Schweinskopf al dente
In seinem dritten Fall heftet sich der Eberhofer Franz an die Fersen des "Don Corleone" von Niederkaltenkirchen.
Schönes Betthupferl! Richter Moratschek findet beim zu Bett gehen in seiner Schlafmütze einen blutigen...
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Produktinformationen zu „Schweinskopf al dente “
In seinem dritten Fall heftet sich der Eberhofer Franz an die Fersen des "Don Corleone" von Niederkaltenkirchen.
Schönes Betthupferl! Richter Moratschek findet beim zu Bett gehen in seiner Schlafmütze einen blutigen Schweinskopf. Für ihn und Kommissar Eberhofer steht fest: Das kann nur der Dr. Küstner gewesen sein. Der wurde von Moratschek zu 15 Jahren verurteilt und will jetzt wahrscheinlich Rache. Kommissar Franz Eberhofer muss sich nun auf die Spur dieses "Don Corleone" von Niederkaltenkirchen begeben.
Lese-Probe zu „Schweinskopf al dente “
Schweinskopf al dente von Rita FalkKapitel 1
So ein Stern kommt gut, ganz klar. Natürlich nur, wenn er in Silber ist. Nein, Gold kommt noch besser. Hab ich aber nicht. Was ich hab, ist Silber. Seit gestern. Seit gestern hab ich einen einzigen silbernen Stern auf jedem meiner Schulterstücke. Und ein silbernes Mützenband.
Einwandfreie Sache.
Ein silberner Stern ist tausendmal besser als vier grüne. Und so einen silbernen hab ich jetzt. Dank der Beamtenreform. Da ist ihnen einmal wirklich was Gutes eingefallen, den Herren Gschaftel und Huber, wo die wunderbaren Reformen machen. Normal fällt ihnen ja eher nix Gescheites ein. Eher so was wie Einfrierung der Gehälter oder Streichung des Urlaubsgeldes. Aber diesmal - astreine Sache.
Ich steh so vorm Spiegel und bin ziemlich zufrieden. Erstklassiger Stern. In Silber. Wobei man sagen muss: Wenn das Licht aus der Dielenlampe drauf fällt, glänzt er ganz leicht golden. Aber nur ganz leicht. Was freilich wurst ist, weil: er schaut auch so gut aus. Reißt die miese erbsengrüne bayerische Uniform unglaublich raus. Wir hier unten in Bayern müssen halt aus wirtschaftlichen Gründen immer noch diese kackefarbenen Fetzen auftragen. Nicht etwa so, wie die anderen Kollegen bundesweit, die in elegantem Blau auf Verbrecherjagd gehen. Nein. Wir machen das in Kacke. Was freilich dann schon auch wieder vernünftig ist. Ja, wirklich. Wir halten eben unser Geld noch zusammen, gell. Und hauen's nicht für personifizierte Eitelkeiten auf den Kopf. Wir fangen unsere Gangster auch in Kacke, keine Frage. Ja, und das Silber ist halt jetzt eine großartige Aufwertung. Und es bedeutet Kommissar. Kommissar Eber hofer. Das hat schon was. Anders als Hauptmeister Eberhofer. Ganz anders.
... mehr
Dann klopft die Oma ans Fenster.
»Das Frühstück ist fertig, Bub«, schreit sie, dass man sie gut noch im Nachbardorf hören kann. Sie ist halt schon taub, und manchmal vergisst sie wirklich, dass nicht die komplette Menschheit ihr Schicksal teilt. Ich mach das Fenster auf und steck mir die Finger in die Ohren.
»Mei, war ich vielleicht recht laut?«, fragt sie jetzt ein paar Dezibel drunter.
Ich nicke. Dann mach ich das Fenster wieder zu und geh in den Hof hinaus. Mitsamt meiner Uniform. Mal schauen, was sie sagt.
Sie sagt überhaupt nichts. Sie schaut mich noch nicht einmal an. Sie wandert einfach an meiner Seite durch den Hof, so, als wär alles genauso wie sonst. Ist es aber nicht. Schließlich bin ich jetzt ein Kommissar, und das ist gut sichtbar. Sehr gut sogar. Selbst für die Oma, weil: ihre Augen sind ja noch einwandfrei. Ich geh ziemlich langsam. Das muss sie doch merken. Tut sie aber nicht. Sie geht einfach nur genauso langsam.
