Odile
Roman. Nachw. v. Tilman Spreckels
Liebesroman und Künstlersatire aus dem Paris der zwanziger Jahre
Spleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte...
Spleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte...
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Produktinformationen zu „Odile “
Liebesroman und Künstlersatire aus dem Paris der zwanziger Jahre
Spleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte Abrechnung mit der surrealistischen Bewegung zählt zum Amüsantesten, was die französische Literatur der Zwischenkriegszeit hervorgebracht hat.
Paris der zwanziger Jahre. Desillusioniert und entwurzelt aus dem Marokko-Krieg heimgekehrt, lässt sich der junge Roland Travy im Großstadtleben treiben. Bald gerät er in einen bizarren Zirkel um den selbsternannten Visionär Anglarès, der im Straßencafé an der Place de la République seiner Jüngerschar den gerade aktuellen Stand der Weltdeutung kundtut. Und dann ist da Odile - auch sie das schwarze Schaf einer gutbürgerlichen Familie. Doch Travy hat sich in seinem Weltekel längst häuslich eingerichtet. Erst eine Reise öffnet ihm die Augen, und unversehens schält sich aus der galligen Satire die scheue Geschichte einer ersten Liebe.
Ein unklassischer Klassiker der französischen Moderne.
Spleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte Abrechnung mit der surrealistischen Bewegung zählt zum Amüsantesten, was die französische Literatur der Zwischenkriegszeit hervorgebracht hat.
Paris der zwanziger Jahre. Desillusioniert und entwurzelt aus dem Marokko-Krieg heimgekehrt, lässt sich der junge Roland Travy im Großstadtleben treiben. Bald gerät er in einen bizarren Zirkel um den selbsternannten Visionär Anglarès, der im Straßencafé an der Place de la République seiner Jüngerschar den gerade aktuellen Stand der Weltdeutung kundtut. Und dann ist da Odile - auch sie das schwarze Schaf einer gutbürgerlichen Familie. Doch Travy hat sich in seinem Weltekel längst häuslich eingerichtet. Erst eine Reise öffnet ihm die Augen, und unversehens schält sich aus der galligen Satire die scheue Geschichte einer ersten Liebe.
Ein unklassischer Klassiker der französischen Moderne.
Klappentext zu „Odile “
Liebesroman und Künstlersatire aus dem Paris der zwanziger JahreSpleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte Abrechnung mit der surrealistischen Bewegung zählt zum Amüsantesten, was die französische Literatur der Zwischenkriegszeit hervorgebracht hat.
Paris der zwanziger Jahre. Desillusioniert und entwurzelt aus dem Marokko-Krieg heimgekehrt, lässt sich der junge Roland Travy im Grossstadtleben treiben. Bald gerät er in einen bizarren Zirkel um den selbsternannten Visionär Anglarès, der im Strassencafé an der Place de la République seiner Jüngerschar den gerade aktuellen Stand der Weltdeutung kundtut. Und dann ist da Odile - auch sie das schwarze Schaf einer gutbürgerlichen Familie. Doch Travy hat sich in seinem Weltekel längst häuslich eingerichtet. Erst eine Reise öffnet ihm die Augen, und unversehens schält sich aus der galligen Satire die scheue Geschichte einer ersten Liebe.
Ein unklassischer Klassiker der französischen Moderne.
