Der Preis der Unsterblichkeit / Touched Bd.1
Eine aussergewöhnliche Heilerin gerät in grosse Gefahr
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Produktinformationen zu „Der Preis der Unsterblichkeit / Touched Bd.1 “
Eine aussergewöhnliche Heilerin gerät in grosse Gefahr
Klappentext zu „Der Preis der Unsterblichkeit / Touched Bd.1 “
Wie ein feuriger Blitzschlag fühlt es sich an, als Asher in Remys Leben tritt. Doch sich ihm zu nähern, bedeutet Gefahr - Lebensgefahr. Remy will nichts mehr riskieren, zu lange hat sie gelitten unter ihrem gewalttätigen Stiefvater und der Hilflosigkeit ihrer Mutter, der sie immer wieder das Leben gerettet hat. Denn Remy verfügt über eine einzigartige Fähigkeit: Sie kann Menschen durch Berührung heilen. Remy will bei ihrem leiblichenVater endlich ein normales Leben führen. Aber kann sie ihrem Schicksal entrinnen? Kann sie Asher entkommen?
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Touched - Der Preis der Unsterblichkeit von Corrine JacksonOkay, es wird gleich höllisch wehtun.
Ich holte tief Luft und betrat das von Alkoholgeschwängerte Zimmer. Als mich Dean bemerkte, richtete er sich zu seiner vollen Größe von 1,90 Meter auf und wunderte sich, dass ich seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte. Vielleicht hielt er mich für einen Freak, und das machte ihm Angst. Vielleicht fürchtete er sich auch vor sich selbst, davor, was er von mir wollte. Vermutlich schlug er meine Mutter deshalb meistens dann, wenn ich nicht da war.
Ich öffnete meine zu Fäusten geballten Hände und hoffte, die Spannung im Raum würde nachlassen, bevor sie sich blitzartig entlud.
»Du kommst aber früh zurück.« Er musterte mich mit schweren Lidern, konnte mir aber nicht in die
Augen sehen.
Ich war groß und unscheinbar, dünn und kurvenlos, aber das spielte keine Rolle. Als er mir mit
seinen blassblauen Augen durch den Raum folgte, bekam ich eine Gänsehaut. Wenn wir beide allein in der Wohnung waren, ging ich ihm aus dem Weg, aber manchmal schaffte er es, mir in unserem düsteren Flur aufzulauern.
1
... mehr
Krank auf eine Art, die ich nicht heilen konnte, bedrängte er mich dann mit seinem riesenhaften Körper und lachte, wenn ich vor ihm zurückwich.
Das Komische war, dass Dean genau wie die Erwachsenenversion eines charmanten, harmlosen Jungen aussah, in den sich alle Mädchen auf der Highschool verknallten. Er hatte leicht gelocktes, blondes Haar und ein freundliches, offenes Gesicht, das jeden, der ihn nicht kannte, sofort für ihn einnahm. Möglicherweise hatte sich Anna ja deshalb gleich zu ihm hingezogen gefühlt.
»Vielleicht ruf ich beim nächsten Mal vorher an«, überlegte ich laut. »Dann kannst du schauen, dass du Mom bis fünf nach neun verprügelt hast, ich kann um zehn nach neun den Notarzt rufen, und um Mitternacht können wir dann alle ins Bett gehen.«
Ich sagte das ganz ohne Sarkasmus, nur mit bitterer Resignation. Dean ballte die Hände zu Fäusten, die sich wie Stahl anfühlen konnten. Ich hatte meine Mutter beschützen wollen und war zu lange geblieben, aber Anna liebte Dean über alles. Mehr als mich. Und Dean liebte die Schecks mit den Unterhaltszahlungen meines Vaters, die es ihm ermöglichten, sich eine Flasche Tequila nach der anderen reinzuziehen.
