Verborgene Gefühle
Roman
Gefährliche Leidenschaft
Während einer wilden Verfolgungsjagd in Manhattan landet der smarte Meisterdieb Douglas im Wagen der attraktiven Whitney, die zu seinem Pech auch noch ziemlich berechnend ist. Und so bleibt ihm nichts anderes...
Während einer wilden Verfolgungsjagd in Manhattan landet der smarte Meisterdieb Douglas im Wagen der attraktiven Whitney, die zu seinem Pech auch noch ziemlich berechnend ist. Und so bleibt ihm nichts anderes...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Verborgene Gefühle “
Gefährliche Leidenschaft
Während einer wilden Verfolgungsjagd in Manhattan landet der smarte Meisterdieb Douglas im Wagen der attraktiven Whitney, die zu seinem Pech auch noch ziemlich berechnend ist. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als die verwöhnte junge Frau auf seine abenteuerliche Reise nach Madagaskar mitzunehmen. In einer Atmosphäre knisternder erotischer Spannung machen sich die beiden auf die Suche nach dem legendenumwobenen Schatz.
Während einer wilden Verfolgungsjagd in Manhattan landet der smarte Meisterdieb Douglas im Wagen der attraktiven Whitney, die zu seinem Pech auch noch ziemlich berechnend ist. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als die verwöhnte junge Frau auf seine abenteuerliche Reise nach Madagaskar mitzunehmen. In einer Atmosphäre knisternder erotischer Spannung machen sich die beiden auf die Suche nach dem legendenumwobenen Schatz.
Klappentext zu „Verborgene Gefühle “
Gefährliche LeidenschaftEin höchst brisantes Dokument, das den Schlüssel zu einem geheimen Schatz enthält, wird dem charmanten Meisterdieb Douglas Lord fast zum Verhängnis. Auf seiner Flucht vor Gangstern landet Doug in Manhattan unversehens im Mercedes einer attraktiven jungen Frau. Doch Whitney ist nicht nur schön, sondern auch reich und gelangweilt. Sie kann die Flugtickets nach Madagaskar bezahlen, wo der Schatz vergraben ist, möchte aber mitkommen, und so bleibt Doug nichts anderes übrig, als das verwöhnte Luxusgeschöpf mit in den Urwald zu nehmen. In einer Atmosphäre knisternder erotischer Spannung kämpfen sich die beiden an das Ziel ihrer abenteuerlichen Schatzsuche heran, ständig bedroht von den Gangstern, die vor keinem Verbrechen zurückschrecken, um in den Besitz des sagenhaften Schatzes zu gelangen.
Verborgene Gefühle ist ein rasanter, spritziger und höchst amüsanter Abenteuer- und Liebesroman, eine Gaunerkomödie, die Action und Witz, Spannung und Sex temperamentvoll verbindet.
Lese-Probe zu „Verborgene Gefühle “
Verborgene Gefühle von Nora RobertsKapitel 1
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Er rannte um sein Leben. Das geschah nicht zum ersten Mal, und während er an der eleganten Schaufensterauslage von Tiffany's vorbeifegte, hoffte er inständig, daß dies nicht gleichzeitig das letzte Mal wäre. Leichter Aprilregen schimmerte auf der Straße. Die Nachtluft war kühl, doch eine sanfte Brise brachte sogar in Manhattan einen Hauch von Frühling mit sich. Er schwitzte. Sie waren verdammt zu nah an ihm dran. Zu dieser nächtlichen Stunde lag die Fifth Avenue in tiefster Stille, die Schwärze der Nacht wurde nur hier und da von Straßenlaternen erhellt. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei. Nicht gerade der ideale Ort, um in der Menge unterzutauchen. Während er weiterlief, erwog er flüchtig, in der nächstgelegenen U-Bahn-Station zu verschwinden - doch falls sie dies Manöver bemerken sollten, saße er in der Falle.
Reifen quitschten hinter ihm, und Doug schoß um die Ecke von Cartier's. Er fühlte einen brennenden Schmerz am Oberarm, hörte das leise »Plop« eines Schalldämpfers, hütete sich jedoch, sein Tempo zu verlangsamen. Blut rieselte entlang seines Hemdärmels. Langsam wurde die Sache unangenehm, und ihn beschlich das ungute Gefühl, daß es noch viel schlimmer kommen könnte.
Doch auf der 52. Straße sah er Leute - vereinzelte Grüppchen, die an den Schaufenstern vorbeischlenderten oder einfach nur müßig herumstanden, und hörte Stimmengewirr und Musik, die seinen keuchenden Atem übertönte. Vorsichtig schlich er sich hinter eine Rothaarige, die seine eigene stattliche Größe noch um Kopfeslänge überragte und zudem doppelt so breit war wie er. Ihre Schultern zuckten im Rhythmus der Musik, die ihrem tragbaren Stereorecorder entströmte. Als würde man sich bei einem Sturm hinter einer Eiche verbergen, dachte Doug mit Galgenhumor, während er die Gelegenheit nutzte, Atem zu schöpfen und seine Wunde zu untersuchen. Er blutete wie ein Schwein. Ohne nachzudenken zupfte er ein gestreiftes Halstuch aus der Gesäßtasche der Rothaarigen und verband damit seinen Arm, ohne daß die Frau auch nur zusammenzuckte - er hatte ausgesprochen geschickte Hände.
Es war entschieden schwieriger, einen Mann auf offener Straße umzulegen, wenn sich dieser inmitten einer Menschenmenge befand, entschied Doug. Zwar nicht unmöglich, aber schwieriger. Also verlangsamte er seinen Schritt und schloß sich bald dieser, bald jener Gruppe an, während er die Straße nach dem unauffälligen schwarzen Lincoln absuchte.
In der Nähe der Lexington Avenue beobachtete er, wie der Wagen Sein Häusergeviert weiter anhielt und drei Männer in gutgeschnittenen dunklen Anzügen ausstiegen. Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, doch das konnte nicht mehr Lange dauern. Dougs Verstand arbeitete auf Hochtouren. Sein Blick irrte prüfend durch die Menschenmenge, mit der er zu verschmelzen versuchte. Die schwarze Lederjacke mit den unzähligen Reißverschlüssen würde es tun ...
»Hey.« Er packte den neben ihm stehenden Jungen am Arm. »Ich geb' dir fünfzig Mäuse für deine Jacke.«
Der Punker mit dem blonden Igelhaarschnitt und dem totenblassen Gesicht schüttelte ihn unwillig ab. »Verpiß dich, Mann. Das ist echtes Leder.«
»Na gut, hundert«, knurrte Doug. Die drei Männer kamen immer näher.
Diesmal zeigte der Junge mehr Interesse. Er wandte sich um, so daß Doug den kleinen Geier erkennen konnte, der auf seiner Wange eintätowiert war. »Zweihundert, und das gute Stück gehört dir.«
Doug fingerte schon nach seiner Brieftasche. »Für zweihundert krieg ich auch noch die Sonnenbrille.«
Der Junge nahm die Brille mit den riesigen verspiegelten Gläsern ab. »Gemacht.«
»Mach hin, ich helf dir.« Mit einer raschen Bewegung streifte Doug dem Jungen die Jacke ab. Nachdem er ihm ein paar Scheine in die Hand gedrückt hatte, fuhr er hinein, wobei er einen zischenden Schmerzenslaut ausstieß. In der Jacke hing noch der nicht gerade angenehme Duft ihres Vorbesitzers. Doug ignorierte das und zog den Reißverschluß zu. »Siehst du die drei Typen da, die aussehen wie Totengräber? Die suchen noch Statisten für ein Billy-Idol-Video. Du und deine Freunde, ihr solltet sie auf euch aufmerksam machen.«
»Echt?« Der Junge setzte einen betont gelangweilten Gesichtsausdruck auf und wandte sich ab. Doug schlüpfte durch die nächstbeste Tür.
