's kein Wasser gibt.
Egal, man muss die Kriege nehmen, wie sie kommen.
Chon verlängerte zweimal und holte sich dann seine Papiere ab. Kehrte nach Laguna zurück ...
Wo's ...
Hm ...
Was gab?
Nichts.
Für Chon gab es dort nichts zu tun. Jedenfalls nichts, das er hätte tun wollen. Er hätte Rettungsschwimmer werden können, aber er hatte keine Lust, auf Rettungstürmen zu sitzen und Touristen dabei zuzusehen, wie sie das Wachstum ihrer Melanome förderten. Ein pensionierter Navy-Captain ließ ihn in seinem Auftrag Jachten verkaufen, aber Chon war kein Verkäufer, und er hasste Boote, das funktionierte also auch nicht. Als der Anwerber der Sicherheitsfirma bei ihm vorbeikam, war Chon bereit.
Für I-Rock-And-Roll.
Eine echt fiese Scheiße war das damals, Entführungen, Enthauptungen, Sprengladungen, die alles zerfetzten. Chons Job bestand darin zu verhindern, dass einem zahlenden Kunden irgendein Mist passierte, und wenn die beste Verteidigung ein guter Angriff ist, dann ...
Es war, was es war.
Und mit der richtigen Kombination aus Hydro-Gras, Speed, Vicodin und OxyContin hatte es eigentlich was von einem coolen Videospiel - IraqBox -, und man konnte eine Menge Punkte inmitten der festgefahrenen schiitisch/sunnitischen/ Al-Qaida-Kacke in Mesopotamien gutmachen, jedenfalls wenn man es im Detail nicht zu genau nahm.
O diagnostizierte FPTBS bei Chon.
Das Fehlen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Er sagt, er hat keine Alpträume, nervösen Anfälle, Flashbacks, Halluzinationen oder Schuldgefühle.
»Das war keine Belastung«, behauptete Chon hartnäckig,
»und traumatisch war's auch nicht.« »Muss am Dope liegen«, meinte O. Dope ist gut, pflichtete Chon ihr bei. Dope ist angeblich schlecht, aber in einer schlechten Welt
ist es gut, falls ihr dem moralischen Schlenker folgen könnt. Chon spricht von Drogen als einer »rationalen Reaktion auf den Wahnsinn«, und seine chronische Verwendung der chronische Krankheiten auslösenden Substanzen ist eine chronische Reaktion auf den chronischen Irrsinn.
Man wird davon ausgeglichen, glaubt Chon. In einer Welt, die im Arsch ist, muss man selbst auch im Arsch sein, sonst fällt man ...
... hinten ... ... runter ...
O zieht ihre Jeans hoch, geht zum Tisch und betrachtet die Pistole, die immer noch auseinandermontiert auf dem Strandtuch liegt. Die Metallteile sind schön in ihrer maschinell ge- fertigten Präzision.
Wie schon gesagt, O steht auf technische Geräte.
Es sei denn, Chon säubert eines mit professioneller Konzentration und starrt gleichzeitig auf einen Computerbildschirm.
Sie sieht ihm über die Schulter, weil sie wissen will, was da so toll ist. Rechnet damit, dass jemand einen geblasen bekommt und jemand jemandem einen bläst, weil es kein Geben ohne Nehmen gibt, kein Nehmen ohne Geben, schon gar nicht bei Blowjobs.
Aber nicht so schnell.
Denn was sie sieht, ist dieser Clip:
Eine Kamera schwenkt über eine Reihe von neun abgetrennten Köpfen, die in einer Lagerhalle auf dem Boden aufgereiht liegen. Auf den Gesichtern - alle männlich, alle mit ungepflegtem schwarzem Haar - zeichnen sich Schock, Trauer, Leid und Resignation ab. Dann fährt die Kamera an der Wand hinauf, wo die Leiber der Enthaupteten an Haken hängen, als hätten die Köpfe sie vor Schichtbeginn in den Spind gehängt.
Es gibt keinen Ton dazu, keine Kommentatorenstimme, nur ganz entfernt die Geräusche der Kamera und dessen, der sie hält.
