Seit du tot bist
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Die Hoffnung lebt - und wird dich zerstören
Gens Tochter kam vor acht Jahren tot zur Welt. Nun steht eine fremde Frau vor ihrer Tür und behauptet, dass sie lebt. Dass alle bei der Geburt Anwesenden gekauft waren, damit jemand Gen ihr Baby...
Gens Tochter kam vor acht Jahren tot zur Welt. Nun steht eine fremde Frau vor ihrer Tür und behauptet, dass sie lebt. Dass alle bei der Geburt Anwesenden gekauft waren, damit jemand Gen ihr Baby...
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Produktinformationen zu „Seit du tot bist “
Die Hoffnung lebt - und wird dich zerstören
Gens Tochter kam vor acht Jahren tot zur Welt. Nun steht eine fremde Frau vor ihrer Tür und behauptet, dass sie lebt. Dass alle bei der Geburt Anwesenden gekauft waren, damit jemand Gen ihr Baby wegnehmen konnte. Zunächst hält Gen das für einen geschmacklosen Scherz. Aber etwas in ihr sagt ihr, dass die Frau die Wahrheit sagt, und eine trügerische Hoffnung keimt in ihr auf. Aber wer sollte so etwas tun, falls es tatsächlich wahr ist? Es kann nur jemand aus ihrem engsten Umfeld gewesen sein.
Gens Tochter kam vor acht Jahren tot zur Welt. Nun steht eine fremde Frau vor ihrer Tür und behauptet, dass sie lebt. Dass alle bei der Geburt Anwesenden gekauft waren, damit jemand Gen ihr Baby wegnehmen konnte. Zunächst hält Gen das für einen geschmacklosen Scherz. Aber etwas in ihr sagt ihr, dass die Frau die Wahrheit sagt, und eine trügerische Hoffnung keimt in ihr auf. Aber wer sollte so etwas tun, falls es tatsächlich wahr ist? Es kann nur jemand aus ihrem engsten Umfeld gewesen sein.
Klappentext zu „Seit du tot bist “
Die Hoffnung lebt - und wird dich zerstörenGens Tochter kam vor acht Jahren tot zur Welt. Nun steht eine fremde Frau vor ihrer Tür und behauptet, dass sie lebt. Dass alle bei der Geburt Anwesenden gekauft waren, damit jemand Gen ihr Baby wegnehmen konnte. Zunächst hält Gen das für einen geschmacklosen Scherz. Aber etwas in ihr sagt ihr, dass die Frau die Wahrheit sagt, und eine trügerische Hoffnung keimt in ihr auf. Aber wer sollte so etwas tun, falls es tatsächlich wahr ist? Es kann nur jemand aus ihrem engsten Umfeld gewesen sein ...
Lese-Probe zu „Seit du tot bist “
Seit du tot bist von Sophie McKenzieKapitel 1
Ich bin spät dran.
Ich hasse das.
Um fünf soll ich Art abholen, und jetzt ist schon Viertel vor.
Ich hetze den Gang zum Lehrerzimmer hinunter. Die neue Zahlenkombination für die Tür weiß ich nicht mehr und muss draußen warten, bis mich ein anderer Dozent hereinlässt. Ich stopfe die übrig gebliebenen Fotokopien in meine Ablage und lege die Teilnehmerliste ins Fach. Ich bin auf dem Weg nach draußen, als Sami, Fachbereichsleiter Geisteswissenschaften, mich daran erinnert, dass meine Vorlesung morgen früh wegen Renovierungsarbeiten ausfällt. Ich versuche, mir das zu merken, stürze zur Eingangstür des Instituts hinaus und weiter, halb trabend, halb rennend, die Great Queen Street entlang bis zum Kingsway. Es ist grau und trübe, dicke Wolken verheißen Regen. Kein Taxi weit und breit. Zum Oxford Circus fährt natürlich auch die U-Bahn, aber seit den Bombenanschlägen im Juli 2005 nehme ich die U-Bahn nur noch, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Aber schon vorher war mir der Bus lieber. Art hasst Busse. Sind ihm zu langsam.
Ich stürme um die Ecke zur Haltestelle, navigiere dabei im Laufschritt um mehrere Stolperstellen im Gehsteig und eine Gruppe halbwüchsiger italienischer Touristen. Gottlob, auf der High Holburn rollt die Nummer acht gerade heran. Mit ihr kann ich bis zum Kaufhaus John Lewis fahren und dann zur Harley Street hinaufrennen.
Im Bus drücke ich meine Oyster-Card auf den Sensor und lehne mich mit einem Seufzer an eine Stange. Eine Frau neben mir - jung, strähniges Haar - kämpft mit einem Baby in einem Buggy.
»Setz dich hin, verdammt noch mal«, zischt sie. Sie ist so außer sich; ich drehe mich weg und gehe weiter nach hinten.
... mehr
Um Viertel nach fünf bin ich an der Klinik. Art wartet schon vor der Tür. Ich sehe ihn Sekunden, bevor er mich entdeckt - gepflegt, weltmännisch in seinem Anzug. Dunkelgrau. Paul Smith - sein Liebster. Einfach und stilvoll - dazu wie immer ein einfarbiges Hemd, Kragenknopf offen, keine Krawatte. Solche Sachen stehen ihm. Haben ihm immer gestanden. Er wendet den Kopf und sieht mich. Er ist abgespannt. Und gereizt. Ich erkenne das im Näherkommen daran, wie er die Braue hochzieht.
»Ich bin spät dran. Tut mir leid.« Ich hebe den Kopf, und er küsst mich. Streift kurz meine Lippen.
»Schon gut«, sagt er.
In Wahrheit tut es mir eigentlich nicht leid, und er findet es auch nicht gut. Ich möchte eigentlich gar nicht hier sein, und Art weiß das auch.
Ich folge ihm nach innen. Wir queren die Eingangshalle, und er streift sich das Jackett ab. Sein Hemd hat innen am Kragen ein kleines Loch. Sehen kann man es nicht, aber ich weiß, dass es da ist. Und an der Art, wie seine Arme steif herunterhängen, sehe ich, dass er sauer auf mich ist. Ich soll ein schlechtes Gewissen haben. Weil ich zu spät gekommen bin, und seine Zeit ist kostbar. Außerdem ist das hier für ihn genauso unangenehm wie für mich.
Vor der Tür zum Wartezimmer bleibt er kurz stehen. Er dreht sich lächelnd zu mir um, was ihn bei seiner Laune offensichtlich große Anstrengung kostet. »Mr. Tamansini war eben da. Er ist froh, dass wir wieder hier sind.«
»Hast du mit ihm gesprochen?« Ich bin überrascht; die Fachärzte verlassen während der Sprechstunden kaum einmal ihre Zimmer.
»Er war zufällig gerade frei, als ich kam.« Art nimmt mich an der Hand und führt mich ins Wartezimmer. Typisch für dieses Ärzteviertel: eine Reihe harter Chintz-Sessel mit passender Couch. Ein offener Kamin mit Trockenblumen auf dem Sims, darüber ein geschmackloses modernes Gemälde. An den Wänden ringsum Diplome, Preise und Konzessionen, rahmenlos hinter Glas. Ich entdecke mich in einem Spiegel in der Ecke. Mein Pulli ist zerknautscht, und man könnte meinen, ich hätte das Haar seit einer Woche nicht mehr gebürstet. Zu lang ist es auch; der Pony hängt mir bis in die Augen, die trockenen Spitzen sind voller Spliss und stoßen unschön auf den Schultern auf. Vor Beths Geburt habe ich alle paar Monate nachschneiden und Strähnchen machen lassen. Ich ziehe den Pulli straff und streiche das Haar glatt. Meine Augen heben sich strahlend blau vom Rosa der Wangen ab, Dunkelrosa genau genommen, nach meinem Dauerlauf. Früher bin ich auch noch ins Fitnessstudio gegangen. Dazu fehlt mir jetzt die Kraft.