Er kam auf mich zu. »Willst du mich aufhalten, Prinzessin?«
Auf mein gleichgültiges Verhalten fiel er nie herein. Nachdem ich meine Mutter bewusstlos am Boden liegen sah, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Ich fürchtete mich vor dem bevorstehenden Gewaltausbruch und dem Moment, wenn ich Anna berühren würde. Ohne den Blick von ihm zu lösen, bewegte ich mich seitwärts, um das abgenutzte Sofa und den verschrammten Couchtisch zwischen uns zu bekommen. Anna stöhnte auf, und Dean warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
»Hiltst du dich für einen echten Kerl, weil du Frauen zusammenschlägst?«, spottete ich, um ihn abzulenken.
Bei seinem Licheln lief mir ein Schauer über den Rücken. Es war ein warnendes Licheln - ein Licheln, nach dem sich das Wetter vorhersagen ließ, denn auf seinen Empfänger ging garantiert die Hölle nieder. »Du hältst dich für was Besseres, meine Kleine, aber du wirst mich gefälligst respektieren!« Er riss den Gürtel aus den Schlaufen seiner schmutzigen Jeans. Als er sich das schwarze Leder um die Fäuste wickelte, glitzerte die Schnalle im Licht - eine blanke, glänzende Waffe.
Hass ergriff mich und lähmende Angst. Ich mache ihn besser wütend, entschied ich. Dann war das Ganze vielleicht schneller vorüber. Während ich mich auf Anna zubewegte, grinste ich voller Hohn.
»Dich respektieren? Du bist doch nichts weiter als ein mieser Feigling! Du willst mich schlagen, oder, Dean? Nur zu!«
Ich hatte mich noch nie über ihn lustig gemacht, und nur noch einen knappen Meter von Anna entfernt, bekam ich kalte Füße. Blöd. Zu blöd. Er wird uns beide umbringen. Aber zumindest hitte das makabre Wartespiel dann ein Ende. Inzwischen war er mir so nahe, dass er mich berühren konnte. »Wag es ja nicht«, zischte ich.
Er holte aus, und ich stellte mich vor meine Mutter. Er versetzte mir einen Schlag in die Magengrube, und ich stolperte über sie. Mit einem dumpfen Geräusch krachte ich mit dem Kopf gegen die Wand. Dean packte mich am Hals und hielt mich so auf den Füßen. Ich atmete die schale Mischung aus Schweiß- und Tabakgeruch ein. Er schnitt mir die Luft ab, drückte lächelnd immer weiter zu, bis mir vor Schmerz die Knie nachgaben.
Anna bewegte sich plötzlich und kreischte: »Nein!« Dann sprang sie auf und grub Dean die roten Fingernägel in den
Unterarm. In meinem verzweifelten Kampf um Luft packte ich mit einer Hand Deans Arm und umklammerte mit der anderen meine Mutter.
Ich kniff die Augen zusammen. Ich sterbe, dachte ich. Meine Kräfte verließen mich. Die mentale Mauer, die meine Fähigkeiten in Schranken hielt, stürzte ein, und ohne ihren Schutz donnerten Annas Schmerzen durch mich hindurch und erlaubten mir Einblicke in ihren Körper. Ich bemerkte zwei gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung, ein blutendes Auge und Prellungen am ganzen Körper. Wie bei einem großartigen Feuerwerk knallten Farbtupfer an meine geschlossenen Augenlider. Meine Lungen zogen sich zusammen, und ich machte mir Annas Verletzungen zu eigen, heilte sie und übertrug ihre Schmerzen auf mich.
Annas Angriff hatte Dean aus dem Gleichgewicht gebracht. Er riss sie an den Haaren, damit sie von ihm abließ, und sein Griff um meinen Hals lockerte sich. Sie schluchzte, und der Sturm in mir verdoppelte und verdreifachte sich. Ich hatte meine Mutter nicht beschützen können. Wutentbrannt stellte ich mir vor, wie Dean von meinen Schmerzen niedergestreckt wurde, wie von einem feurigen Blitzschlag.