Im Inneren des Raumes empfing ihn gedampftes Licht; die weißgedeckten Tische waren zum größten Teil besetzt. Schimmernde Messinggeländer wiesen den Gästen den Weg zu den intimeren Speisezimmern und zu der mit Spiegelglas verkleideten Bar. Das würzige Aroma französischer Küche stieg Doug in die Nase - Beifuß, Burgunder und Thymian. Einen Augenblick lang war er versucht, sich am Oberkellner vorbeizumogeln und an einem ruhigen Tisch niederzulassen, doch dann entschied er, daß die Bar eine bessere Tarnung bot. Mit blasierter Miene schob er die Hände in die Hosentaschen und ging langsam hinüber. Als er am Tresen lehnte, überlegte er bereits, wie und wann er hier verschwinden könne.
»Whisky.« Er schob die Sonnenbrille höher auf die Nase. »Seagram's. Lassen Sie die Flasche gleich da.«
Über sein Glas gebeugt, behielt Doug die Tür im Auge. Sein dunkles, gelocktes Haar fiel bis auf den Kragen seiner Jacke, das schmale Gesicht war glattrasiert, und die Augen hinter den Spiegelgläsern hielt er unverwandt auf die Tür gerichtet, während er einen großen Schluck der scharfen Flüssigkeit hinunterstürzte und sofort nachschenkte. Im Geiste ging er sämtliche Fluchtmöglichkeiten durch.
Schon früh im Leben hatte er gelernt, sich nur auf sich selbst zu verlassen, genau wie er begriffen hatte, daß man die Füße in die Hand nehmen mußte, wenn Flucht die beste Lösung war. Nicht, daß er einem Kampf aus dem Weg gegangen wäre, doch zog er es vor, die Vorteile auf seiner Seite zu wissen. Er konnte sowohl sehr direkt handeln wie auch am Rande der Legalität balancieren - je nachdem, was ihm einträglicher erschien.
Das, was er sich unlängst unter den Nagel gerissen hatte, könnte die Antwort auf seine Vorliebe für Luxus und ein sorgenfreies Leben bedeuten - eine Vorliebe, die er schon immer kultiviert hatte. Doug wog die Vor- und Nachteile ab und beschloß, nach den Sternen zu greifen.
Das Pärchen neben ihm war in eine ernsthafte Diskussion über den neuesten Roman von Norman Mailer verstrickt. Ein anderes Grüppchen spielte mit dem Gedanken, sich zu einem Jazzclub zu begeben, wo man sich für weniger Geld vollaufen lassen konnte. Die Gäste an der Bar waren größtenteils Singles, stellte Doug fest, die die Anstrengungen eines arbeitsreichen Tages fortspülen und Kontakt zu anderen Singles aufnehmen wollten. Von Lederröcken über Maßanzüge bis hin zu knöchelhohen Turnschuhen war alles vertreten. Zufrieden mit seinem Umfeld griff Doug nach einer Zigarette. Er hätte ein schlechteres Versteck wählen können.
Eine Blondine in einem taubengrauen Kostüm glitt auf den Hocker neben ihm und gab ihm Feuer. Sie verbreitete einen schwachen Duft nach Chanel und Wodka . Mit übereinandergeschlagenen Beinen schlürfte sie den Rest ihres Drinks.
»Hab' Sie noch nie hier gesehen.«
Doug warf ihr einen raschen Blick zu und registrierte den schon leicht glasigen Blick und das einladende Lächeln. Zu jedem anderen Zeitpunkt hatte er sich auf das Spielchen eingelassen. »Nein.« Erneut schenkte er sich nach.
»Mein Büro liegt nur ein paar Straßen weiter.« Sogar nach drei Wodkas entging ihr die Aura von Arroganz und unterschwelliger Gefahr nicht, die der Mann neben ihr ausstrahlte. Interessiert rückte sie ein wenig naher. »Ich bin Architektin.«
Dougs Nackenhaare stellten sich auf, als sie den Raum betraten. Die drei wirkten adrett und erfolgreich. Vorsichtig schielte er über die Schulter der Blonden und bemerkte zu seinem Entsetzen, daß die drei sich trennten. Einer blieb wie zufällig an der Tür stehen. Dem einzigen Ausgang.
Von seinem ablehnenden Verhalten eher angestachelt als entmutigt, legte die Blonde eine Hand auf Dougs Arm. »Und was machen Sie so?«
Doug behielt den Whisky einen Augenblick lang auf der Zunge, bevor er ihn hinunterschluckte und die angenehme Wärme in seinem Inneren genoß. »Ich stehle«, informierte er sie. Die Wahrheit glaubten die Leute immer zu allerletzt.
Lächelnd nahm sich die Blonde eine Zigarette, hielt Doug ihr Feuerzeug hin und wartete, daß er ihr Feuer gab. »Wie aufregend.« Sie stieß eine kleine Rauchwolke aus und nahm ihm das Feuerzeug aus der Hand. »Warum spendieren Sie mir nicht einen Drink und erzählen mir mehr davon?«
Wirklich ein Jammer, daß er diese Masche nicht schon früher ausprobiert hatte, wo sie doch so gut anzukommen schien. Und ein Jammer, daß der Zeitpunkt nicht schlechter sein könnte - sie bot einen durchaus erfreulichen Anblick. »Nicht heute nacht, Süße.«
Dougs Gedanken kreisten ums Geschäft, während er sich Whisky nachschenkte und darauf achtete, sich im Schatten zu halten. Vielleicht funktionierte seine improvisierte Verkleidung ja. In diesem Moment fühlte er den Lauf eines Revolvers an seinen Rippen. Nun ja, vielleicht auch nicht.
»Raus hier, Lord. Mr. Dimitri ist äußerst ärgerlich, daß Sie Ihre Verabredung nicht eingehalten haben.«
»Tatsächlich?« Beiläufig ließ Doug seinen Whisky im Glas kreisen. »Dachte, ich könnte mir noch ein paar Drinks genehmigen, Remo. Hab' gar nicht auf die Zeit geachtet.«
Der Lauf drückte härter gegen seine Rippen. »Mr. Dimitri legt Wert darauf, daß seine Angestellten pünktlich sind.«
Doug goß seinen Whisky hinunter. Im Spiegel hinter der Bar konnte er erkennen, daß die beiden anderen ebenfalls dicht bei ihm Position bezogen. Die Blondine glitt von ihrem Hocker, um nach einer leichteren Beute Ausschau zu halten. »Bin ich gefeuert?« Er schenkte sich ein weiteres Glas ein und überdachte seine Lage. Drei gegen einen. Zudem waren sie bewaffnet, und er nicht. Andererseits war Remo von den dreien der einzige, dem man einen Hauch von Intelligenz zubilligen konnte.
»Mr. Dimitri schmeißt seine Angestellten gern persönlich raus.« Remo grinste, wobei er ein perfektes Gebiß unter einem strichdünnen Schnurrbärtchen entblößte. »Und er möchte Ihnen seine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.«
»Okay.« Doug legte eine Hand um die Whiskyflasche, die andere auf das Glas. »Wie wär's, wenn wir vorher noch schnell einen heben?«
»Mr. Dimitri gestattet keinen Alkohol im Dienst. Außerdem sind Sie spät dran, Lord. Zu spät.«
»Soso. Trotzdem ist es eine Schande, einen so guten Tropfen zu verschwenden.« Doug wirbelte herum, schüttete den Whisky mitten in Remos Augen und schlug dem Mann zu seiner Rechten die Flasche über den Schädel. Der Schwung katapultierte ihn gegen den dritten Mann, so daß sie beide rücklings auf die Desserttheke fielen. Schokoladenmousse und Schlagsahne ergossen sich in einem kalorienreichen Strom über den Boden. Umklammert wie zwei Liebende rollten sie auf eine Zitronentorte. »Was für eine Verschwendung«, keuchte Doug und schmierte seinem Gegner eine Handvoll Erdbeercreme ins Gesicht. Da ihm bewußt war, daß ein Überraschungseffekt nie von Langer Dauer ist, griff er zu einem der hinterhältigsten Verteidigungsmittel und rammte dem anderen mit aller Gewalt das Knie zwischen die Beine. Dann rannte er los.
»Setzen Sie alles auf Mr. Dimitris Rechnung!« rief er laut, als er sich einen Weg durch die Tische und Stühle bahnte. Aus einem Impuls heraus packte er einen Kellner, den er mitsamt seinem vollbeladenen Tablett in Remos Richtung stieß, ehe er über ein Messinggeländer sprang und zur Tür stürzte. Ohne auf das Chaos hinter ihm zu achten, stürmte er auf die Straße.
