Zähl nicht die Stunden
Roman
Mattie Hart hat vieles, wovon andere träumen: Erfolg im Beruf, einen attraktiven Mann und eine Tochter, die sie über alles liebt. Eines Tages muss sie sich jedoch eingestehen, dass ihr Leben eine Lüge ist - denn ihr Mann Jake betrügt sie seit vielen...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Zähl nicht die Stunden “
Mattie Hart hat vieles, wovon andere träumen: Erfolg im Beruf, einen attraktiven Mann und eine Tochter, die sie über alles liebt. Eines Tages muss sie sich jedoch eingestehen, dass ihr Leben eine Lüge ist - denn ihr Mann Jake betrügt sie seit vielen Jahren. Mattie ist entschlossen einen Neubeginn zu wagen, als das Schicksal auf grausame Weise zuschlägt. So beginnt für die junge Frau ein Wettlauf gegen die Zeit.
Klappentext zu „Zähl nicht die Stunden “
Erfolg im Beruf, ein attraktiver Mann und eine reizende Tochter - Mattie Hart hat vieles, wovon andere nur träumen. Eines Tages jedoch erkennt sie, dass ihr Leben auf einer Lüge aufgebaut ist, denn ihr Mann betrügt sie seit Jahren. Mattie ist entschlossen, einen Neubeginn zu wagen, als das Schicksal auf grausame Weise zuschlägt. Plötzlich muss die junge Frau kämpfen: um ihren Mann, um ihr Glück und um ihr Leben ...
"Mit diesem wunderbaren Buch erweist sich Joy Fielding einmal mehr als hervorragende Kennerin der Abgründe, die in menschlichen Beziehungen lauern." -- Publishers Weekly
"Der Roman besticht nicht nur durch seine Leidenschaftlichkeit, sondern erst recht durch die glaubhaft skizzierten Protagonisten. Eine fesselnde und rührende Geschichte grosser menschlicher Gefühle - und erstklassige Unterhaltung!" -- Bücherpick
"Ein hinreissender, ein ermutigender Roman über eine Frau, die im grössten Unglück zu sich selbst findet." -- Kirkus Reviews
"Der Roman besticht nicht nur durch seine Leidenschaftlichkeit, sondern erst recht durch die glaubhaft skizzierten Protagonisten. Eine fesselnde und rührende Geschichte grosser menschlicher Gefühle - und erstklassige Unterhaltung!" -- Bücherpick
"Ein hinreissender, ein ermutigender Roman über eine Frau, die im grössten Unglück zu sich selbst findet." -- Kirkus Reviews
Lese-Probe zu „Zähl nicht die Stunden “
Sie dachte darüber nach, wie sie ihren Mann umbringen könnte.Martha Hart, von allen Mattie genannt, nur nicht von ihrer Mutter, die regelmässig erklärte, Martha sei doch ein wunderschöner Name - "Oder hast du je davon gehört, dass Martha Stewart ihren Namen geändert hat?" -, zog in dem langen beheizten Pool, der den grössten Teil des ansehnlichen Gartens einnahm, ihre Bahnen. Ausser bei Gewitter oder bei für Chicago nicht untypischem vorzeitigen Schnee pflegte sie von Anfang Mai bis Mitte Oktober jeden Morgen fünfzig Minuten zu schwimmen, genau einhundert Bahnen, abwechselnd Frei- oder Kraulstil. Gewöhnlich war sie spätestens um sieben im Wasser, um fertig zu sein, bevor Jake und Kim aus dem Haus gingen, aber heute hatte sie verschlafen, genauer gesagt, sie war nach einer Nacht, in der sie kein Auge zugetan hatte, erst kurz vor dem Läuten des Weckers eingenickt. Jake, wie üblich von solchen Schwierigkeiten unbehelligt, war aus dem Bett und in der Dusche, bevor sie richtig wach geworden war. "Geht's dir gut?", hatte er etwas später, tadellos gekleidet und gut aussehend wie immer, gefragt und das Haus so schnell verlassen, dass sie gar nicht dazu gekommen war, ihm zu antworten.
Ich könnte ihn mit einem Fleischermesser erstechen, dachte sie jetzt und schob die geballten Fäuste durch das Wasser, als stiesse sie mit jeder Armbewegung die mindestens dreissig Zentimeter lange Klinge ihrem Mann mitten ins Herz. Als sie am Ende des Beckens wendete, um die nächste Bahn in Angriff zu nehmen, fiel ihr ein, dass es vielleicht einfacher wäre, Jake mit einem wohlberechneten Schubs die Treppe hinunter ins Jenseits zu befördern. Oder sie könnte ihn vergiften, indem sie ihm statt geriebenem Parmesan eine Hand voll Arsen auf die Spaghetti streute, die er sehr gern ass und die sie ihm erst gestern Abend gemacht hatte, bevor er noch einmal weggefahren war, angeblich in die Kanzlei, um dem alles entscheidenden Schlussplädoyer für den heutigen Prozesstag den letzten Schliff zu geben.
... mehr
Bevor sie in seiner Jacke - der Jacke, die sie für ihn hatte zur Reinigung bringen wollen - die Hotelrechnung gefunden hatte, die eindeutig bewies, dass er wieder einmal fremd ging.
Sie könnte ihn natürlich auch erschiessen, sagte sie sich und drückte das Wasser, das zwischen ihren Fingern hindurchglitt, als drückte sie auf den Abzug einer Pistole. In ihrer Phantasie sah sie die Kugel über das Wasser fliegen, direkt in den Gerichtssaal, wo ihr nichts ahnender Ehemann sich soeben erhob, um das Wort an die Geschworenen zu richten. Sie sah zu, wie er sein dunkelblaues Jackett knöpfte, kurz bevor die Kugel es zerfetzte und dunkelrotes Blut langsam auf die akkuraten Diagonalstreifen der blau-goldenen Krawatte quoll, während das jungenhafte kleine Lächeln, das so sehr von seinen Augen wie von seinem Mund ausging, zuerst erstarrte und dann verblasste und schliesslich ganz erlosch, als er in dem ehrwürdigen alten Gerichtssaal zu Boden stürzte.
