Okarina
Roman
"Voller erfrischender polemischer Verve" (FAZ) - "Ein Zeitdokument von hohem Wert" nannte die SDZ diesen jüngsten Roman Hermann Kants. Der Autor lässt - wie immer sprachlich virtuos - die zuweilen wilden und widrigen Jahre der DDR Revue passieren. Wo in...
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Produktinformationen zu „Okarina “
"Voller erfrischender polemischer Verve" (FAZ) - "Ein Zeitdokument von hohem Wert" nannte die SDZ diesen jüngsten Roman Hermann Kants. Der Autor lässt - wie immer sprachlich virtuos - die zuweilen wilden und widrigen Jahre der DDR Revue passieren. Wo in dieser teils wehmütigen, aber stets kurzweiligen "Halbmär" Erlebtes und wo Erdachtes sich findet, kann man mit grossem Vergnügen selbst zu enträtseln versuchen.
Klappentext zu „Okarina “
Aus dem Aufenthalt kennt man diesen Niebuhr, der in polnischer Gefangenschaft erfuhr, was die Nazis und die Wehrmacht angerichtet hatten. Die "polnische Abteilung seines Lebens" behält ihr Gewicht auch für den Erzähler dieses Romans, zumal seinerzeit Merkwürdiges geschah: Stalin habe ihn in den Kreml holen lassen, zu seinem "Ideengefäss" ernannt und auf einer Okarina gespielt - Flötentöne, die ihn lange besetzt halten. Und seitdem ihm damals - eine ebenso mythische Angelegenheit - Norma-Marilyn begegnet sei, durchziehen Liebesgeschichten sein Leben. Zunächst wird er Lehrer an einer Parteischule, dann Setzer und Drucker, schliesslich Redakteur einer Zeitschrift für Kommunikation, OKARINA benannt. Mit Behagen verweilt der Erzähler bei angenehmen Momenten seines Lebens, erzählt von Liebe, vom Tischbeissen und vom Klassenkampf, wobei er sich - wie man das bei Kant kennt - keinen Wortwitz und keine Anspielung entgehen lässt. Doch bedenkt er auch den möglichen Irrtum. Deshalb ist auch von Sturheit und Dogmatismus die Rede, vom Wirken unterschiedlichster Geheimdienste und schliesslich von einer zunehmenden "Vereisung". So ist ein gewichtiger Roman entstanden, der sich einer sehr beteiligten Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR verschrieben hat."Voller erfrischender polemischer Verve" F.A.Z."Ein Zeitdokument von hohem Wert" nannte die Süddeutsche Zeitung diesen jüngsten Roman Hermann Kants. Der Autor so bedeutender Werke wie "Die Aula" und "Der Aufenthalt" lässt - wie immer sprachlich virtuos - die zuweilen wilden und widrigen Jahre der DDR Revue passieren. Wo in dieser teils wehmütigen, stets aber kurzweiligen "Halbmär" Erlebtes und wo Erdachtes sich findet, kann man mit grossem Vergnügen selbst zu enträtseln versuchen."Ein starkes Buch voller Anspielungen, Gescheitheiten, Widersprüche, Schnurren und wirklich schöner Erzählstücke." Neues Deutschland
Lese-Probe zu „Okarina “
Rechts am Bildrand, den der Fensterrahmen abgab, rührte sich etwas, das mir bei erster Ausschau entgangen war. Eine Möwe schlug mit den Flügeln, die, anders als ihre Krallen, nicht ins Eis gefroren waren. Keine Ahnung, wie lange das arme Vieh schon in der Falle sass; keine Ahnung, wie lange noch. Fest stand nur, ich konnte ihm kaum helfen. Kaum oder nicht? Kaum ist nicht nicht. Kaum lässt einen Rest für Prüfung. Also setzte ich die Mütze auf, zog mich warm an, stieg in feste Stiefel und stiefelte über den verkommenen Rasen an den Seerand, wo eine Möwe im Eis meiner harrte. An diesem Gedanken, vor allem an seiner Form merkte ich, dass ich die Schreiberhaltung noch nicht abgeschüttelt hatte. Was statt ihrer nottat, war Retterhaltung. Die Möwe harrte meiner nicht; sie wollte nur, wie sie ab und an zu erkennen gab, raus aus dem Eis. Das war zwar fest genug, sie festzuhalten; fest genug, mich zu tragen, war es nicht. Die Hoffnung, der Vogel lasse sich mit einer langen Stange losstochern, kam gegen meine Einsicht nicht an, dass ich auf dem Grundstück keine Stange finden werde. Mit den Perlonleinen und Trockenspinnen war das Ende der Wäschestützen