Spaziergänge in Rom
Ausgew. u. übers. v. Gundl Nagl
Marco Lodoli, der mit seinen "Inseln in Rom" Leser und Kritiker gleichermassen beglückt hat, bietet sich erneut als Führer an durch eine Stadt, deren versteckte Winkel und verborgene Schönheiten oder Kuriositäten unerschöpflich sind. Wir beobachten die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Spaziergänge in Rom “
Marco Lodoli, der mit seinen "Inseln in Rom" Leser und Kritiker gleichermassen beglückt hat, bietet sich erneut als Führer an durch eine Stadt, deren versteckte Winkel und verborgene Schönheiten oder Kuriositäten unerschöpflich sind. Wir beobachten die berühmten Transsexuellen Roms, in der Nähe von Santa Maria delle Grazie empfiehlt uns Lodoli eine billige Pizzeria, und überhaupt spart er nicht an Tipps, wo man merkwürdige Waren kaufen und gut und preiswert essen kann.
Klappentext zu „Spaziergänge in Rom “
Marco Lodoli, der mit seinen "Inseln in Rom" Leser und Kritiker gleichermaßen beglückt hat, bietet sich erneut als Führer an durch eine Stadt, deren versteckte Winkel und verborgene Schönheiten oder Kuriositäten unerschöpflich sind. Wir beobachten die berühmten Transsexuellen Roms, in der Nähe von Santa Maria delle Grazie empfiehlt uns Lodoli eine billige Pizzeria, und überhaupt spart er nicht an Tipps, wo man merkwürdige Waren kaufen und gut und preiswert essen kann.
Lese-Probe zu „Spaziergänge in Rom “
Die Kolonnade des BorrominiEs gibt Kunstwerke, bei denen die Intelligenz als das beherrschende Element erscheint, bei denen jedes Detail von scheinbar einem Gedanken erzeugt wurde, der von der eigenen Vortrefflichkeit überzeugt ist. Das sind Werke, die durch ihre Perfektion beinahe eine Art Unbehagen hervorrufen, weil ihnen etwas Unmenschliches anhaftet, ein Ehrgeiz ohne Mass, eine rein vom Verstand bestimmte Vorliebe für unmögliche Herausforderungen. In Rom ist das in dieser Hinsicht erstaunlichste Werk die sogenannte Kolonnade des Borromini im Palazzo Spada auf der Piazza Capodiferro. Wir können dieses Kunstwerk hundertmal bewundern, und es wird uns immer wieder und jedesmal auf noch eindringlichere Weise beunruhigen.
Es handelt sich um eine Galerie, die von einem besonders schönen Innenhof ausgeht, einem geheimnisvollen Garten mit drei märchenhaften Pomeranzenbäumen: wir betrachten die Galerie, die dreissig oder vierzig Meter lang erscheint, die dorischen Säulen werden mit der Entfernung kürzer, die Muster des Bodens kleiner, je mehr das Auge in den Hintergrund vordringt, dort drüben, wo beim Aufeinandertreffen zweier Hecken eine antike Statue sich als Zielpunkt für den Blick anbietet. Und dabei ist alles Sinnestäuschung, ein aufsehenerregendes Gaukelspiel, das wir mit offenem Mund bestaunen. In Wirklichkeit ist die Galerie gerade mal acht Meter und sechzig Zentimeter lang, und die Säulen, der Boden, das Tonnengewölbe wurden mit einer architektonischen Schlauheit realisiert, die unserer Pupillen spottet.
In Ordnung, denken wir, das ist eben noch so eine barocke Schlaumeierei, es ist die reine Intelligenz, die sich hinter unserem Rücken über uns Einfallspinsel lustig macht. Aber dann kehren wir hundertmal zurück, um diese Galerie des 17. Jahrhunderts, die einem Vergnügungspark entstammen könnte, zu betrachten, weil uns immer noch etwas entgeht, weil sich in dieser höhnischen Optik etwas verbirgt, was unser Gemüt bewegt.
Und eines Tages
... mehr
lesen wir diese Verse des Kardinals Bernardino Spada, Verse voller Staunen und moralischer Reflexion: "Unter geringen Dimensionen betrachtet man einen riesigen Säulengang, auf kleinem Raum erblickt man einen langen Weg. Wunder der Kunst: Bild einer trügerischen Welt. Gross bloss der Erscheinung nach, sind die Dinge klein für den, der sie aus der Nähe betrachtet. Auf der Welt ist das Grosse nichts anderes als Illusion." Ja, das ist es, und endlich begreifen wir, was uns Tränen in die Augen treibt: Diese Galerie ist nicht bloss ein subtiler Scherz der Intelligenz, sie ist viel mehr, sie ist die Wahrheit der Welt, auf wenige Meter zusammengedrängt.