Meine Damen und Herren Geschworenen, sind Sie zu einem Urteil gelangt?
"Tod den Verrätern!", rief Mattie laut und trat im Wasser um sich, als hätte sie sich in einer Decke verheddert, aus der sie sich befreien musste. Ihre Füsse fühlten sich plötzlich so bleiern an, schwer wie Zementblöcke. Einen Moment lang erschienen sie ihr wie Fremdkörper, als gehörten sie einer anderen Person und seien völlig willkürlich an ihrem Rumpf befestigt, wo sie nun keinem anderen Zweck dienten, als sie in die Tiefe zu ziehen. Sie versuchte zu stehen, aber ihre Fusssohlen fanden den Grund des Beckens nicht, obwohl das Wasser nur einen Meter fünfzig tief war und sie beinahe zwanzig Zentimeter grösser.
"Verdammt noch mal!", schimpfte Mattie, verhaspelte sich beim Atmen und schluckte eine Ladung Chlorwasser. Sie schnappte heftig nach Luft und rettete sich an die Seitenwand des Pools. Über den Beckenrand gekrümmt, hielt sie sich an den glatten braunen Steinen fest. Immer noch umschlossen unsichtbare Hände ihre Füsse und suchten, sie unter Wasser zu ziehen. "Geschieht mir ganz recht!", stiess sie zwischen schmerzhaften Hustenattacken hervor. "Geschieht mir ganz recht! Was muss ich so finstere Pläne wälzen!"
Sie war noch dabei, sich ein paar Tropfen Speichel vom Mund zu wischen, als sie aus dem Nichts von einem hysterischen Lachkrampf geschüttelt wurde. Das Gelächter mischte sich mit dem Husten, eines schaukelte sich am anderen hoch, und die hässlichen Geräusche schallten laut über das Wasser und brachen sich an den Wänden des Pools. Warum lache ich?, fragte sie sich, unfähig aufzuhören.
"Hey, was ist los?" Die Stimme befand sich irgendwo oberhalb von ihr. "Mama? Mama, ist alles in Ordnung?"
Mattie hob die Hand zur Stirn, um ihre Augen gegen die gleissenden Sonnenstrahlen abzuschirmen, die sie wie ein Scheinwerfer umfingen, und blickte hinauf zu der grossen schattigen Terrasse aus Zedernholz hinter der Küche des roten Backsteinhauses, in dem sie und ihre Familie lebten. Ihre Tochter Kim stand scharf umrissen vor dem Herbsthimmel, die sonst so klaren Züge ihres Gesichts seltsam verwischt vom grellen Sonnenlicht. Aber das machte nichts. Mattie kannte jede Linie und Kontur ihres Gesichts und ihres Körpers: die grossen blauen Augen, die dunkler waren als die ihres Vaters und grösser als die ihrer Mutter; die lange, gerade Nase, die sie vom Vater, den Mund mit dem hübsch geschwungenen Amorbogen, den sie von der Mutter mitbekommen hatte; die knospenden Brüste, die schon jetzt, obwohl Kim erst fünfzehn war, eine Üppigkeit erahnen liessen, die von der Grossmutter an ihre Enkelin weitergegeben worden war; Kim war gross wie ihre beiden Eltern und dünn wie ihre Mutter in diesem Alter. Aber sie hatte eine weit bessere Haltung, als Mattie sie mit fünfzehn gehabt hatte, ja, als sie sie heute hatte. Kim brauchte man nicht zu ermahnen, die Schultern zu straffen oder den Kopf hoch zu halten; sie besass, das sah man auch jetzt, wie sie da biegsam wie ein junger Baum an dem stabilen Holzgeländer lehnte, ein natürliches Selbstbewusstsein, das Mattie erstaunlich fand. Manchmal fragte sie sich, ob sie an seiner Entwicklung überhaupt mitgewirkt hatte.
"Ist alles in Ordnung?", fragte Kim ein zweites Mal und reckte ihren langen, schlanken Hals, um zum Pool hinuntersehen zu können. Ihr schulterlanges blondes Haar war streng zurückgenommen und oben am Scheitel zu einem festen kleinen Knoten gedreht. Meine kleine Schulmamsell, zog Mattie sie manchmal liebevoll auf.
"Ist jemand bei dir?", rief Kim.
"Alles in Ordnung", antwortete Mattie, musste aber immer noch so stark husten, dass ihre Worte nicht zu verstehen waren. Deshalb wiederholte sie "Alles in Ordnung" und begann dann von neuem schallend zu lachen.
"Was ist denn so komisch?" Kim kicherte, zaghaft und scheu in ihrem Bemühen, an dem Schmerz teilzuhaben, der ihre Mutter so amüsierte.
"Mir ist der Fuss eingeschlafen", sagte Mattie, während sie langsam beide Füsse zum Grund des Beckens hinunterliess und erleichtert wahrnahm, dass sie stand.
"Beim Schwimmen?"
"Ja. Ist das nicht ulkig?"
Kim zuckte kurz mit den Schultern, als wollte sie sagen, so ulkig auch wieder nicht, und beugte sich aus dem Schatten ein Stück weiter vor. "Ist wirklich alles okay?"