Unglaublich.
Wie wir in die Küche kommen, sitzt der Papa schon am Frühstückstisch und liest seine Zeitung. Er quetscht sich ein »Morgen« über die Lippen und schaut noch nicht einmal auf. Aber gut, da hab ich sowieso nichts anderes erwartet. Wenn es nämlich im Leben vom Papa außer den Beatles, Joints und Sauen noch irgendwas anderes gibt, was ihn interessiert, dann ist es die Samstagszeitung. Weil die halt quasi sein gesamtes Interessengebiet abdeckt. Komplett. Immer wieder mal ein netter Bericht über Paul McCartney, ständig was über Schweine auf der Landwirtschaftsseite und die Drogenszene kommt auch nicht zu kurz. Was will man mehr? Da ist die Beförderung des eigenen Sohnes doch wohl ein nasser Furz dagegen.
»Unglaublich«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Da hat wieder so ein Studierter, ein Herr Psychologe sogar, sein Weib brutal abgemurkst und streitet natürlich alles ab. Ein Gutachter soll jetzt zugezogen werden. Dass ich nicht lache! Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«, sagt er, faltet die Zeitung und legt sie auf den Tisch. »Weißt du etwas über den Fall, Franz?«
»Nein, keine Ahnung. Schließlich bin ich nicht bayernweit aktiv«, sag ich und stehe noch immer ziemlich unschlüssig und zugegebenermaßen auch etwas angepisst herum. Da schaut mich endlich die Oma an. Sie ist grad im Begriff, sich hinzusetzen, und hat die Kaffeekanne in der Hand, wie sie mich eben jetzt anschaut.
»Himmel, Franz!«, schreit sie ganz begeistert und setzt sich nieder. »Du schaust ja wunderbar aus! Genau wie ein General!«
»Himmel Arsch!«, schreit dann der Papa und reißt seine Zeitung in die Höh. Weil die Oma vor lauter Hurra jetzt direkt den Kaffee verschüttet hat. Exakt über die wertvolle Lektüre von meinem Erzeuger. Er versucht, das Malheur in seiner Tasse zu versenken, indem er eine Rinne formt. Mit seiner geliebten Samstagszeitung. Ein Jammer.
Der Papa gibt auf. Legt das nasse Blatt beiseite und widmet mir endlich die Aufmerksamkeit, die mir auch zusteht.
»Höhöhö, alles in Silber. Kann das womöglich eine Beförderung sein?«
Ich nicke.
»›Kommissar‹ heißt das Silber. ›Kommissar Eberhofer‹, sozusagen.«
Dem Papa entweicht ein Grinserl. Ein stolzgeschwängertes, würd ich mal sagen. Er steht auf.
»Ja, dann gratulier ich dir recht herzlich, Kommissar Eberhofer«, sagt er, haut mir auf die Schulter und schüttelt mir dann die Hand.
Die Oma steht jetzt auch wieder auf, und nachdem sie die Pfütze vom Tisch gewischt hat, ist sie an der Reihe. Sie gratuliert mir ebenfalls, und ich krieg ein Bussi auf jede meiner Backen.
Dann gibt's endlich das Frühstück.
Ah - alles vom Feinsten. Mit frischen Semmeln und weichen Eiern, einem mageren Frühstücksspeck, der selbstgemachten Marmelade von der Oma und einem erstklassigen Früchtequark, freilich auch aus eigener Herstellung.
Alles wäre jetzt perfekt gewesen, wenn nicht kurz drauf dem Leopold sein Auto in den Hof hineingequietscht wär. Und das mein ich wörtlich. Er rast in den Hof, dass der Kies nur so fliegt, und drückt dann auf die Bremse, bis die Beläge qualmen. Typisch.
Die Augen vom Papa sprühen Funken. Freudenfunken, versteht sich.
»Da schau einer an, jetzt kommt auch noch dein Bruder. Geh, Franz, tu ihm ein Gedeck aus dem Küchenkasten. Magst?«, sagt der Papa.
Nein, der Franz mag nicht. Tut es aber trotzdem. Zwengs Familienharmonie eben.