Lese-Probe zu „Odile “
Wenn diese Geschichte beginnt, befinde ich mich auf der Strasse, die längs der Stadtmauern vom Bou Jeloud zum Bab Fetouh führt. Es hat geregnet. Wasserpfützen spiegeln die letzten Wolken wider. Unter den Nägeln meiner Schnürstiefel klebt der Dreck. Ich bin schmutzig und schlecht gekleidet, ein Soldat auf der Rückkehr von einem viermonatigen Kommando. Vor mir betrachtet ein Araber unbeweglich die Landschaft und den Himmel, Dichter, Philosoph, Edelmann. So beginnt diese Geschichte. Doch sie hat einen Prolog , und wenn ich mich auch nicht meiner Kindheit erinnere, als sei mein Gedächtnis durch irgendeine Katastrophe zerstört worden, so bewahre ich mir doch die Erinnerung an eine Reihe von Bildern aus der Zeit vor meiner Geburt. Später haben mir Leute gesagt, dass es einfach nicht möglich sei, so geboren zu werden, mit einundzwanzig Jahren, die Füsse im Schlamm, Sümpfe um sich herum und darüber besiegte Wolken, die ihrem Ziel entgegensegeln; und dennoch ist es so: von meinen ersten zwanzig Lebensjahren bleiben mir nichts als Trümmer, und mein Gedächtnis wurde vom Unglück zugrunde gerichtet.Wenn diese Geschichte beginnt, war ich seit etwa einem Jahr Soldat und hatte gerade vier Monate im Rifgebirge zugebracht. Ich hatte Männer töten und Städte brennen sehen. Ich gehörte zu den Eindringlingen, aber ich verachtete den Stolz meiner schmutzigen, ungebildeten Gefährten, zum grössten Teil tapfere Burschen und mit Sicherheit fähig, Schlachtbankhelden abzugeben. Ebenfalls schmutzig, war ich jedoch weniger tapfer. Meine Sympathien galten anderen. Doch ich konnte mich nicht an der Verantwortung vorbeidrücken, und wenn ich auch nicht selbst auf die Chleuhs geschossen hatte, so gehörte ich immerhin zu einem jener Kommandos, die mit hängender Zunge das von Karl Martell und Cid Campeador vorgezeichnete Werk fortsetzten.
Als Erstes machten wir an einem Beobachtungsstand halt, der aus Feldsteinen gebaut war, unter denen die Pfiffigsten von uns und die mit den meisten Tressen
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hausten. Die anderen, zu denen ich gehörte, dämmerten unter einem sogenannten Marabuzelt dahin und hielten jede Nacht drei Stunden Wache. Es regnete unaufhörlich, wie während eines europäischen Krieges, eines grossen Krieges. Wir lebten im Rost, und verdorbene Verpflegung hielt uns schwach auf den Beinen. Das dauerte etwa einen Monat; dann führte man uns auf eine kleine Hochebene, die der Wind planierte und die die Militärs für einen Sicherheitsposten hielten. Tatsächlich sah man Mauleselkarawanen, Bataillone von Fremdenlegionären, Partisanen und andere Sehenswürdigkeiten aufwärts- und abwärtswandern. Wir mussten durch einen Fluss waten, um die Suppe holen zu gehen. So wuschen wir uns die Füsse. Alles das ist nur mittelmässig interessant, aber schliesslich ist es der Prolog dieser Erzählung, ausserdem weiss ich genau, was ich tue. Ich erzähle keine Geschichten ins Blaue hinein. So wuschen wir uns also die Füsse.
Nachdem die Vorgesetzten sie für sauber genug befunden hatten, brachen wir die Zelte ab und stiegen höheren Gipfeln entgegen, um ein Bataillon abzulösen, ich weiss nicht mehr welcher Art, das man anscheinend unaufhörlich in den Einsatz schickte. Wir wurden in ganz kleine Vorposten eingeteilt; der unsere lagerte um das Grab eines heiligen Muselmanen. Eine Quelle war der Mittelpunkt des Bataillons, und in der Nähe des Berberdorfes verkaufte ein Händler Wein und Konserven. Wir waren ganz nahe an der Grenze von Spanisch-Marokko, und die Dörfer, die vor uns lagen, leisteten noch Widerstand. Man bombardierte sie auf alle Arten von Weisen. In der Ferne konnte man ein grosses Dorf sehen, das mir als ein Mekka erschien. Ich hoffte, dass wir bis dorthin gehen würden; die Reiselust, verstehen Sie.
Ausser dem Grab gab es noch eine Kanone und einen Spezialisten, der damit schoss. Sah er dort unten zwei oder drei Araber, zielte er sie sofort an und schoss daneben. Er zerstreute sich auch damit, dass er auf Aloeblätter Aquarelle malte und das Liedchen sang: "Er konnte lügen, dass sich die Balken bogen." Dieses junge Mädchen schien glücklich zu sein. Wir hielten Wache vor dem Grab des Heiligen und bauten Mäuerchen mit Steinen, die von Skorpionen und Schlangen verteidigt wurden, aber mich interessierte allein jene Stadt, in die wir nicht gingen.