»Er war pünktlich, aber weil du nicht da warst, haben sie das nächste Paar hereingerufen.« Er sagt das nur ein klein wenig vorwurfsvoll.
Ich nicke noch einmal. Er streicht mir über den Arm.
»Und bei dir? Wie war deine Vorlesung?«
Ich sehe ihn mir genau an. Er wirkt immer noch so jungenhaft, obwohl er doch vergangene Woche 40 geworden ist. Liegt das nun an der weichen Rundung seines Kiefers oder an dem Grübchen am Kinn, oder doch eher an seinen großen, erwartungsvollen Augen? Ich streiche ihm übers Kinn. Seine Haut ist rau. Art muss sich zweimal am Tag rasieren, aber seinen Bartschatten habe ich immer gemocht. Er wirkt damit verwegener. Sexy.
»Im Institut ging's ganz gut.« Mir schnürt es die Kehle zusammen. Ich möchte überhaupt nicht hier sein. »Es tut mir wirklich leid, dass ich zu spät gekommen bin. Es ist nur ... dass wir nun wieder hier sind ...«
Er drückt meinen Arm. »Ich weiß ...« Er legt den Arm um mich und drückt mich an seine Brust. Ich berge mein Gesicht an seinem Hals und presse die Augen zu, gegen die andrängenden Tränen.
»Diesmal wird's klappen, da bin ich mir sicher. Wir sind einfach an der Reihe, Gen.«
Er sieht auf die Uhr. Die hat er seit Jahren. Sie ist abgewetzt, das Glas zerkratzt. Ein Geschenk von mir - mein erstes Geburtstagsgeschenk für ihn. Da kannten wir uns drei Monate. An dem Abend hat er sich zum ersten Mal von mir zum Essen einladen lassen; darauf habe ich bestanden, weil doch sein Geburtstag war. Ein lauer Frühlingsabend - der erste nach langen Wintermonaten, so war es einem vorgekommen. Nach dem Essen schlenderten wir stundenlang am Embankment entlang, über die Waterloo Bridge hinüber zur South Bank. Art erzählte mir von seinen Plänen für Loxley Benson ... Dass er schon sein ganzes Leben nach etwas suche, an das er glauben könne, auf das er seine ganze Kraft richten könne. Ein Ziel.
»Und deine Geschäfte haben für dich diese Bedeutung?«, habe ich gefragt.
Er hat meine Hand genommen und »nein« geantwortet - ich sei, wonach er gesucht habe, und unsere Beziehung sei ihm wichtiger als alles andere.
An dem Abend sagte er zum ersten Mal, dass er mich liebe.
Ich mache mich von ihm los und wische mir so unauffällig wie möglich die Augen trocken. Ein Stück von Art entfernt sitzen noch drei Paare im Wartezimmer und ich möchte nicht, dass sie etwas mitbekommen. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen und falte die Hände im Schoß. Ich konzentriere mich auf meinen Atem und versuche, mich von dem Aufruhr in meinem Kopf zu lösen.
Art liebt mich immer noch. Das weiß ich. Andernfalls hätte er das lange, furchtbare Jahr nach Beth nicht mit mir zusammen durchgestanden. Ganz zu schweigen von den sechs gescheiterten Versuchen mit künstlicher Befruchtung seither.
Manchmal frage ich mich allerdings, ob er mir überhaupt zuhört. Wie oft habe ich ihm geschildert, wie sehr mir die Besuche in der Klinik zusetzen? Die Höhen und Tiefen der künstlichen Befruchtung. Fast ein Jahr ist seit unserem letzten Versuch vergangen. Damals habe ich auf eine Pause bestanden, und Mr. Tam - wie er in den Onlineforen über Unfruchtbarkeit genannt wird - hat mich darin bestärkt. Art hat eingewilligt, und wir beide haben gehofft, ich würde vielleicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Es gibt ja auch keinen Grund, warum das nicht klappen sollte - zumindest hat niemand einen feststellen können. Aber auch für die sechs vergeblichen Versuche gibt es keine Erklärung.
In den letzten Monaten hat Art mich immer wieder gedrängt, die Behandlung wieder aufzunehmen. Er hat diesen Termin für uns vereinbart. Dabei kann ich schon den bloßen Gedanken an eine weitere Runde kaum ertragen - an die damit verbundenen Nebenwirkungen und die psychische Belastung. Zu oft habe ich das alles durchgemacht: einen Zyklus einleiten, oder die Gelegenheit dazu verpassen, weil man fort ist. Die tägliche Untersuchung in der Klinik. An bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten seine Medikamente nehmen. Und dann stellt sich heraus, dass die Follikel nicht groß genug oder nicht zahlreich genug sind, oder dass die Embryos nicht überleben. Dann für einen oder zwei Zyklen aussetzen, wie besessen auf den Eisprung warten, dann auf das Einsetzen der Regel, und dann geht alles von vorn los. Und so weiter. Und nichts, nichts von alldem bringt sie jemals wieder zurück.
Beth. Mein Baby, das tot zur Welt kam.
All das möchte ich Art erzählen, aber dann müsste ich über Beth reden, die doch an einem sicheren Ort in meinem Kopf verwahrt ist, zusammen mit all dem Schmerz und der Trauer, an die ich nicht rühren kann, nicht rühren will.
»Mr. und Mrs. Loxley?«
Art springt sofort auf. Die Schwester lächelt ihn an. Bei Art ist das kaum zu vermeiden. Schon bevor er bei Die Verhandlung im Fernsehen zu sehen war, lächelten die Menschen ihn an. Sein jugendlicher Charme, seine Energie. Der Erfolg von Loxley Benson beruht bestimmt zur Hälfte darauf, wie er die Leute ansieht, mit funkelnden Augen, sodass jeder sich selbst plötzlich für etwas Besonderes hält - als sei nichts bedeutsamer als das, was man gerade sagen will.
Die zweite Hälfte ist natürlich eine andere Geschichte. Art ist klug. Gewitzt. Und völlig besessen. Mum hat das gleich durchschaut, als sie ihn kennengelernt hat. Noch bevor er zu Wohlstand kam und als seine Online-Investmentfirma - für ethisch vertretbare Investitionen - gerade erst im Entstehen war, ohne Geld und Sicherheit. »Dieser Junge «, sagte sie, »der wird die Welt aus den Angeln heben.«
Dann hat sie ihr typisches gequältes Lächeln aufgesetzt: »Pass bloß auf, dass du keinen Schaden nimmst, wenn du da versuchst, Schritt zu halten.«
Mr. Tamansinis Schreibtisch ist wie ein Schiff - überall dickes, braunes Prägeleder, an den Kanten Reihen massiver Ziernägel aus Messing. Der kleine Mann - olivfarbene Haut, spitzes Gesicht und zarte Hände - wirkt dahinter immer ein wenig verloren. Er presst die Fingerspitzen aufeinander, wenn er spricht. Art und ich sitzen auf der anderen Seite des Schreibtischs. Er starrt uns an.