»Servus, miteinander«, sagt der Leopold, gleich wie er zur Tür reinkommt. »Ah, Frühstück. Ja, da komm ich wohl grad recht.«
So schnell kann man gar nicht schauen, da hockt er auch schon am Tisch.
»Da, schau her, Oma, was ich dir mitgebracht hab«, sagt er und legt ihr ein Kochbuch hin. Internationale Küche. Wahrscheinlich wieder so ein Ladenhüter aus seiner blöden Buchhandlung. »Damit du nicht immer den gleichen bayrischen Scheißdreck kochen musst, gell«, sagt er weiter.
Die Oma freut sich, weil sie ja den Schwachsinn nicht hört, den er absondert.
Ich reich ihm sein Geschirr.
»Ja, Franz, wie schaust denn du aus? ... Wie ein Christbaum«, lacht er. »Nein, ehrlich, wie ein Christbaum.«
Das soll mich treffen. Tut es aber nicht. Weil es vom Leopold kommt. Und der Leopold ein Arschloch ist.
»Der Franz ist jetzt ein Kommissar«, sagt der Papa, um die Lage zu entschärfen.
»Sag bloß?«, sagt der Leopold und beißt in eine Marmeladensemmel. Es ist meine.
»Ja, sag einmal, geht's noch«, fahr ich ihn an. »Schmier dir doch deine blöden Semmeln selber!«
»Du, was anderes«, sagt er dann zum Papa gewandt. Mich ignoriert er komplett.
Dann erfahren wir, dass er gestern in einem Reisebüro war, wegen den Urlaubsplänen für sich und seine Familie. Und, dass es ein Fiasko war. Ein Fiasko sondergleichen, sagt er. Die Angebote quasi unter aller Sau. Weil das eine zu teuer, das andere zu weit weg und das dritte ungeeignet für kleine Kinder. Also keine Möglichkeit, die sauer verdienten Moneten in ferne Länder zu tragen.
Aber heut Nacht, sagt der Leopold, heut Nacht, hatte er eine großartige Idee. Weil: heut Nacht ist ihm nämlich das perfekte Urlaubsparadies eingefallen, für sich und seine Lieben. Und das auch noch direkt vor der eigenen Haustür. »Lass hören«, sagt der Papa ganz interessiert.
»Urlaub auf dem Bauernhof«, sagt der Leopold kauenderweise.
»Das klingt gut«, sagt der Papa weiter und schaut seinen Älteren aufmunternd an.
»Klingt gut?«, kaut der Leopold. »Das klingt phantastisch! «
Beide nicken.
Kommt da jetzt noch irgendwas, oder war das etwa schon das Highlight in seinem popeligen Leben? Ich setz mich wieder dazu, weil nur noch eine einzige Semmel im Korb liegt. Und die heißt es zu sichern, eh die gefräßige Verwandtschaft erbarmungslos zuschlägt.
»Und wohin soll's gehen?«, will der Papa jetzt wissen. Der Leopold strahlt ihn an, dass es eine wahre Freude ist. »Ja, zu euch natürlich«, sagt er und schnappt sich die
letzte Semmel.
»Nur über meine Leiche!«, schrei ich jetzt und reiß ihm die Semmel aus der Hand. Dann steh ich auf und geh. Dann kehr ich wieder um und nehm den ganzen Frühstücksspeck mit.
Schnurstracks hinaus, Tür zu und fertig.
Den Rest vom Wochenende verbring ich mit dem Ludwig in der freien Natur. Weil der nämlich aufgrund übermäßigen Frühstücksspeckkonsums einen Mordsdurchfall kriegt, was für Hund und Herrchen gleichermaßen ärgerlich ist.
Wie ich am Montag Früh in mein Büro fahr, hab ich selbstverständlich auch wieder die Uniform an. Obwohl ich das normal nie mache. Immer Zivilklamotten. Jeans und Lederjacke, und alles ist perfekt. Aber jetzt will man freilich auch mal zeigen, was man erreicht hat, auf seinem harten Weg nach oben. Drum eben Uniform.
Zuerst einmal hol ich mir einen Kaffee. Die drei Verwaltungsschnepfen ratschen grad fleißig, zwei davon sind über ein Handarbeitsheft gebeugt. Die dritte hat ein Strickzeug in der Hand und zählt Maschen. Ja, es ist schon ein Scheißstress in der Gemeindeverwaltung von Niederkaltenkirchen.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Mädls«, sag ich so beim Reingehen und schlendere zur Kaffeemaschine.
