Das wahre Leben
Roman
Zwei Frauen in der Mitte ihres Lebens, beide in der Krise. Nevada unterrichtet Yoga und hat MS, was ihr ziemlich zu schaffen macht. Erika hat als Mutter und Ehefrau versagt und zieht allein in eine Vorstadtsiedlung. Dort lernt sie Nevada kennen, die unverhofft von der grossen Liebe erwischt wird
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Produktinformationen zu „Das wahre Leben “
Zwei Frauen in der Mitte ihres Lebens, beide in der Krise. Nevada unterrichtet Yoga und hat MS, was ihr ziemlich zu schaffen macht. Erika hat als Mutter und Ehefrau versagt und zieht allein in eine Vorstadtsiedlung. Dort lernt sie Nevada kennen, die unverhofft von der grossen Liebe erwischt wird
Klappentext zu „Das wahre Leben “
Zwei Frauen in der Mitte ihres Lebens, beide in der Krise. Nevada ist krank und lernt gerade damit umzugehen. Immer noch unterrichtet sie Yoga und das so erfolgreich, dass ihr eine Klasse mit schwierigen, absturzgefährdeten Mädchen anvertraut wird. Erika dagegen beschliesst angesichts ihres Versagens als Mutter und Ehefrau das zu tun, was ihr niemand zutraut: Sie verlässt ihr luxuriöses Zuhause am Zürichberg und zieht in eine heruntergekommene Vorstadtsiedlung. Dort lernt sie Nevada kennen, die unverhofft von der grossen Liebe erwischt wird. Mit Witz, Verve und voller Zuneigung lockt Moser ihre Figuren durch existentielle Höhen und Tiefen. Eine intensive Liebesgeschichte rund um Schmerz, Krankheit und Trennung.
Lese-Probe zu „Das wahre Leben “
Nevada1.
Nevada wachte auf. Einen Moment lang wusste sie nichts mehr. In ihren Träumen war sie gesund. In ihren Träumen sprang sie über Flüsse und von Hausdächern hinunter. Sie kletterte auf Bäume, sie breitete ihre Arme aus und flog. Sie landete auf beiden Füßen und rannte weiter, rannte, bis es sie wieder hochzog, hoch in die Luft. Ihr Körper strotzte vor Kraft, er gehorchte ihr, sie jauchzte vor Glück.
Ich bin die Sonne, dachte sie, wenn sie aufwachte. Dann fiel der Schatten auf sie. Wie eine feuchte, kalte, graue Wolldecke, die sich nur mühsam abschütteln ließ. Ihr Bett war wie Treibsand, es zog sie hinab, es verschlang sie, gab sie nicht mehr her. Ach, wie schön wäre es, einfach nachzugeben, liegen zu bleiben, in dem Strudel zu versinken, nie mehr aufzustehen. So stellte Nevada sich den Tod vor, wie ein Wasserbett, das sie verschluckte. Rückwärts und mit ausgebreiteten Armen wollte sie sich in diese letzte Umarmung fallen lassen. Sie würde in dem Bett versinken, und dann wäre endlich Ruhe. Dann musste sie nichts mehr. Warum durfte sie nicht einfach liegen bleiben? Warum durfte sie nicht tot sein?
Weil sie nicht tot war. Darum.
Der Wecker klingelte immer noch. Sie streckte die Hand aus, um ihn auszuschalten, sie drehte sich im Bett um. Da war das vertraute Ziehen in den Beinen, das Kribbeln unter der Haut, das Jucken - die Krankheit war noch da. Mit all ihren Symptomen. Sie legte sich wieder auf den Rücken, hielt das Handy dicht vors Gesicht - ihre Augen gehorchten ihr auch nicht mehr. Es war eher selten, hatte ihr Neurologe Doktor Fankhauser erklärt, dass die Schädigungen der Nervenzellen alle Bereiche gleichzeitig beeinträchtigten: die Arme, die Beine, den Rücken und die Augen. Meistens konzentrierte es sich auf ein Nervenzentrum, vielleicht auf zwei. Die zunehmenden Schwierigkeiten, die sie mit ihren Augen
... mehr
hatte, konnten auch an ihrem Alter liegen. Das hatte er vorsichtig formuliert. Normalerweise begann die Altersweitsicht mit etwa vierzig Jahren. Nevada war achtunddreißig. Sie kniff die Augen zusammen. Es war sieben Uhr morgens. Was war heute?