"Aber ja. Ich habe nur ein bisschen Wasser geschluckt." Mattie hustete, wie um ihren Worten Glaubwürdigkeit zu verleihen. Als sie sah, dass Kim ihre Lederjacke anhatte, wurde ihr zum ersten Mal an diesem Morgen die herbstliche Kühle des Tages bewusst. Es war immerhin schon Ende September.
"Ich geh jetzt", sagte Kim, aber sie rührte sich nicht von der Stelle. "Was hast du heute vor?"
"Ich habe am Nachmittag einen Termin mit einem Klienten, der sich ein paar Fotografien ansehen will."
"Und heute Morgen?"
"Heute Morgen?"
"Dad hält sein Schlussplädoyer", sagte Kim.
Mattie nickte, ungewiss, wohin dieses Gespräch führen würde. Während sie auf die nächsten Worte ihrer Tochter wartete, sah sie zu dem alten Ahornbaum hinauf, der hoch und ausladend im Nachbargarten stand. Im grünen Laub begann das tiefe Rot des Herbstes sich auszubreiten. Es sah aus, als bluteten die Blätter langsam aus.
"Er würde sich bestimmt freuen, wenn du ins Gericht kämst, um ihn anzufeuern. Du weisst schon, wie du das bei mir immer tust, wenn ich in der Schule Theater spiele. Zur moralischen Unterstützung und so."
Und so, dachte Mattie, sagte aber nichts, hüstelte nur ein wenig.
"Na ja, egal, ich geh jetzt jedenfalls."
"Okay, Schatz. Ich wünsch dir einen schönen Tag."
"Ich dir auch. Gib Dad einen Kuss von mir. Als Glücksbringer."
"Ich wünsch dir einen schönen Tag", wiederholte Mattie und blickte Kim nach, bis diese im Haus verschwunden war. Wieder allein, schloss sie die Augen und liess sich unter den glatten Wasserspiegel sinken. Augenblicklich schlug ihr das Wasser über Mund und Ohren zusammen und blendete die Geräusche des Morgens aus. Kein Hundegebell aus benachbarten Gärten mehr, kein Vogelgezwitscher aus den Bäumen, kein ungeduldiges Hupen von der Strasse. Alles war still und friedlich. Keine untreuen Ehemänner, keine Teenager, die alles ganz genau wissen wollten.
Wie macht sie das nur, fragte sich Mattie. Ihre Tochter schien ungeheuer feine Antennen zu haben. Mattie hatte ihr kein Wort davon gesagt, dass sie Jake wieder einmal bei einem Seitensprung ertappt hatte. Sie hatte auch mit sonst keinem Menschen darüber gesprochen, weder mit ihren Freundinnen noch mit ihrer Mutter oder Jake. Beinahe hätte sie gelacht. Wann hatte sie sich zum letzten Mal ihrer Mutter anvertraut? Und was Jake anging, so war sie einfach noch nicht bereit, ihm in einer Auseinandersetzung gegenüberzutreten. Sie brauchte Zeit, um alles gründlich zu überlegen, ihre Gedanken zu sammeln wie ein Eichhörnchen die Nüsse für den Winter, um für die Entscheidung, die sie schliesslich fällen, den Weg, den sie wählen würde, gewappnet zu sein.
Sie öffnete unter Wasser die Augen und schob sich das kinnlange dunkelblonde Haar aus dem Gesicht. Ganz recht, mein Kind, sagte sie sich, es ist Zeit, die Augen zu öffnen. The time for hesitating's through, meinte sie Jim Morrison singen zu hören. Come on, baby, light my fire. Wollte sie wirklich darauf warten, bis jemand ihr Feuer unterm Hintern machte? Wie viele Hotelrechnungen musste sie noch finden, ehe sie endlich etwas unternahm? Es war Zeit zu handeln. Es war Zeit, gewisse unbestreitbare Fakten ihrer Ehe einzugestehen. Meine Damen und Herren Geschworenen, ich möchte diese Hotelrechnung als Beweis vorlegen.
"Ach, zum Teufel mit dir, Jason Hart", prustete sie nach Luft schnappend, als sie mit dem Kopf die Wasseroberfläche durchstiess. Der Vorname ihres Mannes lag ihr fremd auf der Zunge, denn sie hatte ihn, seit sie einander vor sechzehn Jahren vorgestellt worden waren, immer nur Jake genannt.
Light my fire. Light my fire. Light my fire.
"Mattie, ich möchte dich mit Jake Hart bekannt machen", hatte ihre Freundin Lisa gesagt. "Du weisst schon, er ist ein Freund von Todd, von dem ich dir erzählt habe."
"Jake", wiederholte Mattie, der der Klang gefiel. "Ist das eine Kurzform von Jackson?"
"Von Jason. Aber so nennt mich kein Mensch."
"Nett, dich kennen zu lernen, Jake." In der Erwartung, dass gleich einer der ernsthaft Beschäftigten hier aufspringen und sie mit einem "Pscht" zum Schweigen bringen würde, sah sie sich im Hauptsaal der Bibliothek der Loyola Universität um.
"Und was ist mit Mattie? Heisst du in Wirklichkeit Matilda?"
"Martha", gestand sie verlegen. Wie hatte ihre Mutter ihr nur einen so altmodischen und biederen Namen anhängen können? Er hätte weit besser zu einem ihrer geliebten Hunde gepasst als zu ihrer einzigen Tochter. "Aber nenn mich bitte Mattie."
"Gern. Ich darf dich doch mal anrufen?"
Mattie nickte, den Blick auf den Mund des jungen Mannes gerichtet, dessen volle Oberlippe über der schmäleren Unterlippe leicht vorsprang. Es war ein sehr sinnlicher Mund, fand sie und stellte sich vor, wie es wäre, diesen Mund zu küssen, diese Lippen auf den ihren zu fühlen.