Grellrotes Licht sprang knisternd von meiner Hand auf seinen Arm über. Sein Gesicht erstarrte in Entsetzen, dann zuckte er zusammen und wand sich. Ein lautes Krachen zerriss die Luft - entweder brachen seine Rippen oder meine -, und ich verlor die Besinnung.
Ich wachte davon auf, dass mir jemand sanft das Haar aus dem Gesicht strich und mir der Duft von Moschus in die Nase stieg. Anna. Angst drang durch die dunstigen Kanten meines
Schlafs, und ich setzte mich zu hastig auf. Ohne mich um meine schmerzenden Bauchmuskeln zu kümmern, sah ich mich nach Dean um, doch meine Mutter war allein da. Schwaches Sonnenlicht schien durch das einzige Fenster. Die kratzigen Bettlaken und der Geruch nach Desinfektionsmitteln schrien nach Krankenhaus.
Ich war also doch nicht gestorben.
Meine Kehle brannte, und ich kämpfte gegen meine Tränen an. Anna beobachtete mich, und ich machte mich an eine Bestandsaufnahme ihrer Verletzungen. Als mich Dean im Würgegriff' hatte, war nicht genügend Zeit geblieben, um meine Mutter vollständig zu heilen, und vor den Ärzten hatte sie ihre Verletzungen garantiert verheimlicht. Trotz ihrer Gegenwehr ergriff ich ihren Arm und registrierte ein paar ältere Wunden, die sie mir verschwiegen hatte. Ich machte mir Vorwürfe, und dann empfand ich nichts mehr, als ich bereit war, ihre Verletzungen zu absorbieren.
Anna zuckte zusammen, aber das ignorierte ich und sah zu, dass ihre tieferen Blutergüsse ausheilten. Um ihre gebrochenen Rippen hatte ich mich ja schon gekümmert, doch ihre Gehirnerschütterung bekam ich nicht in den Griff'. Kopfverletzungen hatten die schlimmsten Auswirkungen auf mich und waren am schwersten zu heilen. Meine Mutter würde bohrende Kopfschmerzen bekommen, aber das würde sie schon überstehen, um dann doch irgendwann wieder zusammengeschlagen zu werden. Ich seufzte erleichtert auf, als ich fertig war, ließ sie los, und die vertrauten blauen Funken sprangen von meinen Fingerspitzen auf ihren Arm über.
Sie schreckte zurück und fing an zu weinen. Die energiebedingte Hitze, eine Begleiterscheinung der Heilung, hatte sich in Eiseskälte umgewandelt, und ich zitterte. Meine Mutter wusste genau, wozu ich imstande war. Wie auch nicht, nach
den vielen Malen, die ich sie geheilt hatte, nachdem ich mit zwölf meine Fähigkeiten entdeckt hatte. Sie hasste es und tat so, als gäbe es sie nicht, selbst dann, wenn auf meiner Haut genaue Abbilder der Blutergüsse sprossen, die auf ihrer verschwanden.
»Wo ist Dean?« Das Krächzen in meiner Stimme, wohl eine Folge der Strangulation, erschreckte mich, und ich fragte mich, ob ich mich damit nun womöglich dauerhaft herumschlagen müsste.
»Der ist auch hier. Er ... er hat sich beim ... Sturz verletzt. Seine Rippen sind gebrochen. Die Ärzte sagen, das wird wieder.«
Ihrem Ton nach zu urteilen, hatte sie sich bereits eingeredet, das Unmögliche sei nie geschehen. Sie berührte meine Hand, was selten geschah. »Hör mal, Kleines. Die Bullen ... die stellen einen Haufen Fragen, wollen wissen, was vorgefallen ist. Ich habe ihnen gesagt, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen.«
Das erklärte, wieso sie bei mir saß anstatt bei Dean. Sie wollte sicherstellen, dass ich für sie log. Ich drehte mich weg, damit ich sie nicht mehr ansehen musste, und sie fuhr mir vorsichtig durchs Haar. Sie würde mir sagen, dass ich Dean nicht wütend machen solle. Wenn ich mich doch einfach benähme ... immer wieder dieselbe alte Leier. Nie war es Deans Schuld, wenn er ihren Kopf mit den Fäusten traktierte. Es war ihre, denn sie hatte ihm das Bier nicht schnell genug gebracht. Es konnte nicht seine Schuld sein, wenn er seine angezündete Zigarette in meinen Arm bohrte. Ich hätte ihm meinen Gehaltsscheck vom Videostore aushändigen sollen.
