Woher man kommt, wohin man geht
Über die Zugkraft der Klassenherkunft am Beispiel junger IndustriearbeiterInnen. Dissertationsschrift
Soziale Klasse, einst zentraler Kampfbegriff der Arbeiterbewegung und bedeutende analytische Kategorie in der Soziologie, fristet im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahrzehnten ein eher kümmerliches Dasein. Carina Altreiter zeigt in ihrer Studie, was...
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Produktinformationen zu „Woher man kommt, wohin man geht “
Soziale Klasse, einst zentraler Kampfbegriff der Arbeiterbewegung und bedeutende analytische Kategorie in der Soziologie, fristet im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahrzehnten ein eher kümmerliches Dasein. Carina Altreiter zeigt in ihrer Studie, was analytisch zu gewinnen ist, wenn man sich mit einer Klassenbrille sozialen Phänomenen nähert: Angelehnt an Bourdieu untersucht sie, wie die Klassenherkunft junger Industriearbeiterinnen und -arbeiter deren Übergang von der Schule in die Arbeitswelt prägt, wie sie Auseinandersetzungen mit konkreten Arbeitsbedingungen formt und im Lebensverlauf berufliche Positionen verfestigt. Die Fallgeschichten zeigen deutlich, wie sich die Aufrechterhaltung sozialer Ordnung auf individueller Ebene vollzieht.
Klappentext zu „Woher man kommt, wohin man geht “
Soziale Klasse, einst zentraler Kampfbegriff der Arbeiterbewegung und bedeutende analytische Kategorie in der Soziologie, fristet im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahrzehnten ein eher kümmerliches Dasein. Carina Altreiter zeigt in ihrer Studie, was analytisch zu gewinnen ist, wenn man sich mit einer Klassenbrille sozialen Phänomenen nähert: Angelehnt an Bourdieu untersucht sie, wie die Klassenherkunft junger Industriearbeiterinnen und -arbeiter deren Übergang von der Schule in die Arbeitswelt prägt, wie sie Auseinandersetzungen mit konkreten Arbeitsbedingungen formt und im Lebensverlauf berufliche Positionen verfestigt. Die Fallgeschichten zeigen deutlich, wie sich die Aufrechterhaltung sozialer Ordnung auf individueller Ebene vollzieht.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Woher man kommt, wohin man geht “
1 Einleitung"Ich fragte meine Mutter nach den abgebildeten Leuten. Der erweiterte Familienkreis: die Kinder meiner Brüder, Cousins und Cousinen mit ihren Ehepartnern usw. Immer fragte ich: 'Was macht er/sie jetzt?' Die Antworten ergaben eine Kartografie der heutigen 'classes populaires', der sogenannten 'einfachen' Leute, die in Wahrheit Leute ohne Privilegien sind. 'Der arbeitet bei X in der Fabrik', 'der bei Y in der Kellerei', 'der ist Maurer', 'der ist Polizist' und 'der ist arbeitslos'. Den sozialen Aufstieg verkörpern die Cousine, die Finanzbeamtin geworden ist, und die Schwägerin, die als Sekretärin arbeitet. Natürlich ist das nicht mehr das Elend, das ich in meiner Kindheit kannte ('Denen geht es nicht schlecht', 'Die verdienen ziemlich gut', fügte meine Mutter hinzu, wenn sie erzählte, was bestimmte Personen auf den Fotos beruflich machten). Im sozialen Gefüge nehmen jedoch all diese Menschen denselben Platz ein wie früher, die relationale Position in der Klassengesellschaft hat sich für die gesamte Verwandtschaft kaum geändert." (Eribon 2016, 97)Im Jahr 2016 erschien die autobiographische Erzählung Retour à Reims des französischen Soziologen Didier Eribon in deutscher Übersetzung, die auf einer sehr persönlichen Ebene die Erfahrungen des sozialen Aufstiegs vom Kind einer Arbeiterfamilie zum Universitätsprofessor schildert. Der Autor beschreibt darin seinen verzweifelten Versuch, mit Fortschreiten seines Bildungsaufstiegs alle Brücken zu seiner Herkunft abzureissen, die ihm verhasst war und für die er sich im intellektuellen Milieu von Paris schämte. Die Geschichte lässt sich sicherlich nicht nur für Frankreich erzählen. Alle, die einen vergleichbaren sozialen Aufstieg durchlebt haben, wissen vermutlich Ähnliches zu berichten. Dennoch habe ich mich beim Lesen des Buches immer wieder gefragt, ob etwas Vergleichbares in Deutschland oder Österreich hätte geschrieben werden können. Ich würde behaupten, dass dem nicht so ist. Dabei meine ich nicht die