"Oh, entschuldige", stotterte sie. "Was hast du eben gesagt?"
"Ich sagte, dass ich gehört habe, dass du im Hauptfach Kunstgeschichte studierst."
Wieder nickte sie und zwang sich, ihm dabei in die blauen Augen zu blicken, die etwa die gleiche Farbe hatten wie ihre eigenen. Aber seine Wimpern waren länger als ihre, und das fand sie unfair. Oder war es etwa gerecht, dass ein einziger Mann so lange Wimpern und einen so sinnlichen Mund mitbekommen hatte?
"Und was tun Kunsthistoriker genau?"
"Frag mich was Leichteres", hörte Mattie sich antworten, ihre Stimme eine Spur zu laut, sodass diesmal tatsächlich jemand "Pscht!" zischte.
"Hast du Lust auf eine Tasse Kaffee?" Er nahm sie beim Arm und führte sie aus der Bibliothek, ohne auf ihre Antwort zu warten, als gäbe es überhaupt keinen Zweifel daran, wie ihre Antwort ausfallen würde. Und sie bestätigte ihn in seiner Selbstgewissheit, auch später, als er sie ins Kino einlud und dann in seine Wohnung, die er mit mehreren Kommilitonen von der juristischen Fakultät teilte, und schliesslich in sein Bett. Danach war es zu spät. Keine zwei Monate nach diesem ersten Abend, zwei Monate, nachdem sie sich mit Wonne von diesem gut aussehenden Mann mit den langen Wimpern und dem sinnlichen Mund hatte verführen lassen, stellte sie fest, dass sie schwanger war - ausgerechnet an dem Tag, an dem er erklärte, ihm gehe das alles zu schnell, sie müssten ein wenig bremsen, eine Pause einlegen, sich wenigstens vorübergehend trennen. "Ich bin schwanger", sagte sie wie betäubt, unfähig, dem noch irgendetwas hinzuzufügen.
Sie redeten über Abtreibung, sie redeten über Adoption; am Ende hörten sie auf zu reden und heirateten. Oder genauer, sie heirateten und hörten auf zu reden, sagte sich Mattie jetzt, als sie aus dem Wasser stieg und leicht fröstelnd in der frischen Herbstluft nach dem grossen magentafarbenen Badetuch griff, das ordentlich gefaltet auf dem mit weissem Leinen bezogenen Liegestuhl lag. Mit einem Zipfel des Badetuchs frottierte sie ihre Haarspitzen, den Rest wickelte sie fest wie eine Zwangsjacke um ihren Körper. Jake hatte nie heiraten wollen, das wusste sie jetzt - wie sie es damals schon gewusst hatte, obwohl sie beide, zumindest zu Beginn, so getan hatten, als wäre diese Heirat unvermeidlich gewesen; als wäre ihm nach einer kurzen Trennung unweigerlich klar geworden, wie sehr er sie liebte, sodass er zwangsläufig zu ihr zurückgekehrt wäre.
Aber er liebte sie gar nicht. Er hatte sie damals nicht geliebt. Und er liebte sie jetzt nicht.
Und Mattie selbst war sich, wenn sie ehrlich war, nie sicher gewesen, ob sie ihn wirklich liebte.
Sie hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, keine Frage. Sie war wie gebannt gewesen von seinem blendenden Aussehen und seinem mühelosen Charme. Aber sie wusste nicht, ob sie ihn je wirklich geliebt hatte. Sie hatte nicht die Zeit gehabt, es herauszufinden. Alles war viel zu schnell gegangen. Und plötzlich war keine Zeit mehr geblieben.
Mattie knotete das Badetuch über ihrer Brust und lief die kurze Holztreppe zur Terrasse hinauf. Sie zog die Schiebetür zur Küche auf und trat ein. Wasser tropfte von ihrem Körper auf den dunkelblauen Fliesenboden. Normalerweise bekam sie sofort gute Laune, wenn sie diesen Raum betrat. Er war ganz in Blau- und sonnigen Gelbtönen gehalten, mit viel rostfreiem Stahl und einem runden Tisch mit einer Steinplatte, um den vier Stühle aus Schmiedeeisen und Rattan gruppiert waren. Von genau so einer Küche hatte Mattie geträumt, seit sie in einer Einrichtungszeitschrift eine Bilderserie über provenzalische Küchen gesehen hatte. Sie hatte die Renovierung ihrer Küche im letzten Jahr, auf den Tag vier Jahre nach ihrem Umzug in das Sechs-Zimmer-Haus am Walnut Drive, persönlich überwacht. Jake war gegen die Renovierung gewesen, genau wie er gegen den Umzug an den Stadtrand gewesen war, auch wenn man von Evanston bis zum Zentrum von Chicago mit dem Auto nur eine Viertelstunde brauchte. Er hatte in der Wohnung am Lake Shore Drive bleiben wollen, obwohl er Mattie in allen Punkten, dass es draussen am Stadtrand weniger Verbrechen gebe, bessere Schulen und mehr freie Natur, Recht geben musste. Er behauptete, er sei aus Gründen der Bequemlichkeit gegen den Umzug, aber Mattie wusste, dass Angst vor Verbindlichkeit dahinter steckte. Ein Haus am Stadtrand, das war zu viel der Etabliertheit für einen Mann, der immer einen Fuss aus der Tür hatte. "Aber für Kim ist es besser", hatte Mattie vorgebracht, und da hatte Jake endlich nachgegeben. Für Kim tat er alles. Nur ihretwegen hatte er ja Mattie überhaupt geheiratet.