Er hatte zwar etwas Zeit gewonnen, doch bald würden sie die Verfolgung wieder aufnehmen. Und diesmal ging es um Leben und Tod. Doug rannte in Richtung Innenstadt und verfluchte die Tatsache, daß nie ein Taxi zu bekommen war, wenn man eins brauchte.
Auf dem Long Island Expressway herrschte nur schwacher Verkehr, als Whitney Richtung Stadt fuhr. Ihr Flug aus Paris war mit einer Stunde Verspätung auf dem Kennedy Airport gelandet. Rücksitz und Kofferraum ihres Mercedes waren bis obenhin mit Gepäck beladen, das Radio voll aufgedreht, so daß der neueste Springsteen-Hit aus dem offenen Fenster dröhnte. Den zweiwöchigen Frankreichtrip hatte sie sich selbst als Belohnung dafür bewilligt, daß sie endlich den Mut aufgebracht hatte, ihre Verlobung mit Tad Carlyse dem Vierten zu Iösen.
Ganz gleich wie begeistert ihre Eltern auch sein mochten, sie konnte einfach keinen Mann heiraten, der seine Socken und Krawatten farblich so penibel aufeinander abstimmte.
Whitney begann, den Springsteensong mitzusummen, während sie eine langsamere Limousine überholte. Sie war achtundzwanzig, sehr attraktiv und wurde in ihrer Karriere immer erfolgreicher, obwohl sie von Haus aus genug Geld besaß, um etwaige Rückschlage abzudecken. An Wohlstand und Ansehen gewöhnt pflegte sie nie zu fordern, sondern nur zu erwarten. Es bereitete ihr Vergnügen, spät nachts die schicksten Clubs von New York zu besuchen, wo sie überall auf bekannte Gesichter stieß.
Auch kümmerte es sie wenig, daß die Paparazzi ihr standig auf den Fersen waren oder daß in den Klatschspalten der Boulevardblätter andauernd Berichte über ihre neuesten Schandtaten erschienen. Sie war, wie sie ihrem verzweifelten Vater oft klarzumachen versuchte, nun einmal von Natur aus exzentrisch.
Zudem hatte sie ein Faible für schnelle Autos, alte Filme und italienische Designerstiefel.
Im Augenblick beschäftigte sie sich mit der Frage, ob sie direkt nach Hause fahren oder noch kurz bei Elaine's vorbeischauen sollte, um zu erfahren, was sich in den letzten zwei Wochen so getan hatte. Die Zeitverschiebung spürte sie überhaupt nicht, wohl aber eine Spur von Langeweile. Nein, nicht bloß eine Spur, gab sie zu. Es war eher so, daß sie in Langeweile erstickte. Die Frage war nur - was sollte sie dagegen unternehmen?
Whitney war das typische Produkt einer neureichen Familie. Aufgewachsen in dem Glauben, die Welt läge ihr zu Füßen, fand sie es oft gar nicht lohnenswert, sich danach zu bücken. Wo blieb der Kitzel? fragte sie sich häufig. Worin lag der - sie haßte dieses Wort - der Sinn? Sie verfügte über einen ausgedehnten Freundeskreis, der, oberflächlich betrachtet, durchaus interessant schien. Doch sobald man einmal hinter die Fassade der Seidenkostüme und Designermodelle geblickt hatte, stellte man fest, daß diese jungen, wohlhabenden, verwöhnten Menschen im Grunde genommen alle gleich waren. Wo blieb die Spannung? Schon besser, dachte sie. Spannung war ein Begriff, mit dem sie eher leben konnte. Es war wirklich nicht sehr spannend, mal eben nach Aruba zu jetten, wenn man nur zum Telefonhörer greifen mußte, um das Ganze zu arrangieren.
Die zwei Wochen in Paris waren ruhig und angenehm verlaufen - und ereignislos. Ereignislos. Vielleicht lag hier der Hund begraben. Sie verlangte nach etwas, das man nicht mit einem Scheck oder einer Kreditkarte bezahlen konnte. Sie wollte Action. Whitney kannte sich selbst gut genug, um sich darüber im klaren zu sein, daß sie in dieser Stimmung zu Dummheiten neigte.
Doch sie war auch nicht in der Stimmung, alleine nach Hause zu fahren und ihre Koffer auszupacken. Andererseits verspürte sie kein sonderliches Verlangen, in einem Club überall auf die gleichen Leute zu treffen. Sie wollte etwas Neues, Andersartiges. Wie wär's zum Beispiel, wenn sie in eines dieser neuen Szenelokale ginge, die wie Pilze aus dem Boden schossen? Wenn ihr der Sinn danach stand, konnte sie dort einige Drinks zu sich nehmen und Konversation machen. Sollte das Lokal ihr zusagen, könnte sie später an den richtigen Stellen ein paar Worte fallenlassen und so den Club zum heißesten Tip von Manhattan machen. Daß sie die Macht dazu besaß, überraschte sie weder, noch freute es sie sonderlich. Es war einfach so.
Whitney kam mit kreischenden Bremsen an einer Ampel zum Stehen und ordnete ihre Gedanken. Neuerdings schien in ihrem Leben rein gar nichts mehr zu geschehen. Es gab keinerlei Aufregung mehr, keinen - nun ja - keinen Pep.
Als die Beifahrertür plötzlich aufgerissen wurde, war sie eher überrascht als erschrocken. Ein Blick auf die schwarze, reißverschlußverzierte Jacke und die riesige Sonnenbrille des Anhalters genügte, sie zu veranlassen, ablehnend den Kopf zu schütteln. »Sie hinken der Mode hinterher«, war ihr einziger Kommentar.
Doug blickte flüchtig über seine Schulter. Die Luft war rein, doch das würde sich bald ändern. Er sprang in den Wagen und knallte die Tür zu. »Fahren Sie los!«
»Vergessen Sie's. Ich fahre keine Kerle spazieren, die Klamotten vom vorigen Jahr tragen. Gehen Sie auf Schusters Rappen.«
Doug schob die Hand in die Tasche und benutzte seinen Zeigefinger, um einen Revolverlauf vorzutäuschen. »Fahren Sie los«, wiederholte er.
Whitney warf erst einen Buick auf die Tasche, dann auf sein Gesicht. »Wenn da eine Kanone drin ist, will ich sie sehen. Wenn nicht, verschwinden Sie.«
Von allen Autos, die er hatte anhalten können, ausgerechnet dieses Warum zum Teufel zitterte sie nicht vor Angst und flehte ihn an, wie es jeder normale Mensch getan hatte? »Verdammt, ich bin nicht scharf drauf, das Ding hier zu benutzen, aber wenn Sie nicht bald in die Gänge kommen und die Karre in Bewegung setzen, dann muß ich Ihnen ein Loch zwischen die Rippen pusten.«
Whitney starrte auf ihr Gesicht, das sich in seiner Brille spiegelte. »Scheiß-dreck«, gab sie zurück, jede Silbe sorgfältig betonend.
Einen Augenblick lang erwog Doug, sie bewußlos zu schlagen, hinauszuwerfen und sich mit dem Wagen aus dem Staub zu machen. Ein weiterer Blick über seine Schulter belehrte ihn, daß keine Zeit mehr zu verlieren war.
»Hören Sie zu, Lady, wenn Sie nicht schleunigst losfahren - da hinter uns in dem Lincoln sitzen drei Männer, die die Absicht haben, Ihr Spielzeug hier in ein Sieb zu verwandeln.«
Sie schaute kurz in den Rückspiegel und entdeckte den großen schwarzen Lincoln, der langsam näherkam. »Mein Vater hatte auch mal so einen Wagen«, kommentierte sie. »Ich hab' ihn immer seinen Leichenwagen genannt.«
»Schon gut - fahren Sie los, sonst bin ich bald eine Leiche.« Achselzuckend beobachtete Whitney den Lincoln im Rückspiegel, dann beschloß sie spontan, herauszufinden, was als nächstes geschehen würde - sie legte den Gang ein und überquerte die Kreuzung. Der Lincoln hängte sich sofort an sie dran. »Sie verfolgen uns.«
»Natürlich verfolgen sie uns.« Doug spie die Worte förmlich aus. »Und wenn Sie nicht bald Gas geben, dann werden sie gleich auf unserem Rücksitz sitzen und uns die Hände schütteln.«
Es war hauptsächlich Neugier, die Whitney bewog, das Gaspedal durchzutreten und in die 57. Straße einzubiegen. Der Lincoln blieb dicht hinter ihnen. »Tatsächlich, sie verfolgen uns«, wiederholte sie, auf ihrem Gesicht ein aufgeregtes Lächeln.