Largo dei Librari
Dann und wann platzt der übliche ausländische Freund in Rom herein, um uns einen Besuch abzustatten: "He ciao, ich bin hier, was unternehmen wir heute abend, was zeigst du mir Schönes?" Sagen wir es freiheraus:
das trifft uns wie ein Schlag ins Genick. Von der Stadt hat dieser Freund beinahe alles gesehen, das Kolosseum, Sankt Peter, die Fontana di Trevi und die Piazza Navona, aber auch den Aventin und San Clemente, auch die Katakomben und das Foro Italico und sogar das Coppedè-Viertel, das wir ihm beim letztenmal gezeigt haben. Und doch ist er unersättlich, er giert danach, zumindest eine neue Erinnerung mitzunehmen, etwas Besonderes, ein kleines Detail, ein Eckchen, eine unvergessliche Ansichtskarte: "Also, dear friend, was bietest du mir heute?" Wir fühlen uns verpflichtet, ihn nicht zu enttäuschen, finden es aber auch mühsam, schon wieder ein prächtiges Kaninchen aus dem Zylinder zu zaubern. Wir sagen alle Verabredungen ab und, verdammter Mist, beginnen das Album der Erinnerung auf der Suche nach einem besonderen Bild zu durchblättern, nach etwas Wundersamem, das nicht allzuviel Zeit kostet. Wir würden uns gerne mit einem Aperitif begnügen, einem kleinen Plausch und einem Tellerchen Oliven an einem magischen Ort, und dann sehen wir uns in zehn Jahren wieder. Museen - nein, Ruinen - auch nicht. Wohin also, wohin?
Der Freund ruft wieder an, um die Verabredung fest auszumachen. "Also treffen wir uns..., treffen wir uns...?" So, ich hab's: Largo dei Librari, auf der Via dei Giubbonari, das ist der richtige Ort für uns. Es ist ein perfekter Ausschnitt, sieht aus wie die Bühne eines Theaters, die kleine Kirche der heiligen Barbara ist wie eine Gemme zwischen die Häuser des Hintergrunds eingeschnitten. Er ist Rom en miniature, das Barock der Politoys, ein Konzentrat aus Ruhe und Konfusion, aus Geometrie und vitaler Unordnung. Hoch oben, neben der Minifassade der Kirche und dem Himmelsblau, gibt es ein rührendes Fensterchen, das den Schriftstellern der Boheme gefallen hätte, es sieht aus wie das "Fenster gleich neben dem blauen Himmel" in dem alten Dachboden, den Gino Paoli besungen hat.
Aber Rom besteht nicht nur aus Kunst und Inspiration. Auf dem kleinen Platz gibt es auch ein für seine filetti di baccalà berühmtes kleines Restaurant, die, begleitet von einem Glas frischem Weisswein, die Kehle erfrischen. Um sieben Uhr abends passt alles perfekt zusammen, die kleine Kirche, der Stockfisch, der Wein, die vertraulichen Gespräche. Der Freund geniesst diesen bezaubernden Augenblick, schwört bei seinen Kindern, dass er sich noch nie so wohl gefühlt hat, und schwört, im nächsten Monat nach Rom zurückzukehren.
Priesterinnen der Sünde
Wir waren vierzehn Jahre alt, hatten Flaum auf der Oberlippe, jähe Stimmungsschwankungen und noch neue Mopeds, und am Abend waren wir manchmal so unruhig, dass wir uns zusammenrotteten, aus dem Gewirr der Gassen um den Corso Trieste ausbrachen und auf die Via Olimpica einbogen, die uns vorkam wie eine Rennbahn, auf der die Autos in Richtung unbekannter Ziele dahinbrausten, endlose Kilometer Dunkelheit, die nur von Strassenlaternen und den Schildern der Tankstellen unterbrochen wurde. Vor dem Tunnel bogen wir rechts ab, in Richtung Verdammnis, in Richtung Inferno. Am Ende der Talfahrt lag nämlich Tor di Quinto. Allein bei dem Namen bekam man eine Gänsehaut, und die Gedanken gefroren, man musste ihn ganz rasch aussprechen, wie den Namen einer x-beliebigen Strasse, etwa jener, an der sich das Trainingslager von Lazio befand, genau so.
Aber in Wirklichkeit fuhren wir da hinunter, um mit fieberglänzenden Augen die Priesterinnen der Sünde zu beobachten, die obszönen und aufregenden Vestalinnen der Sexualität, die unaussprechlichen Huren. Sie sahen ganz anders aus als die Liebesdienerinnen heutzutage, die dünnen, blonden slawischen Mädchen, bei deren Anblick einem das Herz weh tut, nein, die Huren damals waren üppige, unflätige Weiber, lachend und schreiend standen sie um Feuer herum, die direkt aus dem Erdinneren zu kommen schienen, um wild flackernde Flammen, die irdische Genüsse und göttliche Strafen verhiessen. Die Frauen gingen zwischen der Dunkelheit und dem roten Licht des immer wieder von neuem angefachten Feuers hin und her, sie trugen absurde Abendkleider, sangen Schlager, waren wunderschön und furchteinflössend zugleich.