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Aufstiegsgeschichte an sich, sondern vielmehr den klassenspezifischen Rahmen, in welchen die Erfahrungen eingeordnet werden.Von Klassen zu sprechen, aber vielmehr noch die Gesellschaft in sozialen Klassen zu denken, scheint uns heutzutage fremd geworden zu sein. Im Alltag haben wir uns an eine Wahrnehmung der Welt gewöhnt, die auf Individualität gebaut ist und soziale Klassen ins Reich der Geschichte verbannt, die lediglich noch für HistorikerInnen oder LinksromantikerInnen Bedeutung haben. Auch im öffentlichen Diskurs hat sich die Vorstellung festgesetzt, dass das Leben individuell gestaltet werden kann und nicht mehr durch die soziale Herkunft vorherbestimmt ist. In den Mittelpunkt gerückt ist das Individuum mit seinen persönlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Talenten. Die Verteilung von und der Zugang zu Ressourcen sowie zu sozialen Positionen, soziale Auf- und Abstiege, Erfolge ebenso wie das Scheitern werden an individuellen Leistungen und Anstrengungen festgemacht. Aber hält dieses Buchgefühl und diese öffentlich geteilte Meinung einer empirischen Prüfung stand?Studien im Bereich der Bildungsforschung widerlegen diese selbstverständlich gewordene Wahrnehmung in regelmässigen Abständen. Schulische Leistungen, aber auch damit verbundene Bildungswegentscheidungen, streuen nicht beliebig, sondern korrelieren mit dem Bildungshintergrund der Eltern (Bruneforth u.a. 2016; 2013). In Österreich klafft der Leistungsunterschied zwischen Kindern, deren Eltern höchstens über einen Lehrabschluss verfügen oder eine mittlere Schule abgeschlossen haben, und jenen, deren Eltern eine Matura (Abitur) haben, bereits am Ende der Primarstufe deutlich auseinander und drückt sich umgerechnet in einem Kompetenzrückstand von knapp einem Jahr aus. Während nur jedes zehnte Kind aus einem akademischen Haushalt den Bildungsstandard in Mathematik bei den PISA Überprüfungen nicht erreicht, gelingt das mehr als der Hälfte der Kinder aus Familien, in denen die Pflichtschule den höchsten Abschluss
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Inhaltsverzeichnis zu „Woher man kommt, wohin man geht “
InhaltVorbemerkungen 91 Einleitung 112 Vom Verschwinden sozialer Klasse 212.1 Sozialer Wandel und Klassenbewusstsein 242.2 Von der Klasse zum Individuum 292.3 Subjektorientierter Wandel in der Arbeitssoziologie 342.4 Kontinuität und Wandel der Klassenanalyse 442.5 Bedeutungsverlust als Ausdruck symbolischer Kämpfe 483 Klassenanalyse mit Bourdieu 533.1 Position und Disposition als dialektisches Verhältnis 543.1.1 Bourdieus Konzeption sozialer Klassen 573.1.2 Der Habitus als Grenze des Möglichen 583.1.3 Der Klassenhabitus der ArbeiterInnenklasse 623.2 Möglichkeitsräume und die Reproduktion sozialer Ordnung 643.2.1 Objektiver und subjektiver Möglichkeitsraum 663.2.2 Berufungen 683.3 Passung zwischen Disposition und Position: Ein Trugbild? 