Aus irgendeinem Grund ist die Stille ebenso brutal wie die Bilder.
O kämpft den aufsteigenden Brechreiz nieder. Wie bereits erwähnt, ist sie kein Mädchen, das gerne über der Schüssel hängt. Als sie wieder Luft bekommt, betrachtet sie die Pistole, dann den Bildschirm und fragt: »Fährst du wieder in den Irak?«
Chon schüttelt den Kopf.
Nein, sagt er, nicht in den Irak.
Nach San Diego.
OMG. Oh mein Gott. RU Ready 4 ...
Enthauptungs-Porno?
Das muss man sich mal reinziehen.
Schwule Enthauptungs-Pornos?!
O vermutet, dass Chon ernsthaft was an der Schraube hat - nein, sie weiß, dass Chon ernsthaft was an der Schraube hat -, der ist nicht bloß verdreht, wie Spaghetti von gestern, sondern er steht drauf zuzugucken, wie Kerlen der Kopf abgeschlagen wird, wie in dieser Fernsehserie über den englischen König, der jeder Frau, mit der er was hatte, die Rübe abhacken ließ. (Moral von der Geschichte: Besorgst du's einem Typen mit dem Mund, will er gleich den ganzen Kopf, außerdem hält er dich für eine Hure und macht Schluss mit dir. Oder: Sex = Tod).
»Wer hat dir das denn geschickt?«, fragt O.
Ist das ein Virus, taucht das bei YouTube auf, ist das der Clip des Tages, den man gesehen haben muss? MySpace, Facebook (nein, überhaupt nicht komisch), Hulu? Gucken sich heutzutage alle so was an, leitet man das seinen Freunden weiter, hier guck mal, musst du gesehen haben?
»Wer hat dir das geschickt?«, wiederholt sie.
»Wilde Bestien«, sagt Chon.
Chon sagt nicht viel.
Wer ihn nicht kennt, denkt, er hätte ein eingeschränktes Vokabular. Das Gegenteil ist aber der Fall - Chon verliert nicht viele Worte, weil er sie gerne mag. Er schätzt sie so sehr, dass er sie für sich behalten will.
»Das ist wie mit Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen«, hat O mal erklärt. »Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen, wollen keine ausgeben. Damit sie immer ganz viele Vierteldollarmünzen in der Tasche haben.«
Okay, da war sie zugedröhnt. Lag aber trotzdem nicht falsch. Chon hat immer eine Menge Wörter im Kopf, er lässt sie
nur nicht sehr oft raus. Zum Beispiel »Bestie«. Singular von »Bestien«. Adjektiv »bestialisch«. Chon ist fasziniert vom Substantiv im Verhältnis zum ent
sprechenden Adjektiv, der Henne und dem Ei, Ursache und Wirkung.
Übersetzung: Amerikanischen von Conny Lösch
suhrkamp taschenbuch 4300 Deutsche Erstausgabe © der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2011 Suhrkamp Taschenbuch Verlag Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Das ist heutzutage mehr oder weniger Chons Einstellung. Ophelia meint, Chon hat keine attitude, er hat baditude. »Macht seinen Charme aus«, sagt O. Worauf Chon entgegnet, dass es nur ein muy verstrahlter
Daddy fertig bringt, seine Tochter nach einer durchgeknallten Braut zu benennen, die sich ertränkt hat. Ganz schön verkorkstes Wunschdenken.
Das war nicht ihr Dad, klärt O ihn auf, sondern ihre Mom. Chuck hatte keinen blassen Schimmer, dass sie überhaupt geboren war, deshalb hat Paku gemacht, was sie wollte, und dem kleinen Mädchen den Namen »Ophelia« gegeben. Os Mutter Paku ist keine Indianerin oder so, O nennt sie einfach bloß »Paku«.
»Ist eine Abkürzung«, erklärt sie. P. A. K. U. Passiv Aggressive Königin des Universums. »Hat deine Mutter dich gehasst?«, hat Chon sie mal gefragt.
