Winter der Welt
In "Winter der Welt" entfaltet Ken Follett das große Panorama des Zweiten Weltkriegs und schafft damit eine grandiose Fortsetzung zu "Sturz der Titanen".
Der Erste Weltkrieg ist vorbei, doch der Friede in Europa währt nicht lange....
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In "Winter der Welt" entfaltet Ken Follett das große Panorama des Zweiten Weltkriegs und schafft damit eine grandiose Fortsetzung zu "Sturz der Titanen".
Der Erste Weltkrieg ist vorbei, doch der Friede in Europa währt nicht lange. Im Schatten der Machtergreifung Hitlers spitzt sich die Lage dramatisch zu. Mittendrin stecken drei junge Menschen, die einfach nur ihr Leben leben wollen: zwischen Liebe und Hass, Anpassung und Widerstand. Wie sie ihr Schicksal meistern, davon erzählt Ken Follett in seinem Buch "Winter der Welt".
Da ist der junge Engländer Lloyd Williams, der den Kampf gegen den Faschismus antritt, zuerst zu Hause in London, dann als Partisan in Spanien. Auch in Deutschland ist Carla von Ulrich entsetzt über das Unrecht, das im Namen des Volkes geschieht, und schließt sich einer Widerstandsgruppe an. Anders sieht die Lage in Amerika aus: Unter dem Einfluss von Roosevelts New Deal herrscht Aufbruchsstimmung, die Menschen träumen von besseren Zeiten. So auch die lebenshungrige Daisy, doch sie muss eine bitterböse Überraschung erleben.
Ken Follett sagt über seine Arbeit: "Für mich ist der Maßstab des Erfolgs, Millionen von Lesern zu verzaubern." Lassen auch Sie sich von "Winter der Welt" verzaubern.
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Der Große Krieg ist vorbei. Doch der Friede ist trügerisch. In Deutschland verspricht der Führer dem Volk eine große Zukunft. In den USA kämpft der Präsident gegen die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Und in Russland zerbricht die Hoffnung der Revolution unter dem Terror der Bolschewisten.
Drei Familien, drei Länder, ein Schicksal: Während sich die einen in Verblendung und Schuld verstricken, werden den anderen die Augen geöffnet für das Unmenschliche, das im Namen der Ideologie geschieht. Wer die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts hautnah nacherleben will, den wird dieses Familien-Epos begeistern.
K A P I T E L 1
1933
Carla spürte, dass ein Streit zwischen ihren Eltern in der Luft lag. Kaum hatte sie die Küche betreten, fühlte sie die Feindseligkeit wie den bitterkalten Windhauch, der vor Ausbruch eines Februarsturms durch die Straßen von Berlin wehte. Beinahe hätte sie kehrtgemacht und die Flucht ergriffen.
Carlas Eltern stritten sich nur selten. Meist waren sie ein Herz und eine Seele. Manchmal zeigten sie ihre Zuneigung sogar ein wenig zu offen, zum Beispiel, wenn sie sich vor anderen Leuten küssten, was Carla jedes Mal verlegen machte. Besonders peinlich war es ihr, wenn ihre Freundinnen dabei waren, die diesen Austausch von Zärtlichkeiten befremdlich fanden; ihren Eltern, behaupteten sie, würde so etwas niemals in den Sinn kommen. Einmal hatte Carla sich ihrer Mutter anvertraut, aber die hatte nur gelacht und ihr zum x-ten Mal die alte Geschichte erzählt: »Am Tag nach unserer Hochzeit hat der Große Krieg deinen Vater und mich getrennt, das weißt du doch, nicht wahr? Ich bin in London geblieben, während er in die Heimat gefahren ist, nach Deutschland, und Soldat wurde.« Maud, Carlas Mutter, war geborene Engländerin, auch wenn man ihr das inzwischen kaum noch anhörte. »Wir glaubten damals, der Krieg würde nur ein paar Monate dauern, aber dann habe ich deinen Vater fünf Jahre nicht gesehen, und die ganze Zeit habe ich mich nach seinen Berührungen gesehnt. Seitdem kann ich gar nicht genug davon bekommen.«
Vater war genauso schlimm. »Deine Mutter ist die klügste Frau, der ich je begegnet bin«, hatte er Carla erst vor ein paar Tagen just in dieser Küche anvertraut. »Deshalb habe ich sie geheiratet. Natürlich fühlte ich mich auch körperlich von ihr angezogen ...« Verlegen war er verstummt, und Mutter hatte verschämt gekichert, als hätte Carla mit ihren elf Jahren noch nie etwas von Sex gehört. Es war einfach nur peinlich.
Doch bei aller Liebe krachte es hin und wieder zwischen den beiden. Carla kannte die Vorzeichen. Deshalb wusste sie, dass nun ein neuer Sturm am Ehehimmel aufzog. Sie betrachtete ihren Vater. Er war adrett gekleidet: gestärktes weißes Hemd, schwarze Seidenkrawatte. Wie immer sah er schick aus, obwohl sein Haar schütter wurde und seine Weste unter der goldenen Uhrenkette ein wenig spannte. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck erzwungener Ruhe. Carla kannte diese Miene. Vater setzte sie jedes Mal auf, wenn er sich über jemanden ärgerte.