703.4 Bourdieu: Ein vorläufiges Resümee 753.5 Soziale Klasse als Forschungsprogramm 764 Arbeiter und Arbeiterinnen 794.1 Durchsetzung des Kapitalismus und Entstehung des Proletariats 804.2 Vom Goldenen Zeitalter zur Rückkehr der Verwundbarkeit 854.3 Heterogene Arbeits- und Lebenswelten einer Klasse 914.4 Arbeitsrechtliche Verortung von ArbeiterInnen 984.5 Arbeiter und Arbeiterinnen: Eine statistisch relevante Grösse 1025 Methodische Grundlagen 1115.1 Fallauswahl und Zugang zum Feld 1125.1.1 Türen öffnen 1135.1.2 Industriebetriebe als Forschungsfeld 1155.1.3 Kritische Anmerkungen zum Feldzugang 1175.2 Datenerhebung 1185.2.1 Beschreibung der Fälle 1195.2.2 Soziale Nähe und Distanz im Interview 1235.2.3 Ethnographische Einblicke in das Feld 1255.3 Datenauswertung 1265.3.1 Auswertungsschritte 1275.3.2 Validierung 1296 Wege in die Arbeitswelt 1336.1 Unterschiedliche Muster der Klassenreproduktion 1356.2 Lehre: Was sonst? 1396.2.1 Unhinterfragte Selbstverständlichkeiten 1456.2.2 Konstitutionsbedingungen des Selbstverständlichen 1476.3 Schule oder Arbeit: Was sonst noch möglich wäre 1566.3.1 Erweiterung von Möglichkeitsräumen 1626.3.2 Schliessung von Möglichkeitsräumen 1656.4 Andere Selbstverständlichkeiten 1736.4.1 Widersprüchliches Erbe
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1736.4.2 Gegen Abstiege kämpfen 1756.5 Die Zugkraft der Klassenherkunft am Übergang in die Arbeitswelt 1777 Eine Arbeit, die passt? 1817.1 Vorläufige Ankunftsorte: Von der Lehre in den Industriebetrieb 1837.2 Passungskonstellationen und Arbeitstätigkeit 1877.2.1 Drei Formen einer Disposition für körperliche Arbeit 1887.2.2 Körperorientierte Arbeitsbezüge als Grundlage für Passungen 1907.2.3 Dissonanz zwischen Ansprüchen und Tätigkeit 2017.3 Passungskonstellationen und Arbeitsbeziehungen 2147.3.1 Gruppenidentität und Gruppenzusammenhalt 2167.3.2 Entfremdeter Habitus 2197.3.3 Das andere Geschlecht 2217.4 Klassenherkunft und Passungen am Arbeitsplatz 2268 Gekommen, um zu bleiben? 2298.1 Adaption 2318.1.1 Aus der Not eine Tugend machen 2318.1.2 Eine pragmatische Haltung 2388.2 Kompensation 2468.3 Transformation 2528.3.1 Veränderung durch berufliches Vorwärtskommen 2538.3.2 Veränderung durch berufliche Neuausrichtung 2598.4 Dissonanz und Verfestigung von Klassenpositionen 2629 Soziale Klasse als strukturierender Mechanismus im Leben junger ArbeiterInnen 2659.1 Woher man kommt, wohin man geht 2669.1.1 Zugkraft der Klassenherkunft 2669.1.2 Körperlicher Arbeitshabitus als Grundlage für Passungen am Arbeitsplatz 2689.1.3 Verfestigung von Klassenpositionen 2729.1.4 Zwischen Beheimatung und Beharrung 2759.2 Über Bourdieu hinausgedacht 2769.2.1 Passung als Herstellungsleistung 2769.2.2 Pluralität der Kontexte und Inner-Klassenvariationen 2799.3 Anregungen für die Arbeitssoziologie 2819.4 Ausblicke aus einer Praxisperspektive 285Abbildungen und Tabellen 289Literatur 290
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Autoren-Porträt von Carina Altreiter
Carina Altreiter, Dr. phil., ist wiss. Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Universität Wien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Carina Altreiter
- 2018, 308 Seiten, Masse: 13,9 x 21,3 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593509644
- ISBN-13: 9783593509648
- Erscheinungsdatum: 06.12.2018
Pressezitat
»Die theoretisch wie methodisch fundierte Beschreibung dieser Vermittlungsebene zeichnet die Studie aus. Die Nachzeichnung der permanenten Herstellungsleistung dieser fragilen 'Passungen' zwischen subjektiven Ansprüchen und objektiven Bedingungen ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis der Dialektik von Subjekt und Klasse, von Position und Disposition, sondern beinhaltet auch das gesellschaftskritische Potenzial dieser Studie.« Weiberdiwan, 16.07.2019»Die Studie von Carina Altreiter zu den Wirkungsmechanismen von Klassenpositionierung bei jungen IndustriearbeiterInnen in Österreich ist eine überzeugende empirisches Untersuchung, welche die Zugkraft von Klassenlagen untermauert.« Benjamin Herr, Wirtschaft und Gesellschaft, 29.01.2020
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