»Sie hat mich nicht gehasst«, erwiderte O. »Sie hat's bloß gehasst, mit mir schwanger zu sein, weil sie dabei total fett geworden ist - bei Paku heißt das, sie hat fünf Pfund zugelegt. Sie hat mich rausgepresst und auf dem Heimweg vom Krankenhaus ein Laufband gekauft.«
Ja, ja, ja, weil Paku total SOC R&B ist. South Orange County Rich and Beautiful. Blonde Haare, blaue Augen, fein geschnittenes Näschen
und dazu DBGT - die besten gekauften Titten (wenn man die Vorwahl 949 und echte Brüste hat, wird man für eine von den Amish People oder so was gehalten) -, der Rettungsring blieb nicht lange auf ihren Hüften. Paku fuhr nach Hause in ihre Drei-Millionen-Dollar-Hütte in Emerald Bay, schnallte sich die kleine Ophelia in einer Babytrage auf den Rücken und stellte sich aufs Band.
Marschierte zweitausend Meilen und kam trotzdem nirgends an.
»Die Symbolkraft ist der Hammer, oder?«, fragt O, als sie mit der Geschichte fertig ist. Sie glaubt, dass daher ihre Vorliebe für Elektrowerkzeug rührt. »Als hätte es diesen einschneidenden, unterschwelligen Einfluss gebraucht. Ich meine, ich war noch ein Baby, und da war das ständige rhythmische Summen und Brummen, die blinkenden Lichter und der ganze Scheiß? Also bitte.«
Als sie alt genug war und kapierte, dass Ophelia Hamlets bipolar gestörte kleine Borderline-Freundin war, die ohne Rückfahrkarte schwimmen ging, bestand sie darauf, von ihren Freunden nur noch »O« genannt zu werden. Die zeigten sich durchaus kooperativ, wobei es aber nicht ganz unriskant war, sich den Spitznamen »O« zu verpassen, wenn man für ohrenbetäubend laute Orgasmen bekannt war. Einmal ging O auf einer Party mit einem Kerl nach oben. Und fing vor lauter Glück an loszuschreien. Trotz der Musik und allem konnte man sie bis unten hören. Der Techno stampfte, aber O übertönte ihn mühelos fünf Oktaven höher. Ihre Freunde lachten. Sie waren alle schon bei Pyjama-Partys gewesen, auf denen O ihren Hochleistungs-Häschenvibrator mit den vielen beweglichen Teilen ausgepackt hatte, und sie kannten den Refrain.
»Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch«, flötete ihre Freundin Ashley.
O war das nicht peinlich. Sie kam total entspannt und glücklich wieder runter, zuckte mit den Schultern und meinte: »Was soll ich sagen? Ich komme halt gern.«
Ihre Freunde kannten sie also als »O«, aber ihre Freundinnen nannten sie »Multiple O«. Hätte schlimmer kommen können, hätte »Big O« sein können, aber sie ist so ein zierliches Mädchen. Einsvierundsechzig und spindeldürr. Nicht bulimisch oder magersüchtig wie Dreiviertel der Frauen in Laguna, sie hat einfach einen Stoffwechsel wie ein Düsentriebwerk. Verbrennt Treibstoff wie blöde. Das Mädchen kann essen, aber kotzen liegt ihr nicht.
»Ich bin wie eine Elfe«, würde sie sagen. »Knabenhaft.«
Na ja, nicht ganz.
Ein Knabe mit knallbunten Tattoos vom Hals an über die linke Schulter und den ganzen Arm runter - silbrige Delphine tanzen mit goldenen Meeresnymphen durchs Wasser, hohe blaue Wellen brechen, und grellgrüne Schlingpflanzen ranken sich drum herum. Ihr einst blondes Haar ist jetzt blond und blau mit zinnoberroten Strähnchen, und sie trägt einen Stecker im rechten Nasenflügel. Womit sie sagen will ...
Fick dich, Paku.
Ein wunderschöner Tag in Laguna.
Aber sind hier nicht alle Tage schön?