»Ah, du weißt also schon Bescheid, Franz«, sagt dann das Strickzeug, und ich weiß nicht im Geringsten, wovon sie redet.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sag ich und schenk mir einen Kaffee ein.
»Ja, wegen deiner Uniform halt. Weil der Bürgermeister gesagt hat, er braucht dich heut unbedingt in Uniform.« »So, so, hat er das gesagt.«
Sie nickt.
»Vielleicht schaust gleich einmal bei ihm im Büro vorbei«, sagt sie weiter und wendet ihren Blick von den Maschen auf die Uhr. »Er müsste eigentlich schon da sein.«
»Ja, wenn er schon da sein müsste, dann schauen wir halt einmal rüber, gell«, sag ich und bleib noch einen Augenblick an der Bürotür stehen. Aber nix. Kein Wort über mein Silber. Sie haben es nicht mal gemerkt, die blöden Weiber. Stattdessen starren sie begeistert auf die Gebrauchsanweisung ihrer Wollverwertung. Aber was will man da auch anderes erwarten? Von Verwaltungsangestellten. Seien wir doch einmal ehrlich, so arg viel Hirn brauchst jetzt da nicht für diesen Job. Und schon gar nicht bei uns in Niederkaltenkirchen.
Ich geh also rüber zum Bürgermeister, und da - eine völlig neue Situation.
»Ja, Eberhofer«, sagt er und steht gleich einmal auf. »Kommen S' rein. Lassen Sie sich anschauen. Hervorragend ... ehrlich, ganz hervorragend schauen Sie aus.«
Er geht einmal komplett um mich rum und schaut mich von oben bis unten an. Das tut schon gut, wirklich.
»Ja, ja, ich hab's schon gehört. Kommissar Eberhofer, gell. Hört sich doch gleich ganz anders an, hähä. Und wie das schon ausschaut, ehrlich. Wie ein Offizier und Gentleman, muss ich direkt sagen. Ja, mein Großvater, Gott-habihn-selig, der hat auch immer gut ausgeschaut seinerzeit. Wissen's schon, damals in seiner Offiziersuniform. Schneidiges Mannsbild, wirklich. Da könnte man tatsächlich neidisch werden, gell«, lacht er versonnen und setzt sich dann hinter seinen Schreibtisch. »Aber lassen wir das, Eberhofer. Zwecks was ich Sie eigentlich brauche, ist Folgendes. Die Özdemirs im Tannenweg, die kennen Sie doch auch, oder? Der Jüngere spielt Fußball im FC Rot-Weiß. Erstklassiger Mittelfeldspieler. Schießt beidfüßig. Wunderbare Technik, vielleicht haarscharf am Ballack vorbei. Aber leider zu dick. Fünfzehn Kilo, würd ich mal sagen.«
Er tastet seinen Ranzen ab. »Also, was ist, die kennen S' doch, oder?«
Ich zuck mit den Schultern.
»Ja, was heißt jetzt da kennen. Gesehen hab ich sie schon so ein paarmal. Aber kennen direkt tu ich sie nicht.«
»Das wird sich jetzt aber ändern, Herr Kommissar. Und da ist es geradezu hervorragend, dass Sie heute die Uniform tragen. Weil: bei den Türken, da macht das halt schon noch was her, gell. Besonders jetzt, mit so viel Silber.«
»Und was genau soll ich bei denen?«, frag ich und setz mich derweil auf seinen Schreibtisch. Das mach ich manchmal. Besonders gern, wenn er was von mir will, der Herr Bürgermeister. Das gibt mir ein unglaublich gutes Gefühl. Irgendwie überlegen halt.
Und dann erfahr ich, dass der Ältere der Özdemirs, also quasi der Vater, eine Anzeige bekommen hat. Und zwar von seiner eigenen Tochter. Weil er die nämlich zwangsverheiraten möchte. Mit einem Cousin zweiten Grades. Die ganze Familie wusste darüber Bescheid. Nur leider die zukünftige Braut nicht. Und genau in dem Moment, wo die dann urlaubsweise in die Türkei fährt, schenkt ihr ein Onkel reinen Wein ein. Holt sie vom Flughafen ab und sagt ihr gleich klipp und klar, was Sache ist. Was er von ihr erwartet und mit ihm natürlich die ganze restliche Sippschaft. Und was macht das Kind, das undankbare? Rennt, kaum in Ankara angekommen, pfeilgrad zur deutschen Botschaft und zeigt sie alle an. Den Vater, den Onkel, den Bräutigam und den kompletten Türkenclan halt. Der, ganz im Gegensatz zu ihr selbst, freilich informiert war über die dubiosen Hochzeitspläne.