Heute hat sich der Strich woandershin verlagert, er wird von anderen Gestalten bevölkert, seine Rituale sind schneller und grausamer, und Tor di Quinto ist eine anonyme Durchgangsstrasse geworden. Dennoch stehen noch immer zwei oder drei Prostituierte unter den Platanen: sie sind so alt und heruntergekommen, dass sie einem leid tun. Eine hat ein paar grosse Mischlingshunde bei sich; wahrscheinlich geht sie nur noch auf die Strasse, um ihre Tiere durchzufüttern; eine andere sieht aus wie eine pensionierte Lehrerin, sie trägt ein strahlendweisses Gebiss, hat einen blonden Pagenkopf und humpelt herum wie eine arme Seele im Fegefeuer. Sie haben ihr ganzes Leben damit zugebracht, einsamen Männern ein paar Augenblicke des Glücks zu schenken. Auch für sie sollte ein Gesetz in Kraft treten, das es ihnen ermöglicht, eine kleine Pension zu beziehen, um endlich in den Ruhestand zu treten.
Gedenktafeln
Gedenktafeln suchen ist wie Pilze suchen: man muss sich dafür eine aufmerksame Unaufmerksamkeit bewahren, in einer Art empfänglicher Teilnahmslosigkeit herumwandern und schauen, ohne sich irgend etwas vorzunehmen, muss zulassen, dass sich die Dinge beinahe wie durch Zufall entdecken lassen. Und so finden wir an der schattigen Fassade eines Hauses in der Via del Babbuino eine Gedenktafel, die vom Aufenthalt Wagners erzählt, und in der Via Condotti spüren wir eine andere auf, die an die Durchreise Leopardis erinnert, und in der Via Tevere wiederum eine andere, die stolz verkündet, dass genau in diesem Haus Michael Collins geboren wurde, einer der drei Astronauten, die zum erstenmal den Mond betreten haben.
Es gibt Hunderte, ja vielleicht Tausende Gedenktafeln an den Mauern unserer Stadt, und es hat etwas Bewegendes, die Namen dieser berühmten Männer zu lesen, sich Stendhal oder Goethe oder Torquato Tasso vorzustellen, wie sie aus einem bestimmten Haustor treten, in Gedanken bei den Werken, die ihre Phantasie beherrschen, oder auch nur bei dem Abendessen, das sie erwartet.
Wunderschön ist die Tafel an der Fassade des Albergo del Sole, früher Locanda del Montone, wo einige Verse Ariosts wiedergegeben sind: "Indi col seno e con la
falda piena / di speme, ma di pioggia molle e brutto, / la notte andai sin al Montone a cena. (Hernach Herz und Magen voll von Hoffnung / doch von Regen nass und hässlich / ging ich des Nachts bis zum Montone zum Essen.)"
Es ist sakrosankt, den Giganten der Kunst und der Geschichte zu huldigen, aber es wäre schön, vielleicht an irgendeinem bescheidenen Haus an der Peripherie an einfache und noble Personen erinnert zu werden. Was weiss ich? "Hier lebte der Sor Giovanni, ein freundlicher Mann und ein Barbier, tüchtig wie selten einer, ein wahrer Meister der Schere und des Kamms, der es verstanden hat, viele hässliche Gedanken vom Kopf der Welt wegzubürsten." Oder: "Hier wohnte fünfzig Jahre lang die Signora Maria, Volksschullehrerin, die mit Geduld und Liebe Tausende Küken ans Leben heranführte wie eine grosse Gluckhenne." Aber leider dreht sich die Welt und vergisst, und nur dem, der wichtig war, ist eine Gedenktafel vorbehalten, die die Zeit und die Nachlässigkeit bald schwärzen. Meine bevorzugte Tafel befindet sich jedenfalls auf der Piazza della Madonna di Loreto, an der Seite des Gebäudes der Assicurazione Generali: "Hier stand das Haus, das Leben und Sterben des göttlichen Michelangelo geweiht war." Ihn gibt es nicht mehr und nicht einmal das Haus: aber wir stehen hier, wer weiss, für wie lange, um eine Gemütsbewegung zurückzuhalten.
Omphalos
Aber wie ist der Mittelpunkt der Welt beschaffen, wo ist er und vor allem: besitzt unsere Welt überhaupt ein Zentrum? Die alten Griechen nannten es omphalos, das heisst Nabel, und sie waren fest davon überzeugt, dass er sich in Delphi befand, im Tempel des Gottes Apoll; für Homer dagegen war es die kleine Insel Ogygia, für die Juden ist der Mittelpunkt von allem der Stein der Bundeslade im Tempel in Jerusalem, für die Inder ist es der Baum von Bodh-Gayâ, unter dem Buddha seine Erleuchtung erfuhr. Die Bewohner von Foligno, witzige Leute, behaupten seit jeher, dass das Herz des Universums die zentrale Kugel im zentralen Billard der zentralen Bar ihrer kleinen Stadt ist. Kurz, jedes Volk ist überzeugt, genau zu wissen, wo sich die fixe Nabe befindet, um die herum die unendlichen Strahlen der Existenz kreisen: für jeden liegt dieser magische Punkt immer in der Nähe seines Hauses, er ist die familiäre Autorität, die beschützt und beruhigt.