Der Krieg ging zu Ende. Es gab einen Angriff. Die aufständischen Dörfer gingen eins nach dem andern in Flammen auf und zeigten so den Fortschritt an, ähnlich den Fähnchen im "Café du Commerce". Im Morgengrauen stiegen einige grüne Leuchtraketen zum Himmel empor, als der Spezialist bereits zivilisierte Ruinen beschoss. Während der Nacht erloschen die Flammen. Wir gingen nicht nach Taberrant, der Stadt in den Bergen; man liess uns Strassen bauen, nur wegen der Blasen. Wir legten sie mitten durch Getreidefelder; und da waren Wiesen voller blauer Blumen, die in der Literatur einen Namen haben. Die unterworfenen Chleuhs verkauften Rosinen, und die Unteroffiziere leisteten sich für eine Brotrinde ihre Töchter, zumindest prahlten sie damit. Wir wechselten fast täglich das Lager; in Erinnerung geblieben sind mir nur noch das Grab des Heiligen und der Name der Stadt. Dann wurde die Kompagnie in eine Mulde verlegt, in der sich ein Verpflegungslager befand. Wacheschieben blieb auch weiterhin unsere Hauptbeschäftigung; doch wir fuhren auch Getreidesäcke und drahtverschnürte Ballen mit Wolldecken hin und her. Meine intellektuelle Qualifikation bestimmte mich zum Katalogisieren der Reis- und Linsengutscheine; in der Nacht glaubte ich Schäfer zu sein. Die Stunden des Wachestehens waren lang und leer, und während ich dem Mond zusah, wie er voller wurde, bekämpften sich im Park die Widder und liessen ihre harten Schädel in der Stille der Nacht dröhnen. Andere Sehenswürdigkeiten waren eine Bretterkirche, die ein Sturm niedergerissen hatte, und Soukhs, in denen man Pernod trank und die ebenfalls zerstört worden waren. Ein- oder zweimal in der Woche wurde in der Nähe des Flusses Markt abgehalten. Meine Sympathie galt dem Schlangenbeschwörer; er suchte sich eine Schlange aus, trennte ihr mit den Zähnen den Kopf vom Rumpf, zog ihr die Haut ab, verteilte die Stücke der Haut. Das alles war des Reisens schon wert.
Ich weiss nicht, wie lange ich an diesem Ort geblieben bin. Mein armes Gedächtnis ist weder ein Chronometer noch ein Kinoapparat noch ein Grammophon noch sonst eine perfektionierte Maschine.
Nachdem die Vorgesetzten sie für sauber genug befunden hatten, brachen wir die Zelte ab und stiegen höheren Gipfeln entgegen, um ein Bataillon abzulösen, ich weiss nicht mehr welcher Art, das man anscheinend unaufhörlich in den Einsatz schickte. Wir wurden in ganz kleine Vorposten eingeteilt; der unsere lagerte um das Grab eines heiligen Muselmanen. Eine Quelle war der Mittelpunkt des Bataillons, und in der Nähe des Berberdorfes verkaufte ein Händler Wein und Konserven. Wir waren ganz nahe an der Grenze von Spanisch-Marokko, und die Dörfer, die vor uns lagen, leisteten noch Widerstand. Man bombardierte sie auf alle Arten von Weisen. In der Ferne konnte man ein grosses Dorf sehen, das mir als ein Mekka erschien. Ich hoffte, dass wir bis dorthin gehen würden; die Reiselust, verstehen Sie.
Ausser dem Grab gab es noch eine Kanone und einen Spezialisten, der damit schoss. Sah er dort unten zwei oder drei Araber, zielte er sie sofort an und schoss daneben. Er zerstreute sich auch damit, dass er auf Aloeblätter Aquarelle malte und das Liedchen sang: "Er konnte lügen, dass sich die Balken bogen." Dieses junge Mädchen schien glücklich zu sein. Wir hielten Wache vor dem Grab des Heiligen und bauten Mäuerchen mit Steinen, die von Skorpionen und Schlangen verteidigt wurden, aber mich interessierte allein jene Stadt, in die wir nicht gingen.