Er hielt ein Exemplar der Wochenzeitung in der Hand, für die Mutter arbeitete: Der Demokrat. Unter dem Namen »Lady Maud« schrieb sie dort eine Kolumne, in der sie sich über die neuesten Gerüchte aus der Welt der Politik und der Diplomatie ausließ. Nun las Vater laut vor: »Adolf Hitler, unser neuer Reichskanzler, gab auf einem Empfang des Reichspräsidenten Hindenburg sein Debüt in der diplomatischen Gesellschaft ...«
Der Reichspräsident war das Staatsoberhaupt, wie Carla wusste. Er wurde vom Volk gewählt, stand aber über der Tagespolitik. Der Mann, der in der Politik das Sagen hatte, war der Reichskanzler. Obwohl Hitler zum Kanzler ernannt worden war, hatte seine NSDAP nicht die Mehrheit im Reichstag; deshalb konnten die anderen Parteien deren schlimmste Exzesse verhindern. Bis jetzt.
Walter war seine Abscheu deutlich anzuhören, als er den Namen Hitler aussprach, als hätte man ihn gezwungen, etwas Widerliches in den Mund zu nehmen. »Er schien sich in einem Frack sehr unwohl zu fühlen«, las er weiter vor.
Maud nippte an ihrem Kaffee und schaute aus dem Fenster, als interessiere sie sich mehr für die Leute, die in Schal und Handschuhen zur Arbeit eilten. Auch sie gab sich kühl, aber Carla wusste, dass sie nur auf den richtigen Augenblick wartete.
Die Zofe, Ada, stand in ihrer Schürze an der Anrichte und schnitt Käse. Sie stellte Walter einen Teller hin, aber der achtete gar nicht darauf, sondern fuhr fort: »Herr Hitler schien sehr angetan von Elisabeth Cerutti, der kultivierten Gattin des italienischen Botschafters, die in einem rosafarbenen, mit Zobel besetzten Samtkleid erschienen war ...«
Maud schrieb immer, was die Leute trugen, weil es den Lesern half, sie sich vorzustellen. Auch sie selbst besaß elegante Kleider, aber die Zeiten waren hart, und sie alle hatten sich seit Jahren keine schicken Sachen mehr gekauft. An diesem Morgen jedoch wirkte Maud schlank und elegant in ihrem marineblauen Kaschmirkleid, auch wenn es vermutlich so alt war wie Carla.
»Signora Cerutti, wenngleich Jüdin, ist leidenschaftliche Faschistin. Sie und Herr Hitler haben lange miteinander gesprochen. Ob sie Herrn Hitler wohl gebeten hat, keinen Hass mehr gegen Juden zu schüren?« Vater knallte die Zeitung auf den Tisch.
Jetzt geht's los, dachte Carla.
»Dir ist doch klar, dass du die Nazis damit in Rage bringst?«, sagte er.
»Ich hoffe es«, erwiderte Maud kühl. »An dem Tag, an dem den Nazis gefällt, was ich schreibe, kündige ich.«
»Die Nazis sind gefährlich«, mahnte Walter.
Mauds Augen funkelten vor Wut. »Das weiß ich. Deshalb stelle ich mich ja gegen sie.«
»Ich sehe nur keinen Sinn darin, sie wütend zu machen.«
»Du greifst sie doch auch im Reichstag an«, sagte Maud. Walter war Abgeordneter der SPD.
»Ja, aber im Rahmen politischer Debatten.«
Typisch Vater, dachte Carla. Er war nüchtern und bodenständig, Mutter hingegen humorvoll und weltgewandt. Vater erreichte seine Ziele mit Ruhe und Hartnäckigkeit, Mutter mit Charme und spitzer Zunge. Die beiden kamen nie auf einen Nenner.
»Mit den Nazis kann man nicht debattieren«, sagte Maud.
»Ich mache sie jedenfalls nicht wütend auf mich.«
»Wie denn auch? Du tust ja kaum etwas, um sie aufzuhalten.« Walter ärgerte sich über diese spitze Bemerkung. Seine Stimme
wurde lauter. »Glaubst du vielleicht, du könntest ihnen mit deinen
Scherzen etwas anhaben?«
»Mit Spott und Ironie, jawohl.«
»Was wir brauchen, Maud, ist eine sachliche Auseinandersetzung.«
»Was wir brauchen, sind mutige Männer«, rutschte ihr heraus. Walters Zorn wuchs. »Siehst du denn nicht, dass du dich und deine Familie in Gefahr bringst?«
»Die wahre Gefahr ist, die Nazis zu unterschätzen. Sollen unsere Kinder in einem faschistischen Staat aufwachsen?«
Solche Diskussionen machten Carla jedes Mal Angst. Die Vorstellung, ihre Familie könne in Gefahr sein, war ihr unerträglich. Konnte das Leben nicht einfach so weitergehen wie bisher? Konnte sie nicht ewig morgens hier am Küchentisch sitzen, mit ihren Eltern, während Ada an der Anrichte stand und Erik, ihr Bruder, oben herumpolterte, weil er wieder mal spät dran war?