Und tatsächlich, sie fing davon an, dass bei unserer Heimkehr alles anders würde. Wir müssten uns mehr anstrengen, eine Familie zu sein. Bei ihren Worten wurde mir übel. Ich
hielt mir die Ohren zu und schrie in meinem Kopf: Halt blog die Klappe!
Nachdem sie gegangen war, musste ich eingeschlafen sein, denn inzwischen war es dunkel im Zimmer, und mein Vater war gekommen.
Den Großteil meines Lebens war Ben O'Malley einfach nicht vorhanden gewesen. Vor Jahren hatte ich ihn einmal angerufen und gedacht, er käme wie der Ritter in der glänzenden Rüstung und würde mich retten. Seine Sekretärin hatte mir erklärt, er sei zu beschäftigt, um ans Telefon zu kommen, und mir versprochen, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Er hatte nie zurückgerufen. Danach hatte ich mich geweigert, mit ihm zu sprechen.
Ben merkte, dass ich aufgewacht war, und kam zu mir ans Bett. »Remy? Wie fühlst du dich?«
Mein Blick wanderte über seine hochgewachsene Gestalt, und ich musterte ihn zum ersten Mal seit Jahren. Dass ich seine Tochter war, war nicht zu übersehen. Ich war beinahe so groß wie er und hatte ebenso welliges, fast schon krauses dichtes Haar, wenngleich seines grau meliert war, meines dagegen schmutzig blond.
»Remy?«
Mein Vater nahm einen rosa Krug vom Beistelltisch und goss Wasser in eine Tasse. Er steckte einen Strohhalm hinein und hielt sie mir hin. Am liebsten hätte ich abgelehnt, aber mein Hals war völlig ausgedörrt. Nach ein paar Schlucken lehnte ich mich zurück und mir fiel auf, dass meine Verletzungen inzwischen eigentlich hätten verheilt sein müssen. Was auch immer mit Dean geschehen war, meine Selbstheilungskräfte hatten darunter gelitten, obwohl ich Anna problemlos hatte behandeln können.
Die Stimme meines Vaters riss mich aus meinen Gedanken.
»Die Polizei hat angerufen und mir mitgeteilt, dass meine Tochter ins Krankenhaus eingeliefert worden sei«, sagte Ben. »Sie äußerten den Verdacht, der Mann ihrer Mutter hätte sie so zugerichtet, obwohl Anna das bestritten hat.«
Die Bullen hatten ihr ihre Lügen nicht abgenommen. »Und?«, krächzte ich.
Ben zog die schwarzen Brauen über ebenso marineblauen Augen wie meinen zusammen. »Was, und?«
»Und, was machst du hier?«
»Habe ich dir doch gesagt. Es hieß, du seist verletzt«, wiederholte er verwirrt.