Denkt Chon, als er einem weiteren Sonnentag entgegenblickt. Einem nach dem anderen und immer wieder und wieder ...
Noch einer.
Er denkt an Sartre.
Bens Haus steht auf einem Felsvorsprung oberhalb von Table Rock Beach, und ein hübscheres Fleckchen hat man nicht gesehen, was auch das Mindeste ist, wenn man bedenkt, wie viele Nullen der Betrag hatte, den Ben dafür hinblättern musste. Table Rock ist ein riesiger Felsen, der - je nach Wasserstand - ungefähr fünfzig Meter weit in den Ozean ragt und irgendwie, na ja, an einen Tisch erinnert. Man muss keine Intel ligenzbestie sein, um darauf zu kommen.
Das Wohnzimmer, in dem er sitzt, ist von der Decke bis zum Fußboden voll verglast, die Scheiben getönt, so dass man von jedem Winkel aus die umwerfende Aussicht betrachten kann - das Meer, die Klippen und die Insel Catalina am Horizont -, aber Chons Augen kleben am Bildschirm seines Laptops.
O kommt rein, sieht ihn an und fragt: »Internet-Pornos?«
»Ich bin süchtig.«
»Alle sind süchtig nach Internet-Pornos«, sagt sie. Sie selbst eingeschlossen - O steht total drauf. Loggt sich ein, tippt »weibliche Ejakulation« und guckt sich die Clips an. »Bei einem Mann ist's aber ein Klischee. Kannst du nicht nach was anderem süchtig sein?«
»Zum Beispiel?«
»Weiß nicht«, antwortet sie. »Heroin. Mach einen auf Retro. «
»Was ist mit HIV?«
»Kannst dir doch saubere Nadeln besorgen.« Sie denkt, vielleicht wär's cool, einen Junkie als Liebhaber zu haben. Wenn man genug gevögelt hat und sich nicht mehr mit ihm abgeben will, lässt man ihn einfach in der Ecke liegen - die ganze »Tragischer Hipster«-Nummer. Bis es langweilig wird und der Entzug beginnt, dann kann man ihn am Wochenende in der Klinik besuchen und ihn, wenn er rauskommt, zur Gruppentherapie begleiten, bis auch das langweilig wird. Dann macht man halt was anderes.
Vielleicht Moutain-Bike fahren.
Egal, Chon ist dünn genug, um als Junkie durchzugehen, total groß, knochig, muskulös - sieht aus wie aus Metallteilen vom Schrottplatz zusammengeschraubt. Scharfkantig. Ihre Freundin Ashley meinte, wahrscheinlich kann man sich an Chon beim Ficken schneiden, und wahrscheinlich weiß die Schlampe ganz genau, wovon sie spricht.
»Hab dir eine SMS geschickt«, sagt O.
»Hab keine Nachrichten gecheckt.«
Er glotzt immer noch auf den Bildschirm. Muss ja super heiß sein, denkt sie. Ungefähr zwanzig Sekunden später fragt er: »Was wolltest du denn?«
»Sagen, dass ich herkomme.«
»Ach.«
Sie kann sich nicht erinnern, wann aus John Chon wurde, dabei kennt sie ihn praktisch sein ganzes Leben lang, schon seit der Vorschule. Sogar damals hatte er schon diese baditude. Die Lehrer hassten Chon. Ha-a-a-a-ssten ihn. Zwei Monate vor dem Highschoolabschluss hat er's hingeschmissen. Nicht, dass Chon dumm wäre - er ist wahnsinnig schlau; lag einfach an seiner baditude.
O greift nach der Bong auf dem gläsernen Wohnzimmertisch. »Was dagegen, wenn ich rauche?«
»Mach langsam«, warnt er sie.
»Wieso?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ist dein Nachmittag.«
Sie schnappt sich das Zippo und zündet die Pfeife an. Nimmt einen mittelprächtig tiefen Zug, spürt, wie der Rauch in ihre Lungen zieht, sich in ihrem Bauch verteilt und ihren Kopf ausfüllt. Chonny hat nicht gelogen - das ist wirklich starkes Hydro-Gras - wie man es von Ben & Chonny's erwartet, die das beste Hydro-Gras dieseits von ...