Carla war mit politischen Diskussionen beim Frühstück aufgewachsen. Sie glaubte zu verstehen, was ihre Eltern taten und wie sie Deutschland zu einem besseren Land machen wollten. Doch in letzter Zeit waren die Diskussionen ernster und düsterer geworden. Offenbar glaubten ihre Eltern, dass irgendeine schreckliche Gefahr drohte, und Carla wusste nicht, wie diese Gefahr aussah.
»Gott weiß, dass ich alles Menschenmögliche tue, um Hitler und seinen Pöbel aufzuhalten«, sagte Walter.
»Das tue ich auch«, erwiderte Maud. »Nur hältst du deinen Weg für den einzig vernünftigen. Bei mir heißt es immer gleich, ich bringe die Familie in Gefahr.«
»Das stimmt doch auch!«
In diesem Augenblick kam Erik nach unten. Lautstark polterte er die Stufen hinunter und schlurfte in die Küche, den Ranzen über der Schulter. Er war dreizehn, zwei Jahre älter als Carla; über seiner Oberlippe zeigte sich bereits der erste dunkle Flaum. Früher hatten die Geschwister oft miteinander gespielt, aber das war vorbei. In letzter Zeit tat Erik so, als hielte er seine Schwester für dumm und kindisch. Dabei war sie in Wirklichkeit klüger als er. Carla wusste über Dinge Bescheid, von denen Erik keine Ahnung hatte, zum Beispiel über den Zyklus einer Frau.
»Was hast du da vorhin zuletzt gespielt?«, wollte Erik von seiner Mutter wissen.
Morgens wurde die Familie oft vom Klavier geweckt, einem Steinway-Flügel, ein Erbstück von Walters Eltern. Maud spielte frühmorgens, weil sie nach eigenem Bekunden tagsüber zu beschäftigt und abends zu müde war. An diesem Morgen hatte sie eine Sonate von Mozart gespielt, dann ein paar Takte Jazz.
»Es heißt Tiger Rag«, beantwortete sie Eriks Frage. »Ein Jazzstück.«
»Jazz ist dekadent«, verkündete Erik.
»Was redest du für einen Quatsch?«
Ada stellte Erik einen Teller mit Wurstbroten hin, die er heißhungrig herunterschlang. Carla fand seine Tischmanieren grauenhaft.
Walter musterte seinen Sohn mit strengem Blick. »Wer hat dir denn diesen Unsinn erzählt?«
»Wieso Unsinn? Hermann Braun sagt, Jazz ist keine Musik, sondern Negerlärm.« Hermann, dessen Vater NSDAP-Mitglied war, war Eriks bester Freund.
»Dann sollte Hermann mal versuchen, das Stück zu spielen.« Walter schaute zu Maud, und seine Züge wurden weicher. Sie lächelte ihn an. »Vor vielen Jahren«, fuhr er dann fort, »hat deine Mutter versucht, mir Ragtime beizubringen, aber ich kam mit dem Rhythmus nicht zurecht.«
Maud lachte. »Es war so, als wollte man einer Giraffe das Rollschuhfahren beibringen.«
Die düsteren Wolken des Streits verzogen sich, wie Carla erleichtert erkannte. Sie fühlte sich gleich besser, nahm sich eine Schrippe und tunkte sie in Milch.
Doch Erik war auf Streit aus. »Neger sind eine minderwertige Rasse«, sagte er aufsässig.
»Das wage ich stark zu bezweifeln«, erwiderte Walter geduldig. »Würde ein Negerjunge in einem schönen Haus voller Bücher und Gemälde aufwachsen und würde man ihn auf eine teure Schule mit guten Lehrern schicken, wäre er vielleicht sogar klüger als du.«
»Lachhaft!«, rief Erik.
»Was dein Vater sagt, ist niemals lachhaft, du dummer Junge«, sagte Maud, doch ihre Stimme war sanft. Sie hatte ihre Wut an ihren Mann verbraucht. Jetzt klang sie nur ein wenig enttäuscht. »Du weißt doch gar nicht, wovon du redest, genauso wenig wie Hermann Braun.«
»Aber die arische Rasse muss überlegen sein«, beharrte Erik. »Schließlich beherrschen wir die Welt!«
»Deine Nazi-Freunde haben keine Ahnung von Geschichte«, erwiderte Walter. »Die alten Ägypter haben die Pyramiden gebaut, als die Deutschen noch in Höhlen hausten, und die Araber waren im Mittelalter die Herrscher der Welt. Sie kannten die Algebra, als die deutschen Fürsten noch nicht mal ihre Namen schreiben konnten. Das hat nichts mit Rasse zu tun.«
Carla runzelte die Stirn und fragte: »Womit dann?«
Walter blickte sie liebevoll an. »Das ist eine sehr gute Frage, und du bist ein kluges Mädchen, dass du sie stellst.« Carla strahlte vor Stolz. »Weltreiche entstehen und vergehen. Bei den Römern war es so, bei den Azteken und bei den Chinesen. Warum das so ist, weiß niemand.«
»Esst, und dann zieht eure Mäntel an«, sagte Maud. »Es ist schon spät.«
Walter zog die Uhr aus der Westentasche, warf einen Blick darauf und hob die Augenbrauen. »So spät ist es doch gar nicht.«
»Ich muss Carla zu den Francks bringen«, sagte Maud. »Die Mädchenschule ist heute wegen irgendwelcher Reparaturen geschlossen. Carla wird heute bei Frieda bleiben.«
Frieda Franck und Carla waren die besten Freundinnen. Gleiches galt für ihre Mütter. Monika, Friedas Mutter, und Maud waren als junge Mädchen in Walter verliebt gewesen. Friedas Großmutter hatte diese »saukomische« Tatsache einmal nach zu reichlichem Sektgenuss enthüllt.