»Gibt die Karre nicht mehr her?«
Jetzt grinste Whitney ihren Beifahrer an. »Machen Sie Witze?« Noch ehe er antworten konnte, gab sie Vollgas und raste davon. Das war sicherlich die interessanteste Art, den Abend zu verbringen, die sie sich vorstellen konnte. »Ob ich sie wohl abschütteln kann?« Whitney renkte sich fast den Hals aus, um zu überprüfen, ob der Lincoln ihnen weiterhin folgte. »Schon mal eine scharfe Verbrecherjagd im Film gesehen? Klar, Gangster werden immer rarer, aber ...«
»He, passen Sie dock auf!«
Whitney drehte sich wieder um, riß das Steuer nach links und überholte haarscharf einen langsamer fahrenden Sedan.
»Hören Sie zu.« Doug knirschte mit den Zähnen. »Sinn und Zweck dieser Übung ist es, am Leben zu bleiben. Sie schauen auf die Straße, ich behalte den Lincoln im Auge.«
»Seien Sie nicht so überheblich.« Whitney schoß um die nächste Ecke. »Ich weiß genau, was ich tue.«
»Passen Sie lieber auf, wo Sie hinfahren!« Doug griff ihr hart ins Lenkrad und verhinderte so, daß die Kühlerhaube des Mercedes in unsanften Kontakt mit einem am Straßenrand geparkten Fahrzeug geriet. »Dämliches Frauenzimmer!«
Whitney hob das Kinn. »Wenn Sie ausfallend werden wollen, dann steigen Sie besser aus.« Sie verlangsamte das Tempo und fuhr an den Bordstein.
»Um Himmels willen, halten Sie bloß nicht an!«
»Ich dulde keine Beleidigungen. Und jetzt ...«
»Runter!« Doug riß sie zur Seite und drückte sie in den Sitz, kurz bevor die Windschutzscheibe in tausend Stücke zersprang.
»Mein Auto!« Wütend versuchte Whitney sich aufzusetzen, schaffte es aber nur, den Kopf zu heben, um den Schaden zu inspizieren. »Verdammt noch mal, da war nicht ein einziger Kratzer dran. Ich hab' ihn erst seit zwei Monaten.«
»Da wird bald sehr viel mehr als bloß ein Kratzer dran sein, wenn Sie nicht schleunigst Gas geben und hier verschwinden.« Aus seiner geduckten Position heraus kurbelte Doug am Lenkrad und spähte vorsichtig über das Armaturenbrett. »Jetzt!«
Kochend vor Zorn trat Whitney das Gaspedal hart durch, während Doug mit einer Hand das Lenkrad hielt und sie mit der anderen nach unten drückte.
»Ich kann so nicht fahren!«
»Mit einer Kugel im Kopf können Sie noch viel schlechter fahren.
»Einer Kugel?« Ihre Stimme klang weniger ängstlich als verärgert. »Sie meinen, die schießen auf uns?«
»Sie werden bestimmt nicht mit Steinen werfen.« Doug verstärkte seinen Griff, und der Wagen prallte gegen den Bordstein und schleuderte um die Ecke. Frustriert, da er die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen konnte, blickte er sich um. Der Lincoln war zwar noch immer hinter ihnen, dock sie hatten ein paar Sekunden Vorsprung gewonnen. »Okay, setzen Sie sich wieder auf, aber halten Sie den Kopf gesenkt. Und fahren Sie bloß weiter!«
»Wie soll ich das nur meiner Versicherung erklären?« Whitney hob den Kopf und suchte in der geborstenen Windschutzscheibe nach einem Stück freien Gesichtsfeld. »Die werden mir nie glauben, daß auf mich geschossen worden ist, und ich habe schon genug Punkte. Wissen Sie, was für horrende Prämien ich zahlen muß?«
»Wenn ich mir Ihren Fahrstil so betrachte, kann ich mir das gut vorstellen.«
»Jedenfalls hab' ich jetzt die Nase voll.« Whitney biß die Zähne zusammen und bog links ab.
»Das ist eine Einbahnstraße.« Doug sah sich hilflos um. »Haben Sie das Schild nicht gesehen?«
»Ich weiß, daß das eine Einbahnstraße ist«, zischte sie und trat härter auf das Gaspedal. »Aber zugleich ist das der schnellste Weg durch die Stadt.«
»0 Gott.« Doug sah Scheinwerferlichter auf sich zukommen. Automatisch tastete er nach dem Türgriff und bereitete sich auf den Zusammenprall vor. Wenn er schon sterben mußte, sinnierte er gottergeben, dann Lieber durch einen netten, sauberen Schuß mitten durchs Herz als von einem Auto plattgedrückt zu werden.
Ohne auf das wütende Hupkonzert zu achten, schoß Whitney im Zickzack weiter. Narren und kleine Kinder ... dachte Doug, als sie knapp zwischen zwei entgegenkommenden Fahrzeugen durchpreschten. Gott hielt seine schützende Hand über Narren und kleine Kinder. Er war heilfroh, sich zu den ersteren zählen zu können.
»Sie sind immer noch da.« Doug drehte sich um und beobachtete den Lincoln. Irgendwie war alles einfacher, wenn er nicht nach vorne blicken mußte. Sie wurden hin- und hergeworfen, als Whitney zwischen den Autos durchschoß, und dann ging sie so stark in die Kurve, daß er mit aller Gewalt gegen die Tür prallte. Fluchend tastete Doug nach der Wunde an seinem Arm. »Versuchen Sie doch bitte nicht, uns umzubringen. Die Typen hinter uns brauchen keine Hilfe.«
»Nie zufrieden, was?« schoß Whitney zurück. »Ich will Ihnen mal was sagen - Sie sind nicht unbedingt der angenehmste Gesellschafter.«
»Ich neige dazu, schlechte Laune zu bekommen, wenn man mich umbringen will.«
»Versuchen Sie doch mal, Gute Miene zum bösen Spiel zu machen«, schlug Whitney vor und schnitt die nächste Kurve, wobei sie den Bordstein streifte. »Sie machen mich nervös.«
Doug ließ sich zurücksinken und fragte sich erbittert, war-um er ausgerechnet auf diese Weise enden mußte, wo es doch so viele Möglichkeiten gab - im Mercedes einer Verrückten zerquetscht zu werden! Hatte er nicht einfach Remo folgen und sich von Dimitri mit Stil ermorden lassen können? Darin hätte entschieden mehr Gerechtigkeit gelegen.
Jetzt waren sie wieder auf der Fifth Avenue angelangt und fuhren in südlicher Richtung, und zwar mit mehr als Hundertvierzig, wie Doug anhand des Tachos feststellte. Wasser spritzte bis hoch an die Scheiben, als sie durch eine Pfütze rasten. Sogar jetzt war der Lincoln nur ein kleines Stück hinter ihnen. »Verdammt. Sie lassen einfach nicht locker.«
»Ach nein?« Mit zusammengebissenen Zähnen warf Whitney einen Blick in den Rückspiegel. Sie war noch nie ein guter Verlierer gewesen. »Das wollen wir doch mal sehen.« Noch ehe Doug Atem holen konnte, bremste sie ab, riß das Lenkrad herum und schoß schleudernd direkt auf den Lincoln zu.
Doug verfolgte das Manöver mit einer Mischung aus Angst und Faszination. »Um Himmels willen!«
Auf dem Beifahrersitz des Lincoln schloß sich Remo seinen Worten an, ehe sein Fahrer die Nerven verlor, das Lenkrad verriß und quer über den Bürgersteig raste, ehe er mitten im Schaufenster von Godiva-Schokoladen zum Stehen kam. Ohne den Fuß vom Gas zu nehmen und gleichzeitig bremsend ließ Whitney den Mercedes um die eigene Achse schlittern und raste die Fifth Avenue zurück.