Von gar nichts.
Sie bauen einfach das beste Hydro-Gras an, Punkt.
O ist sofort breit.
Sie liegt auf dem Sofa und lässt das High über sich hinweg und durch sich hindurch spülen. Hammerhart geiles Dope, es kribbelt auf ihrer Haut. Macht sie rallig. Das ist allerhand, O wird scharf von Luft. Sie öffnet ihre Jeans, fährt mit dem Finger rein und klimpert ihr Lied.
Typisch Chon, denkt O - obwohl sie durch das Super-Dope und ihre aufblühende Knospe eigentlich schon jenseits jeglicher Denkfähigkeit ist -, sitzt lieber da und glotzt verpixelten Sex, anstatt es einer echten Frau zu besorgen, die es sich nur eine Armeslänge entfernt selbst macht.
»Komm fick mich«, hört sie sich sagen.
Chon steht auf, langsam, als wär's eine lästige Aufgabe. Beugt sich über sie und sieht ihr ein paar Sekunden lang zu. O würde ihn ja packen und zu sich runterziehen, aber sie hat nur eine Hand frei und er scheint viel zu weit weg zu sein. Endlich zieht er seinen Reißverschluss runter und ja, denkt sie, der ultracoole, abgeklärte, Ashley fickende Zenmeister ist hart wie Diamant.
Er fängt ganz gelassen und kontrolliert an, wohlüberlegt, als wäre sein Schwanz ein Billardstock und als müsse er noch üben, aber nach einer Weile knallt er die Kugeln wütend in die Löcher, bamm bamm bamm. Dabei treibt er ihre zarten Schultern immer tiefer in die Sofalehne.
Er will sich den Krieg aus dem Kopf ficken, stößt zu, als könnte er die Bilder damit vertreiben, als würden die schlimmen Eindrücke mit dem Abspritzen (Horrorgasmus?) aus ihm rausgeschleudert, aber das wird nicht passieren, wird nicht passieren, wird nicht passieren, wird nicht passieren, obwohl sie tut, was sie kann, die Hüfte hebt und sich aufbäumt, als wollte sie ihn aus ihrer Farngrotte werfen, diesen Eindringling, diese Maschine, die ihren Regenwald abholzt, ihren schlüpfrig feuchten Dschungel.
Und sie schreit ...
Oh, oh. Oh.
Oh, oh, ohhh...
O!
Als sie aufwacht ...
... jedenfalls mehr oder weniger ...
... sitzt Chon am Esstisch, starrt immer noch auf den Lap- top, putzt jetzt aber eine Waffe, die er in alle möglichen Einzelteile zerlegt und auf einem Strandtuch ausgebreitet hat. Weil Ben absolut durchdrehen würde, wenn Chon Öl auf dem Tisch oder dem Teppich verschmiert. Ben ist pingelig mit seinen Sachen. Chon behauptet, er benehme sich wie eine Frau, aber Ben sieht das anders. Jeder schöne Gegenstand steht für ein Risiko, das man eingeht, wenn man Hydro-Gras anbaut und vertickt.
Obwohl Ben seit Monaten nicht mehr hier war, sind Chon und O immer noch vorsichtig mit seinem Kram.
O hofft, dass die Pistolenteile nicht bedeuten, dass Chon wieder mit I-Rock-And-Roll, wie er's nennt, anfangen will. Das hat er zweimal gemacht, seitdem er nicht mehr beim Militär ist, bezahlt von einer dieser zwielichtigen privaten Sicherheitsfirmen. Danach kommt er, wie er sagt, mit leerer
Seele und vollem Konto zurück.
Warum macht er überhaupt so was?
Man muss die Talente, die man hat, zu Geld machen.