»Warum kann Ada sich nicht um Carla kümmern?«, fragte Walter.
»Sie hat einen Arzttermin.«
»Aha.«
Carla erwartete, dass Vater sich erkundigte, was Ada fehle, aber er nickte nur, als wüsste er es bereits. Dann steckte er seine Uhr weg und verließ in seinem langen schwarzen Mantel als Erster das Haus. Rasch setzte Erik seine Kappe auf, schob sie weit in den Nacken - so war es bei ihm und seinen Freunden derzeit Mode - und folgte seinem Vater zur Tür hinaus.
Carla und Maud halfen Ada, den Tisch abzuräumen. Carla liebte die Zofe von Herzen. Bis zu ihrer Einschulung hatte Ada sich fast den ganzen Tag um sie gekümmert, denn Maud war damals schon berufstätig gewesen. Obwohl neunundzwanzig, war Ada noch ledig. Sie war ziemlich unscheinbar, hatte aber ein hübsches, freundliches Lächeln. Letzten Sommer hatte sie eine Romanze mit einem Polizeibeamten gehabt, Paul Huber, aber es war nichts von Dauer gewesen.
Carla und Maud standen vor dem Spiegel im Flur und setzten ihre Hüte auf. Maud wählte einen Hut mit dunkelblauem Pelz, rundem Kopfteil und schmalem Rand, wie ihn heutzutage alle Frauen trugen, aber sie zog ihn so kess zur Seite, dass er richtig schick aussah, wie Carla fand. Als sie ihre Strickkappe aufsetzte, fragte sie sich, ob sie je so viel Klasse wie ihre Mutter haben würde. Mauds langer, schlanker Hals, das Kinn und die Wangenknochen waren wie aus weißem Marmor gemeißelt. In Carlas Augen sah sie wie die Statue einer Göttin aus. Carla besaß zwar das dunkle Haar und die grünen Augen Mauds, war aber keine schlanke, statuenhafte Schönheit, sondern eher pummelig. Seufzend dachte Carla an eine Bemerkung ihrer Großmutter, die einmal zu Maud gesagt hatte: »Dein hässliches Entlein wird sich in einen Schwan verwandeln, du wirst schon sehen.« Leider wartete Carla immer noch auf die Verwandlung.
Als Maud fertig war, gingen Mutter und Tochter hinaus. Ihr Haus stand in einer Reihe mit anderen großen, eleganten Stadthäusern im Bezirk Mitte, dem alten Stadtzentrum Berlins. Ursprünglich waren die Häuser für hochrangige Staatsbeamte und Offiziere wie Carlas Großvater gebaut worden, die in den Amtsgebäuden in der Nähe gearbeitet hatten.
Maud und Carla fuhren mit der Straßenbahn die Straße Unter den Linden entlang und nahmen dann die S-Bahn von der Station Friedrichstraße bis zum Bahnhof Zoo. Die Francks wohnten in Schöneberg, einer der Vorstädte im Südwesten Berlins. Carla hoffte, Friedas Bruder Werner zu sehen; denn sie mochte ihn sehr. Manchmal malten sie und Frieda sich aus, wie es wäre, den Bruder der jeweils anderen zu heiraten, nebeneinander zu wohnen und ihren Kindern beim Spielen zuzuschauen. Für Frieda war es nur ein Spaß, doch Carla meinte es insgeheim ernst. Werner sah umwerfend aus und war mit seinen vierzehn Jahren fast schon erwachsen. Vor allem war er kein Trottel wie Erik. Von einem solchen Mann träumte Carla. Nicht von ungefähr hießen die Eltern in ihrem Puppenhaus, die nebeneinander im Miniaturbett schliefen, Carla und Werner. Aber das wusste niemand, nicht einmal Frieda.
Frieda hatte noch einen zweiten Bruder, den siebenjährigen Axel. Er war mit Spina bifida zur Welt gekommen, mit offenem Rücken, und musste ständig medizinisch versorgt werden. Deshalb lebte Axel in einem speziellen Krankenhaus am Stadtrand von Berlin.
Mutter war während der Fahrt schweigsam und in sich gekehrt. »Hoffentlich geht das gut«, murmelte sie vor sich hin, als sie schließlich ausstiegen.