Mein raues Lachen klang wie eine alte Maschine, kurz bevor sie ihren Geist aufgibt. »Und wo warst du die letzten acht Male?«
Seine Erschütterung traf mich deshalb so hart, weil er sich bisher nicht darum gekümmert hatte, was mit mir passierte. Ben holte tief Luft, sein gebräuntes Gesicht wurde aschfahl und seine Stimme klang vor Wut gepresst: »Warum hast du mir nichts davon erzählt? Ich hätte dir geholfen. Remy, ich hätte ...«
Ich lachte wieder und schüttelte den Kopf. Er gab mir die Schuld! »Genau. Du hättest. Wieso gehst du nicht zurück zu deiner Frau und deiner perfekten Familie? Da kannst du dir dann wieder einreden, was für ein guter Vater du bist, wenn du den nächsten Unterhaltsscheck unterschreibst.«
Ich blendete ihn aus, indem ich die Augen schloss, so wie ich es bei Anna auch getan hatte. Es war einfach zu viel. Das Auftauchen meines Vaters, meine Mutter und Dean, meine unberechenbaren Fähigkeiten ... und die nagende Angst davor, wie Dean sich rächen würde.
Dann sagte mein Vater: »Ich nehme dich mit. Ab sofort wohnst du bei mir.«
(c) Ullstein TB Verlag
Krank auf eine Art, die ich nicht heilen konnte, bedrängte er mich dann mit seinem riesenhaften Körper und lachte, wenn ich vor ihm zurückwich.
Das Komische war, dass Dean genau wie die Erwachsenenversion eines charmanten, harmlosen Jungen aussah, in den sich alle Mädchen auf der Highschool verknallten. Er hatte leicht gelocktes, blondes Haar und ein freundliches, offenes Gesicht, das jeden, der ihn nicht kannte, sofort für ihn einnahm. Möglicherweise hatte sich Anna ja deshalb gleich zu ihm hingezogen gefühlt.
»Vielleicht ruf ich beim nächsten Mal vorher an«, überlegte ich laut. »Dann kannst du schauen, dass du Mom bis fünf nach neun verprügelt hast, ich kann um zehn nach neun den Notarzt rufen, und um Mitternacht können wir dann alle ins Bett gehen.«
Ich sagte das ganz ohne Sarkasmus, nur mit bitterer Resignation. Dean ballte die Hände zu Fäusten, die sich wie Stahl anfühlen konnten. Ich hatte meine Mutter beschützen wollen und war zu lange geblieben, aber Anna liebte Dean über alles. Mehr als mich. Und Dean liebte die Schecks mit den Unterhaltszahlungen meines Vaters, die es ihm ermöglichten, sich eine Flasche Tequila nach der anderen reinzuziehen.
Er kam auf mich zu. »Willst du mich aufhalten, Prinzessin?«
Auf mein gleichgültiges Verhalten fiel er nie herein. Nachdem ich meine Mutter bewusstlos am Boden liegen sah, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Ich fürchtete mich vor dem bevorstehenden Gewaltausbruch und dem Moment, wenn ich Anna berühren würde. Ohne den Blick von ihm zu lösen, bewegte ich mich seitwärts, um das abgenutzte Sofa und den verschrammten Couchtisch zwischen uns zu bekommen. Anna stöhnte auf, und Dean warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
»Hiltst du dich für einen echten Kerl, weil du Frauen zusammenschlägst?«, spottete ich, um ihn abzulenken.
Bei seinem Licheln lief mir ein Schauer über den Rücken. Es war ein warnendes Licheln - ein Licheln, nach dem sich das Wetter vorhersagen ließ, denn auf seinen Empfänger ging garantiert die Hölle nieder. »Du hältst dich für was Besseres, meine Kleine, aber du wirst mich gefälligst respektieren!« Er riss den Gürtel aus den Schlaufen seiner schmutzigen Jeans. Als er sich das schwarze Leder um die Fäuste wickelte, glitzerte die Schnalle im Licht - eine blanke, glänzende Waffe.
Hass ergriff mich und lähmende Angst. Ich mache ihn besser wütend, entschied ich. Dann war das Ganze vielleicht schneller vorüber. Während ich mich auf Anna zubewegte, grinste ich voller Hohn.