Chon hat die Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg erlangt, ist zur Navy gegangen und von dort aus gleich weiter auf die SEAL-Schule. Sechzig Meilen südlich von hier in Silver Strand haben sie ihn durch den Ozean gequält. Ließen ihn auf dem Rücken im eiskalten Wintermeer treiben, während arktische Wellen auf ihn einprügelten (Waterboarding war einfach ein Teil der Ausbildung, liebe Freunde, ganz normales Prozedere). Er bekam schwere Holzstämme auf die Schultern gelegt, musste Sanddünen hochrennen und knietief durch den Ozean waten. Dann musste er unter Wasser tauchen und die Luft anhalten, bis er glaubte, seine Lungen würden platzen. Sie taten, was ihnen einfiel, damit er die Reißleine zog und ausstieg - aber sie kapierten nicht, dass Chon Gefallen am Schmerz fand. Als ihnen das endlich aufging, brachten sie ihm alles bei, was ein ernsthaft irrer, und irre athletischer, Mann im Element H2O so anstellen kann.
Dann schickten sie ihn nach Stanland.
Afghanistan.
Wo ...
... es Sand gibt, sogar Schnee, aber keine Spur von einem Ozean. Taliban surfen nicht. Chon auch nicht, er hasst den pseudo-coolen Scheiß, es
hatte ihm immer gefallen, der einzige heterosexuelle Mann in Laguna zu sein, der nicht surfen ging, er fand's einfach nur komisch, dass die es sich sechsstellige Beträge kosten ließen, ihn zum Aquaman auszubilden, nur um ihn anschließend an einen Ort zu verfrachten, wo's kein Wasser gibt.
Egal, man muss die Kriege nehmen, wie sie kommen.
Chon verlängerte zweimal und holte sich dann seine Papiere ab. Kehrte nach Laguna zurück ...
Wo's ...
Hm ...
Was gab?
Nichts.
Für Chon gab es dort nichts zu tun. Jedenfalls nichts, das er hätte tun wollen. Er hätte Rettungsschwimmer werden können, aber er hatte keine Lust, auf Rettungstürmen zu sitzen und Touristen dabei zuzusehen, wie sie das Wachstum ihrer Melanome förderten. Ein pensionierter Navy-Captain ließ ihn in seinem Auftrag Jachten verkaufen, aber Chon war kein Verkäufer, und er hasste Boote, das funktionierte also auch nicht. Als der Anwerber der Sicherheitsfirma bei ihm vorbeikam, war Chon bereit.
Für I-Rock-And-Roll.
Eine echt fiese Scheiße war das damals, Entführungen, Enthauptungen, Sprengladungen, die alles zerfetzten. Chons Job bestand darin zu verhindern, dass einem zahlenden Kunden irgendein Mist passierte, und wenn die beste Verteidigung ein guter Angriff ist, dann ...
Es war, was es war.
Und mit der richtigen Kombination aus Hydro-Gras, Speed, Vicodin und OxyContin hatte es eigentlich was von einem coolen Videospiel - IraqBox -, und man konnte eine Menge Punkte inmitten der festgefahrenen schiitisch/sunnitischen/ Al-Qaida-Kacke in Mesopotamien gutmachen, jedenfalls wenn man es im Detail nicht zu genau nahm.
O diagnostizierte FPTBS bei Chon.
Das Fehlen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Er sagt, er hat keine Alpträume, nervösen Anfälle, Flashbacks, Halluzinationen oder Schuldgefühle.
»Das war keine Belastung«, behauptete Chon hartnäckig,
»und traumatisch war's auch nicht.« »Muss am Dope liegen«, meinte O. Dope ist gut, pflichtete Chon ihr bei. Dope ist angeblich schlecht, aber in einer schlechten Welt
ist es gut, falls ihr dem moralischen Schlenker folgen könnt. Chon spricht von Drogen als einer »rationalen Reaktion auf den Wahnsinn«, und seine chronische Verwendung der chronische Krankheiten auslösenden Substanzen ist eine chronische Reaktion auf den chronischen Irrsinn.
Man wird davon ausgeglichen, glaubt Chon. In einer Welt, die im Arsch ist, muss man selbst auch im Arsch sein, sonst fällt man ...
... hinten ... ... runter ...