»Natürlich!«, sagte Carla. »Frieda und ich machen uns einen schönen Tag.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Was dann?«
»Meinen Artikel über Hitler.«
»Sind wir denn wirklich in Gefahr? Hat Vater recht?« »Dein Vater hat meistens recht.«
»Was kann uns denn passieren, wenn die Nazis böse auf uns sind?«
Mutter blickte sie seltsam an. Nach längerem Schweigen sagte sie: »Mein Gott, in was für eine Welt habe ich dich hineingeboren!«
Nach zehn Minuten Fußmarsch erreichten Mutter und Tochter eine prächtige Villa mit großem Garten. Die Francks waren reich. Ludwig, Friedas Vater, besaß eine Fabrik, in der Radiogeräte hergestellt wurden. Zwei Autos standen in der Einfahrt. Die große, schwarz glänzende Limousine gehörte Herrn Franck. Der Motor lief, und eine blaue Abgaswolke quoll aus dem Auspuff. Ritter, der Chauffeur, hatte sich die Uniformhose in seine hohen Stiefel gesteckt, hielt die Mütze in der Hand und wartete darauf, seinem Herrn die Autotür zu öffnen. Als Maud und Carla an ihm vorbeigingen, verneigte er sich und sagte: »Guten Morgen, Frau von Ulrich.«
Der zweite Wagen war ein kleiner grüner Zweisitzer. Ein schmächtiger Mann mit grauem Bart kam aus dem Haus. Er trug eine Lederaktentasche in der Hand, blickte Maud an und legte den Finger an die Hutkrempe, ehe er in den Zweisitzer stieg.
»Was macht Dr. Rothmann so früh am Morgen hier?«, murmelte Maud besorgt.
Sie fanden es bald heraus. Monika, Friedas Mutter, kam an die Tür. Sie war eine große Frau mit dichtem rotem Haar. Ihr Gesicht war kreidebleich vor Sorge. Anstatt die Besucher ins Haus zu bitten, blieb sie in der Tür stehen, als wollte sie ihnen den Weg versperren. »Frieda hat die Masern«, sagte sie.
»Oh, das tut mir leid!«, erwiderte Maud. »Wie geht es ihr?«
»Sie hustet und hat Fieber. Aber Dr. Rothmann sagt, sie wird bald wieder gesund. Nur darf keiner zu ihr, wegen der Ansteckungsgefahr.«
»Hast du die Masern denn schon gehabt?«, fragte Maud.
»Ja, als kleines Mädchen. Und Werner hatte sie auch schon. Ich
kann mich noch gut an den furchtbaren Ausschlag erinnern.« »Was ist mit deinem Mann?«
»Ludi hatte sie als Kind.«
Die beiden Frauen schauten Carla an. Enttäuscht erwiderte sie deren Blicke. Carla hatte die Masern noch nicht gehabt, was bedeutete, dass sie den Tag nicht mit Frieda würde verbringen können.
Maud war entsetzt. »Ausgerechnet jetzt! Diese Woche bringen wir die Sonderausgabe zur Wahl heraus. Ich muss in die Redaktion.« Die Wahlen am nächsten Sonntag waren entscheidend für die Zukunft Deutschlands. Maud und Walter befürchteten, die Nazis könnten genug Stimmen erhalten, um die Regierung zu übernehmen. »Außerdem besucht mich meine älteste Freundin aus London. Ob ich Walter wohl überreden kann, sich einen Tag frei-zunehmen und sich um Carla zu kümmern?«
»Ruf ihn an«, schlug Monika vor. »Wozu haben wir ein eigenes Telefon?«
Maud und Carla betraten den Eingangsbereich der Villa. Das Telefon stand auf einem kleinen, dünnbeinigen Tisch neben der Tür. Maud wählte die Nummer von Walters Büro im Reichstag, wurde zu ihm durchgestellt und schilderte ihm die Situation. Dann lauschte sie in den Hörer, wobei ihre Miene immer wütender wurde. »Meine Zeitung wird an ihre hunderttausend Leser appellieren, die Sozialdemokraten zu wählen«, sagte sie schließlich gereizt. »Kannst du dich da nicht ein Mal um Carla kümmern?«
Carla konnte sich denken, wie die Diskussion endete. Ihr Vater liebte sie, aber in den elf Jahren ihres Lebens hatte er sich noch nie einen ganzen Tag lang um sie gekümmert. Aber das kannte Carla auch von den Vätern ihrer Freundinnen. Offenbar war es für Männer unter ihrer Würde, einen Tag für die eigene Tochter zu opfern.
»Dann nehme ich Carla eben mit ins Büro«, sagte Maud. »Aber ich will gar nicht erst daran denken, was Jochmann sagen wird.«
Herr Jochmann war ihr Chef. »Man kann ihn nicht gerade als Frauenrechtler bezeichnen.« Ohne ein Abschiedswort legte sie auf.
Carla seufzte. Das war jetzt schon das zweite Mal an diesem Tag, dass ihre Eltern sich stritten.
»Komm«, sagte Maud zu ihr und ging zur Tür.
Jetzt werde ich Werner doch nicht zu Gesicht bekommen, dachte Carla unglücklich.