Ja, und meine ehrenwerte Aufgabe ist es jetzt, den Teil der Familie zu verhören, der halt hier in Deutschland bei uns im Dorf so wohnt. Gut, sag ich zum Bürgermeister, das dürfte kein Problem werden. Schließlich leben wir hier nicht mehr im Mittelalter. Und wenn die Özdemirs in unserem wunderbaren Land sein wollen, dann sollten sie schon auch unsere Regeln einhalten. Da kann man doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts ein junges, hübsches Ding an einen übrig gebliebenen Vetter verscherbeln, oder? Ja, wo kämen wir denn da hin!
Der Bürgermeister schaut mich dankbar an, und ich schüttel ihm gönnerhaft die Hand. Ich werd die Sache regeln, sag ich. Gar keine Frage.
...
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Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2011 by
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Dann klopft die Oma ans Fenster.
»Das Frühstück ist fertig, Bub«, schreit sie, dass man sie gut noch im Nachbardorf hören kann. Sie ist halt schon taub, und manchmal vergisst sie wirklich, dass nicht die komplette Menschheit ihr Schicksal teilt. Ich mach das Fenster auf und steck mir die Finger in die Ohren.
»Mei, war ich vielleicht recht laut?«, fragt sie jetzt ein paar Dezibel drunter.
Ich nicke. Dann mach ich das Fenster wieder zu und geh in den Hof hinaus. Mitsamt meiner Uniform. Mal schauen, was sie sagt.
Sie sagt überhaupt nichts. Sie schaut mich noch nicht einmal an. Sie wandert einfach an meiner Seite durch den Hof, so, als wär alles genauso wie sonst. Ist es aber nicht. Schließlich bin ich jetzt ein Kommissar, und das ist gut sichtbar. Sehr gut sogar. Selbst für die Oma, weil: ihre Augen sind ja noch einwandfrei. Ich geh ziemlich langsam. Das muss sie doch merken. Tut sie aber nicht. Sie geht einfach nur genauso langsam.
Unglaublich.
Wie wir in die Küche kommen, sitzt der Papa schon am Frühstückstisch und liest seine Zeitung. Er quetscht sich ein »Morgen« über die Lippen und schaut noch nicht einmal auf. Aber gut, da hab ich sowieso nichts anderes erwartet. Wenn es nämlich im Leben vom Papa außer den Beatles, Joints und Sauen noch irgendwas anderes gibt, was ihn interessiert, dann ist es die Samstagszeitung. Weil die halt quasi sein gesamtes Interessengebiet abdeckt. Komplett. Immer wieder mal ein netter Bericht über Paul McCartney, ständig was über Schweine auf der Landwirtschaftsseite und die Drogenszene kommt auch nicht zu kurz. Was will man mehr? Da ist die Beförderung des eigenen Sohnes doch wohl ein nasser Furz dagegen.
»Unglaublich«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Da hat wieder so ein Studierter, ein Herr Psychologe sogar, sein Weib brutal abgemurkst und streitet natürlich alles ab. Ein Gutachter soll jetzt zugezogen werden. Dass ich nicht lache! Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«, sagt er, faltet die Zeitung und legt sie auf den Tisch. »Weißt du etwas über den Fall, Franz?«
»Nein, keine Ahnung. Schließlich bin ich nicht bayernweit aktiv«, sag ich und stehe noch immer ziemlich unschlüssig und zugegebenermaßen auch etwas angepisst herum. Da schaut mich endlich die Oma an. Sie ist grad im Begriff, sich hinzusetzen, und hat die Kaffeekanne in der Hand, wie sie mich eben jetzt anschaut.