O zieht ihre Jeans hoch, geht zum Tisch und betrachtet die Pistole, die immer noch auseinandermontiert auf dem Strandtuch liegt. Die Metallteile sind schön in ihrer maschinell ge- fertigten Präzision.
Wie schon gesagt, O steht auf technische Geräte.
Es sei denn, Chon säubert eines mit professioneller Konzentration und starrt gleichzeitig auf einen Computerbildschirm.
Sie sieht ihm über die Schulter, weil sie wissen will, was da so toll ist. Rechnet damit, dass jemand einen geblasen bekommt und jemand jemandem einen bläst, weil es kein Geben ohne Nehmen gibt, kein Nehmen ohne Geben, schon gar nicht bei Blowjobs.
Aber nicht so schnell.
Denn was sie sieht, ist dieser Clip:
Eine Kamera schwenkt über eine Reihe von neun abgetrennten Köpfen, die in einer Lagerhalle auf dem Boden aufgereiht liegen. Auf den Gesichtern - alle männlich, alle mit ungepflegtem schwarzem Haar - zeichnen sich Schock, Trauer, Leid und Resignation ab. Dann fährt die Kamera an der Wand hinauf, wo die Leiber der Enthaupteten an Haken hängen, als hätten die Köpfe sie vor Schichtbeginn in den Spind gehängt.
Es gibt keinen Ton dazu, keine Kommentatorenstimme, nur ganz entfernt die Geräusche der Kamera und dessen, der sie hält.
Aus irgendeinem Grund ist die Stille ebenso brutal wie die Bilder.
O kämpft den aufsteigenden Brechreiz nieder. Wie bereits erwähnt, ist sie kein Mädchen, das gerne über der Schüssel hängt. Als sie wieder Luft bekommt, betrachtet sie die Pistole, dann den Bildschirm und fragt: »Fährst du wieder in den Irak?«
Chon schüttelt den Kopf.
Nein, sagt er, nicht in den Irak.
Nach San Diego.
OMG. Oh mein Gott. RU Ready 4 ...
Enthauptungs-Porno?
Das muss man sich mal reinziehen.
Schwule Enthauptungs-Pornos?!
O vermutet, dass Chon ernsthaft was an der Schraube hat - nein, sie weiß, dass Chon ernsthaft was an der Schraube hat -, der ist nicht bloß verdreht, wie Spaghetti von gestern, sondern er steht drauf zuzugucken, wie Kerlen der Kopf abgeschlagen wird, wie in dieser Fernsehserie über den englischen König, der jeder Frau, mit der er was hatte, die Rübe abhacken ließ. (Moral von der Geschichte: Besorgst du's einem Typen mit dem Mund, will er gleich den ganzen Kopf, außerdem hält er dich für eine Hure und macht Schluss mit dir. Oder: Sex = Tod).
»Wer hat dir das denn geschickt?«, fragt O.
Ist das ein Virus, taucht das bei YouTube auf, ist das der Clip des Tages, den man gesehen haben muss? MySpace, Facebook (nein, überhaupt nicht komisch), Hulu? Gucken sich heutzutage alle so was an, leitet man das seinen Freunden weiter, hier guck mal, musst du gesehen haben?
»Wer hat dir das geschickt?«, wiederholt sie.
»Wilde Bestien«, sagt Chon.
Chon sagt nicht viel.
Wer ihn nicht kennt, denkt, er hätte ein eingeschränktes Vokabular. Das Gegenteil ist aber der Fall - Chon verliert nicht viele Worte, weil er sie gerne mag. Er schätzt sie so sehr, dass er sie für sich behalten will.
»Das ist wie mit Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen«, hat O mal erklärt. »Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen, wollen keine ausgeben. Damit sie immer ganz viele Vierteldollarmünzen in der Tasche haben.«
Okay, da war sie zugedröhnt. Lag aber trotzdem nicht falsch. Chon hat immer eine Menge Wörter im Kopf, er lässt sie
nur nicht sehr oft raus. Zum Beispiel »Bestie«. Singular von »Bestien«. Adjektiv »bestialisch«. Chon ist fasziniert vom Substantiv im Verhältnis zum ent
sprechenden Adjektiv, der Henne und dem Ei, Ursache und Wirkung.