Doug ließ sich in den Sitz zurücksinken und atmete ein paarmal tief durch. »Lady«, stieß er dann hervor, »Sie haben entschieden mehr Mut als Verstand.«
»Und Sie schulden mir dreihundert Dollar für die Windschutzscheibe.« Whitney bog in die Einfahrt eines unterirdischen Parkhauses ein.
»Ja, ja.« Zerstreut betastete Doug seinen Körper, um sich zu vergewissern, daß noch alle Knochen heil waren. »Ich schicke Ihnen einen Scheck.«
»Bargeld.« Nachdem sie den Wagen in ihrer Parkbox abgestellt hatte, zog Whitney den Zündschlüssel ab und sprang heraus. »Sie können jetzt mein Gepäck heraufbringen.« Mit diesen Worten wies sie auf die Koffer auf dem Rücksitz, ehe sie sich zum Fahrstuhl wandte. Zwar zitterten ihr noch vor Schreck die Knie, aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen als dies zugegeben. »Ich brauche einen Drink.«
Übersetzung: Nina Bader
Copyright © 1996 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House Gmbh
Er rannte um sein Leben. Das geschah nicht zum ersten Mal, und während er an der eleganten Schaufensterauslage von Tiffany's vorbeifegte, hoffte er inständig, daß dies nicht gleichzeitig das letzte Mal wäre. Leichter Aprilregen schimmerte auf der Straße. Die Nachtluft war kühl, doch eine sanfte Brise brachte sogar in Manhattan einen Hauch von Frühling mit sich. Er schwitzte. Sie waren verdammt zu nah an ihm dran. Zu dieser nächtlichen Stunde lag die Fifth Avenue in tiefster Stille, die Schwärze der Nacht wurde nur hier und da von Straßenlaternen erhellt. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei. Nicht gerade der ideale Ort, um in der Menge unterzutauchen. Während er weiterlief, erwog er flüchtig, in der nächstgelegenen U-Bahn-Station zu verschwinden - doch falls sie dies Manöver bemerken sollten, saße er in der Falle.
Reifen quitschten hinter ihm, und Doug schoß um die Ecke von Cartier's. Er fühlte einen brennenden Schmerz am Oberarm, hörte das leise »Plop« eines Schalldämpfers, hütete sich jedoch, sein Tempo zu verlangsamen. Blut rieselte entlang seines Hemdärmels. Langsam wurde die Sache unangenehm, und ihn beschlich das ungute Gefühl, daß es noch viel schlimmer kommen könnte.
Doch auf der 52. Straße sah er Leute - vereinzelte Grüppchen, die an den Schaufenstern vorbeischlenderten oder einfach nur müßig herumstanden, und hörte Stimmengewirr und Musik, die seinen keuchenden Atem übertönte. Vorsichtig schlich er sich hinter eine Rothaarige, die seine eigene stattliche Größe noch um Kopfeslänge überragte und zudem doppelt so breit war wie er. Ihre Schultern zuckten im Rhythmus der Musik, die ihrem tragbaren Stereorecorder entströmte. Als würde man sich bei einem Sturm hinter einer Eiche verbergen, dachte Doug mit Galgenhumor, während er die Gelegenheit nutzte, Atem zu schöpfen und seine Wunde zu untersuchen. Er blutete wie ein Schwein. Ohne nachzudenken zupfte er ein gestreiftes Halstuch aus der Gesäßtasche der Rothaarigen und verband damit seinen Arm, ohne daß die Frau auch nur zusammenzuckte - er hatte ausgesprochen geschickte Hände.
Es war entschieden schwieriger, einen Mann auf offener Straße umzulegen, wenn sich dieser inmitten einer Menschenmenge befand, entschied Doug. Zwar nicht unmöglich, aber schwieriger. Also verlangsamte er seinen Schritt und schloß sich bald dieser, bald jener Gruppe an, während er die Straße nach dem unauffälligen schwarzen Lincoln absuchte.
In der Nähe der Lexington Avenue beobachtete er, wie der Wagen Sein Häusergeviert weiter anhielt und drei Männer in gutgeschnittenen dunklen Anzügen ausstiegen. Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, doch das konnte nicht mehr Lange dauern. Dougs Verstand arbeitete auf Hochtouren. Sein Blick irrte prüfend durch die Menschenmenge, mit der er zu verschmelzen versuchte. Die schwarze Lederjacke mit den unzähligen Reißverschlüssen würde es tun ...
»Hey.« Er packte den neben ihm stehenden Jungen am Arm. »Ich geb' dir fünfzig Mäuse für deine Jacke.«
Der Punker mit dem blonden Igelhaarschnitt und dem totenblassen Gesicht schüttelte ihn unwillig ab. »Verpiß dich, Mann. Das ist echtes Leder.«
»Na gut, hundert«, knurrte Doug. Die drei Männer kamen immer näher.
Diesmal zeigte der Junge mehr Interesse. Er wandte sich um, so daß Doug den kleinen Geier erkennen konnte, der auf seiner Wange eintätowiert war. »Zweihundert, und das gute Stück gehört dir.«
Doug fingerte schon nach seiner Brieftasche. »Für zweihundert krieg ich auch noch die Sonnenbrille.«
Der Junge nahm die Brille mit den riesigen verspiegelten Gläsern ab. »Gemacht.«
»Mach hin, ich helf dir.« Mit einer raschen Bewegung streifte Doug dem Jungen die Jacke ab. Nachdem er ihm ein paar Scheine in die Hand gedrückt hatte, fuhr er hinein, wobei er einen zischenden Schmerzenslaut ausstieß. In der Jacke hing noch der nicht gerade angenehme Duft ihres Vorbesitzers. Doug ignorierte das und zog den Reißverschluß zu. »Siehst du die drei Typen da, die aussehen wie Totengräber? Die suchen noch Statisten für ein Billy-Idol-Video. Du und deine Freunde, ihr solltet sie auf euch aufmerksam machen.«
»Echt?« Der Junge setzte einen betont gelangweilten Gesichtsausdruck auf und wandte sich ab. Doug schlüpfte durch die nächstbeste Tür.
Im Inneren des Raumes empfing ihn gedampftes Licht; die weißgedeckten Tische waren zum größten Teil besetzt. Schimmernde Messinggeländer wiesen den Gästen den Weg zu den intimeren Speisezimmern und zu der mit Spiegelglas verkleideten Bar. Das würzige Aroma französischer Küche stieg Doug in die Nase - Beifuß, Burgunder und Thymian. Einen Augenblick lang war er versucht, sich am Oberkellner vorbeizumogeln und an einem ruhigen Tisch niederzulassen, doch dann entschied er, daß die Bar eine bessere Tarnung bot. Mit blasierter Miene schob er die Hände in die Hosentaschen und ging langsam hinüber. Als er am Tresen lehnte, überlegte er bereits, wie und wann er hier verschwinden könne.
»Whisky.« Er schob die Sonnenbrille höher auf die Nase. »Seagram's. Lassen Sie die Flasche gleich da.«
Über sein Glas gebeugt, behielt Doug die Tür im Auge. Sein dunkles, gelocktes Haar fiel bis auf den Kragen seiner Jacke, das schmale Gesicht war glattrasiert, und die Augen hinter den Spiegelgläsern hielt er unverwandt auf die Tür gerichtet, während er einen großen Schluck der scharfen Flüssigkeit hinunterstürzte und sofort nachschenkte. Im Geiste ging er sämtliche Fluchtmöglichkeiten durch.
Schon früh im Leben hatte er gelernt, sich nur auf sich selbst zu verlassen, genau wie er begriffen hatte, daß man die Füße in die Hand nehmen mußte, wenn Flucht die beste Lösung war. Nicht, daß er einem Kampf aus dem Weg gegangen wäre, doch zog er es vor, die Vorteile auf seiner Seite zu wissen. Er konnte sowohl sehr direkt handeln wie auch am Rande der Legalität balancieren - je nachdem, was ihm einträglicher erschien.