In diesem Augenblick erschien Herr Franck im Flur, ein Mann mit frischem Gesicht und einem kleinen schwarzen Schnurrbart. Er war fröhlich und voller Energie. Freundlich begrüßte er Maud. Sie blieb kurz stehen, um mit ihm zu plaudern, während Monika ihm in seinen schwarzen Mantel mit dem Pelzkragen half. Dann setzte er sich eine graue Fellkappe auf und stieg die Eingangstreppe hinunter. »Werner!«, rief er über die Schulter. »Wenn du nicht sofort kommst, fahre ich ohne dich!«
»Bin schon da!« Werner kam die Treppe hinuntergerannt. Er war so groß wie sein Vater, sah mit seinem viel zu langen rotblonden Haar aber besser aus. Er hatte sich einen Lederranzen unter den Arm geklemmt, der voller Bücher zu sein schien. In der anderen Hand hielt er Schlittschuhe und einen Hockeyschläger. Kurz blieb er stehen und sagte höflich: »Guten Morgen, Frau von Ulrich.« Dann fügte er weniger förmlich hinzu: »Hallo, Carla. Meine Schwester hat die Masern.«
Carla spürte, wie sie ohne jeden Grund errötete. Sie wollte etwas Geistreiches oder Lustiges erwidern, doch ihr fiel nichts ein. Deshalb sagte sie bloß: »Ich weiß. Deshalb darf ich nicht zu ihr.«
»Tja, dann ...«, sagte Werner. »Tut mir leid, ich muss mich beeilen. Wiedersehn.«
Doch Carla wollte ihren Schwarm nicht so schnell aus den Augen verlieren und folgte ihm aus dem Haus. Ritter öffnete Walter die Tür zum Fond des Wagens.
»Was für ein Auto ist das?«, fragte Carla. Jungs wussten immer alles über Autos.
»Ein Mercedes-Benz W10.«
»Er sieht unbequem aus.« Carla bemerkte, dass ihre Mutter sie amüsiert beobachtete.
Werner fragte: »Sollen wir euch mitnehmen?«
»Das wäre ganz toll!«
»Ich frage meinen Vater.« Werner steckte den Kopf ins Wageninnere und sagte irgendetwas.
Carla hörte Herrn Franck antworten: »Also gut, aber beeilt euch.«
Sie drehte sich zu Maud um. »Wir können mitfahren!«
Maud zögerte einen Augenblick. Sie mochte Herrn Francks politische Einstellung nicht - er unterstützte die Nazis -, aber an so einem kalten Morgen wollte sie die Fahrt in einem warmen Auto nicht ablehnen. Sie kam zum Wagen und sagte zu Franck: »Sehr freundlich von dir, Ludwig.«
Mutter und Tochter setzten sich in den Fond, wo Platz für vier Personen war. Ritter fuhr los.
»Ich nehme an, ihr wollt in die Kochstraße, oder?«, fragte Franck. Die Kochstraße lag in Kreuzberg, wo viele Zeitungen und Verlage ihre Büros hatten.
»Du musst für uns keinen Umweg machen«, sagte Maud. »Bis zur Leipziger Straße reicht.«
»Ich würde euch ja gerne bis vors Büro fahren, aber du willst bestimmt nicht, dass deine linken Kollegen sehen, wie du aus dem Auto eines fetten Plutokraten steigst«, sagte Franck in einer Mischung aus Belustigung und Feindseligkeit.
Maud schenkte ihm ein charmantes Lächeln. »Du bist nicht fett, Ludi, nur ein bisschen füllig.« Sie tätschelte seinen Bauch.
Er lachte. »Das habe ich mir jetzt wohl selbst zu verdanken.« Die Spannung löste sich. Franck griff nach dem Sprachrohr und erteilte Ritter Anweisungen.
Carla genoss es, mit Werner im Auto zu sitzen. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, ein kluges Mädchen mit dunklem Haar und grünen Augen zu heiraten. Schließlich aber deutete sie auf seine Schlittschuhe und beschränkte sich auf die Frage: »Hast du heute ein Spiel?«
»Nein, nur Training nach der Schule.«
»Auf welcher Position spielst du?« Carla verstand nichts von Eishockey, aber bei Mannschaftssportarten gab es immer Positionen. »Auf dem rechten Flügel.«
»Ist Eishockey gefährlich?«
»Nicht, wenn man schnell ist.«
»Du musst ein toller Schlittschuhläufer sein.«
»Geht so«, sagte Walter bescheiden.
Wieder bemerkte Carla, wie Maud sie mit diesem rätselhaften kleinen Lächeln beobachtete. Hatte Mutter erraten, was sie für Werner empfand? Carla spürte, wie sie errötete.
Der Wagen hielt vor einer Schule, und Werner stieg aus. »Wiedersehen, ihr alle!«, rief er und lief durch das Tor auf den Hof.