Der Krieg ging zu Ende. Es gab einen Angriff. Die aufständischen Dörfer gingen eins nach dem andern in Flammen auf und zeigten so den Fortschritt an, ähnlich den Fähnchen im "Café du Commerce". Im Morgengrauen stiegen einige grüne Leuchtraketen zum Himmel empor, als der Spezialist bereits zivilisierte Ruinen beschoss. Während der Nacht erloschen die Flammen. Wir gingen nicht nach Taberrant, der Stadt in den Bergen; man liess uns Strassen bauen, nur wegen der Blasen. Wir legten sie mitten durch Getreidefelder; und da waren Wiesen voller blauer Blumen, die in der Literatur einen Namen haben. Die unterworfenen Chleuhs verkauften Rosinen, und die Unteroffiziere leisteten sich für eine Brotrinde ihre Töchter, zumindest prahlten sie damit. Wir wechselten fast täglich das Lager; in Erinnerung geblieben sind mir nur noch das Grab des Heiligen und der Name der Stadt. Dann wurde die Kompagnie in eine Mulde verlegt, in der sich ein Verpflegungslager befand. Wacheschieben blieb auch weiterhin unsere Hauptbeschäftigung; doch wir fuhren auch Getreidesäcke und drahtverschnürte Ballen mit Wolldecken hin und her. Meine intellektuelle Qualifikation bestimmte mich zum Katalogisieren der Reis- und Linsengutscheine; in der Nacht glaubte ich Schäfer zu sein. Die Stunden des Wachestehens waren lang und leer, und während ich dem Mond zusah, wie er voller wurde, bekämpften sich im Park die Widder und liessen ihre harten Schädel in der Stille der Nacht dröhnen. Andere Sehenswürdigkeiten waren eine Bretterkirche, die ein Sturm niedergerissen hatte, und Soukhs, in denen man Pernod trank und die ebenfalls zerstört worden waren. Ein- oder zweimal in der Woche wurde in der Nähe des Flusses Markt abgehalten. Meine Sympathie galt dem Schlangenbeschwörer; er suchte sich eine Schlange aus, trennte ihr mit den Zähnen den Kopf vom Rumpf, zog ihr die Haut ab, verteilte die Stücke der Haut. Das alles war des Reisens schon wert.
Ich weiss nicht, wie lange ich an diesem Ort geblieben bin. Mein armes Gedächtnis ist weder ein Chronometer noch ein Kinoapparat noch ein Grammophon noch sonst eine perfektionierte Maschine.
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Autoren-Porträt von Raymond Queneau
Queneau, RaymondRaymond Queneau (1903 -1976), in Le Havre geboren, Schriftsteller, Philosoph, Mathematiker, schloss sich in den 20er Jahren dem Pariser Kreis der Surrealisten an. Er arbeitete bei Gallimard zunächst als Lektor, wurde 1941 Generalsekretär des Verlagshauses und übernahm 1954 die Leitung der "Enzyclopédie de la Pléiade". Der Durchbruch als Autor gelang ihm mit seinem Werk "Zazie in der Metro" (1959), das von Louis Malle 1960 verfilmt wurde.
Bibliographische Angaben
- Autor: Raymond Queneau
- 2009, 236 Seiten, Masse: 9,8 x 15,5 cm, Leinen, Deutsch
- Übersetzung: Helmle, Eugen
- Übersetzer: Eugen Helmlé
- Verlag: Manesse
- ISBN-10: 3717521861
- ISBN-13: 9783717521860
- Erscheinungsdatum: 14.09.2009
Rezension zu „Odile “
"Surrealismus, Mathematik und Liebe verbinden sich in diesem glänzenden Buch zu einer der schlichtesten Apotheosen des Lebens, die man sich denken kann: Kritik am Irrationalen, Zweifel am Rationalen, Bekenntnis zum Herzen."
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