Das, was er sich unlängst unter den Nagel gerissen hatte, könnte die Antwort auf seine Vorliebe für Luxus und ein sorgenfreies Leben bedeuten - eine Vorliebe, die er schon immer kultiviert hatte. Doug wog die Vor- und Nachteile ab und beschloß, nach den Sternen zu greifen.
Das Pärchen neben ihm war in eine ernsthafte Diskussion über den neuesten Roman von Norman Mailer verstrickt. Ein anderes Grüppchen spielte mit dem Gedanken, sich zu einem Jazzclub zu begeben, wo man sich für weniger Geld vollaufen lassen konnte. Die Gäste an der Bar waren größtenteils Singles, stellte Doug fest, die die Anstrengungen eines arbeitsreichen Tages fortspülen und Kontakt zu anderen Singles aufnehmen wollten. Von Lederröcken über Maßanzüge bis hin zu knöchelhohen Turnschuhen war alles vertreten. Zufrieden mit seinem Umfeld griff Doug nach einer Zigarette. Er hätte ein schlechteres Versteck wählen können.
Eine Blondine in einem taubengrauen Kostüm glitt auf den Hocker neben ihm und gab ihm Feuer. Sie verbreitete einen schwachen Duft nach Chanel und Wodka . Mit übereinandergeschlagenen Beinen schlürfte sie den Rest ihres Drinks.
»Hab' Sie noch nie hier gesehen.«
Doug warf ihr einen raschen Blick zu und registrierte den schon leicht glasigen Blick und das einladende Lächeln. Zu jedem anderen Zeitpunkt hatte er sich auf das Spielchen eingelassen. »Nein.« Erneut schenkte er sich nach.
»Mein Büro liegt nur ein paar Straßen weiter.« Sogar nach drei Wodkas entging ihr die Aura von Arroganz und unterschwelliger Gefahr nicht, die der Mann neben ihr ausstrahlte. Interessiert rückte sie ein wenig naher. »Ich bin Architektin.«
Dougs Nackenhaare stellten sich auf, als sie den Raum betraten. Die drei wirkten adrett und erfolgreich. Vorsichtig schielte er über die Schulter der Blonden und bemerkte zu seinem Entsetzen, daß die drei sich trennten. Einer blieb wie zufällig an der Tür stehen. Dem einzigen Ausgang.
Von seinem ablehnenden Verhalten eher angestachelt als entmutigt, legte die Blonde eine Hand auf Dougs Arm. »Und was machen Sie so?«
Doug behielt den Whisky einen Augenblick lang auf der Zunge, bevor er ihn hinunterschluckte und die angenehme Wärme in seinem Inneren genoß. »Ich stehle«, informierte er sie. Die Wahrheit glaubten die Leute immer zu allerletzt.
Lächelnd nahm sich die Blonde eine Zigarette, hielt Doug ihr Feuerzeug hin und wartete, daß er ihr Feuer gab. »Wie aufregend.« Sie stieß eine kleine Rauchwolke aus und nahm ihm das Feuerzeug aus der Hand. »Warum spendieren Sie mir nicht einen Drink und erzählen mir mehr davon?«
Wirklich ein Jammer, daß er diese Masche nicht schon früher ausprobiert hatte, wo sie doch so gut anzukommen schien. Und ein Jammer, daß der Zeitpunkt nicht schlechter sein könnte - sie bot einen durchaus erfreulichen Anblick. »Nicht heute nacht, Süße.«
Dougs Gedanken kreisten ums Geschäft, während er sich Whisky nachschenkte und darauf achtete, sich im Schatten zu halten. Vielleicht funktionierte seine improvisierte Verkleidung ja. In diesem Moment fühlte er den Lauf eines Revolvers an seinen Rippen. Nun ja, vielleicht auch nicht.
»Raus hier, Lord. Mr. Dimitri ist äußerst ärgerlich, daß Sie Ihre Verabredung nicht eingehalten haben.«
»Tatsächlich?« Beiläufig ließ Doug seinen Whisky im Glas kreisen. »Dachte, ich könnte mir noch ein paar Drinks genehmigen, Remo. Hab' gar nicht auf die Zeit geachtet.«
Der Lauf drückte härter gegen seine Rippen. »Mr. Dimitri legt Wert darauf, daß seine Angestellten pünktlich sind.«
Doug goß seinen Whisky hinunter. Im Spiegel hinter der Bar konnte er erkennen, daß die beiden anderen ebenfalls dicht bei ihm Position bezogen. Die Blondine glitt von ihrem Hocker, um nach einer leichteren Beute Ausschau zu halten. »Bin ich gefeuert?« Er schenkte sich ein weiteres Glas ein und überdachte seine Lage. Drei gegen einen. Zudem waren sie bewaffnet, und er nicht. Andererseits war Remo von den dreien der einzige, dem man einen Hauch von Intelligenz zubilligen konnte.
»Mr. Dimitri schmeißt seine Angestellten gern persönlich raus.« Remo grinste, wobei er ein perfektes Gebiß unter einem strichdünnen Schnurrbärtchen entblößte. »Und er möchte Ihnen seine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.«
»Okay.« Doug legte eine Hand um die Whiskyflasche, die andere auf das Glas. »Wie wär's, wenn wir vorher noch schnell einen heben?«
»Mr. Dimitri gestattet keinen Alkohol im Dienst. Außerdem sind Sie spät dran, Lord. Zu spät.«
»Soso. Trotzdem ist es eine Schande, einen so guten Tropfen zu verschwenden.« Doug wirbelte herum, schüttete den Whisky mitten in Remos Augen und schlug dem Mann zu seiner Rechten die Flasche über den Schädel. Der Schwung katapultierte ihn gegen den dritten Mann, so daß sie beide rücklings auf die Desserttheke fielen. Schokoladenmousse und Schlagsahne ergossen sich in einem kalorienreichen Strom über den Boden. Umklammert wie zwei Liebende rollten sie auf eine Zitronentorte. »Was für eine Verschwendung«, keuchte Doug und schmierte seinem Gegner eine Handvoll Erdbeercreme ins Gesicht. Da ihm bewußt war, daß ein Überraschungseffekt nie von Langer Dauer ist, griff er zu einem der hinterhältigsten Verteidigungsmittel und rammte dem anderen mit aller Gewalt das Knie zwischen die Beine. Dann rannte er los.
»Setzen Sie alles auf Mr. Dimitris Rechnung!« rief er laut, als er sich einen Weg durch die Tische und Stühle bahnte. Aus einem Impuls heraus packte er einen Kellner, den er mitsamt seinem vollbeladenen Tablett in Remos Richtung stieß, ehe er über ein Messinggeländer sprang und zur Tür stürzte. Ohne auf das Chaos hinter ihm zu achten, stürmte er auf die Straße.
Er hatte zwar etwas Zeit gewonnen, doch bald würden sie die Verfolgung wieder aufnehmen. Und diesmal ging es um Leben und Tod. Doug rannte in Richtung Innenstadt und verfluchte die Tatsache, daß nie ein Taxi zu bekommen war, wenn man eins brauchte.
Auf dem Long Island Expressway herrschte nur schwacher Verkehr, als Whitney Richtung Stadt fuhr. Ihr Flug aus Paris war mit einer Stunde Verspätung auf dem Kennedy Airport gelandet. Rücksitz und Kofferraum ihres Mercedes waren bis obenhin mit Gepäck beladen, das Radio voll aufgedreht, so daß der neueste Springsteen-Hit aus dem offenen Fenster dröhnte. Den zweiwöchigen Frankreichtrip hatte sie sich selbst als Belohnung dafür bewilligt, daß sie endlich den Mut aufgebracht hatte, ihre Verlobung mit Tad Carlyse dem Vierten zu Iösen.
Ganz gleich wie begeistert ihre Eltern auch sein mochten, sie konnte einfach keinen Mann heiraten, der seine Socken und Krawatten farblich so penibel aufeinander abstimmte.