»Ich schlage vor, dass Sie es diesmal mit ICSI versuchen «, meint er bedächtig. »Dabei injizieren wir das Sperma direkt in die Eizelle.«
»Siehst du?« Art stupst mich am Arm, als säßen wir im Klassenzimmer in der letzten Reihe. »Hab ich's dir nicht gesagt? Da gibt's jetzt was Neues.«
Ich kann den Blick nicht von Mr. Tamansinis Fingern wenden. Seltsame Vorstellung, dass sie schon in mir drin gewesen sind. Aber was ist am Konzept Frauenarzt eigentlich nicht seltsam? Dabei ist mir Mr. Tam durchaus sympathisch. Sein Schweigen. Wie er selbst bei Arts energischsten Ausbrüchen ruhig bleibt. Bei vier meiner sechs fehlgeschlagenen IVF-Versuche stand er mir als verantwortlicher Arzt zur Seite. Da kann man schon sagen, dass wir eine Menge zusammen durchgemacht haben.
»Aber die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion gibt es doch schon länger«, sage ich und sehe Mr. Tam an. »Warum jetzt?«
Mr. Tam räuspert sich. »ICSI ist die Methode der Wahl bei Sperma minderer Qualität, aber sie ist ebenso nützlich bei Paaren mit geringer Befruchtungsquote oder einer geringen Zahl an Eizellen, was beides auf Sie zutrifft.«
»Das kostet doch bestimmt mehr als eine gewöhnliche künstliche Befruchtung, oder?«, frage ich.
Art versteinert sofort, als ich Geld erwähne. Eine minimale Bewegung nur, aber sie ist mir vertraut. Als ob ein Tier die Ohren aufstellt und auf verräterische Geräusche lauscht. Ich starre Mr. Tams Schreibtisch an. Die Reihen der Beschlagnägel an den Kanten schimmern im Licht. Ob die jemand poliert, geht mir durch den Sinn.
»Es kostet tatsächlich mehr«, räumt Mr. Tamansini ein, »aber dafür liegt die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Schwangerschaft deutlich höher.«
»Und auf was muss man sich bei einer ICSI einstellen?«, fragt Art. Er klingt dabei ganz gleichgültig, aber ich kann die Schärfe in seiner Stimme hören. So leicht lässt er sich - und mich - nicht für dumm verkaufen.
Mr. Tam lächelt. »Für Sie beide wird es sich kaum anders als eine gewöhnliche IVF anfühlen.« Dann erklärt er die Prozedur. Ich klinke mich für einen Moment aus. Über ICSI weiß ich Bescheid; schon vor Jahren habe ich über allen möglichen Methoden gebrütet.
»...und funktioniert ganz wie ein frisch entmülltes Betriebssystem «, endet Mr. Tamansini, »mit dem man einen neuen Computer in Gang bringen kann.«
Art lacht. Er mag Mr. Tams Vergleiche.
»Nun, wie denken Sie darüber?«, fragt Mr. Tam.
»Unbedingt.« Art blickt mich an. »Probieren wir's.«
Eine Sekunde lang bin ich wütend, dass Art einfach für mich mitentscheidet. Dann fällt mir ein, dass ich eingewilligt habe, hierherzukommen; dass er glaubt, ich sei dazu bereit, und dass ich ihm seit Ewigkeiten nicht deutlich gesagt habe, wie es wirklich um mich steht.
»Ich weiß nicht«, winde ich mich. »Weißt du ...ich bin mir wegen der künstlichen Befruchtung gar nicht mehr so sicher. Machen wir uns doch nichts vor - in ein paar Monaten bin ich vierzig, und das ...«
»... ist nicht zu alt.« Art wendet sich an Mr. Tam. »Sagen Sie's ihr doch bitte auch. Sie ist nicht zu alt.«
Mr. Tam holt tief Luft. Seine Züge bleiben entspannt und geschäftsmäßig, aber sicherlich fragt er sich, warum ich bei all meinen Bedenken überhaupt hergekommen bin. »Sie haben natürlich völlig recht, Mrs. Loxley. Es gibt keine Erfolgsgarantie. Aber sie sind schon einmal schwanger geworden, und das ist ein gutes Zeichen. Und vierzig ist für eine IVF wirklich kein Alter.«
Ich starre ihn an, ihn und sein gütiges, beruhigendes Lächeln.
»Ich glaube nicht ...« Meine Stimme bebt. »Ich weiß nicht, ob ich das ... ob ich das alles noch mal durchstehe ...« Mir versagt die Stimme, und ich blicke auf den Teppichboden. Er hat einen braunen Fleck in Form einer Kidneybohne, neben dem hinteren Tischbein.
Warum fällt es mir so schwer auszusprechen, was ich will? Wie mir zumute ist?
Leise dringt mir Arts Stimme ins Ohr, eindringlicher denn je. »Gen, wir müssen es weiter versuchen. Begreifst du das nicht? Wenn du möchtest, mache ich für dich eine komplette Risikobewertung anhand der ICSI-Statistik, versprochen! Die Chancen lassen sich ja berechnen, und wenn's gut aussieht, dann kriegen wir das zusammen hin, so wie wir alles zusammen hinkriegen.«
Ich sehe auf. Mr. Tam ist zur Sprechanlage gegangen, beim Vorhang, der einen Bereich abteilt. Er spricht leise. Und gibt Art und mir damit Gelegenheit, uns zusammenzuraufen. Ich sehe Art an. In seinen Augen tanzt diese neue Hoffnung. Ich hasse mich, weil ich nicht ebenso empfinde.
»Ich weiß, wie schwer das für dich ist, mit den Medikamenten und Arztterminen und allem«, fährt er fort. »Und ich weiß, dass wir das schon fünfmal durchgemacht haben ...«
»Sechsmal«, verbessere ich.
»... aber es wäre doch noch einen Versuch wert«, drängt er. »Findest du nicht auch, dass es noch einen Versuch wert wäre?«
Ich schüttele den Kopf. Früher hatte ich das auch gedacht, vielleicht auch noch bei den ersten Versuchen nach Beth. Aber der immer wiederkehrende Schmerz nach einem weiteren fehlgeschlagenen Versuch, der war es eindeutig nicht wert.
Art runzelt die Stirn. »Ich verstehe nicht, warum du's nicht noch einmal versuchen willst«, meint er. Er möchte verständnisvoll klingen, aber im Unterton schwingt Ungeduld mit. »Wenn die Chancen vernünftig stehen, meine ich.«
Ich atme tief ein und wieder aus. »Es ist nicht wegen der Chancen und der Risikofaktoren und der Medikamente.« Ich sehe ihm in die Augen in der Hoffnung, Verständnis aus ihnen lesen zu können. Ich flüstere. Noch immer fällt es mir unendlich schwer, ihren Namen laut auszusprechen. »Es ist wegen Beth.«
Er scheint verwirrt. »Du meinst, es schmälert ihr Andenken, wenn wir es noch einmal versuchen?«
»Nicht direkt ...«
»Oh, Gen. Wir ehren ihr Andenken doch trotzdem. Es ist ja geradezu der Beweis, wie sehr wir sie geliebt haben ... dass wir sie unbedingt ... ersetzen wollen.«
Ersetzen wollen? Mr. Tam sitzt wieder am Schreibtisch und legt die Fingerspitzen aneinander.