gekommen. Jetzt, wenn eine Kahnbauer- Stake zur Hand wäre, dachte ich und fühlte mich versucht, es der Möwe zuzurufen, als sie unfern dem Ufer, aber viel zu fern von ihm einen ihrer aussichtslosen Flugversuche machte. Weil ich mich von dem Tier nicht beschämen lassen wollte, wagte auch ich etwas, von dem ich mir nichts versprechen konnte. Ich setzte erst den einen, dann den anderen Fuss auf die dünne Schicht gefrorenen Wassers, unter der ich einen tiefen Schacht voll fast gefrorenem Wasser wusste, und hörte meine Mutter deklamieren: Gefroren hat es heuer noch gar kein festes Eis, das Bübchen steht am Weiher und denkt, wer weiss, wer weiss. Ins Warngedicht hinein knisterte der dünne Belag auf dem See so vernehmlich, dass ich wusste, höbe ich den rechten Fuss, bräche ich mit dem linken ein, und begönne ich links, müsste sich rechts wegen
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verdoppelten Gewichts bei halbierter Standfläche die gleiche Wirkung zeigen. Zwar hätte ich mich, wie es tausend Rettergeschichten dringend empfahlen, auf die anders kaum tragfähige Decke niederlassen und meine Kubikzentimeter auf ihre Quadratzentimeter verteilen können, doch sah ich nicht, wie sich bei solcher Bindung ein Bergedienst leisten lassen werde. Für einen mirakulösen Augenblick machte ich mich schwerelos, machte kehrt, stützte die Hände aufs Ufer, zog mich an Land, stieg auf den Rasen und ging, dieweil in meinem linken Augenwinkel die Möwe, alarmiert, wie mir schien, mit den Flügeln schlug, einem Notfall-Einfall nach. Im hausnahen Gelass lag unser Kajak im Winterdock und konnte Rettung bedeuten. Reichte sein Doppelpaddel nicht zu befreiendem Stochern hin und schwömme es nicht in aufgebrochenem Eis im eiskalten Wasser, musste seine weitgreifende Gestalt doch geeignet sein, meinen Druck so auf die gefrorene Fläche zu verteilen, dass ich in die Nähe des Vogels gleiten und diesen ins Ungefrorene geleiten könnte. Ein Schlüssel war zu finden, ein Schloss zu öffnen, halbe Fahrräder, viele Kisten, Kästen, Körbe mussten beiseite, ein Dreiangel in der Jacke kam zum übrigen; dann war das Boot seeklar und einmal auch nach diversen Anbordgehmanövern besetzt mit mir. Weil ich der Dringlichkeit wegen das Sitzbrett nicht eingesetzt hatte, merkte ich, was der Volksmund mit Grundeis meint. Doch zählte jetzt nur der Vogel, dem, falls man ihn eine Lachmöwe hiess, das Lachen längst vergangen war. Der Aggregatzustand des Wassers freilich zählte auch: Sowenig sich die Paddel eintauchen liessen, so fruchtlos glitten sie über die glacierte Fläche. Bei aller Bewegung bewegten sie nicht das Boot. Mein Versuch, uns mit Händen übers Hartkalte zu stossen, führte ums Haar zum Sturz aufs Kaltharte. Als ich bedachte, dass ich im Falle, ich bräche im Eise ein, die Eskimorolle nicht beherrschte, drehte ich, was sich leicht anhört, aber schwer zu machen war, mit dem Kajak bei. Im Warmen dann wieder und wieder überm Schreibgeschirr, beschloss ich, mich diesem zu widmen und nicht dem Tier in Seenot. Mein Gott, Gott hatte mich nicht gemacht, Möwen zu retten; er hatte mich als Signalgeber gemeint. Nicht die See oder der See, sondern Papier war die Fläche, auf der ich mich bewähren sollte. Schick dich drein, Kreatur, ich muss es auch; ich muss meinen Ideen die rechten Worte suchen, da halte du, ich bitte dich, doch deine verdammten kalten nassen Flünken still! Den Teufel tat die Möwe das. In Abpassung meiner nahenden Gedanken, exakt im Augenblick, wo diese in Wortgestalt dem Einfallskokon entschlüpfen wollten, unterbrach der gefangene Vogel mit einem Flügelschlag den Zauber. Einer Änderung der Sitzordnung, durch die ich das leidende Federvieh aus dem Auge zu verlieren suchte, folgte nur meine schriftliche Unergiebigkeit. Kaum sass ich nach Vorschrift zurück auf dem angestammten Galeerenplatz, winkten vom Eis des Dammersees Flügel-Signale, die zunehmend