Whitney begann, den Springsteensong mitzusummen, während sie eine langsamere Limousine überholte. Sie war achtundzwanzig, sehr attraktiv und wurde in ihrer Karriere immer erfolgreicher, obwohl sie von Haus aus genug Geld besaß, um etwaige Rückschlage abzudecken. An Wohlstand und Ansehen gewöhnt pflegte sie nie zu fordern, sondern nur zu erwarten. Es bereitete ihr Vergnügen, spät nachts die schicksten Clubs von New York zu besuchen, wo sie überall auf bekannte Gesichter stieß.
Auch kümmerte es sie wenig, daß die Paparazzi ihr standig auf den Fersen waren oder daß in den Klatschspalten der Boulevardblätter andauernd Berichte über ihre neuesten Schandtaten erschienen. Sie war, wie sie ihrem verzweifelten Vater oft klarzumachen versuchte, nun einmal von Natur aus exzentrisch.
Zudem hatte sie ein Faible für schnelle Autos, alte Filme und italienische Designerstiefel.
Im Augenblick beschäftigte sie sich mit der Frage, ob sie direkt nach Hause fahren oder noch kurz bei Elaine's vorbeischauen sollte, um zu erfahren, was sich in den letzten zwei Wochen so getan hatte. Die Zeitverschiebung spürte sie überhaupt nicht, wohl aber eine Spur von Langeweile. Nein, nicht bloß eine Spur, gab sie zu. Es war eher so, daß sie in Langeweile erstickte. Die Frage war nur - was sollte sie dagegen unternehmen?
Whitney war das typische Produkt einer neureichen Familie. Aufgewachsen in dem Glauben, die Welt läge ihr zu Füßen, fand sie es oft gar nicht lohnenswert, sich danach zu bücken. Wo blieb der Kitzel? fragte sie sich häufig. Worin lag der - sie haßte dieses Wort - der Sinn? Sie verfügte über einen ausgedehnten Freundeskreis, der, oberflächlich betrachtet, durchaus interessant schien. Doch sobald man einmal hinter die Fassade der Seidenkostüme und Designermodelle geblickt hatte, stellte man fest, daß diese jungen, wohlhabenden, verwöhnten Menschen im Grunde genommen alle gleich waren. Wo blieb die Spannung? Schon besser, dachte sie. Spannung war ein Begriff, mit dem sie eher leben konnte. Es war wirklich nicht sehr spannend, mal eben nach Aruba zu jetten, wenn man nur zum Telefonhörer greifen mußte, um das Ganze zu arrangieren.
Die zwei Wochen in Paris waren ruhig und angenehm verlaufen - und ereignislos. Ereignislos. Vielleicht lag hier der Hund begraben. Sie verlangte nach etwas, das man nicht mit einem Scheck oder einer Kreditkarte bezahlen konnte. Sie wollte Action. Whitney kannte sich selbst gut genug, um sich darüber im klaren zu sein, daß sie in dieser Stimmung zu Dummheiten neigte.
Doch sie war auch nicht in der Stimmung, alleine nach Hause zu fahren und ihre Koffer auszupacken. Andererseits verspürte sie kein sonderliches Verlangen, in einem Club überall auf die gleichen Leute zu treffen. Sie wollte etwas Neues, Andersartiges. Wie wär's zum Beispiel, wenn sie in eines dieser neuen Szenelokale ginge, die wie Pilze aus dem Boden schossen? Wenn ihr der Sinn danach stand, konnte sie dort einige Drinks zu sich nehmen und Konversation machen. Sollte das Lokal ihr zusagen, könnte sie später an den richtigen Stellen ein paar Worte fallenlassen und so den Club zum heißesten Tip von Manhattan machen. Daß sie die Macht dazu besaß, überraschte sie weder, noch freute es sie sonderlich. Es war einfach so.
Whitney kam mit kreischenden Bremsen an einer Ampel zum Stehen und ordnete ihre Gedanken. Neuerdings schien in ihrem Leben rein gar nichts mehr zu geschehen. Es gab keinerlei Aufregung mehr, keinen - nun ja - keinen Pep.
Als die Beifahrertür plötzlich aufgerissen wurde, war sie eher überrascht als erschrocken. Ein Blick auf die schwarze, reißverschlußverzierte Jacke und die riesige Sonnenbrille des Anhalters genügte, sie zu veranlassen, ablehnend den Kopf zu schütteln. »Sie hinken der Mode hinterher«, war ihr einziger Kommentar.
Doug blickte flüchtig über seine Schulter. Die Luft war rein, doch das würde sich bald ändern. Er sprang in den Wagen und knallte die Tür zu. »Fahren Sie los!«
»Vergessen Sie's. Ich fahre keine Kerle spazieren, die Klamotten vom vorigen Jahr tragen. Gehen Sie auf Schusters Rappen.«
Doug schob die Hand in die Tasche und benutzte seinen Zeigefinger, um einen Revolverlauf vorzutäuschen. »Fahren Sie los«, wiederholte er.
Whitney warf erst einen Buick auf die Tasche, dann auf sein Gesicht. »Wenn da eine Kanone drin ist, will ich sie sehen. Wenn nicht, verschwinden Sie.«
Von allen Autos, die er hatte anhalten können, ausgerechnet dieses Warum zum Teufel zitterte sie nicht vor Angst und flehte ihn an, wie es jeder normale Mensch getan hatte? »Verdammt, ich bin nicht scharf drauf, das Ding hier zu benutzen, aber wenn Sie nicht bald in die Gänge kommen und die Karre in Bewegung setzen, dann muß ich Ihnen ein Loch zwischen die Rippen pusten.«
Whitney starrte auf ihr Gesicht, das sich in seiner Brille spiegelte. »Scheiß-dreck«, gab sie zurück, jede Silbe sorgfältig betonend.
Einen Augenblick lang erwog Doug, sie bewußlos zu schlagen, hinauszuwerfen und sich mit dem Wagen aus dem Staub zu machen. Ein weiterer Blick über seine Schulter belehrte ihn, daß keine Zeit mehr zu verlieren war.
»Hören Sie zu, Lady, wenn Sie nicht schleunigst losfahren - da hinter uns in dem Lincoln sitzen drei Männer, die die Absicht haben, Ihr Spielzeug hier in ein Sieb zu verwandeln.«
Sie schaute kurz in den Rückspiegel und entdeckte den großen schwarzen Lincoln, der langsam näherkam. »Mein Vater hatte auch mal so einen Wagen«, kommentierte sie. »Ich hab' ihn immer seinen Leichenwagen genannt.«
»Schon gut - fahren Sie los, sonst bin ich bald eine Leiche.« Achselzuckend beobachtete Whitney den Lincoln im Rückspiegel, dann beschloß sie spontan, herauszufinden, was als nächstes geschehen würde - sie legte den Gang ein und überquerte die Kreuzung. Der Lincoln hängte sich sofort an sie dran. »Sie verfolgen uns.«
»Natürlich verfolgen sie uns.« Doug spie die Worte förmlich aus. »Und wenn Sie nicht bald Gas geben, dann werden sie gleich auf unserem Rücksitz sitzen und uns die Hände schütteln.«
Es war hauptsächlich Neugier, die Whitney bewog, das Gaspedal durchzutreten und in die 57. Straße einzubiegen. Der Lincoln blieb dicht hinter ihnen. »Tatsächlich, sie verfolgen uns«, wiederholte sie, auf ihrem Gesicht ein aufgeregtes Lächeln.
»Gibt die Karre nicht mehr her?«
Jetzt grinste Whitney ihren Beifahrer an. »Machen Sie Witze?« Noch ehe er antworten konnte, gab sie Vollgas und raste davon. Das war sicherlich die interessanteste Art, den Abend zu verbringen, die sie sich vorstellen konnte. »Ob ich sie wohl abschütteln kann?« Whitney renkte sich fast den Hals aus, um zu überprüfen, ob der Lincoln ihnen weiterhin folgte. »Schon mal eine scharfe Verbrecherjagd im Film gesehen? Klar, Gangster werden immer rarer, aber ...«
»He, passen Sie dock auf!«
Whitney drehte sich wieder um, riß das Steuer nach links und überholte haarscharf einen langsamer fahrenden Sedan.