Auch wir Römer wussten mit einiger Sicherheit, wo sich unser Zentrum befand, aber wir schämen uns fast, zu beichten, wie prosaisch und kindisch unser Glaube war. Wir alle wussten gut, dass das Zentrum der Welt bestimmt nicht der Altar von St. Peter war oder der kaiserliche Stein im Kolosseum, auch nicht der Obelisk auf der Piazza del Popolo oder das universelle Wasser des Flüssebrunnens von Bernini auf der Piazza Navona. Es war viel weniger, es machte fast gar nichts
her: kein Kenner der Kosmologie hatte dem jemals Bedeutung beigemessen, von dem wir wussten, dass es der Nabel des Kosmos war, und so haben wir uns still verhalten, ein rascher Blick aber genügte, um Einverständnis zu erzielen.
Wir Römer waren uns immer ziemlich sicher darüber, wo sich der präzise Ort befand, auf dem Gott die Nadel seines Kompasses angesetzt hat, um die Welt zu zeichnen. Nur Mut, gestehen wir es, ohne zu erröten. Dieser Punkt war die kleine Plattform aus Beton, auf der der Verkehrspolizist stand, der den Verkehr auf der Piazza Venezia regelte. Der Mann in Uniform, armseliges Symbol jeder geheimnisvollen Macht, machte von dort oben seine seltsamen Gesten, versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen und handelte sich dafür Schmähungen und Flüche ein. Wir aber waren zufrieden, zu wissen, dass es auf der Welt, in der sich alles bewegt und verändert, einen unverrückbaren, ewigen Punkt gab. Heute, seit ein Pressluftbohrer die Plattform in Stücke gehauen hat, fühlen wir uns viel verlorener.
Der protestantische Friedhof
In diesen Tagen toben Krieg und Wahnsinn, und niemand weiss, wie lange noch und wieviel Leid sie auslösen werden. Die Bomben und der Schmerz sind weit entfernt, aber der Rauch der Zerstörung ist sogar hier spürbar, der Wind der Angst bringt ihn herbei, und er dringt in Lunge und Gedanken ein.
Dieser unsystematische Führer möchte auf Orte aufmerksam machen, wo sich Schönheit und Poesie wie auf einer Insel erhalten haben: auf Bücher, Bäume, Bilder, eine Bar am Stadtrand, eine Nebenstrasse - aber hin und wieder würden wir uns am liebsten ein schwarzes Tuch überwerfen, uns ein Schild mit der Aufschrift "Wegen Trauerfall geschlossen" umhängen und die einfachen Worte des Lebens auf bessere Zeiten verschieben. Am liebsten würden wir beiseite treten und darauf warten, dass der bittere Geschmack des Unglücks vergeht. Dennoch zwingt uns irgend etwas, weiterzumachen, vielleicht die Illusion, selbst ein kleiner wohlformulierter Satz könne dazu beitragen, die Harmonie wiederherzustellen. Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings tatsächlich ein Erdbeben in Tausenden Kilometern Entfernung auslösen kann, kann vielleicht auch eine der Schönheit gewidmete Minute einen Brand löschen. Also besuchen wir den protestantischen Friedhof in Rom, neben der Cestius-Pyramide, einen der heitersten und ergreifendsten Orte in unserer Stadt. Hier liegen Keats und Shelley begraben: die beiden romantischen englischen Dichter, die in Rom an der der Piazza di Spagna wohnten und sehr jung starben. Das Grab des einen liegt mitten auf einer grossen Wiese, und auf dem Grabstein befindet sich nicht einmal sein Name, sondern nur die berühmte Inschrift: "Here lies one whose name was writ in water" - hier liegt einer, dessen Name in Wasser geschrieben wurde. Auf dem Grab des anderen, der im Tyrrhenischen Meer ertrank, sind hingegen einige Verse aus Shakespeares Sturm zu lesen: "Aber nichts von ihm soll verlorengehen, denn ein Wunder des Meeres verwandelt ihn in etwas Reiches und Merkwürdiges." Wie alle Dichter haben Keats und Shelley früh begriffen, dass unser Aufenthalt auf dieser Erde begrenzt ist, dass die Wellen uns tragen und dann auslöschen, dass sie uns vielleicht verwandeln.