Sie redete sich zu wie einem alten Pferd: «Na komm schon, das kannst du! Steh auf, mach das Fenster auf, streck dich, mach dir einen Kaffee ... Kaffee, hm? Hm? Komm schon, na also!» Je weiter ihre Krankheit fortschritt, desto schwerer wurde die Decke. Und gleichzeitig konnten die angekratzten Nervenzellen unter ihrer Haut immer weniger Druck ertragen. Selbst das Gewicht einer imaginären Wolldecke verursachte ihr zusätzliche Schmerzen, ein elektrisches Summen unter ihrer Haut wie von alten Strommasten. Diese Decke wurde nicht nur immer schwerer, je länger sie auf Nevada liegen blieb, sie schien auch Spuren zu hinterlassen. Als würde sie sich in ihre Haut brennen.
Wenn sie genauer darüber nachdachte, wusste sie, dass diese Decke immer da gewesen war. Solange sie denken konnte. Aber früher hatte Nevada wenigstens ihren Körper beherrscht, sie hatte ihn aus dem Bett und direkt in eine Serie von Dehn- und Streckübungen zwingen können, noch bevor ihr Geist fragen konnte: «Warum, wozu, was soll das?»
Ihre Yogapraxis hatte sie gerettet, ihre Disziplin. Jeden Morgen hatte sie als Erstes zwei Stunden lang geübt, hatte von einer vertrauten Bewegung über die nächste zu sich gefunden. Seit sie nicht mehr auf diese Art üben konnte, war die Decke mit ihrer Haut verschmolzen, hatte sich nicht mehr abschütteln lassen, sie war ein Teil von ihr geworden. Seit Nevada vor zwei Jahren die Diagnose Multiple Sklerose erhalten hatte, fragte sie sich, ob diese Decke ein erstes, frühes Symptom gewesen war. Eine Vorläuferin der gefürchteten Fatigue, dieser Müdigkeit, die sich knochentief eingräbt, dass sie schmerzt. Fankhauser hielt die Decke für eine Form der Depression.
Auf dem Rücken liegend, ruhte Nevada sich aus. Machte sich bereit für die nächste Bewegung. Tastete ihren Körper von innen ab. Die Beine zuckten. Kleine Stromschläge in den Waden. Sie legte eine Hand in die andere, drückte und knetete sie. Sie richtete sich auf. Mit den Fingernägeln fuhr sie über ihre Beine, drückte, so fest sie konnte. Es ging nicht darum, den Schmerz wegzumassieren, sondern darum, ihre Nerven abzulenken, auf eine andere Spur zu schicken. Manchmal gelang es ihr damit, den Schmerz zu überlisten.
Dann saß sie auf dem Bettrand, vornübergebeugt, und rieb ihre Beine. Sie kniff sich in das weiche Fleisch ihrer Kniekehlen. Manchmal dachte sie an den alten Witz: «Warum schlägst du dir denn immer mit dem Hammer auf den Kopf, das muss doch weh tun?» - «Weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachlässt!»
Sie kniff in die Haut, zupfte an ihr, stellte teilnahmslos fest, dass die Haut an ihren Beinen schon mal fester gewesen war. Immer noch dieses Brennen unter der Haut. Sie fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Es würde nie besser werden. Nur schlimmer. Ihre Beine waren so schwach, der Schmerz in ihnen war so stark. Warum gab sie nicht einfach auf?
Pferden gibt man den Gnadenschuss, dachte sie. Da klopfte es. «Nevada?» Es war Sierra, ihre ältere Schwester. Nach ihrer Diagnose war Nevada bei ihrer Mutter und ihrer Schwester eingezogen, die im Erdgeschoss ihres Wohnhauses eine Gesundheitsoase für Frauen betrieben. Letztes Jahr war ihre Mutter mit ihrem neuen Mann nach Spanien ausgewandert, die beiden Schwestern blieben zurück. Sierra war zehn Jahre älter als Nevada. Als Kinder hatten sie nicht viel miteinander zu tun gehabt, doch heute waren sie sich sehr nahe. Es gab Tage, an denen Nevada ihrer Krankheit dafür dankbar war.