»Himmel, Franz!«, schreit sie ganz begeistert und setzt sich nieder. »Du schaust ja wunderbar aus! Genau wie ein General!«
»Himmel Arsch!«, schreit dann der Papa und reißt seine Zeitung in die Höh. Weil die Oma vor lauter Hurra jetzt direkt den Kaffee verschüttet hat. Exakt über die wertvolle Lektüre von meinem Erzeuger. Er versucht, das Malheur in seiner Tasse zu versenken, indem er eine Rinne formt. Mit seiner geliebten Samstagszeitung. Ein Jammer.
Der Papa gibt auf. Legt das nasse Blatt beiseite und widmet mir endlich die Aufmerksamkeit, die mir auch zusteht.
»Höhöhö, alles in Silber. Kann das womöglich eine Beförderung sein?«
Ich nicke.
»›Kommissar‹ heißt das Silber. ›Kommissar Eberhofer‹, sozusagen.«
Dem Papa entweicht ein Grinserl. Ein stolzgeschwängertes, würd ich mal sagen. Er steht auf.
»Ja, dann gratulier ich dir recht herzlich, Kommissar Eberhofer«, sagt er, haut mir auf die Schulter und schüttelt mir dann die Hand.
Die Oma steht jetzt auch wieder auf, und nachdem sie die Pfütze vom Tisch gewischt hat, ist sie an der Reihe. Sie gratuliert mir ebenfalls, und ich krieg ein Bussi auf jede meiner Backen.
Dann gibt's endlich das Frühstück.
Ah - alles vom Feinsten. Mit frischen Semmeln und weichen Eiern, einem mageren Frühstücksspeck, der selbstgemachten Marmelade von der Oma und einem erstklassigen Früchtequark, freilich auch aus eigener Herstellung.
Alles wäre jetzt perfekt gewesen, wenn nicht kurz drauf dem Leopold sein Auto in den Hof hineingequietscht wär. Und das mein ich wörtlich. Er rast in den Hof, dass der Kies nur so fliegt, und drückt dann auf die Bremse, bis die Beläge qualmen. Typisch.
Die Augen vom Papa sprühen Funken. Freudenfunken, versteht sich.
»Da schau einer an, jetzt kommt auch noch dein Bruder. Geh, Franz, tu ihm ein Gedeck aus dem Küchenkasten. Magst?«, sagt der Papa.
Nein, der Franz mag nicht. Tut es aber trotzdem. Zwengs Familienharmonie eben.
»Servus, miteinander«, sagt der Leopold, gleich wie er zur Tür reinkommt. »Ah, Frühstück. Ja, da komm ich wohl grad recht.«
So schnell kann man gar nicht schauen, da hockt er auch schon am Tisch.
»Da, schau her, Oma, was ich dir mitgebracht hab«, sagt er und legt ihr ein Kochbuch hin. Internationale Küche. Wahrscheinlich wieder so ein Ladenhüter aus seiner blöden Buchhandlung. »Damit du nicht immer den gleichen bayrischen Scheißdreck kochen musst, gell«, sagt er weiter.
Die Oma freut sich, weil sie ja den Schwachsinn nicht hört, den er absondert.
Ich reich ihm sein Geschirr.
»Ja, Franz, wie schaust denn du aus? ... Wie ein Christbaum«, lacht er. »Nein, ehrlich, wie ein Christbaum.«
Das soll mich treffen. Tut es aber nicht. Weil es vom Leopold kommt. Und der Leopold ein Arschloch ist.
»Der Franz ist jetzt ein Kommissar«, sagt der Papa, um die Lage zu entschärfen.
»Sag bloß?«, sagt der Leopold und beißt in eine Marmeladensemmel. Es ist meine.
»Ja, sag einmal, geht's noch«, fahr ich ihn an. »Schmier dir doch deine blöden Semmeln selber!«
»Du, was anderes«, sagt er dann zum Papa gewandt. Mich ignoriert er komplett.
Dann erfahren wir, dass er gestern in einem Reisebüro war, wegen den Urlaubsplänen für sich und seine Familie. Und, dass es ein Fiasko war. Ein Fiasko sondergleichen, sagt er. Die Angebote quasi unter aller Sau. Weil das eine zu teuer, das andere zu weit weg und das dritte ungeeignet für kleine Kinder. Also keine Möglichkeit, die sauer verdienten Moneten in ferne Länder zu tragen.