Sie könnte ihn natürlich auch erschiessen, sagte sie sich und drückte das Wasser, das zwischen ihren Fingern hindurchglitt, als drückte sie auf den Abzug einer Pistole. In ihrer Phantasie sah sie die Kugel über das Wasser fliegen, direkt in den Gerichtssaal, wo ihr nichts ahnender Ehemann sich soeben erhob, um das Wort an die Geschworenen zu richten. Sie sah zu, wie er sein dunkelblaues Jackett knöpfte, kurz bevor die Kugel es zerfetzte und dunkelrotes Blut langsam auf die akkuraten Diagonalstreifen der blau-goldenen Krawatte quoll, während das jungenhafte kleine Lächeln, das so sehr von seinen Augen wie von seinem Mund ausging, zuerst erstarrte und dann verblasste und schliesslich ganz erlosch, als er in dem ehrwürdigen alten Gerichtssaal zu Boden stürzte.
Meine Damen und Herren Geschworenen, sind Sie zu einem Urteil gelangt?
"Tod den Verrätern!", rief Mattie laut und trat im Wasser um sich, als hätte sie sich in einer Decke verheddert, aus der sie sich befreien musste. Ihre Füsse fühlten sich plötzlich so bleiern an, schwer wie Zementblöcke. Einen Moment lang erschienen sie ihr wie Fremdkörper, als gehörten sie einer anderen Person und seien völlig willkürlich an ihrem Rumpf befestigt, wo sie nun keinem anderen Zweck dienten, als sie in die Tiefe zu ziehen. Sie versuchte zu stehen, aber ihre Fusssohlen fanden den Grund des Beckens nicht, obwohl das Wasser nur einen Meter fünfzig tief war und sie beinahe zwanzig Zentimeter grösser.
"Verdammt noch mal!", schimpfte Mattie, verhaspelte sich beim Atmen und schluckte eine Ladung Chlorwasser. Sie schnappte heftig nach Luft und rettete sich an die Seitenwand des Pools. Über den Beckenrand gekrümmt, hielt sie sich an den glatten braunen Steinen fest. Immer noch umschlossen unsichtbare Hände ihre Füsse und suchten, sie unter Wasser zu ziehen. "Geschieht mir ganz recht!", stiess sie zwischen schmerzhaften Hustenattacken hervor. "Geschieht mir ganz recht! Was muss ich so finstere Pläne wälzen!"
Sie war noch dabei, sich ein paar Tropfen Speichel vom Mund zu wischen, als sie aus dem Nichts von einem hysterischen Lachkrampf geschüttelt wurde. Das Gelächter mischte sich mit dem Husten, eines schaukelte sich am anderen hoch, und die hässlichen Geräusche schallten laut über das Wasser und brachen sich an den Wänden des Pools. Warum lache ich?, fragte sie sich, unfähig aufzuhören.
"Hey, was ist los?" Die Stimme befand sich irgendwo oberhalb von ihr. "Mama? Mama, ist alles in Ordnung?"
Mattie hob die Hand zur Stirn, um ihre Augen gegen die gleissenden Sonnenstrahlen abzuschirmen, die sie wie ein Scheinwerfer umfingen, und blickte hinauf zu der grossen schattigen Terrasse aus Zedernholz hinter der Küche des roten Backsteinhauses, in dem sie und ihre Familie lebten. Ihre Tochter Kim stand scharf umrissen vor dem Herbsthimmel, die sonst so klaren Züge ihres Gesichts seltsam verwischt vom grellen Sonnenlicht. Aber das machte nichts. Mattie kannte jede Linie und Kontur ihres Gesichts und ihres Körpers: die grossen blauen Augen, die dunkler waren als die ihres Vaters und grösser als die ihrer Mutter; die lange, gerade Nase, die sie vom Vater, den Mund mit dem hübsch geschwungenen Amorbogen, den sie von der Mutter mitbekommen hatte; die knospenden Brüste, die schon jetzt, obwohl Kim erst fünfzehn war, eine Üppigkeit erahnen liessen, die von der Grossmutter an ihre Enkelin weitergegeben worden war; Kim war gross wie ihre beiden Eltern und dünn wie ihre Mutter in diesem Alter. Aber sie hatte eine weit bessere Haltung, als Mattie sie mit fünfzehn gehabt hatte, ja, als sie sie heute hatte. Kim brauchte man nicht zu ermahnen, die Schultern zu straffen oder den Kopf hoch zu halten; sie besass, das sah man auch jetzt, wie sie da biegsam wie ein junger Baum an dem stabilen Holzgeländer lehnte, ein natürliches Selbstbewusstsein, das Mattie erstaunlich fand. Manchmal fragte sie sich, ob sie an seiner Entwicklung überhaupt mitgewirkt hatte.
"Ist alles in Ordnung?", fragte Kim ein zweites Mal und reckte ihren langen, schlanken Hals, um zum Pool hinuntersehen zu können. Ihr schulterlanges blondes Haar war streng zurückgenommen und oben am Scheitel zu einem festen kleinen Knoten gedreht. Meine kleine Schulmamsell, zog Mattie sie manchmal liebevoll auf.
"Ist jemand bei dir?", rief Kim.
"Alles in Ordnung", antwortete Mattie, musste aber immer noch so stark husten, dass ihre Worte nicht zu verstehen waren. Deshalb wiederholte sie "Alles in Ordnung" und begann dann von neuem schallend zu lachen.
"Was ist denn so komisch?" Kim kicherte, zaghaft und scheu in ihrem Bemühen, an dem Schmerz teilzuhaben, der ihre Mutter so amüsierte.
"Mir ist der Fuss eingeschlafen", sagte Mattie, während sie langsam beide Füsse zum Grund des Beckens hinunterliess und erleichtert wahrnahm, dass sie stand.
"Beim Schwimmen?"