dringlich aus SOS in Mayday, May-day übergingen. Als mir dann auch noch der sinnwidrige Spruch Phönix aus dem Eis nicht aus dem Kopf wollte, war es genug. Ich rief die Feuerwehr. Zum ersten Mal in meinem Leben und auf die Weise, wie man mir ein Leben lang gepredigt hatte. In gefasster Haltung mit Namensangabe und präziser Beschreibung von Standort und Schaden. Der Feuerwehrmann nannte mich Anrufer und fragte, wieviel Personen in Eisgefahr seien. "Nicht Gefahr, sondern Not", sagte ich; "keine Person, aber ein Vogel. Es geht um eine Möwe und in gewisser Weise um mich." "Anrufer, tun Sie nichts Unbedachtes", sagte der Mann von 112, "wir sind gleich bei Ihnen." "Nicht bei mir, bei der Möwe sollen Sie sein!" sagte ich. Weil sein Schweigen wie Widerspruch klang, fügte ich hinzu, von früh auf sei mir die Feuerwehr als Retterin von Sittichen bekannt; und nun wolle sie eine Möwe, die mir in ihrer Not mit den Fittichen in die aufkommenden Ideen schlage, gering achten? "Anrufer", hörte ich den Angerufenen sagen, "mir scheint es weniger ein Fall für die Feuerwehr als für, als für die Polizei zu sein. Ich verbinde." Gern hätte ich ihm auf den Kopf zu gesagt, für was für einen Fall er mich halte, aber die 110 war schneller als dieser Gedanke. Ich wiederholte meine Meldung, und die Frau, die mich Teilnehmer nannte, wiederholte meinen Namen. Sie schien mit ihm etwas anfangen zu können, das mir nicht angenehm sein konnte. Aus dem Anschein wurde Anfassbares, als sie sagte, mein Fall sei unzweifelhaft ein Fall für die Wasserpolizei und sie verbinde mich. Zur Wasserpolizei dauerte es länger. Vielleicht, weil sie meinen Notruf über Winsen an der Luhe leiteten. Tatsächlich wohl, weil ein Computer mich ihrem Kommandeur zugeleitet hatte. In diesen Künsten verhielten wir beim Weltstand. Bei der Lagebesprechung ein Kommandantenwort über das Grossmaul, welches der Polizei in den Rücken falle; der Rest war Programmierersache. Vom Genossen Meissner wurde ich nicht Anrufer und nicht Teilnehmer, sondern Genosse Pilatus genannt. Er habe gemeint, in meinen Kreisen spiele mehr die Taube eine führende Rolle, sagte er. Nein, er meine, obwohl er meine spezifisch gelagerten Interessen kenne, keine Brieftaube. Er meine die mit dem Ölzweig, mit dem man die Backe kühle, auf die einem der Gegner eins gebrannt habe. Falls unter meinen neuen Freunden ein Ornithologe sei, möge ich ihn fragen, wieviel Wasservögel derzeit in der Eisklemme sässen. Gewiss, das Tier in meiner Perspektive sei ein besonderes Tier. Weshalb die nächste Seepatrouille Order bekomme, bei mir vorbeizuschauen. "Ciao!" sagte mein Wasserschutzgenosse Meissner, und der Computer zwischen uns legte auf. Nun hätte ich wieder zu meinen Ideen gekonnt, doch war der Vogel noch da und das Boot noch nicht; das nutzte ich, meins in den Keller zu bringen. Eben hatte ich es an seinen Verwahrpunkt hinter Kästen und Körben gehievt, als von den Signaltönen, auf die ich mich von Berufs wegen verstehe, einer kurz und heftig erklang. Es war der Ansatz nur zu einem Sirenenschrei, doch schlug er mir bis ins Kellerloch. Und in die Stuben und Küchen rings um den Dammersee wohl auch. Ein Schiff mit zwei Flegeln, wie sich zeigen sollte, beschallte meine Wohnstatt. Ob der Bürger zugegen sei, der eine hilflose Möwe gemeldet habe, erscholl es von Bord in Discostärke, und ich, wenn nicht einer Kanonade gewärtig so doch weiteren Gejohls, machte, dass ich auf den Bootssteg kam. Ob das von mir gemeldete Lebewesen diese Möwe sei, wollte der Schiffsführer wissen, und auch wenn er mit einer langen Stake über die Reling auf den eingefrorenen Vogel wies, gingen seine nebelhornstarken Worte über meinen Kopf zu den Nachbarn hin, die aus Fenstern und über Zäune lehnten. Ob ich einen Korb habe, fragte er und zog fabelhaft durable Handschuhe mit Gebärden an, derer sich ein Hochöfner vorm Abstich oder ein Hals-Nasen-Arzt