Aber heut Nacht, sagt der Leopold, heut Nacht, hatte er eine großartige Idee. Weil: heut Nacht ist ihm nämlich das perfekte Urlaubsparadies eingefallen, für sich und seine Lieben. Und das auch noch direkt vor der eigenen Haustür. »Lass hören«, sagt der Papa ganz interessiert.
»Urlaub auf dem Bauernhof«, sagt der Leopold kauenderweise.
»Das klingt gut«, sagt der Papa weiter und schaut seinen Älteren aufmunternd an.
»Klingt gut?«, kaut der Leopold. »Das klingt phantastisch! «
Beide nicken.
Kommt da jetzt noch irgendwas, oder war das etwa schon das Highlight in seinem popeligen Leben? Ich setz mich wieder dazu, weil nur noch eine einzige Semmel im Korb liegt. Und die heißt es zu sichern, eh die gefräßige Verwandtschaft erbarmungslos zuschlägt.
»Und wohin soll's gehen?«, will der Papa jetzt wissen. Der Leopold strahlt ihn an, dass es eine wahre Freude ist. »Ja, zu euch natürlich«, sagt er und schnappt sich die
letzte Semmel.
»Nur über meine Leiche!«, schrei ich jetzt und reiß ihm die Semmel aus der Hand. Dann steh ich auf und geh. Dann kehr ich wieder um und nehm den ganzen Frühstücksspeck mit.
Schnurstracks hinaus, Tür zu und fertig.
Den Rest vom Wochenende verbring ich mit dem Ludwig in der freien Natur. Weil der nämlich aufgrund übermäßigen Frühstücksspeckkonsums einen Mordsdurchfall kriegt, was für Hund und Herrchen gleichermaßen ärgerlich ist.
Wie ich am Montag Früh in mein Büro fahr, hab ich selbstverständlich auch wieder die Uniform an. Obwohl ich das normal nie mache. Immer Zivilklamotten. Jeans und Lederjacke, und alles ist perfekt. Aber jetzt will man freilich auch mal zeigen, was man erreicht hat, auf seinem harten Weg nach oben. Drum eben Uniform.
Zuerst einmal hol ich mir einen Kaffee. Die drei Verwaltungsschnepfen ratschen grad fleißig, zwei davon sind über ein Handarbeitsheft gebeugt. Die dritte hat ein Strickzeug in der Hand und zählt Maschen. Ja, es ist schon ein Scheißstress in der Gemeindeverwaltung von Niederkaltenkirchen.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Mädls«, sag ich so beim Reingehen und schlendere zur Kaffeemaschine.
»Ah, du weißt also schon Bescheid, Franz«, sagt dann das Strickzeug, und ich weiß nicht im Geringsten, wovon sie redet.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sag ich und schenk mir einen Kaffee ein.
»Ja, wegen deiner Uniform halt. Weil der Bürgermeister gesagt hat, er braucht dich heut unbedingt in Uniform.« »So, so, hat er das gesagt.«
Sie nickt.
»Vielleicht schaust gleich einmal bei ihm im Büro vorbei«, sagt sie weiter und wendet ihren Blick von den Maschen auf die Uhr. »Er müsste eigentlich schon da sein.«
»Ja, wenn er schon da sein müsste, dann schauen wir halt einmal rüber, gell«, sag ich und bleib noch einen Augenblick an der Bürotür stehen. Aber nix. Kein Wort über mein Silber. Sie haben es nicht mal gemerkt, die blöden Weiber. Stattdessen starren sie begeistert auf die Gebrauchsanweisung ihrer Wollverwertung. Aber was will man da auch anderes erwarten? Von Verwaltungsangestellten. Seien wir doch einmal ehrlich, so arg viel Hirn brauchst jetzt da nicht für diesen Job. Und schon gar nicht bei uns in Niederkaltenkirchen.
Ich geh also rüber zum Bürgermeister, und da - eine völlig neue Situation.
»Ja, Eberhofer«, sagt er und steht gleich einmal auf. »Kommen S' rein. Lassen Sie sich anschauen. Hervorragend ... ehrlich, ganz hervorragend schauen Sie aus.«
Er geht einmal komplett um mich rum und schaut mich von oben bis unten an. Das tut schon gut, wirklich.