Ritter fuhr weiter am Südufer des Landwehrkanals entlang. Carla schaute auf die Barken, die mit schneebedeckter Kohle über den Kanal tuckerten. Irgendwie war sie enttäuscht und ärgerte sich über sich selbst. Die knappe Zeit, die ihr mit Werner vergönnt gewesen war, hatte sie mit Gesprächen über Eishockey verschwendet. Aber worüber hätte sie sonst mit ihm reden sollen? Carla wusste es selbst nicht.
Franck sagte zu Maud: »Ich habe deine Kolumne im Demokrat gelesen.«
»Ich hoffe, sie hat dir gefallen.«
»Ich finde es schade, dass du so despektierlich über unseren Kanzler schreibst.«
»Findest du, Journalisten sollten sich nur respektvoll über Politiker äußern?«, entgegnete Maud. »Dann solltest du dir mal ansehen, was die Nazi-Presse über meinen Mann und seine Partei schreibt.«
Sie überquerten die belebte Kreuzung am Potsdamer Platz, wo Autos und Straßenbahnen, Pferdekarren und Fußgänger für ein Verkehrschaos sorgten.
»Ihr Sozialisten lebt in einer Traumwelt«, sagte Franck. »Ich bin Realist. Deshalb weiß ich, dass Deutschland nicht von Ideen allein leben kann. Die Menschen brauchen Brot, Schuhe und Kohle.«
»Das sehe ich genauso«, sagte Maud. »Ich könnte selbst mehr Kohle brauchen. Aber ich will auch, dass Carla und Erik in einem freien Land aufwachsen.«
»Du räumst der Freiheit einen viel zu hohen Stellenwert ein. Freiheit macht die Menschen weder satt noch glücklich. Sie brauchen Führung. Ich will, dass meine Kinder in einem Land aufwachsen, das stolz, diszipliniert und vereint ist.«
»Ach ja? Und um vereint zu sein, brauchen wir Schläger in
braunen Hemden, die jüdische Ladenbesitzer verprügeln?«
Franck zuckte mit den Schultern. »Politik ist ein hartes Geschäft. Daran können wir nichts ändern.«
»Oh doch, das können wir. Du und ich stehen auf unterschiedliche Art in der Verantwortung. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass Politik nicht mit den Fäusten ausgetragen wird. Wir müssen dazu beitragen, dass die Gewalt aus der Politik verschwindet. Sie muss ehrlicher und sachlicher werden. Dafür müssen wir kämpfen, sonst versäumen wir unsere patriotische Pflicht.«
Franck versteifte sich unwillkürlich.
Carla staunte über ihre Mutter. Sie wusste, dass Männer es nicht mochten, wenn Frauen sie über ihre Pflichten belehrten. Offenbar hatte Mutter vergessen, heute Morgen ihren Charme einzuschalten. Aber das lag wohl daran, dass alle angespannt waren. Die bevorstehende Wahl machte die Leute nervös.
Sie erreichten den Leipziger Platz. »Wo darf ich euch absetzen?«, fragte Franck kühl.
»Gleich hier«, antwortete Maud.
Franck klopfte an die Trennscheibe. Ritter hielt, stieg aus und öffnete die Tür.
»Ich hoffe, Frieda geht es bald wieder besser«, sagte Maud. Ein knappes »Danke« war Francks ganze Antwort.
Maud und Carla stiegen aus. Ritter schlug die Tür zu, setzte sich ans Steuer und fuhr davon.
Die Zeitungsredaktion war noch ein paar Minuten Fußmarsch entfernt, doch Maud hatte offensichtlich nicht mehr im Wagen weiterfahren wollen. Carla hoffte nur, dass sie sich nicht endgültig mit Herrn Franck verkracht hatte. Dann würde es schwierig für sie, Frieda und Werner zu sehen, und das wäre schmerzlich.
Schnellen Schrittes machten sie sich auf den Weg. »Sieh zu, dass du in der Redaktion niemandem im Weg stehst«, sagte Maud. Das Flehen in ihrer Stimme rührte Carla, und sie schämte sich, ihrer Mutter so viele Sorgen zu bereiten. Sie nahm sich fest vor, sich vorbildlich zu benehmen.
Carla staunte, wie viele Leute ihre Mutter unterwegs grüßten. Aber sie schrieb ihre Kolumne nun schon so lange, wie Carla denken konnte; entsprechend bekannt war »Lady Maud« der Presselandschaft.
In der Nähe der Redaktion des Demokrat sahen sie einen Mann, den sie kannten: Feldwebel Schwab. Er hatte mit Walter im Großen Krieg gekämpft und trug sein Haar noch immer so kurz wie beim Militär. Nach dem Krieg hatte er als Gärtner gearbeitet, zuerst für Carlas Großvater und später für ihren Vater; aber er hatte Geld aus Mauds Börse gestohlen, und Walter hatte ihn gefeuert. Nun trug er die hässliche Uniform der Sturmabteilungen, der Braunhemden, die keine Soldaten waren, sondern Nazis, die als Hilfspolizisten arbeiteten.
»Guten Morgen, Frau von Ulrich!«, sagte Schwab so munter, als schäme er sich gar nicht, ein Dieb zu sein. Er legte nicht einmal den Finger an die Mütze.
Maud nickte kühl und ging an ihm vorbei. »Was der hier wohl macht?«, murmelte sie nervös und betrat mit Carla das Gebäude.