»Dich respektieren? Du bist doch nichts weiter als ein mieser Feigling! Du willst mich schlagen, oder, Dean? Nur zu!«
Ich hatte mich noch nie über ihn lustig gemacht, und nur noch einen knappen Meter von Anna entfernt, bekam ich kalte Füße. Blöd. Zu blöd. Er wird uns beide umbringen. Aber zumindest hitte das makabre Wartespiel dann ein Ende. Inzwischen war er mir so nahe, dass er mich berühren konnte. »Wag es ja nicht«, zischte ich.
Er holte aus, und ich stellte mich vor meine Mutter. Er versetzte mir einen Schlag in die Magengrube, und ich stolperte über sie. Mit einem dumpfen Geräusch krachte ich mit dem Kopf gegen die Wand. Dean packte mich am Hals und hielt mich so auf den Füßen. Ich atmete die schale Mischung aus Schweiß- und Tabakgeruch ein. Er schnitt mir die Luft ab, drückte lächelnd immer weiter zu, bis mir vor Schmerz die Knie nachgaben.
Anna bewegte sich plötzlich und kreischte: »Nein!« Dann sprang sie auf und grub Dean die roten Fingernägel in den
Unterarm. In meinem verzweifelten Kampf um Luft packte ich mit einer Hand Deans Arm und umklammerte mit der anderen meine Mutter.
Ich kniff die Augen zusammen. Ich sterbe, dachte ich. Meine Kräfte verließen mich. Die mentale Mauer, die meine Fähigkeiten in Schranken hielt, stürzte ein, und ohne ihren Schutz donnerten Annas Schmerzen durch mich hindurch und erlaubten mir Einblicke in ihren Körper. Ich bemerkte zwei gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung, ein blutendes Auge und Prellungen am ganzen Körper. Wie bei einem großartigen Feuerwerk knallten Farbtupfer an meine geschlossenen Augenlider. Meine Lungen zogen sich zusammen, und ich machte mir Annas Verletzungen zu eigen, heilte sie und übertrug ihre Schmerzen auf mich.
Annas Angriff hatte Dean aus dem Gleichgewicht gebracht. Er riss sie an den Haaren, damit sie von ihm abließ, und sein Griff um meinen Hals lockerte sich. Sie schluchzte, und der Sturm in mir verdoppelte und verdreifachte sich. Ich hatte meine Mutter nicht beschützen können. Wutentbrannt stellte ich mir vor, wie Dean von meinen Schmerzen niedergestreckt wurde, wie von einem feurigen Blitzschlag.
Grellrotes Licht sprang knisternd von meiner Hand auf seinen Arm über. Sein Gesicht erstarrte in Entsetzen, dann zuckte er zusammen und wand sich. Ein lautes Krachen zerriss die Luft - entweder brachen seine Rippen oder meine -, und ich verlor die Besinnung.
Ich wachte davon auf, dass mir jemand sanft das Haar aus dem Gesicht strich und mir der Duft von Moschus in die Nase stieg. Anna. Angst drang durch die dunstigen Kanten meines
Schlafs, und ich setzte mich zu hastig auf. Ohne mich um meine schmerzenden Bauchmuskeln zu kümmern, sah ich mich nach Dean um, doch meine Mutter war allein da. Schwaches Sonnenlicht schien durch das einzige Fenster. Die kratzigen Bettlaken und der Geruch nach Desinfektionsmitteln schrien nach Krankenhaus.
Ich war also doch nicht gestorben.
Meine Kehle brannte, und ich kämpfte gegen meine Tränen an. Anna beobachtete mich, und ich machte mich an eine Bestandsaufnahme ihrer Verletzungen. Als mich Dean im Würgegriff' hatte, war nicht genügend Zeit geblieben, um meine Mutter vollständig zu heilen, und vor den Ärzten hatte sie ihre Verletzungen garantiert verheimlicht. Trotz ihrer Gegenwehr ergriff ich ihren Arm und registrierte ein paar ältere Wunden, die sie mir verschwiegen hatte. Ich machte mir Vorwürfe, und dann empfand ich nichts mehr, als ich bereit war, ihre Verletzungen zu absorbieren.