»Hören Sie zu.« Doug knirschte mit den Zähnen. »Sinn und Zweck dieser Übung ist es, am Leben zu bleiben. Sie schauen auf die Straße, ich behalte den Lincoln im Auge.«
»Seien Sie nicht so überheblich.« Whitney schoß um die nächste Ecke. »Ich weiß genau, was ich tue.«
»Passen Sie lieber auf, wo Sie hinfahren!« Doug griff ihr hart ins Lenkrad und verhinderte so, daß die Kühlerhaube des Mercedes in unsanften Kontakt mit einem am Straßenrand geparkten Fahrzeug geriet. »Dämliches Frauenzimmer!«
Whitney hob das Kinn. »Wenn Sie ausfallend werden wollen, dann steigen Sie besser aus.« Sie verlangsamte das Tempo und fuhr an den Bordstein.
»Um Himmels willen, halten Sie bloß nicht an!«
»Ich dulde keine Beleidigungen. Und jetzt ...«
»Runter!« Doug riß sie zur Seite und drückte sie in den Sitz, kurz bevor die Windschutzscheibe in tausend Stücke zersprang.
»Mein Auto!« Wütend versuchte Whitney sich aufzusetzen, schaffte es aber nur, den Kopf zu heben, um den Schaden zu inspizieren. »Verdammt noch mal, da war nicht ein einziger Kratzer dran. Ich hab' ihn erst seit zwei Monaten.«
»Da wird bald sehr viel mehr als bloß ein Kratzer dran sein, wenn Sie nicht schleunigst Gas geben und hier verschwinden.« Aus seiner geduckten Position heraus kurbelte Doug am Lenkrad und spähte vorsichtig über das Armaturenbrett. »Jetzt!«
Kochend vor Zorn trat Whitney das Gaspedal hart durch, während Doug mit einer Hand das Lenkrad hielt und sie mit der anderen nach unten drückte.
»Ich kann so nicht fahren!«
»Mit einer Kugel im Kopf können Sie noch viel schlechter fahren.
»Einer Kugel?« Ihre Stimme klang weniger ängstlich als verärgert. »Sie meinen, die schießen auf uns?«
»Sie werden bestimmt nicht mit Steinen werfen.« Doug verstärkte seinen Griff, und der Wagen prallte gegen den Bordstein und schleuderte um die Ecke. Frustriert, da er die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen konnte, blickte er sich um. Der Lincoln war zwar noch immer hinter ihnen, dock sie hatten ein paar Sekunden Vorsprung gewonnen. »Okay, setzen Sie sich wieder auf, aber halten Sie den Kopf gesenkt. Und fahren Sie bloß weiter!«
»Wie soll ich das nur meiner Versicherung erklären?« Whitney hob den Kopf und suchte in der geborstenen Windschutzscheibe nach einem Stück freien Gesichtsfeld. »Die werden mir nie glauben, daß auf mich geschossen worden ist, und ich habe schon genug Punkte. Wissen Sie, was für horrende Prämien ich zahlen muß?«
»Wenn ich mir Ihren Fahrstil so betrachte, kann ich mir das gut vorstellen.«
»Jedenfalls hab' ich jetzt die Nase voll.« Whitney biß die Zähne zusammen und bog links ab.
»Das ist eine Einbahnstraße.« Doug sah sich hilflos um. »Haben Sie das Schild nicht gesehen?«
»Ich weiß, daß das eine Einbahnstraße ist«, zischte sie und trat härter auf das Gaspedal. »Aber zugleich ist das der schnellste Weg durch die Stadt.«
»0 Gott.« Doug sah Scheinwerferlichter auf sich zukommen. Automatisch tastete er nach dem Türgriff und bereitete sich auf den Zusammenprall vor. Wenn er schon sterben mußte, sinnierte er gottergeben, dann Lieber durch einen netten, sauberen Schuß mitten durchs Herz als von einem Auto plattgedrückt zu werden.
Ohne auf das wütende Hupkonzert zu achten, schoß Whitney im Zickzack weiter. Narren und kleine Kinder ... dachte Doug, als sie knapp zwischen zwei entgegenkommenden Fahrzeugen durchpreschten. Gott hielt seine schützende Hand über Narren und kleine Kinder. Er war heilfroh, sich zu den ersteren zählen zu können.
»Sie sind immer noch da.« Doug drehte sich um und beobachtete den Lincoln. Irgendwie war alles einfacher, wenn er nicht nach vorne blicken mußte. Sie wurden hin- und hergeworfen, als Whitney zwischen den Autos durchschoß, und dann ging sie so stark in die Kurve, daß er mit aller Gewalt gegen die Tür prallte. Fluchend tastete Doug nach der Wunde an seinem Arm. »Versuchen Sie doch bitte nicht, uns umzubringen. Die Typen hinter uns brauchen keine Hilfe.«
»Nie zufrieden, was?« schoß Whitney zurück. »Ich will Ihnen mal was sagen - Sie sind nicht unbedingt der angenehmste Gesellschafter.«
»Ich neige dazu, schlechte Laune zu bekommen, wenn man mich umbringen will.«
»Versuchen Sie doch mal, Gute Miene zum bösen Spiel zu machen«, schlug Whitney vor und schnitt die nächste Kurve, wobei sie den Bordstein streifte. »Sie machen mich nervös.«
Doug ließ sich zurücksinken und fragte sich erbittert, war-um er ausgerechnet auf diese Weise enden mußte, wo es doch so viele Möglichkeiten gab - im Mercedes einer Verrückten zerquetscht zu werden! Hatte er nicht einfach Remo folgen und sich von Dimitri mit Stil ermorden lassen können? Darin hätte entschieden mehr Gerechtigkeit gelegen.
Jetzt waren sie wieder auf der Fifth Avenue angelangt und fuhren in südlicher Richtung, und zwar mit mehr als Hundertvierzig, wie Doug anhand des Tachos feststellte. Wasser spritzte bis hoch an die Scheiben, als sie durch eine Pfütze rasten. Sogar jetzt war der Lincoln nur ein kleines Stück hinter ihnen. »Verdammt. Sie lassen einfach nicht locker.«
»Ach nein?« Mit zusammengebissenen Zähnen warf Whitney einen Blick in den Rückspiegel. Sie war noch nie ein guter Verlierer gewesen. »Das wollen wir doch mal sehen.« Noch ehe Doug Atem holen konnte, bremste sie ab, riß das Lenkrad herum und schoß schleudernd direkt auf den Lincoln zu.
Doug verfolgte das Manöver mit einer Mischung aus Angst und Faszination. »Um Himmels willen!«
Auf dem Beifahrersitz des Lincoln schloß sich Remo seinen Worten an, ehe sein Fahrer die Nerven verlor, das Lenkrad verriß und quer über den Bürgersteig raste, ehe er mitten im Schaufenster von Godiva-Schokoladen zum Stehen kam. Ohne den Fuß vom Gas zu nehmen und gleichzeitig bremsend ließ Whitney den Mercedes um die eigene Achse schlittern und raste die Fifth Avenue zurück.
Doug ließ sich in den Sitz zurücksinken und atmete ein paarmal tief durch. »Lady«, stieß er dann hervor, »Sie haben entschieden mehr Mut als Verstand.«
»Und Sie schulden mir dreihundert Dollar für die Windschutzscheibe.« Whitney bog in die Einfahrt eines unterirdischen Parkhauses ein.
»Ja, ja.« Zerstreut betastete Doug seinen Körper, um sich zu vergewissern, daß noch alle Knochen heil waren. »Ich schicke Ihnen einen Scheck.«
»Bargeld.« Nachdem sie den Wagen in ihrer Parkbox abgestellt hatte, zog Whitney den Zündschlüssel ab und sprang heraus. »Sie können jetzt mein Gepäck heraufbringen.« Mit diesen Worten wies sie auf die Koffer auf dem Rücksitz, ehe sie sich zum Fahrstuhl wandte. Zwar zitterten ihr noch vor Schreck die Knie, aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen als dies zugegeben. »Ich brauche einen Drink.«
Übersetzung: Nina Bader
Copyright © 1996 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House Gmbh
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Autoren-Porträt von Nora Roberts
Roberts, NoraNora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmässig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2012, 363 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Bader, Nina
- Übersetzer: Nina Bader
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453408241
- ISBN-13: 9783453408241
- Erscheinungsdatum: 10.09.2012
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