Die Zeitungsredaktion nahm den gesamten ersten Stock ein. Ein Kind war hier nicht gern gesehen; deshalb hoffte Carla, dass sie Mutters Büro erreichten, bevor jemand sie entdeckte. Dann aber lief ihnen ausgerechnet Herr Jochmann über den Weg, Mutters Chef, ein kräftiger Mann mit dicker Brille. Er starrte auf Carla. »Was soll das?«, fragte er schroff, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. »Sind wir jetzt ein Kindergarten?«
Maud reagierte nicht auf seine Grobheit. »Ich habe über Ihren gestrigen Kommentar nachgedacht«, sagte sie stattdessen. »Welchen?«
»Sie sagten, der Journalismus habe große Anziehungskraft auf junge Leute, nur dass sie nicht wissen, wie viel Arbeit dieser Beruf mit sich bringt.«
Jochmann runzelte die Stirn. »Habe ich das gesagt? Wenn ja, stimmt es.«
»Deshalb habe ich heute meine Tochter mitgebracht. Ich möchte ihr unseren Berufsalltag zeigen. Das wird gut für ihre Entwicklung sein, besonders wenn sie mal Journalistin werden will. Sie wird einen Aufsatz über ihren Besuch hier schreiben. Ich war mir sicher, dass Sie nichts dagegen haben.«
Natürlich hatte Maud das alles nur erfunden, aber in Carlas Ohren klang es so überzeugend, dass sie es beinahe selbst geglaubt hätte. Offenbar hatte Mutter den Schalter für ihren Charme doch noch gefunden.
»Ich dachte, Sie erwarten heute wichtigen Besuch aus London«, sagte Jochmann.
...
Übersetzung: Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Nachdem die Leser in Ihren Welterfolgen »Die Säulen der Erde« und »Die Tore der Welt« das Mittelalter kennengelernt haben, spielt »Sturz der Titanen« im 20. Jahrhundert. Warum haben Sie sich diese Zeitepoche ausgesucht?
Ken Follett: Ich wollte etwas schreiben, das die Leser genauso anspricht wie »Die Säulen der Erde« und »Die Tore der Welt«, aber nicht im Mittelalter angesiedelt ist. Ich habe das 20. Jahrhundert gewählt, da es die Geschichte meiner Eltern und Großeltern darstellt und die Geschichte der Eltern und Großeltern meiner Leser.
Deutschland/Österreich, England und Russland - Drei Länder und drei Familien, deren Schicksale sich kreuzen. Warum haben Sie diese Länder gewählt? Spielten bei dieser Wahl politische und geschichtliche Entwicklungen eine Rolle?
Ken Follett: Die großen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts - auf dem Schlachtfeld wie intellektuell - wurden hauptsächlich zwischen diesen drei großen Kulturen ausgetragen: England/Amerika, Deutschland/Österreich und Russland/UdSSR.
Haben Sie beim Schreiben an »große, einflussreiche« Familien gedacht, die es zu der Zeit in dem Ihr Roman spielt wirklich gegeben hat oder ist der Roman rein fiktiv?
Ken Follett: Ja, ich dachte dabei an große politische Familien, wie z.B. die Kennedys; aber die meisten meiner Charaktere sind aus niedrigeren Schichten, die nichtsdestotrotz die Welt verändert haben, die Menschen, die in Kriegen und Revolutionen gekämpft haben, Gewerkschaften und neue politische Parteien gegründet haben und die an Aufmärschen und Demonstrationen teilgenommen haben. Im 20. Jahrhundert veränderte der Durchschnittsbürger
Die große Zeitspanne, die verschiedenen Kulturen, die aufeinanderprallen - wie groß ist der Rechercheaufwand für so ein Buchprojekt? Und haben Sie bei Ihren Recherchen die Länder Deutschland, England und Russland besucht?
Ken Follett: Ich begann damit, sechs Monate lang intensiv über das 20. Jahrhundert zu lesen. Die meisten Schauplätze sind mir tatsächlich selbst bekannt - London, Washington, Paris, Berlin. Ich habe auch Sankt Petersburg und Moskau besucht. Gerade jetzt benutze ich eine Ausgabe von 1923 des Baedeker »Berlin«. Und natürlich haben wir Autoren heutzutage einen enormen Vorteil durch Google Earth.
Haben Sie ein Buchprojekt längere Zeit im Kopf und lassen es dort Gestalt annehmen oder kommen diese Ideen spontan? Wie lange dauert es von der Idee für ein Buch bis zur Realisierung?
Ken Follett: Ich verbringe lange Zeit mit der Planung, normalerweise sechs Monate im Jahr, bevor ich damit beginne, das erste Kapitel zu schreiben. Ich entwickelte diese Art des Arbeitens bei »Die Nadel« und ich muss sagen, es funktioniert bei mir ganz gut.
- Autor: Ken Follett
- 1152 Seiten, teilweise Schwarz-Weiss-Abbildungen, Masse: 13,5 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863655230
- ISBN-13: 9783863655235
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4.5 von 5 Sternen
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