Anna zuckte zusammen, aber das ignorierte ich und sah zu, dass ihre tieferen Blutergüsse ausheilten. Um ihre gebrochenen Rippen hatte ich mich ja schon gekümmert, doch ihre Gehirnerschütterung bekam ich nicht in den Griff'. Kopfverletzungen hatten die schlimmsten Auswirkungen auf mich und waren am schwersten zu heilen. Meine Mutter würde bohrende Kopfschmerzen bekommen, aber das würde sie schon überstehen, um dann doch irgendwann wieder zusammengeschlagen zu werden. Ich seufzte erleichtert auf, als ich fertig war, ließ sie los, und die vertrauten blauen Funken sprangen von meinen Fingerspitzen auf ihren Arm über.
Sie schreckte zurück und fing an zu weinen. Die energiebedingte Hitze, eine Begleiterscheinung der Heilung, hatte sich in Eiseskälte umgewandelt, und ich zitterte. Meine Mutter wusste genau, wozu ich imstande war. Wie auch nicht, nach
den vielen Malen, die ich sie geheilt hatte, nachdem ich mit zwölf meine Fähigkeiten entdeckt hatte. Sie hasste es und tat so, als gäbe es sie nicht, selbst dann, wenn auf meiner Haut genaue Abbilder der Blutergüsse sprossen, die auf ihrer verschwanden.
»Wo ist Dean?« Das Krächzen in meiner Stimme, wohl eine Folge der Strangulation, erschreckte mich, und ich fragte mich, ob ich mich damit nun womöglich dauerhaft herumschlagen müsste.
»Der ist auch hier. Er ... er hat sich beim ... Sturz verletzt. Seine Rippen sind gebrochen. Die Ärzte sagen, das wird wieder.«
Ihrem Ton nach zu urteilen, hatte sie sich bereits eingeredet, das Unmögliche sei nie geschehen. Sie berührte meine Hand, was selten geschah. »Hör mal, Kleines. Die Bullen ... die stellen einen Haufen Fragen, wollen wissen, was vorgefallen ist. Ich habe ihnen gesagt, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen.«
Das erklärte, wieso sie bei mir saß anstatt bei Dean. Sie wollte sicherstellen, dass ich für sie log. Ich drehte mich weg, damit ich sie nicht mehr ansehen musste, und sie fuhr mir vorsichtig durchs Haar. Sie würde mir sagen, dass ich Dean nicht wütend machen solle. Wenn ich mich doch einfach benähme ... immer wieder dieselbe alte Leier. Nie war es Deans Schuld, wenn er ihren Kopf mit den Fäusten traktierte. Es war ihre, denn sie hatte ihm das Bier nicht schnell genug gebracht. Es konnte nicht seine Schuld sein, wenn er seine angezündete Zigarette in meinen Arm bohrte. Ich hätte ihm meinen Gehaltsscheck vom Videostore aushändigen sollen.
Und tatsächlich, sie fing davon an, dass bei unserer Heimkehr alles anders würde. Wir müssten uns mehr anstrengen, eine Familie zu sein. Bei ihren Worten wurde mir übel. Ich
hielt mir die Ohren zu und schrie in meinem Kopf: Halt blog die Klappe!
Nachdem sie gegangen war, musste ich eingeschlafen sein, denn inzwischen war es dunkel im Zimmer, und mein Vater war gekommen.
Den Großteil meines Lebens war Ben O'Malley einfach nicht vorhanden gewesen. Vor Jahren hatte ich ihn einmal angerufen und gedacht, er käme wie der Ritter in der glänzenden Rüstung und würde mich retten. Seine Sekretärin hatte mir erklärt, er sei zu beschäftigt, um ans Telefon zu kommen, und mir versprochen, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Er hatte nie zurückgerufen. Danach hatte ich mich geweigert, mit ihm zu sprechen.