Arts Worte klingen mir in den Ohren. Ich starre wieder auf den bohnenförmigen Fleck, und das Blut pocht in meinen Schläfen.
»Ich glaube, wir müssen noch einmal darüber nachdenken «, sagt Art schließlich. Es klingt gedämpft, wie in weiter Ferne.
»Natürlich.« Mr. Tam lächelt. Ich höre es am Tonfall und starre weiter auf den Fleck. »Das ist ja bislang nur ein Vorschlag. Da sollten wir wirklich nichts übereilen.«
Ich sehe auf. »Das ist eine gute Idee.«
Art legt mir den Arm um die Schulter. »Unbedingt.«
Ein paar Minuten später sind wir draußen und fahren mit dem Taxi nach Hause. Für Art die einzige Transportweise. Er könnte sich leicht einen Chauffeur leisten, jetzt wo Loxley Benson boomt, aber er hasst alles Elitäre. Wenn ich einwende, Taxis seien ebenso elitär, dann entgegnet er, sie seien im Vergleich zu den langsamen Bussen und Bahnen praktischer, und seine Zeit sei eben Geld.
Wir sagen nichts. Ich bin noch immer aufgewühlt. Plötzlich merke ich, dass er mit mir redet.
»Entschuldige?«
»Das musste doch nicht sein.« Er nimmt meine Hand und legt sie zwischen die seinen.
Ich sehe nach unten. Der Nagel an meinem Zeigefinger ist ganz abgekaut, die Nagelhaut fast blutig. Ich rolle ihn ein, damit er nicht zu sehen ist. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich ihn im Mund hatte.
Arts Hände üben sanften Druck aus. »Warum hast du mich den Termin machen lassen, wenn du dir so sicher warst, dass du keinen Versuch mehr willst?«
Die Sonne im Taxifenster steht tief über dem Regent's Park. Eine vollkommene, brennend orangefarbene Scheibe am klaren, marineblauen, nun wieder wolkenlosen Himmel. Seine Augen funkeln im warmen Licht, und mein Herz macht vor lauter Liebe zu ihm einen Sprung. So rücksichtslos er im Geschäftlichen sein kann, ist Art im Grunde der liebenswürdigste Mensch, den ich kenne.
»Das mit dem Termin tut mir leid«, sage ich. »Ich weiß, das war nicht richtig ...« Ich bringe den Satz nicht zu Ende. Wäre ich nur nicht so durcheinander.
»Du bist schon ganz schön verrückt, weißt du?«, meint Art liebevoll.
Wir starren uns einen Augenblick lang an; dann beugt sich Art vor. »Kannst du mir wenigstens erklären, was dir solche Sorgen macht, Gen? Weil ich will doch nur ... ich meine, das alles, das tue ich doch nur für dich, das weißt du doch. Ich will es doch nur verstehen, weil ich einfach nicht begreife, was daran falsch sein soll, es noch einmal zu versuchen. «
Ich nicke und suche nach den richtigen Worten. Aber wie soll ich erklären, was sich schon in meinem eigenen Kopf so konfus und labil anfühlt.
»Beth zu ›ersetzen‹ ist mir schon als Gedanke unmöglich «, sage ich.
Ihren Namen zu sagen schmerzt. Aber wenn ich ihn nicht ausspreche, dann leugne ich ihre Existenz, und das ist noch schlimmer. Mir krampft sich der Magen zusammen.
»Ich meinte doch gar nicht ersetzen«, verwirft Art achselzuckend das Wort, das er benutzt hatte. Er sitzt nun kerzengerade. »Selbstverständlich können wir sie nicht ersetzen. Aber wir können doch trotzdem noch einmal Eltern werden, oder nicht?«
»Ich weiß nicht.«
Art fasst sich an den Kragen und tastet nach dem verborgenen Loch im Stoff. »Dann lass es mich doch wissen, für uns beide.«
»Und was ist mit den Kosten?«, wende ich ein. »Wir haben schon so viel dafür ausgegeben.«
Art winkt ab. »Das ist wirklich unser kleinstes Problem.«
Das ist wahr, ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, wie viel Art verdient. Dabei haben wir schon vorher keine Geldsorgen gehabt. Loxley Benson floriert nun schon eine ganze Weile, aber seit diesem Jahr läuft es einfach phänomenal. Kaum eine andere kleine Firma in England wächst im Augenblick so schnell.
»Es geht mir auch gar nicht um die Menge«, sage ich. »Aber die Vorstellung, dass man gutes Geld dem schlechten hinterherwirft und ...«
»Lieber Gott, Gen, so viel ist es ja nicht. Ein paar Tausend vielleicht. Durch Die Verhandlung kriege ich praktisch täglich neue Aufträge. Ich hatte neulich ein Kundengespräch mit einer Frau aus irgendeinem Regierungsprogramm; bei der Tagung morgen in Brüssel will sie mit mir darüber reden, wie sie mich dort mit hineinholen kann. Es läuft wirklich fantastisch, Gen, genau wie ich es vorhergesagt habe. Wir sind dabei, gewaltig groß zu werden.«
»Aber ...« Ich breche ab, kann nicht aussprechen, was mich wirklich bedrückt, nämlich dass ich mir seit seinem beruflichen Senkrechtstart völlig unzulänglich vorkomme. Das ist natürlich ungerecht, wo er sich doch so für uns abrackert. Als Schwangere habe ich mich ihm ebenbürtig gefühlt. Als leistete ich endlich auch einmal einen angemessenen Beitrag zu unserer Ehe. Aber jetzt, wo er das Geld mit vollen Händen heranschafft, wird umso mehr deutlich, wie sehr ich bei meinem Teil der unausgesprochenen Abmachung versagt habe.
»Du musst das einfach wollen, Gen. Wir schaffen das. Ich werde dafür sorgen.«
Seine Worte, die Entschlossenheit um seine Mundwinkel, sein ganzer Körper ... alles so überzeugend. Und, wie ich aus Erfahrung weiß, praktisch unwiderstehlich.
»Du willst es tatsächlich noch einmal versuchen, nicht?«
Er zuckt mit den Achseln. »Was ist die Alternative? Adoption?«
Ich schüttele den Kopf. Darin zumindest waren wir uns immer einig. Wenn wir ein Kind kriegen, dann muss es schon unser eigenes sein.
»Eben.« Er lehnt sich nach vorn. »Ich möchte das wirklich, Gen.« Er verstummt und seine Lippen beben. »Aber nur, wenn du es auch willst.«
Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er verletzlich aus, wie ein kleiner Junge, und ich sehe, wie sehr er fürchtet, ich käme nicht über Beths Tod hinweg und dass unsere Liebe darüber verloren gehen könnte ... weil ich eines Tages entweder Beth loslassen muss - oder Art.
»Ich möchte das mit dir zusammen tun, Gen«, flüstert er. »Bitte begreif das doch.«
Das Taxi kommt vor der Ampel zwischen Camden High Street und Kentish Town Road zum Stehen. Art und ich haben uns in Camden kennengelernt, vor vierzehn Jahren bei einer großen Silvesterparty. Ich war mit meiner besten Freundin Hen dort. Art war sechsundzwanzig und seit kaum einem Jahr selbstständig. Er hatte sich mit ein paar Kollegen in die Party hineingemogelt in der Hoffnung, nützliche Leute kennenzulernen. Mir war es eher um Spaß und ein paar kostenlose Drinks gegangen.