Das Puppentheater auf dem Gianicolo
In einer Ecke des Piazzale auf dem Gianicolo ist für sechs Uhr abends die erste Aufführung angekündigt: vor dem kleinen Theater zappeln unruhig die Kinder, die Eltern setzen ein sehnsüchtiges Lächeln auf, und es scheint, als würden auch die Gefolgsleute Garibaldis, deren Büsten, unter den Bäumen verstreut, aufgestellt sind, dem Puppentheater den Blick zuwenden, um sich die lange Zeit des Ruhms und der Langeweile zu verkürzen. Selbst der Held der zwei Welten, hoch oben auf seinem riesengrossen Pferd und auf ewig zu stolz-finsterer Miene und unbändigem Mut verdammt, würde gerne einen Blick auf das werfen, was dort unten geschieht, absteigen, um ein wenig über die wechselnden Geschicke Pulcinellas und der anderen Puppen zu lachen. Seit vierundvierzig Jahren wiederholt Carlo Piantadosi seine Schauspiele für Grosse von sieben und Kleine von siebzig Jahren, indem er vor aller Augen seine neapolitanischen guarattelle vorführt. Im normalen Sprachgebrauch der Römer redet man immer noch von den Marionetten vom Pincio, weil dort die Karriere Piantadosis als Assistent von Vater und Onkel begonnen hat, aber es ist schon ewig her, seit das kleine Theater auf den Gianicolo übersiedelt ist, um dem Gesellschaft zu leisten, der zwanzig Minuten frische Luft und Ablenkung sucht. Zuerst muss man den Blick ein wenig über unsere Stadt schweifen lassen, über diese Jahrhunderte der Schönheit und des Schmerzes, um sich dann - ein wenig traumverloren, fast betäubt durch Gedanken ohne Form und ohne Worte - dem kleinen Puppentheater zuzuwenden. Pulcinella liebt die liebenswürdige Gabriella, flüchtet vor den Carabinieri, vor der Arbeit und vor dem Hunger, trifft den Teufel und den Tod, teilt laute Schläge mit dem Holzknüppel aus, immer die gleichen, weil der Kampf um das irdische Glück immer gleich bleibt. Die Kinder lachen wie verrückt, beben vor Aufregung, warnen Pulcinella vor den Gefahren, schmiegen sich an die Eltern und klatschen dann zufrieden Beifall.
Carlo Piantadosi hat ganze Generationen von Römern unterhalten, vielleicht ist er der erste, der uns beigebracht hat, dass das Leben kompliziert, aber komisch ist. Wär's nicht an der Zeit, dem zuzuschauen, der den Tod seit langer Zeit mit dem Holzknüppel verdrischt?
Largo dei Librari
Dann und wann platzt der übliche ausländische Freund in Rom herein, um uns einen Besuch abzustatten: "He ciao, ich bin hier, was unternehmen wir heute abend, was zeigst du mir Schönes?" Sagen wir es freiheraus:
das trifft uns wie ein Schlag ins Genick. Von der Stadt hat dieser Freund beinahe alles gesehen, das Kolosseum, Sankt Peter, die Fontana di Trevi und die Piazza Navona, aber auch den Aventin und San Clemente, auch die Katakomben und das Foro Italico und sogar das Coppedè-Viertel, das wir ihm beim letztenmal gezeigt haben. Und doch ist er unersättlich, er giert danach, zumindest eine neue Erinnerung mitzunehmen, etwas Besonderes, ein kleines Detail, ein Eckchen, eine unvergessliche Ansichtskarte: "Also, dear friend, was bietest du mir heute?" Wir fühlen uns verpflichtet, ihn nicht zu enttäuschen, finden es aber auch mühsam, schon wieder ein prächtiges Kaninchen aus dem Zylinder zu zaubern. Wir sagen alle Verabredungen ab und, verdammter Mist, beginnen das Album der Erinnerung auf der Suche nach einem besonderen Bild zu durchblättern, nach etwas Wundersamem, das nicht allzuviel Zeit kostet. Wir würden uns gerne mit einem Aperitif begnügen, einem kleinen Plausch und einem Tellerchen Oliven an einem magischen Ort, und dann sehen wir uns in zehn Jahren wieder. Museen - nein, Ruinen - auch nicht. Wohin also, wohin?
Der Freund ruft wieder an, um die Verabredung fest auszumachen. "Also treffen wir uns..., treffen wir uns...?" So, ich hab's: Largo dei Librari, auf der Via dei Giubbonari, das ist der richtige Ort für uns. Es ist ein perfekter Ausschnitt, sieht aus wie die Bühne eines Theaters, die kleine Kirche der heiligen Barbara ist wie eine Gemme zwischen die Häuser des Hintergrunds eingeschnitten. Er ist Rom en miniature, das Barock der Politoys, ein Konzentrat aus Ruhe und Konfusion, aus Geometrie und vitaler Unordnung. Hoch oben, neben der Minifassade der Kirche und dem Himmelsblau, gibt es ein rührendes Fensterchen, das den Schriftstellern der Boheme gefallen hätte, es sieht aus wie das "Fenster gleich neben dem blauen Himmel" in dem alten Dachboden, den Gino Paoli besungen hat.
Aber Rom besteht nicht nur aus Kunst und Inspiration. Auf dem kleinen Platz gibt es auch ein für seine filetti di baccalà berühmtes kleines Restaurant, die, begleitet von einem Glas frischem Weisswein, die Kehle erfrischen. Um sieben Uhr abends passt alles perfekt zusammen, die kleine Kirche, der Stockfisch, der Wein, die vertraulichen Gespräche. Der Freund geniesst diesen bezaubernden Augenblick, schwört bei seinen Kindern, dass er sich noch nie so wohl gefühlt hat, und schwört, im nächsten Monat nach Rom zurückzukehren.