"Ja. Ist das nicht ulkig?"
Kim zuckte kurz mit den Schultern, als wollte sie sagen, so ulkig auch wieder nicht, und beugte sich aus dem Schatten ein Stück weiter vor. "Ist wirklich alles okay?"
"Aber ja. Ich habe nur ein bisschen Wasser geschluckt." Mattie hustete, wie um ihren Worten Glaubwürdigkeit zu verleihen. Als sie sah, dass Kim ihre Lederjacke anhatte, wurde ihr zum ersten Mal an diesem Morgen die herbstliche Kühle des Tages bewusst. Es war immerhin schon Ende September.
"Ich geh jetzt", sagte Kim, aber sie rührte sich nicht von der Stelle. "Was hast du heute vor?"
"Ich habe am Nachmittag einen Termin mit einem Klienten, der sich ein paar Fotografien ansehen will."
"Und heute Morgen?"
"Heute Morgen?"
"Dad hält sein Schlussplädoyer", sagte Kim.
Mattie nickte, ungewiss, wohin dieses Gespräch führen würde. Während sie auf die nächsten Worte ihrer Tochter wartete, sah sie zu dem alten Ahornbaum hinauf, der hoch und ausladend im Nachbargarten stand. Im grünen Laub begann das tiefe Rot des Herbstes sich auszubreiten. Es sah aus, als bluteten die Blätter langsam aus.
"Er würde sich bestimmt freuen, wenn du ins Gericht kämst, um ihn anzufeuern. Du weisst schon, wie du das bei mir immer tust, wenn ich in der Schule Theater spiele. Zur moralischen Unterstützung und so."
Und so, dachte Mattie, sagte aber nichts, hüstelte nur ein wenig.
"Na ja, egal, ich geh jetzt jedenfalls."
"Okay, Schatz. Ich wünsch dir einen schönen Tag."
"Ich dir auch. Gib Dad einen Kuss von mir. Als Glücksbringer."
"Ich wünsch dir einen schönen Tag", wiederholte Mattie und blickte Kim nach, bis diese im Haus verschwunden war. Wieder allein, schloss sie die Augen und liess sich unter den glatten Wasserspiegel sinken. Augenblicklich schlug ihr das Wasser über Mund und Ohren zusammen und blendete die Geräusche des Morgens aus. Kein Hundegebell aus benachbarten Gärten mehr, kein Vogelgezwitscher aus den Bäumen, kein ungeduldiges Hupen von der Strasse. Alles war still und friedlich. Keine untreuen Ehemänner, keine Teenager, die alles ganz genau wissen wollten.
Wie macht sie das nur, fragte sich Mattie. Ihre Tochter schien ungeheuer feine Antennen zu haben. Mattie hatte ihr kein Wort davon gesagt, dass sie Jake wieder einmal bei einem Seitensprung ertappt hatte. Sie hatte auch mit sonst keinem Menschen darüber gesprochen, weder mit ihren Freundinnen noch mit ihrer Mutter oder Jake. Beinahe hätte sie gelacht. Wann hatte sie sich zum letzten Mal ihrer Mutter anvertraut? Und was Jake anging, so war sie einfach noch nicht bereit, ihm in einer Auseinandersetzung gegenüberzutreten. Sie brauchte Zeit, um alles gründlich zu überlegen, ihre Gedanken zu sammeln wie ein Eichhörnchen die Nüsse für den Winter, um für die Entscheidung, die sie schliesslich fällen, den Weg, den sie wählen würde, gewappnet zu sein.
Sie öffnete unter Wasser die Augen und schob sich das kinnlange dunkelblonde Haar aus dem Gesicht. Ganz recht, mein Kind, sagte sie sich, es ist Zeit, die Augen zu öffnen. The time for hesitating's through, meinte sie Jim Morrison singen zu hören. Come on, baby, light my fire. Wollte sie wirklich darauf warten, bis jemand ihr Feuer unterm Hintern machte? Wie viele Hotelrechnungen musste sie noch finden, ehe sie endlich etwas unternahm? Es war Zeit zu handeln. Es war Zeit, gewisse unbestreitbare Fakten ihrer Ehe einzugestehen. Meine Damen und Herren Geschworenen, ich möchte diese Hotelrechnung als Beweis vorlegen.
"Ach, zum Teufel mit dir, Jason Hart", prustete sie nach Luft schnappend, als sie mit dem Kopf die Wasseroberfläche durchstiess. Der Vorname ihres Mannes lag ihr fremd auf der Zunge, denn sie hatte ihn, seit sie einander vor sechzehn Jahren vorgestellt worden waren, immer nur Jake genannt.
Light my fire. Light my fire. Light my fire.
"Mattie, ich möchte dich mit Jake Hart bekannt machen", hatte ihre Freundin Lisa gesagt. "Du weisst schon, er ist ein Freund von Todd, von dem ich dir erzählt habe."
"Jake", wiederholte Mattie, der der Klang gefiel. "Ist das eine Kurzform von Jackson?"
"Von Jason. Aber so nennt mich kein Mensch."
"Nett, dich kennen zu lernen, Jake." In der Erwartung, dass gleich einer der ernsthaft Beschäftigten hier aufspringen und sie mit einem "Pscht" zum Schweigen bringen würde, sah sie sich im Hauptsaal der Bibliothek der Loyola Universität um.
"Und was ist mit Mattie? Heisst du in Wirklichkeit Matilda?"
"Martha", gestand sie verlegen. Wie hatte ihre Mutter ihr nur einen so altmodischen und biederen Namen anhängen können? Er hätte weit besser zu einem ihrer geliebten Hunde gepasst als zu ihrer einzigen Tochter. "Aber nenn mich bitte Mattie."