Wir trafen zusammen, als einer von Arts Kollegen - Tris - an der Bar Hen über den Weg lief. Die beiden kannten sich von der Uni, hatten sich aber aus den Augen verloren. Hen stellte mich natürlich Tris vor und der mich dann Art. Art spendierte eine Runde, von der ich die meisten Gläser umstieß, als ich von der Toilette zurückkam. Er blieb total nett und bestellte noch eine Runde, obwohl er - das erfuhr ich später - damals selbst fürs Essen kaum Geld hatte. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte mir von Loxley Benson, der Firma, die er erst wenige Monate zuvor mit einem guten Freund gegründet hatte, und wie er auf der neuen Welle des Online Trading reiten wollte, und mit welcher Leidenschaft er sicherstellen wollte, dass seine Firma nur in ethisch, sozial und ökologisch einwandfreie Projekte investierte.
Ich erzählte, dass ich bei einer langweiligen Haushaltszeitschrift arbeitete, über Küchen und Farbmuster schrieb und davon träumte, irgendwann einmal einen Roman zu verfassen. Ich weiß noch, wie mich seine Besessenheit beeindruckte. Dass ihm kein Risiko zu groß, kein Rückschlag zu schwer war auf seinem Weg, sein Ziel zu erreichen. Dass es nicht primär darum ging, Geld zu verdienen, sondern Einfluss zu nehmen.
Schon damals wusste ich, dass Art bekommen würde, was immer er wollte.
Mich eingeschlossen.
»Gen?«
Ich beiße mir auf die Lippe. Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Straßenlaternen glimmen auf. Wäre Art nicht mit mir verheiratet, dann hätte er inzwischen wahrscheinlich vier Kinder. Das steht ihm doch zu. Ich sollte ihm da nicht im Weg stehen.
© 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
Um Viertel nach fünf bin ich an der Klinik. Art wartet schon vor der Tür. Ich sehe ihn Sekunden, bevor er mich entdeckt - gepflegt, weltmännisch in seinem Anzug. Dunkelgrau. Paul Smith - sein Liebster. Einfach und stilvoll - dazu wie immer ein einfarbiges Hemd, Kragenknopf offen, keine Krawatte. Solche Sachen stehen ihm. Haben ihm immer gestanden. Er wendet den Kopf und sieht mich. Er ist abgespannt. Und gereizt. Ich erkenne das im Näherkommen daran, wie er die Braue hochzieht.
»Ich bin spät dran. Tut mir leid.« Ich hebe den Kopf, und er küsst mich. Streift kurz meine Lippen.
»Schon gut«, sagt er.
In Wahrheit tut es mir eigentlich nicht leid, und er findet es auch nicht gut. Ich möchte eigentlich gar nicht hier sein, und Art weiß das auch.
Ich folge ihm nach innen. Wir queren die Eingangshalle, und er streift sich das Jackett ab. Sein Hemd hat innen am Kragen ein kleines Loch. Sehen kann man es nicht, aber ich weiß, dass es da ist. Und an der Art, wie seine Arme steif herunterhängen, sehe ich, dass er sauer auf mich ist. Ich soll ein schlechtes Gewissen haben. Weil ich zu spät gekommen bin, und seine Zeit ist kostbar. Außerdem ist das hier für ihn genauso unangenehm wie für mich.
Vor der Tür zum Wartezimmer bleibt er kurz stehen. Er dreht sich lächelnd zu mir um, was ihn bei seiner Laune offensichtlich große Anstrengung kostet. »Mr. Tamansini war eben da. Er ist froh, dass wir wieder hier sind.«
»Hast du mit ihm gesprochen?« Ich bin überrascht; die Fachärzte verlassen während der Sprechstunden kaum einmal ihre Zimmer.
»Er war zufällig gerade frei, als ich kam.« Art nimmt mich an der Hand und führt mich ins Wartezimmer. Typisch für dieses Ärzteviertel: eine Reihe harter Chintz-Sessel mit passender Couch. Ein offener Kamin mit Trockenblumen auf dem Sims, darüber ein geschmackloses modernes Gemälde. An den Wänden ringsum Diplome, Preise und Konzessionen, rahmenlos hinter Glas. Ich entdecke mich in einem Spiegel in der Ecke. Mein Pulli ist zerknautscht, und man könnte meinen, ich hätte das Haar seit einer Woche nicht mehr gebürstet. Zu lang ist es auch; der Pony hängt mir bis in die Augen, die trockenen Spitzen sind voller Spliss und stoßen unschön auf den Schultern auf. Vor Beths Geburt habe ich alle paar Monate nachschneiden und Strähnchen machen lassen. Ich ziehe den Pulli straff und streiche das Haar glatt. Meine Augen heben sich strahlend blau vom Rosa der Wangen ab, Dunkelrosa genau genommen, nach meinem Dauerlauf. Früher bin ich auch noch ins Fitnessstudio gegangen. Dazu fehlt mir jetzt die Kraft.
»Er war pünktlich, aber weil du nicht da warst, haben sie das nächste Paar hereingerufen.« Er sagt das nur ein klein wenig vorwurfsvoll.
Ich nicke noch einmal. Er streicht mir über den Arm.
»Und bei dir? Wie war deine Vorlesung?«
Ich sehe ihn mir genau an. Er wirkt immer noch so jungenhaft, obwohl er doch vergangene Woche 40 geworden ist. Liegt das nun an der weichen Rundung seines Kiefers oder an dem Grübchen am Kinn, oder doch eher an seinen großen, erwartungsvollen Augen? Ich streiche ihm übers Kinn. Seine Haut ist rau. Art muss sich zweimal am Tag rasieren, aber seinen Bartschatten habe ich immer gemocht. Er wirkt damit verwegener. Sexy.
»Im Institut ging's ganz gut.« Mir schnürt es die Kehle zusammen. Ich möchte überhaupt nicht hier sein. »Es tut mir wirklich leid, dass ich zu spät gekommen bin. Es ist nur ... dass wir nun wieder hier sind ...«
Er drückt meinen Arm. »Ich weiß ...« Er legt den Arm um mich und drückt mich an seine Brust. Ich berge mein Gesicht an seinem Hals und presse die Augen zu, gegen die andrängenden Tränen.
»Diesmal wird's klappen, da bin ich mir sicher. Wir sind einfach an der Reihe, Gen.«
Er sieht auf die Uhr. Die hat er seit Jahren. Sie ist abgewetzt, das Glas zerkratzt. Ein Geschenk von mir - mein erstes Geburtstagsgeschenk für ihn. Da kannten wir uns drei Monate. An dem Abend hat er sich zum ersten Mal von mir zum Essen einladen lassen; darauf habe ich bestanden, weil doch sein Geburtstag war. Ein lauer Frühlingsabend - der erste nach langen Wintermonaten, so war es einem vorgekommen. Nach dem Essen schlenderten wir stundenlang am Embankment entlang, über die Waterloo Bridge hinüber zur South Bank. Art erzählte mir von seinen Plänen für Loxley Benson ... Dass er schon sein ganzes Leben nach etwas suche, an das er glauben könne, auf das er seine ganze Kraft richten könne. Ein Ziel.
»Und deine Geschäfte haben für dich diese Bedeutung?«, habe ich gefragt.
Er hat meine Hand genommen und »nein« geantwortet - ich sei, wonach er gesucht habe, und unsere Beziehung sei ihm wichtiger als alles andere.