Priesterinnen der Sünde
Wir waren vierzehn Jahre alt, hatten Flaum auf der Oberlippe, jähe Stimmungsschwankungen und noch neue Mopeds, und am Abend waren wir manchmal so unruhig, dass wir uns zusammenrotteten, aus dem Gewirr der Gassen um den Corso Trieste ausbrachen und auf die Via Olimpica einbogen, die uns vorkam wie eine Rennbahn, auf der die Autos in Richtung unbekannter Ziele dahinbrausten, endlose Kilometer Dunkelheit, die nur von Strassenlaternen und den Schildern der Tankstellen unterbrochen wurde. Vor dem Tunnel bogen wir rechts ab, in Richtung Verdammnis, in Richtung Inferno. Am Ende der Talfahrt lag nämlich Tor di Quinto. Allein bei dem Namen bekam man eine Gänsehaut, und die Gedanken gefroren, man musste ihn ganz rasch aussprechen, wie den Namen einer x-beliebigen Strasse, etwa jener, an der sich das Trainingslager von Lazio befand, genau so.
Aber in Wirklichkeit fuhren wir da hinunter, um mit fieberglänzenden Augen die Priesterinnen der Sünde zu beobachten, die obszönen und aufregenden Vestalinnen der Sexualität, die unaussprechlichen Huren. Sie sahen ganz anders aus als die Liebesdienerinnen heutzutage, die dünnen, blonden slawischen Mädchen, bei deren Anblick einem das Herz weh tut, nein, die Huren damals waren üppige, unflätige Weiber, lachend und schreiend standen sie um Feuer herum, die direkt aus dem Erdinneren zu kommen schienen, um wild flackernde Flammen, die irdische Genüsse und göttliche Strafen verhiessen. Die Frauen gingen zwischen der Dunkelheit und dem roten Licht des immer wieder von neuem angefachten Feuers hin und her, sie trugen absurde Abendkleider, sangen Schlager, waren wunderschön und furchteinflössend zugleich.
Heute hat sich der Strich woandershin verlagert, er wird von anderen Gestalten bevölkert, seine Rituale sind schneller und grausamer, und Tor di Quinto ist eine anonyme Durchgangsstrasse geworden. Dennoch stehen noch immer zwei oder drei Prostituierte unter den Platanen: sie sind so alt und heruntergekommen, dass sie einem leid tun. Eine hat ein paar grosse Mischlingshunde bei sich; wahrscheinlich geht sie nur noch auf die Strasse, um ihre Tiere durchzufüttern; eine andere sieht aus wie eine pensionierte Lehrerin, sie trägt ein strahlendweisses Gebiss, hat einen blonden Pagenkopf und humpelt herum wie eine arme Seele im Fegefeuer. Sie haben ihr ganzes Leben damit zugebracht, einsamen Männern ein paar Augenblicke des Glücks zu schenken. Auch für sie sollte ein Gesetz in Kraft treten, das es ihnen ermöglicht, eine kleine Pension zu beziehen, um endlich in den Ruhestand zu treten.
Gedenktafeln
Gedenktafeln suchen ist wie Pilze suchen: man muss sich dafür eine aufmerksame Unaufmerksamkeit bewahren, in einer Art empfänglicher Teilnahmslosigkeit herumwandern und schauen, ohne sich irgend etwas vorzunehmen, muss zulassen, dass sich die Dinge beinahe wie durch Zufall entdecken lassen. Und so finden wir an der schattigen Fassade eines Hauses in der Via del Babbuino eine Gedenktafel, die vom Aufenthalt Wagners erzählt, und in der Via Condotti spüren wir eine andere auf, die an die Durchreise Leopardis erinnert, und in der Via Tevere wiederum eine andere, die stolz verkündet, dass genau in diesem Haus Michael Collins geboren wurde, einer der drei Astronauten, die zum erstenmal den Mond betreten haben.
Es gibt Hunderte, ja vielleicht Tausende Gedenktafeln an den Mauern unserer Stadt, und es hat etwas Bewegendes, die Namen dieser berühmten Männer zu lesen, sich Stendhal oder Goethe oder Torquato Tasso vorzustellen, wie sie aus einem bestimmten Haustor treten, in Gedanken bei den Werken, die ihre Phantasie beherrschen, oder auch nur bei dem Abendessen, das sie erwartet.
Wunderschön ist die Tafel an der Fassade des Albergo del Sole, früher Locanda del Montone, wo einige Verse Ariosts wiedergegeben sind: "Indi col seno e con la
falda piena / di speme, ma di pioggia molle e brutto, / la notte andai sin al Montone a cena. (Hernach Herz und Magen voll von Hoffnung / doch von Regen nass und hässlich / ging ich des Nachts bis zum Montone zum Essen.)"