»Ja, ja, ich hab's schon gehört. Kommissar Eberhofer, gell. Hört sich doch gleich ganz anders an, hähä. Und wie das schon ausschaut, ehrlich. Wie ein Offizier und Gentleman, muss ich direkt sagen. Ja, mein Großvater, Gott-habihn-selig, der hat auch immer gut ausgeschaut seinerzeit. Wissen's schon, damals in seiner Offiziersuniform. Schneidiges Mannsbild, wirklich. Da könnte man tatsächlich neidisch werden, gell«, lacht er versonnen und setzt sich dann hinter seinen Schreibtisch. »Aber lassen wir das, Eberhofer. Zwecks was ich Sie eigentlich brauche, ist Folgendes. Die Özdemirs im Tannenweg, die kennen Sie doch auch, oder? Der Jüngere spielt Fußball im FC Rot-Weiß. Erstklassiger Mittelfeldspieler. Schießt beidfüßig. Wunderbare Technik, vielleicht haarscharf am Ballack vorbei. Aber leider zu dick. Fünfzehn Kilo, würd ich mal sagen.«
Er tastet seinen Ranzen ab. »Also, was ist, die kennen S' doch, oder?«
Ich zuck mit den Schultern.
»Ja, was heißt jetzt da kennen. Gesehen hab ich sie schon so ein paarmal. Aber kennen direkt tu ich sie nicht.«
»Das wird sich jetzt aber ändern, Herr Kommissar. Und da ist es geradezu hervorragend, dass Sie heute die Uniform tragen. Weil: bei den Türken, da macht das halt schon noch was her, gell. Besonders jetzt, mit so viel Silber.«
»Und was genau soll ich bei denen?«, frag ich und setz mich derweil auf seinen Schreibtisch. Das mach ich manchmal. Besonders gern, wenn er was von mir will, der Herr Bürgermeister. Das gibt mir ein unglaublich gutes Gefühl. Irgendwie überlegen halt.
Und dann erfahr ich, dass der Ältere der Özdemirs, also quasi der Vater, eine Anzeige bekommen hat. Und zwar von seiner eigenen Tochter. Weil er die nämlich zwangsverheiraten möchte. Mit einem Cousin zweiten Grades. Die ganze Familie wusste darüber Bescheid. Nur leider die zukünftige Braut nicht. Und genau in dem Moment, wo die dann urlaubsweise in die Türkei fährt, schenkt ihr ein Onkel reinen Wein ein. Holt sie vom Flughafen ab und sagt ihr gleich klipp und klar, was Sache ist. Was er von ihr erwartet und mit ihm natürlich die ganze restliche Sippschaft. Und was macht das Kind, das undankbare? Rennt, kaum in Ankara angekommen, pfeilgrad zur deutschen Botschaft und zeigt sie alle an. Den Vater, den Onkel, den Bräutigam und den kompletten Türkenclan halt. Der, ganz im Gegensatz zu ihr selbst, freilich informiert war über die dubiosen Hochzeitspläne.
Ja, und meine ehrenwerte Aufgabe ist es jetzt, den Teil der Familie zu verhören, der halt hier in Deutschland bei uns im Dorf so wohnt. Gut, sag ich zum Bürgermeister, das dürfte kein Problem werden. Schließlich leben wir hier nicht mehr im Mittelalter. Und wenn die Özdemirs in unserem wunderbaren Land sein wollen, dann sollten sie schon auch unsere Regeln einhalten. Da kann man doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts ein junges, hübsches Ding an einen übrig gebliebenen Vetter verscherbeln, oder? Ja, wo kämen wir denn da hin!
Der Bürgermeister schaut mich dankbar an, und ich schüttel ihm gönnerhaft die Hand. Ich werd die Sache regeln, sag ich. Gar keine Frage.
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Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Rita Falk
Rita Falk, Jahrgang 1964, geboren in Oberammergau, lebt in Landshut, ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und verheiratet mit einem Polizeibeamten. Mit ihren Bestsellern "Winterkartoffelknödel" und "Dampfnudelblues" hat sie sich in die Herzen ihrer Leserinnen und Leser geschrieben – weit über die Grenzen Niederbayerns hinaus.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rita Falk
- 2012, 1, 239 Seiten, Masse: 13 x 19 cm, Flex. Einband
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863652878
- ISBN-13: 9783863652876
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