An dem Abend sagte er zum ersten Mal, dass er mich liebe.
Ich mache mich von ihm los und wische mir so unauffällig wie möglich die Augen trocken. Ein Stück von Art entfernt sitzen noch drei Paare im Wartezimmer und ich möchte nicht, dass sie etwas mitbekommen. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen und falte die Hände im Schoß. Ich konzentriere mich auf meinen Atem und versuche, mich von dem Aufruhr in meinem Kopf zu lösen.
Art liebt mich immer noch. Das weiß ich. Andernfalls hätte er das lange, furchtbare Jahr nach Beth nicht mit mir zusammen durchgestanden. Ganz zu schweigen von den sechs gescheiterten Versuchen mit künstlicher Befruchtung seither.
Manchmal frage ich mich allerdings, ob er mir überhaupt zuhört. Wie oft habe ich ihm geschildert, wie sehr mir die Besuche in der Klinik zusetzen? Die Höhen und Tiefen der künstlichen Befruchtung. Fast ein Jahr ist seit unserem letzten Versuch vergangen. Damals habe ich auf eine Pause bestanden, und Mr. Tam - wie er in den Onlineforen über Unfruchtbarkeit genannt wird - hat mich darin bestärkt. Art hat eingewilligt, und wir beide haben gehofft, ich würde vielleicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Es gibt ja auch keinen Grund, warum das nicht klappen sollte - zumindest hat niemand einen feststellen können. Aber auch für die sechs vergeblichen Versuche gibt es keine Erklärung.
In den letzten Monaten hat Art mich immer wieder gedrängt, die Behandlung wieder aufzunehmen. Er hat diesen Termin für uns vereinbart. Dabei kann ich schon den bloßen Gedanken an eine weitere Runde kaum ertragen - an die damit verbundenen Nebenwirkungen und die psychische Belastung. Zu oft habe ich das alles durchgemacht: einen Zyklus einleiten, oder die Gelegenheit dazu verpassen, weil man fort ist. Die tägliche Untersuchung in der Klinik. An bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten seine Medikamente nehmen. Und dann stellt sich heraus, dass die Follikel nicht groß genug oder nicht zahlreich genug sind, oder dass die Embryos nicht überleben. Dann für einen oder zwei Zyklen aussetzen, wie besessen auf den Eisprung warten, dann auf das Einsetzen der Regel, und dann geht alles von vorn los. Und so weiter. Und nichts, nichts von alldem bringt sie jemals wieder zurück.
Beth. Mein Baby, das tot zur Welt kam.
All das möchte ich Art erzählen, aber dann müsste ich über Beth reden, die doch an einem sicheren Ort in meinem Kopf verwahrt ist, zusammen mit all dem Schmerz und der Trauer, an die ich nicht rühren kann, nicht rühren will.
»Mr. und Mrs. Loxley?«
Art springt sofort auf. Die Schwester lächelt ihn an. Bei Art ist das kaum zu vermeiden. Schon bevor er bei Die Verhandlung im Fernsehen zu sehen war, lächelten die Menschen ihn an. Sein jugendlicher Charme, seine Energie. Der Erfolg von Loxley Benson beruht bestimmt zur Hälfte darauf, wie er die Leute ansieht, mit funkelnden Augen, sodass jeder sich selbst plötzlich für etwas Besonderes hält - als sei nichts bedeutsamer als das, was man gerade sagen will.
Die zweite Hälfte ist natürlich eine andere Geschichte. Art ist klug. Gewitzt. Und völlig besessen. Mum hat das gleich durchschaut, als sie ihn kennengelernt hat. Noch bevor er zu Wohlstand kam und als seine Online-Investmentfirma - für ethisch vertretbare Investitionen - gerade erst im Entstehen war, ohne Geld und Sicherheit. »Dieser Junge «, sagte sie, »der wird die Welt aus den Angeln heben.«
Dann hat sie ihr typisches gequältes Lächeln aufgesetzt: »Pass bloß auf, dass du keinen Schaden nimmst, wenn du da versuchst, Schritt zu halten.«
Mr. Tamansinis Schreibtisch ist wie ein Schiff - überall dickes, braunes Prägeleder, an den Kanten Reihen massiver Ziernägel aus Messing. Der kleine Mann - olivfarbene Haut, spitzes Gesicht und zarte Hände - wirkt dahinter immer ein wenig verloren. Er presst die Fingerspitzen aufeinander, wenn er spricht. Art und ich sitzen auf der anderen Seite des Schreibtischs. Er starrt uns an.
»Ich schlage vor, dass Sie es diesmal mit ICSI versuchen «, meint er bedächtig. »Dabei injizieren wir das Sperma direkt in die Eizelle.«
»Siehst du?« Art stupst mich am Arm, als säßen wir im Klassenzimmer in der letzten Reihe. »Hab ich's dir nicht gesagt? Da gibt's jetzt was Neues.«
Ich kann den Blick nicht von Mr. Tamansinis Fingern wenden. Seltsame Vorstellung, dass sie schon in mir drin gewesen sind. Aber was ist am Konzept Frauenarzt eigentlich nicht seltsam? Dabei ist mir Mr. Tam durchaus sympathisch. Sein Schweigen. Wie er selbst bei Arts energischsten Ausbrüchen ruhig bleibt. Bei vier meiner sechs fehlgeschlagenen IVF-Versuche stand er mir als verantwortlicher Arzt zur Seite. Da kann man schon sagen, dass wir eine Menge zusammen durchgemacht haben.
»Aber die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion gibt es doch schon länger«, sage ich und sehe Mr. Tam an. »Warum jetzt?«
Mr. Tam räuspert sich. »ICSI ist die Methode der Wahl bei Sperma minderer Qualität, aber sie ist ebenso nützlich bei Paaren mit geringer Befruchtungsquote oder einer geringen Zahl an Eizellen, was beides auf Sie zutrifft.«
»Das kostet doch bestimmt mehr als eine gewöhnliche künstliche Befruchtung, oder?«, frage ich.
Art versteinert sofort, als ich Geld erwähne. Eine minimale Bewegung nur, aber sie ist mir vertraut. Als ob ein Tier die Ohren aufstellt und auf verräterische Geräusche lauscht. Ich starre Mr. Tams Schreibtisch an. Die Reihen der Beschlagnägel an den Kanten schimmern im Licht. Ob die jemand poliert, geht mir durch den Sinn.
»Es kostet tatsächlich mehr«, räumt Mr. Tamansini ein, »aber dafür liegt die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Schwangerschaft deutlich höher.«
»Und auf was muss man sich bei einer ICSI einstellen?«, fragt Art. Er klingt dabei ganz gleichgültig, aber ich kann die Schärfe in seiner Stimme hören. So leicht lässt er sich - und mich - nicht für dumm verkaufen.
Mr. Tam lächelt. »Für Sie beide wird es sich kaum anders als eine gewöhnliche IVF anfühlen.« Dann erklärt er die Prozedur. Ich klinke mich für einen Moment aus. Über ICSI weiß ich Bescheid; schon vor Jahren habe ich über allen möglichen Methoden gebrütet.
»...und funktioniert ganz wie ein frisch entmülltes Betriebssystem «, endet Mr. Tamansini, »mit dem man einen neuen Computer in Gang bringen kann.«
Art lacht. Er mag Mr. Tams Vergleiche.
»Nun, wie denken Sie darüber?«, fragt Mr. Tam.