Es ist sakrosankt, den Giganten der Kunst und der Geschichte zu huldigen, aber es wäre schön, vielleicht an irgendeinem bescheidenen Haus an der Peripherie an einfache und noble Personen erinnert zu werden. Was weiss ich? "Hier lebte der Sor Giovanni, ein freundlicher Mann und ein Barbier, tüchtig wie selten einer, ein wahrer Meister der Schere und des Kamms, der es verstanden hat, viele hässliche Gedanken vom Kopf der Welt wegzubürsten." Oder: "Hier wohnte fünfzig Jahre lang die Signora Maria, Volksschullehrerin, die mit Geduld und Liebe Tausende Küken ans Leben heranführte wie eine grosse Gluckhenne." Aber leider dreht sich die Welt und vergisst, und nur dem, der wichtig war, ist eine Gedenktafel vorbehalten, die die Zeit und die Nachlässigkeit bald schwärzen. Meine bevorzugte Tafel befindet sich jedenfalls auf der Piazza della Madonna di Loreto, an der Seite des Gebäudes der Assicurazione Generali: "Hier stand das Haus, das Leben und Sterben des göttlichen Michelangelo geweiht war." Ihn gibt es nicht mehr und nicht einmal das Haus: aber wir stehen hier, wer weiss, für wie lange, um eine Gemütsbewegung zurückzuhalten.
Omphalos
Aber wie ist der Mittelpunkt der Welt beschaffen, wo ist er und vor allem: besitzt unsere Welt überhaupt ein Zentrum? Die alten Griechen nannten es omphalos, das heisst Nabel, und sie waren fest davon überzeugt, dass er sich in Delphi befand, im Tempel des Gottes Apoll; für Homer dagegen war es die kleine Insel Ogygia, für die Juden ist der Mittelpunkt von allem der Stein der Bundeslade im Tempel in Jerusalem, für die Inder ist es der Baum von Bodh-Gayâ, unter dem Buddha seine Erleuchtung erfuhr. Die Bewohner von Foligno, witzige Leute, behaupten seit jeher, dass das Herz des Universums die zentrale Kugel im zentralen Billard der zentralen Bar ihrer kleinen Stadt ist. Kurz, jedes Volk ist überzeugt, genau zu wissen, wo sich die fixe Nabe befindet, um die herum die unendlichen Strahlen der Existenz kreisen: für jeden liegt dieser magische Punkt immer in der Nähe seines Hauses, er ist die familiäre Autorität, die beschützt und beruhigt.
Auch wir Römer wussten mit einiger Sicherheit, wo sich unser Zentrum befand, aber wir schämen uns fast, zu beichten, wie prosaisch und kindisch unser Glaube war. Wir alle wussten gut, dass das Zentrum der Welt bestimmt nicht der Altar von St. Peter war oder der kaiserliche Stein im Kolosseum, auch nicht der Obelisk auf der Piazza del Popolo oder das universelle Wasser des Flüssebrunnens von Bernini auf der Piazza Navona. Es war viel weniger, es machte fast gar nichts
her: kein Kenner der Kosmologie hatte dem jemals Bedeutung beigemessen, von dem wir wussten, dass es der Nabel des Kosmos war, und so haben wir uns still verhalten, ein rascher Blick aber genügte, um Einverständnis zu erzielen.
Wir Römer waren uns immer ziemlich sicher darüber, wo sich der präzise Ort befand, auf dem Gott die Nadel seines Kompasses angesetzt hat, um die Welt zu zeichnen. Nur Mut, gestehen wir es, ohne zu erröten. Dieser Punkt war die kleine Plattform aus Beton, auf der der Verkehrspolizist stand, der den Verkehr auf der Piazza Venezia regelte. Der Mann in Uniform, armseliges Symbol jeder geheimnisvollen Macht, machte von dort oben seine seltsamen Gesten, versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen und handelte sich dafür Schmähungen und Flüche ein. Wir aber waren zufrieden, zu wissen, dass es auf der Welt, in der sich alles bewegt und verändert, einen unverrückbaren, ewigen Punkt gab. Heute, seit ein Pressluftbohrer die Plattform in Stücke gehauen hat, fühlen wir uns viel verlorener.
Der protestantische Friedhof
In diesen Tagen toben Krieg und Wahnsinn, und niemand weiss, wie lange noch und wieviel Leid sie auslösen werden. Die Bomben und der Schmerz sind weit entfernt, aber der Rauch der Zerstörung ist sogar hier spürbar, der Wind der Angst bringt ihn herbei, und er dringt in Lunge und Gedanken ein.