Ben merkte, dass ich aufgewacht war, und kam zu mir ans Bett. »Remy? Wie fühlst du dich?«
Mein Blick wanderte über seine hochgewachsene Gestalt, und ich musterte ihn zum ersten Mal seit Jahren. Dass ich seine Tochter war, war nicht zu übersehen. Ich war beinahe so groß wie er und hatte ebenso welliges, fast schon krauses dichtes Haar, wenngleich seines grau meliert war, meines dagegen schmutzig blond.
»Remy?«
Mein Vater nahm einen rosa Krug vom Beistelltisch und goss Wasser in eine Tasse. Er steckte einen Strohhalm hinein und hielt sie mir hin. Am liebsten hätte ich abgelehnt, aber mein Hals war völlig ausgedörrt. Nach ein paar Schlucken lehnte ich mich zurück und mir fiel auf, dass meine Verletzungen inzwischen eigentlich hätten verheilt sein müssen. Was auch immer mit Dean geschehen war, meine Selbstheilungskräfte hatten darunter gelitten, obwohl ich Anna problemlos hatte behandeln können.
Die Stimme meines Vaters riss mich aus meinen Gedanken.
»Die Polizei hat angerufen und mir mitgeteilt, dass meine Tochter ins Krankenhaus eingeliefert worden sei«, sagte Ben. »Sie äußerten den Verdacht, der Mann ihrer Mutter hätte sie so zugerichtet, obwohl Anna das bestritten hat.«
Die Bullen hatten ihr ihre Lügen nicht abgenommen. »Und?«, krächzte ich.
Ben zog die schwarzen Brauen über ebenso marineblauen Augen wie meinen zusammen. »Was, und?«
»Und, was machst du hier?«
»Habe ich dir doch gesagt. Es hieß, du seist verletzt«, wiederholte er verwirrt.
Mein raues Lachen klang wie eine alte Maschine, kurz bevor sie ihren Geist aufgibt. »Und wo warst du die letzten acht Male?«
Seine Erschütterung traf mich deshalb so hart, weil er sich bisher nicht darum gekümmert hatte, was mit mir passierte. Ben holte tief Luft, sein gebräuntes Gesicht wurde aschfahl und seine Stimme klang vor Wut gepresst: »Warum hast du mir nichts davon erzählt? Ich hätte dir geholfen. Remy, ich hätte ...«
Ich lachte wieder und schüttelte den Kopf. Er gab mir die Schuld! »Genau. Du hättest. Wieso gehst du nicht zurück zu deiner Frau und deiner perfekten Familie? Da kannst du dir dann wieder einreden, was für ein guter Vater du bist, wenn du den nächsten Unterhaltsscheck unterschreibst.«
Ich blendete ihn aus, indem ich die Augen schloss, so wie ich es bei Anna auch getan hatte. Es war einfach zu viel. Das Auftauchen meines Vaters, meine Mutter und Dean, meine unberechenbaren Fähigkeiten ... und die nagende Angst davor, wie Dean sich rächen würde.
Dann sagte mein Vater: »Ich nehme dich mit. Ab sofort wohnst du bei mir.«
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Autoren-Porträt von Corrine Jackson
Jackson, CorrineDie US-amerikanische Fantasy- und Jugendbuchautorin Corrine Jackson hat ein Studium der Englischen Literatur absolviert. Im Anschluss war sie zunächst als Grafikdesignerin tätig, ehe sie in eine grosse Marketingagentur wechselte. Sie war ausserdem Chef-Redakteurin von zwei literarischen Online-Zeitschriften und ist Mitglied der SCBWI (Society of Children's Book Writers & Illustrators).
Bibliographische Angaben
- Autor: Corrine Jackson
- 2013, 416 Seiten, Masse: 12 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Lichtblau, Heidi
- Übersetzer: Heidi Lichtblau
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548284426
- ISBN-13: 9783548284422
- Erscheinungsdatum: 15.02.2013
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