»Unbedingt.« Art blickt mich an. »Probieren wir's.«
Eine Sekunde lang bin ich wütend, dass Art einfach für mich mitentscheidet. Dann fällt mir ein, dass ich eingewilligt habe, hierherzukommen; dass er glaubt, ich sei dazu bereit, und dass ich ihm seit Ewigkeiten nicht deutlich gesagt habe, wie es wirklich um mich steht.
»Ich weiß nicht«, winde ich mich. »Weißt du ...ich bin mir wegen der künstlichen Befruchtung gar nicht mehr so sicher. Machen wir uns doch nichts vor - in ein paar Monaten bin ich vierzig, und das ...«
»... ist nicht zu alt.« Art wendet sich an Mr. Tam. »Sagen Sie's ihr doch bitte auch. Sie ist nicht zu alt.«
Mr. Tam holt tief Luft. Seine Züge bleiben entspannt und geschäftsmäßig, aber sicherlich fragt er sich, warum ich bei all meinen Bedenken überhaupt hergekommen bin. »Sie haben natürlich völlig recht, Mrs. Loxley. Es gibt keine Erfolgsgarantie. Aber sie sind schon einmal schwanger geworden, und das ist ein gutes Zeichen. Und vierzig ist für eine IVF wirklich kein Alter.«
Ich starre ihn an, ihn und sein gütiges, beruhigendes Lächeln.
»Ich glaube nicht ...« Meine Stimme bebt. »Ich weiß nicht, ob ich das ... ob ich das alles noch mal durchstehe ...« Mir versagt die Stimme, und ich blicke auf den Teppichboden. Er hat einen braunen Fleck in Form einer Kidneybohne, neben dem hinteren Tischbein.
Warum fällt es mir so schwer auszusprechen, was ich will? Wie mir zumute ist?
Leise dringt mir Arts Stimme ins Ohr, eindringlicher denn je. »Gen, wir müssen es weiter versuchen. Begreifst du das nicht? Wenn du möchtest, mache ich für dich eine komplette Risikobewertung anhand der ICSI-Statistik, versprochen! Die Chancen lassen sich ja berechnen, und wenn's gut aussieht, dann kriegen wir das zusammen hin, so wie wir alles zusammen hinkriegen.«
Ich sehe auf. Mr. Tam ist zur Sprechanlage gegangen, beim Vorhang, der einen Bereich abteilt. Er spricht leise. Und gibt Art und mir damit Gelegenheit, uns zusammenzuraufen. Ich sehe Art an. In seinen Augen tanzt diese neue Hoffnung. Ich hasse mich, weil ich nicht ebenso empfinde.
»Ich weiß, wie schwer das für dich ist, mit den Medikamenten und Arztterminen und allem«, fährt er fort. »Und ich weiß, dass wir das schon fünfmal durchgemacht haben ...«
»Sechsmal«, verbessere ich.
»... aber es wäre doch noch einen Versuch wert«, drängt er. »Findest du nicht auch, dass es noch einen Versuch wert wäre?«
Ich schüttele den Kopf. Früher hatte ich das auch gedacht, vielleicht auch noch bei den ersten Versuchen nach Beth. Aber der immer wiederkehrende Schmerz nach einem weiteren fehlgeschlagenen Versuch, der war es eindeutig nicht wert.
Art runzelt die Stirn. »Ich verstehe nicht, warum du's nicht noch einmal versuchen willst«, meint er. Er möchte verständnisvoll klingen, aber im Unterton schwingt Ungeduld mit. »Wenn die Chancen vernünftig stehen, meine ich.«
Ich atme tief ein und wieder aus. »Es ist nicht wegen der Chancen und der Risikofaktoren und der Medikamente.« Ich sehe ihm in die Augen in der Hoffnung, Verständnis aus ihnen lesen zu können. Ich flüstere. Noch immer fällt es mir unendlich schwer, ihren Namen laut auszusprechen. »Es ist wegen Beth.«
Er scheint verwirrt. »Du meinst, es schmälert ihr Andenken, wenn wir es noch einmal versuchen?«
»Nicht direkt ...«
»Oh, Gen. Wir ehren ihr Andenken doch trotzdem. Es ist ja geradezu der Beweis, wie sehr wir sie geliebt haben ... dass wir sie unbedingt ... ersetzen wollen.«
Ersetzen wollen? Mr. Tam sitzt wieder am Schreibtisch und legt die Fingerspitzen aneinander.
Arts Worte klingen mir in den Ohren. Ich starre wieder auf den bohnenförmigen Fleck, und das Blut pocht in meinen Schläfen.
»Ich glaube, wir müssen noch einmal darüber nachdenken «, sagt Art schließlich. Es klingt gedämpft, wie in weiter Ferne.
»Natürlich.« Mr. Tam lächelt. Ich höre es am Tonfall und starre weiter auf den Fleck. »Das ist ja bislang nur ein Vorschlag. Da sollten wir wirklich nichts übereilen.«
Ich sehe auf. »Das ist eine gute Idee.«
Art legt mir den Arm um die Schulter. »Unbedingt.«
Ein paar Minuten später sind wir draußen und fahren mit dem Taxi nach Hause. Für Art die einzige Transportweise. Er könnte sich leicht einen Chauffeur leisten, jetzt wo Loxley Benson boomt, aber er hasst alles Elitäre. Wenn ich einwende, Taxis seien ebenso elitär, dann entgegnet er, sie seien im Vergleich zu den langsamen Bussen und Bahnen praktischer, und seine Zeit sei eben Geld.
Wir sagen nichts. Ich bin noch immer aufgewühlt. Plötzlich merke ich, dass er mit mir redet.
»Entschuldige?«
»Das musste doch nicht sein.« Er nimmt meine Hand und legt sie zwischen die seinen.
Ich sehe nach unten. Der Nagel an meinem Zeigefinger ist ganz abgekaut, die Nagelhaut fast blutig. Ich rolle ihn ein, damit er nicht zu sehen ist. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich ihn im Mund hatte.
Arts Hände üben sanften Druck aus. »Warum hast du mich den Termin machen lassen, wenn du dir so sicher warst, dass du keinen Versuch mehr willst?«
Die Sonne im Taxifenster steht tief über dem Regent's Park. Eine vollkommene, brennend orangefarbene Scheibe am klaren, marineblauen, nun wieder wolkenlosen Himmel. Seine Augen funkeln im warmen Licht, und mein Herz macht vor lauter Liebe zu ihm einen Sprung. So rücksichtslos er im Geschäftlichen sein kann, ist Art im Grunde der liebenswürdigste Mensch, den ich kenne.
»Das mit dem Termin tut mir leid«, sage ich. »Ich weiß, das war nicht richtig ...« Ich bringe den Satz nicht zu Ende. Wäre ich nur nicht so durcheinander.
»Du bist schon ganz schön verrückt, weißt du?«, meint Art liebevoll.
Wir starren uns einen Augenblick lang an; dann beugt sich Art vor. »Kannst du mir wenigstens erklären, was dir solche Sorgen macht, Gen? Weil ich will doch nur ... ich meine, das alles, das tue ich doch nur für dich, das weißt du doch. Ich will es doch nur verstehen, weil ich einfach nicht begreife, was daran falsch sein soll, es noch einmal zu versuchen. «
Ich nicke und suche nach den richtigen Worten. Aber wie soll ich erklären, was sich schon in meinem eigenen Kopf so konfus und labil anfühlt.