"Gern. Ich darf dich doch mal anrufen?"
Mattie nickte, den Blick auf den Mund des jungen Mannes gerichtet, dessen volle Oberlippe über der schmäleren Unterlippe leicht vorsprang. Es war ein sehr sinnlicher Mund, fand sie und stellte sich vor, wie es wäre, diesen Mund zu küssen, diese Lippen auf den ihren zu fühlen.
"Oh, entschuldige", stotterte sie. "Was hast du eben gesagt?"
"Ich sagte, dass ich gehört habe, dass du im Hauptfach Kunstgeschichte studierst."
Wieder nickte sie und zwang sich, ihm dabei in die blauen Augen zu blicken, die etwa die gleiche Farbe hatten wie ihre eigenen. Aber seine Wimpern waren länger als ihre, und das fand sie unfair. Oder war es etwa gerecht, dass ein einziger Mann so lange Wimpern und einen so sinnlichen Mund mitbekommen hatte?
"Und was tun Kunsthistoriker genau?"
"Frag mich was Leichteres", hörte Mattie sich antworten, ihre Stimme eine Spur zu laut, sodass diesmal tatsächlich jemand "Pscht!" zischte.
"Hast du Lust auf eine Tasse Kaffee?" Er nahm sie beim Arm und führte sie aus der Bibliothek, ohne auf ihre Antwort zu warten, als gäbe es überhaupt keinen Zweifel daran, wie ihre Antwort ausfallen würde. Und sie bestätigte ihn in seiner Selbstgewissheit, auch später, als er sie ins Kino einlud und dann in seine Wohnung, die er mit mehreren Kommilitonen von der juristischen Fakultät teilte, und schliesslich in sein Bett. Danach war es zu spät. Keine zwei Monate nach diesem ersten Abend, zwei Monate, nachdem sie sich mit Wonne von diesem gut aussehenden Mann mit den langen Wimpern und dem sinnlichen Mund hatte verführen lassen, stellte sie fest, dass sie schwanger war - ausgerechnet an dem Tag, an dem er erklärte, ihm gehe das alles zu schnell, sie müssten ein wenig bremsen, eine Pause einlegen, sich wenigstens vorübergehend trennen. "Ich bin schwanger", sagte sie wie betäubt, unfähig, dem noch irgendetwas hinzuzufügen.
Sie redeten über Abtreibung, sie redeten über Adoption; am Ende hörten sie auf zu reden und heirateten. Oder genauer, sie heirateten und hörten auf zu reden, sagte sich Mattie jetzt, als sie aus dem Wasser stieg und leicht fröstelnd in der frischen Herbstluft nach dem grossen magentafarbenen Badetuch griff, das ordentlich gefaltet auf dem mit weissem Leinen bezogenen Liegestuhl lag. Mit einem Zipfel des Badetuchs frottierte sie ihre Haarspitzen, den Rest wickelte sie fest wie eine Zwangsjacke um ihren Körper. Jake hatte nie heiraten wollen, das wusste sie jetzt - wie sie es damals schon gewusst hatte, obwohl sie beide, zumindest zu Beginn, so getan hatten, als wäre diese Heirat unvermeidlich gewesen; als wäre ihm nach einer kurzen Trennung unweigerlich klar geworden, wie sehr er sie liebte, sodass er zwangsläufig zu ihr zurückgekehrt wäre.
Aber er liebte sie gar nicht. Er hatte sie damals nicht geliebt. Und er liebte sie jetzt nicht.
Und Mattie selbst war sich, wenn sie ehrlich war, nie sicher gewesen, ob sie ihn wirklich liebte.
Sie hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, keine Frage. Sie war wie gebannt gewesen von seinem blendenden Aussehen und seinem mühelosen Charme. Aber sie wusste nicht, ob sie ihn je wirklich geliebt hatte. Sie hatte nicht die Zeit gehabt, es herauszufinden. Alles war viel zu schnell gegangen. Und plötzlich war keine Zeit mehr geblieben.
Mattie knotete das Badetuch über ihrer Brust und lief die kurze Holztreppe zur Terrasse hinauf. Sie zog die Schiebetür zur Küche auf und trat ein. Wasser tropfte von ihrem Körper auf den dunkelblauen Fliesenboden. Normalerweise bekam sie sofort gute Laune, wenn sie diesen Raum betrat. Er war ganz in Blau- und sonnigen Gelbtönen gehalten, mit viel rostfreiem Stahl und einem runden Tisch mit einer Steinplatte, um den vier Stühle aus Schmiedeeisen und Rattan gruppiert waren. Von genau so einer Küche hatte Mattie geträumt, seit sie in einer Einrichtungszeitschrift eine Bilderserie über provenzalische Küchen gesehen hatte. Sie hatte die Renovierung ihrer Küche im letzten Jahr, auf den Tag vier Jahre nach ihrem Umzug in das Sechs-Zimmer-Haus am Walnut Drive, persönlich überwacht. Jake war gegen die Renovierung gewesen, genau wie er gegen den Umzug an den Stadtrand gewesen war, auch wenn man von Evanston bis zum Zentrum von Chicago mit dem Auto nur eine Viertelstunde brauchte. Er hatte in der Wohnung am Lake Shore Drive bleiben wollen, obwohl er Mattie in allen Punkten, dass es draussen am Stadtrand weniger Verbrechen gebe, bessere Schulen und mehr freie Natur, Recht geben musste. Er behauptete, er sei aus Gründen der Bequemlichkeit gegen den Umzug, aber Mattie wusste, dass Angst vor Verbindlichkeit dahinter steckte. Ein Haus am Stadtrand, das war zu viel der Etabliertheit für einen Mann, der immer einen Fuss aus der Tür hatte. "Aber für Kim ist es besser", hatte Mattie vorgebracht, und da hatte Jake endlich nachgegeben. Für Kim tat er alles. Nur ihretwegen hatte er ja Mattie überhaupt geheiratet.