Übersetzung: Amerikanischen von Conny Lösch
suhrkamp taschenbuch 4300 Deutsche Erstausgabe © der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2011 Suhrkamp Taschenbuch Verlag Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
... weniger
Autoren-Porträt von Don Winslow
Don Winslow wurde 1953 in der Nacht zu Halloween in New York geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in South Kingstown, Rhode Island, einer Kleinstadt am Atlantik. Sein Vater, der ihm Geschichten von seiner Zeit bei der Marine erzählte, beflügelte seine Fantasie und erweckte in ihm den Wunsch, eines Tages Schriftsteller zu werden.Schon früh kam Winslow mit den Themen und Figuren in Berührung, die später eine so prominente Rolle in seinen Büchern spielen sollten. Einige Mafiagrössen des Patriarca-Syndikats lebten in seiner Nachbarschaft, und seine eigene Grossmutter arbeitete Ende der 60er für den berüchtigten Mafiaboss Carlos Marcello, den mutmasslichen Drahtzieher des Kennedy-Attentats, der den späteren Autor mehrere Male zu sich einlud.Nach seinem Schulabschluss kehrte Don Winslow in seine Geburtsstadt New York zurück. Bevor er mit dem Schreiben begann, verdiente er sein Geld unter anderem als Kinobetreiber, als Fremdenführer auf afrikanischen Safaris und chinesischen Teerouten, als Unternehmensberater und immer wieder als Privatdetektiv.Auch als Schriftsteller ist Don Winslow unermüdlich. Jeden Morgen um fünf setzt er sich an den Schreibtisch. Mittags läuft er sieben Meilen, in Gedanken immer noch bei seinen Figuren, um dann am Nachmittag weiterzuarbeiten. Dabei schreibt er mindestens an zwei Büchern gleichzeitig. Schreibblockaden kennt er nicht, im Gegenteil: Winslow sagt von sich, dass er bislang nur fünf Tage durchgehalten habe, ohne zu schreiben. Es ist eine Sucht, die bis heute ein Werk hervorgebracht hat, dessen Qualität, Vielseitigkeit und Spannung Don Winslow zu einem der ganz Grossen des zeitgenössischen Krimis machen.Don Winslow wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Krimi Preis (International) 2011 für Tage der Toten. Für die New York Times zählt Don Winslow zu einem der ganz Grossen amerikanischen Krimi-Autoren. Lösch, ConnyConny Lösch, geboren 1969 in Darmstadt, lebt als Literaturkritikerin und Übersetzerin in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Don Winslow
- 2011, 2. Aufl., 338 Seiten, Masse: 13,2 x 21 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Conny Lösch
- Verlag: Suhrkamp
- ISBN-10: 3518463004
- ISBN-13: 9783518463000
- Erscheinungsdatum: 20.10.2011
Rezension zu „Zeit des Zorns “
»Zeit des Zorns ist ein brillanter Roman, der auch die sonst von Genreware nur schwer überzeugende New York Times zum Jubeln brachte ...Conny Löschs butterweich hopsende und knallhart aufschlagende Übersetzung findet im Übrigen für jede Volte Winslows eine Lösung und lässt absolut nichts zu wünschen übrig.«Günther Grosser, Frankfurter Rundschau 02.11.2011
Pressezitat
»Zeit des Zorns ist ein brillanter Roman, der auch die sonst von Genreware nur schwer überzeugende New York Times zum Jubeln brachte ...Conny Löschs butterweich hopsende und knallhart aufschlagende Übersetzung findet im Übrigen für jede Volte Winslows eine Lösung und lässt absolut nichts zu wünschen übrig.«Günther Grosser, Frankfurter Rundschau 02.11.2011
Kommentar zu "Zeit des Zorns"
0 Gebrauchte Artikel zu „Zeit des Zorns“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 0Schreiben Sie einen Kommentar zu "Zeit des Zorns".
Kommentar verfassen