»Beth zu ›ersetzen‹ ist mir schon als Gedanke unmöglich «, sage ich.
Ihren Namen zu sagen schmerzt. Aber wenn ich ihn nicht ausspreche, dann leugne ich ihre Existenz, und das ist noch schlimmer. Mir krampft sich der Magen zusammen.
»Ich meinte doch gar nicht ersetzen«, verwirft Art achselzuckend das Wort, das er benutzt hatte. Er sitzt nun kerzengerade. »Selbstverständlich können wir sie nicht ersetzen. Aber wir können doch trotzdem noch einmal Eltern werden, oder nicht?«
»Ich weiß nicht.«
Art fasst sich an den Kragen und tastet nach dem verborgenen Loch im Stoff. »Dann lass es mich doch wissen, für uns beide.«
»Und was ist mit den Kosten?«, wende ich ein. »Wir haben schon so viel dafür ausgegeben.«
Art winkt ab. »Das ist wirklich unser kleinstes Problem.«
Das ist wahr, ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, wie viel Art verdient. Dabei haben wir schon vorher keine Geldsorgen gehabt. Loxley Benson floriert nun schon eine ganze Weile, aber seit diesem Jahr läuft es einfach phänomenal. Kaum eine andere kleine Firma in England wächst im Augenblick so schnell.
»Es geht mir auch gar nicht um die Menge«, sage ich. »Aber die Vorstellung, dass man gutes Geld dem schlechten hinterherwirft und ...«
»Lieber Gott, Gen, so viel ist es ja nicht. Ein paar Tausend vielleicht. Durch Die Verhandlung kriege ich praktisch täglich neue Aufträge. Ich hatte neulich ein Kundengespräch mit einer Frau aus irgendeinem Regierungsprogramm; bei der Tagung morgen in Brüssel will sie mit mir darüber reden, wie sie mich dort mit hineinholen kann. Es läuft wirklich fantastisch, Gen, genau wie ich es vorhergesagt habe. Wir sind dabei, gewaltig groß zu werden.«
»Aber ...« Ich breche ab, kann nicht aussprechen, was mich wirklich bedrückt, nämlich dass ich mir seit seinem beruflichen Senkrechtstart völlig unzulänglich vorkomme. Das ist natürlich ungerecht, wo er sich doch so für uns abrackert. Als Schwangere habe ich mich ihm ebenbürtig gefühlt. Als leistete ich endlich auch einmal einen angemessenen Beitrag zu unserer Ehe. Aber jetzt, wo er das Geld mit vollen Händen heranschafft, wird umso mehr deutlich, wie sehr ich bei meinem Teil der unausgesprochenen Abmachung versagt habe.
»Du musst das einfach wollen, Gen. Wir schaffen das. Ich werde dafür sorgen.«
Seine Worte, die Entschlossenheit um seine Mundwinkel, sein ganzer Körper ... alles so überzeugend. Und, wie ich aus Erfahrung weiß, praktisch unwiderstehlich.
»Du willst es tatsächlich noch einmal versuchen, nicht?«
Er zuckt mit den Achseln. »Was ist die Alternative? Adoption?«
Ich schüttele den Kopf. Darin zumindest waren wir uns immer einig. Wenn wir ein Kind kriegen, dann muss es schon unser eigenes sein.
»Eben.« Er lehnt sich nach vorn. »Ich möchte das wirklich, Gen.« Er verstummt und seine Lippen beben. »Aber nur, wenn du es auch willst.«
Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er verletzlich aus, wie ein kleiner Junge, und ich sehe, wie sehr er fürchtet, ich käme nicht über Beths Tod hinweg und dass unsere Liebe darüber verloren gehen könnte ... weil ich eines Tages entweder Beth loslassen muss - oder Art.
»Ich möchte das mit dir zusammen tun, Gen«, flüstert er. »Bitte begreif das doch.«
Das Taxi kommt vor der Ampel zwischen Camden High Street und Kentish Town Road zum Stehen. Art und ich haben uns in Camden kennengelernt, vor vierzehn Jahren bei einer großen Silvesterparty. Ich war mit meiner besten Freundin Hen dort. Art war sechsundzwanzig und seit kaum einem Jahr selbstständig. Er hatte sich mit ein paar Kollegen in die Party hineingemogelt in der Hoffnung, nützliche Leute kennenzulernen. Mir war es eher um Spaß und ein paar kostenlose Drinks gegangen.
Wir trafen zusammen, als einer von Arts Kollegen - Tris - an der Bar Hen über den Weg lief. Die beiden kannten sich von der Uni, hatten sich aber aus den Augen verloren. Hen stellte mich natürlich Tris vor und der mich dann Art. Art spendierte eine Runde, von der ich die meisten Gläser umstieß, als ich von der Toilette zurückkam. Er blieb total nett und bestellte noch eine Runde, obwohl er - das erfuhr ich später - damals selbst fürs Essen kaum Geld hatte. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte mir von Loxley Benson, der Firma, die er erst wenige Monate zuvor mit einem guten Freund gegründet hatte, und wie er auf der neuen Welle des Online Trading reiten wollte, und mit welcher Leidenschaft er sicherstellen wollte, dass seine Firma nur in ethisch, sozial und ökologisch einwandfreie Projekte investierte.
Ich erzählte, dass ich bei einer langweiligen Haushaltszeitschrift arbeitete, über Küchen und Farbmuster schrieb und davon träumte, irgendwann einmal einen Roman zu verfassen. Ich weiß noch, wie mich seine Besessenheit beeindruckte. Dass ihm kein Risiko zu groß, kein Rückschlag zu schwer war auf seinem Weg, sein Ziel zu erreichen. Dass es nicht primär darum ging, Geld zu verdienen, sondern Einfluss zu nehmen.
Schon damals wusste ich, dass Art bekommen würde, was immer er wollte.
Mich eingeschlossen.
»Gen?«
Ich beiße mir auf die Lippe. Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Straßenlaternen glimmen auf. Wäre Art nicht mit mir verheiratet, dann hätte er inzwischen wahrscheinlich vier Kinder. Das steht ihm doch zu. Ich sollte ihm da nicht im Weg stehen.
© 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
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Autoren-Porträt von Sophie McKenzie
McKenzie, SophieSophie McKenzie hat bereits mehr als fünfzehn Romane geschrieben, darunter die preisgekrönten Teenage-Thriller Girl, Missing, Sister, Missing und Missing Me. Sie erhielt zahlreiche Preise und stand zwei mal auf der Longlist für die Carnegie Medal. Sophie McKenzie lebt in London.Pesch, Ursula
Ursula Pesch, geboren 1952 in Meckenheim, Studium der Germanistik und Anglistik in Bonn und Freiburg i. Br., Übersetzerdiplomprüfung während eines mehrjährigen Aufenthalts in London, ist die Übersetzerin von u. a. David Agus, Kevin Dutton, Shirin Ebadi, Stephen Ilardi und Alan Weisman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sophie McKenzie
- 2013, 480 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Pesch, Ursula; Pflüger, Friedrich
- Übersetzer: Ursula Pesch, Friedrich Pflüger
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453410440
- ISBN-13: 9783453410442
- Erscheinungsdatum: 13.05.2013
Rezension zu „Seit du tot bist “
"Ein Psycho-Thriller, der in die urmenschliche Gefühlswelt um Hoffnung und Verlust vordringt."
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