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Autoren-Porträt von Joy Fielding
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Autoren-Interview mit Joy Fielding
Interview mit Joy Fielding Die Täter in Ihren Romanen leiden oft unter extremen psychischen Störungen. Woher rührt Ihr Interesse für solche Charaktere? Steckt dahinter eine besondere „Geschichte“?
Es ist einfach interessant, über Menschen zu schreiben, die mit Problemen zu kämpfen haben – seien sie nun psychischer Natur oder nicht. Solche Charaktere haben mich schon immer fasziniert, auch wenn sie nicht unbedingt zu den Menschen gehören, denen ich im wirklichen Leben begegnen möchte. Dennoch: Als Persönlichkeiten sind sie interessant. In „Träume süß, mein Mädchen“ erzähle ich die Geschichte einer naiven jungen Frau, die um ein Haar ihr Leben zerstört, indem sie sich mit dem falschen Mann einlässt; einem Mann, der sie zu manipulieren versteht.
Nein, eine besondere „Geschichte“ steckt nicht dahinter. All das entstammt einzig und allein meiner Fantasie.
Als Leser stellt man schnell fest, dass Sie über ein sehr fundiertes psychologisches Wissen verfügen. Wie halten Sie sich diesbezüglich auf dem Laufenden?
Ich lese eine Menge Bücher, viele davon behandeln psychologische Fragestellungen. Und ich widme mich intensiv „Fallstudien“, indem ich in Zeitungen und Zeitschriften nach Beiträgen Ausschau halte, die sich mit solch extremen Individuen beschäftigen. Würden Sie sagen, dass Ihre Bücher vor allem von Tätern oder von Opfern handeln?
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In meinen Büchern geht es in erster Linie um Menschen – Menschen in schwierigen Situationen, die lernen müssen, mit ihren Problemen und dem Leben insgesamt zurechtzukommen. Ich sehe meine Charaktere nicht als Opfer, obwohl sie manchmal zu Opfern werden. Und die Bösewichte sind nicht immer Killer. Das ist von Buch zu Buch verschieden. In „Träume süß, mein Mädchen“ geht es um drei Frauen und darum, wie sich die Begegnung mit einem extrem üblen Typen auf ihr Leben auswirkt. Dennoch: Ich erzähle die Geschichte dieser Frauen, und ich betrachte sie nicht in erster Linie als Opfer.
Ist Unterhaltung für Sie ein bewusstes Ziel des Schreibens? Oder geht es Ihnen nur darum, „Ihre“ Geschichte zu erzählen?
Natürlich möchte ich die Leser unterhalten, das ist meine Aufgabe. Aber ich versuche auch, die beste Geschichte, die ich erfinden kann, so gut wie irgend möglich zu erzählen. Meine erste Pflicht als Autorin ist es, Leser in den Bann meines Textes zu ziehen. Und wenn meine Bücher Sie nicht unterhalten – warum sollte sie jemand lesen?
Sie reisen enorm viel! Würden Sie sich als rastlosen Menschen bezeichnen, oder macht Ihnen das Reisen einfach Spaß?
Ja, das stimmt, ich reise im Moment ziemlich viel, teilweise aus beruflichen Gründen, teilweise zum Vergnügen. Wir haben zwei Wohnsitze, einen in Kanada und einen in Florida (USA), und wir reisen oft zwischen diesen beiden Orten hin und her. Und manchmal begleite ich meinen Mann auch auf seinen Geschäftsreisen, so dass ich tatsächlich viel auf Achse bin. Allerdings halte ich mich nicht für einen rastlosen Menschen, es macht mir wirklich Freude, Neues zu entdecken. Dieses Jahr ist in Bezug auf Reisen schon extrem. Ich hoffe, das nächste wird etwas weniger hektisch. Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
Ist Unterhaltung für Sie ein bewusstes Ziel des Schreibens? Oder geht es Ihnen nur darum, „Ihre“ Geschichte zu erzählen?
Natürlich möchte ich die Leser unterhalten, das ist meine Aufgabe. Aber ich versuche auch, die beste Geschichte, die ich erfinden kann, so gut wie irgend möglich zu erzählen. Meine erste Pflicht als Autorin ist es, Leser in den Bann meines Textes zu ziehen. Und wenn meine Bücher Sie nicht unterhalten – warum sollte sie jemand lesen?
Sie reisen enorm viel! Würden Sie sich als rastlosen Menschen bezeichnen, oder macht Ihnen das Reisen einfach Spaß?
Ja, das stimmt, ich reise im Moment ziemlich viel, teilweise aus beruflichen Gründen, teilweise zum Vergnügen. Wir haben zwei Wohnsitze, einen in Kanada und einen in Florida (USA), und wir reisen oft zwischen diesen beiden Orten hin und her. Und manchmal begleite ich meinen Mann auch auf seinen Geschäftsreisen, so dass ich tatsächlich viel auf Achse bin. Allerdings halte ich mich nicht für einen rastlosen Menschen, es macht mir wirklich Freude, Neues zu entdecken. Dieses Jahr ist in Bezug auf Reisen schon extrem. Ich hoffe, das nächste wird etwas weniger hektisch. Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Joy Fielding
- 2003, 15. Aufl., 448 Seiten, Masse: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Mechtild Sandberg-Ciletti, Kristian Lutze
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442454050
- ISBN-13: 9783442454051
Rezension zu „Zähl nicht die Stunden “
"Ein hinreißender, ein ermutigender Roman über eine Frau, die im größten Unglück zu sich selbst findet."
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