Dieser unsystematische Führer möchte auf Orte aufmerksam machen, wo sich Schönheit und Poesie wie auf einer Insel erhalten haben: auf Bücher, Bäume, Bilder, eine Bar am Stadtrand, eine Nebenstrasse - aber hin und wieder würden wir uns am liebsten ein schwarzes Tuch überwerfen, uns ein Schild mit der Aufschrift "Wegen Trauerfall geschlossen" umhängen und die einfachen Worte des Lebens auf bessere Zeiten verschieben. Am liebsten würden wir beiseite treten und darauf warten, dass der bittere Geschmack des Unglücks vergeht. Dennoch zwingt uns irgend etwas, weiterzumachen, vielleicht die Illusion, selbst ein kleiner wohlformulierter Satz könne dazu beitragen, die Harmonie wiederherzustellen. Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings tatsächlich ein Erdbeben in Tausenden Kilometern Entfernung auslösen kann, kann vielleicht auch eine der Schönheit gewidmete Minute einen Brand löschen. Also besuchen wir den protestantischen Friedhof in Rom, neben der Cestius-Pyramide, einen der heitersten und ergreifendsten Orte in unserer Stadt. Hier liegen Keats und Shelley begraben: die beiden romantischen englischen Dichter, die in Rom an der der Piazza di Spagna wohnten und sehr jung starben. Das Grab des einen liegt mitten auf einer grossen Wiese, und auf dem Grabstein befindet sich nicht einmal sein Name, sondern nur die berühmte Inschrift: "Here lies one whose name was writ in water" - hier liegt einer, dessen Name in Wasser geschrieben wurde. Auf dem Grab des anderen, der im Tyrrhenischen Meer ertrank, sind hingegen einige Verse aus Shakespeares Sturm zu lesen: "Aber nichts von ihm soll verlorengehen, denn ein Wunder des Meeres verwandelt ihn in etwas Reiches und Merkwürdiges." Wie alle Dichter haben Keats und Shelley früh begriffen, dass unser Aufenthalt auf dieser Erde begrenzt ist, dass die Wellen uns tragen und dann auslöschen, dass sie uns vielleicht verwandeln.
Das Puppentheater auf dem Gianicolo
In einer Ecke des Piazzale auf dem Gianicolo ist für sechs Uhr abends die erste Aufführung angekündigt: vor dem kleinen Theater zappeln unruhig die Kinder, die Eltern setzen ein sehnsüchtiges Lächeln auf, und es scheint, als würden auch die Gefolgsleute Garibaldis, deren Büsten, unter den Bäumen verstreut, aufgestellt sind, dem Puppentheater den Blick zuwenden, um sich die lange Zeit des Ruhms und der Langeweile zu verkürzen. Selbst der Held der zwei Welten, hoch oben auf seinem riesengrossen Pferd und auf ewig zu stolz-finsterer Miene und unbändigem Mut verdammt, würde gerne einen Blick auf das werfen, was dort unten geschieht, absteigen, um ein wenig über die wechselnden Geschicke Pulcinellas und der anderen Puppen zu lachen. Seit vierundvierzig Jahren wiederholt Carlo Piantadosi seine Schauspiele für Grosse von sieben und Kleine von siebzig Jahren, indem er vor aller Augen seine neapolitanischen guarattelle vorführt. Im normalen Sprachgebrauch der Römer redet man immer noch von den Marionetten vom Pincio, weil dort die Karriere Piantadosis als Assistent von Vater und Onkel begonnen hat, aber es ist schon ewig her, seit das kleine Theater auf den Gianicolo übersiedelt ist, um dem Gesellschaft zu leisten, der zwanzig Minuten frische Luft und Ablenkung sucht. Zuerst muss man den Blick ein wenig über unsere Stadt schweifen lassen, über diese Jahrhunderte der Schönheit und des Schmerzes, um sich dann - ein wenig traumverloren, fast betäubt durch Gedanken ohne Form und ohne Worte - dem kleinen Puppentheater zuzuwenden. Pulcinella liebt die liebenswürdige Gabriella, flüchtet vor den Carabinieri, vor der Arbeit und vor dem Hunger, trifft den Teufel und den Tod, teilt laute Schläge mit dem Holzknüppel aus, immer die gleichen, weil der Kampf um das irdische Glück immer gleich bleibt. Die Kinder lachen wie verrückt, beben vor Aufregung, warnen Pulcinella vor den Gefahren, schmiegen sich an die Eltern und klatschen dann zufrieden Beifall.
Carlo Piantadosi hat ganze Generationen von Römern unterhalten, vielleicht ist er der erste, der uns beigebracht hat, dass das Leben kompliziert, aber komisch ist. Wär's nicht an der Zeit, dem zuzuschauen, der den Tod seit langer Zeit mit dem Holzknüppel verdrischt?
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Autoren-Porträt von Marco Lodoli
Lodoli, MarcoMarco Lodoli, 1956 in Rom geboren, lebt und arbeitet dort als Lehrer. Sein 1986 erschienenes Buch Diario di un millennio che fugge wurde mit dem Premio Mondello und dem Premio Elsa Morante ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm in deutscher Übersetzung Der grosse Anarchistenzirkus (Roman, 1996), Der Wind (Roman, 1998) sowie Hunde und Wölfe (Erzählungen, 1999).
Bibliographische Angaben
- Autor: Marco Lodoli
- 2006, 112 Seiten, Masse: 12,8 x 20,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Nagl, Gundl
- Übersetzer: Gundl Nagl, Karin Fleischanderl
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446207422
- ISBN-13: 9783446207424
- Erscheinungsdatum: 04.03.2006
Kommentar zu "Spaziergänge in Rom"
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