vor dem Abstrich nicht hätten schämen müssen. Als ich mit dem Korb aus dem Keller wiederkehrte, hielt er die Möwe in seinen bewehrten Händen und liess das Knäuel aus nassen Federn, scharfem Schnabel und angefrorenen Krallen vor meinen Augen und denen der Nachbarn in das geflochtene Behältnis gleiten. Dann standen er und sein Steuermann an Deck wie eine U-Boot-Crew nach Feindfahrt aufgereiht, und beide gaben mir im Seewärtsdriften je einen Blick voller abgrundtiefem Befremden und unüberbrückbarem Unverständnis, wie ich ihm zuletzt beim Präsidenten der Republik Frankreich begegnet war. Den Rest in Kürze: Drei Tage lang blieb der gerettete Vogel im Korb. Zuerst im Kajak- und Kistenkeller, dann vor dessen offener Luke auf dem Rasen. Schon um die bibbernde Kreatur für die spärliche Sonne erreichbar, aber auch, um ihren Startflug nicht allzu steil zu machen, kippte ich das Behältnis um und drehte es nach dem Sonnenstand, wie ich es von George Bernard Shaw und seiner Arbeitshütte kannte. In meiner Arbeitshütte geschah von den Ideen her an diesen Tagen nicht viel. Weil ich das Gelass der Möwe drehen oder nach ihrem Futter sehen oder einfach prüfen musste, ob sie endlich mit den wiederbelebten Flügeln schlage. Am Abend des dritten Tages kehrten meine Frau und unsere Kinder heim und begehrten nach meinem Bericht, den ich zugunsten seiner Verträglichkeit von literarischen und politischen Problemen wie auch von den Nachbarn gereinigt hatte, das schiffbrüchige Tier unverzüglich zu sehen. Den armen Robinson, sagte der Sohn; die bedauernswerte Robinie, sagten die Töchter; die erbarmenswürdige Robinsonja, sagte Jennifer Krol, die sich solche Gelegenheiten nicht entgehen liess. Wir zogen noch einmal das Winterzeug an und zogen, von mir mit einer Taschenlampe geleitet, hinters Haus zum Keller, zur Luke und zum Korb. Der war leer, die Schale mit dem Gehackten auch und auch das Schüsselchen, dessen Wasser ich mit einem Schüsschen Branntwein frostresistent gemacht hatte. So weithin ich auch den Rasen und das Eis ableuchtete, die Möwe war fort. Geblieben waren nur leere Behältnisse und mir die Idee von mir als grossem Helfer. Frau und Kinder besprachen den Vorfall nicht weiter. Sie standen, mich betrachtend, aufgereiht wie die Wasserpolizei, und in ihren ununterschiedlich schönen Zügen lag, wenn der Schein der Lampe nicht trog, ein entrücktes Befremden, das präsidial zu nennen mich nur ihre entschiedene Jugend hindern konnte.
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Autoren-Porträt von Hermann Kant
Hermann Kant wurde 1926 in Hamburg geboren. Er machte eine Lehre zum Elektriker. Im Zweiten Weltkrieg war er Soldat, befand sich von 1945-1949 in polnischer Kriegsgefangenschaft. Der Mitbegründer des Antifa-Komitees war im Arbeitslager Warschau und Lehrer an der Antifa-Zentralschule. Ab 1949 besuchte er die Arbeiter- und Bauern-Fakultät Greifswald und studierte von 1952 bis 1956 Germanistik in Berlin. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent und Redakteur. Als freier Schriftsteller lebte er seit 1962 in Berlin und war von 1978 bis 1989 Präsident des Schriftstellerverbandes der DDR. Er starb 2016 in Neustrelitz.Wichtigste Werke: "Die Aula" (1965), "Das Impressum" (1972), "Der Aufenthalt" (1977), die Erzählungsbände "Ein bisschen Südsee" (1962), "Eine Übertretung" (1975), "Der dritte Nagel" (1981), "Bronzezeit" (1986), "Lebenslauf, zweiter Absatz" (2011). Zuletzt erschien: "Therapie. Erzählungen und Essays" (2021).
Bibliographische Angaben
- Autor: Hermann Kant
- 2003, 463 Seiten, Masse: 11,6 x 19,3 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746611946
- ISBN-13: 9783746611945
- Erscheinungsdatum: 01.10.2003
Rezension zu „Okarina “
»...zeugt von Meisterschaft, sinnlicher Lebensfreude und einer Lust am Humor...« Frankfurter Neue Presse 20030314
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