Sie redete sich zu wie einem alten Pferd: «Na komm schon, das kannst du! Steh auf, mach das Fenster auf, streck dich, mach dir einen Kaffee ... Kaffee, hm? Hm? Komm schon, na also!» Je weiter ihre Krankheit fortschritt, desto schwerer wurde die Decke. Und gleichzeitig konnten die angekratzten Nervenzellen unter ihrer Haut immer weniger Druck ertragen. Selbst das Gewicht einer imaginären Wolldecke verursachte ihr zusätzliche Schmerzen, ein elektrisches Summen unter ihrer Haut wie von alten Strommasten. Diese Decke wurde nicht nur immer schwerer, je länger sie auf Nevada liegen blieb, sie schien auch Spuren zu hinterlassen. Als würde sie sich in ihre Haut brennen.
Wenn sie genauer darüber nachdachte, wusste sie, dass diese Decke immer da gewesen war. Solange sie denken konnte. Aber früher hatte Nevada wenigstens ihren Körper beherrscht, sie hatte ihn aus dem Bett und direkt in eine Serie von Dehn- und Streckübungen zwingen können, noch bevor ihr Geist fragen konnte: «Warum, wozu, was soll das?»
Ihre Yogapraxis hatte sie gerettet, ihre Disziplin. Jeden Morgen hatte sie als Erstes zwei Stunden lang geübt, hatte von einer vertrauten Bewegung über die nächste zu sich gefunden. Seit sie nicht mehr auf diese Art üben konnte, war die Decke mit ihrer Haut verschmolzen, hatte sich nicht mehr abschütteln lassen, sie war ein Teil von ihr geworden. Seit Nevada vor zwei Jahren die Diagnose Multiple Sklerose erhalten hatte, fragte sie sich, ob diese Decke ein erstes, frühes Symptom gewesen war. Eine Vorläuferin der gefürchteten Fatigue, dieser Müdigkeit, die sich knochentief eingräbt, dass sie schmerzt. Fankhauser hielt die Decke für eine Form der Depression.
Auf dem Rücken liegend, ruhte Nevada sich aus. Machte sich bereit für die nächste Bewegung. Tastete ihren Körper von innen ab. Die Beine zuckten. Kleine Stromschläge in den Waden. Sie legte eine Hand in die andere, drückte und knetete sie. Sie richtete sich auf. Mit den Fingernägeln fuhr sie über ihre Beine, drückte, so fest sie konnte. Es ging nicht darum, den Schmerz wegzumassieren, sondern darum, ihre Nerven abzulenken, auf eine andere Spur zu schicken. Manchmal gelang es ihr damit, den Schmerz zu überlisten.
Dann saß sie auf dem Bettrand, vornübergebeugt, und rieb ihre Beine. Sie kniff sich in das weiche Fleisch ihrer Kniekehlen. Manchmal dachte sie an den alten Witz: «Warum schlägst du dir denn immer mit dem Hammer auf den Kopf, das muss doch weh tun?» - «Weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachlässt!»
Sie kniff in die Haut, zupfte an ihr, stellte teilnahmslos fest, dass die Haut an ihren Beinen schon mal fester gewesen war. Immer noch dieses Brennen unter der Haut. Sie fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Es würde nie besser werden. Nur schlimmer. Ihre Beine waren so schwach, der Schmerz in ihnen war so stark. Warum gab sie nicht einfach auf?
Pferden gibt man den Gnadenschuss, dachte sie. Da klopfte es. «Nevada?» Es war Sierra, ihre ältere Schwester. Nach ihrer Diagnose war Nevada bei ihrer Mutter und ihrer Schwester eingezogen, die im Erdgeschoss ihres Wohnhauses eine Gesundheitsoase für Frauen betrieben. Letztes Jahr war ihre Mutter mit ihrem neuen Mann nach Spanien ausgewandert, die beiden Schwestern blieben zurück. Sierra war zehn Jahre älter als Nevada. Als Kinder hatten sie nicht viel miteinander zu tun gehabt, doch heute waren sie sich sehr nahe. Es gab Tage, an denen Nevada ihrer Krankheit dafür dankbar war.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Milena Moser
- 2013, 1. Auflage, 320 Seiten, Masse: 13,2 x 20,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Nagel & Kimche
- ISBN-10: 3312005760
- ISBN-13: 9783312005765
- Erscheinungsdatum: 23.08.2013
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