Mir selber seltsam fremd
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Hiervon legte Willi Peter Reese ein erschütterndes Zeugnis ab: in Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Spottliedern auf die Nazis, Karikaturen, Gedichten: Ein lange verschollenes Dokument über das Grauen an der Ostfront..
Willi Peter Reese war erst 20, als er zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront geschickt wurde. Seine Aufzeichnungen sind ein Dokument des Grauens und der Entmenschlichung.
Ein ungewöhnlicher Fund: Das Manuskript zu einem Buch, das 1941-44 an der Ostfront entstand. Ein Dokument des Grauens, das zeigt, was Krieg in uns Menschen auslöst. Von einem Soldaten geschrieben in den wenigen freien Zeiträumen ausserhalb der Schützengräben und manchmal selbst dort.
»Aber bald fand ich keine Ruhe mehr und keinen Weg zu mir selber zurück. Wie Furien verfolgten mich die Erinnerungen. Immer wieder erlebte ich die Schrecken des Winterkriegs, hörte wieder das Heulen der Granaten und das Schreien der Verwundeten, sah Soldaten stürmen und sterben und mich wie einen Fremden in meinem Schicksal des Niemandslands.«
- Ein Zeitzeugnis, das das wahre Wesen des Krieges offenbart
- Ein schonungsloser, tiefgehender Einblick in das Leben eines Soldaten
- Ein Stück Zeitgeschichte: erschütternd, erschreckend, erklärend
»Ich kehre heim, ein armer Wanderer
Den keiner liebt, keiner kennt
Ich bin ein Fremdling und ein anderer
Als ihr mit eurem Namen nennt«
Mir selber seltsam fremd von WillyP. Reese
LESEPROBE
Vorwort
(VonStefan Schmitz)
»Wirsind der Krieg. Weil wir Soldaten sind.
Ichhabe alle Städte verbrannt
AlleFrauen gewürgt
AlleKinder geschlagen
AllenRaub genommen vom Land.
Ichhabe Millionen Feinde erschossen,
alleFelder vernichtet, die Dome zerstört,
dieSeelen der Menschen verheert,
allerMütter Blut und Tränen vergossen.
Ichhabe es getan. -Ich tat
Nichts.Aber ich war Soldat.«
AlsWilly Peter Reese 1943dieses Gedicht schrieb, war
erseit zwei Jahren Soldat an der Ostfront. Bleistifte und
Papier,von der Mutter an die Front geschickt, waren seine
Waffengegen den Wahnsinn des mörderischen Feldzugs.
Ertrug die Uniform eines Wehrmachtsgefreiten.
Anseiner Brust steckten vier Medaillen und Orden,
darunterdas Eiserne Kreuz II. Klasse. Er lehnte sich
nichtauf, er rannte nicht weg. Aber er wollte Zeugnis
ablegen.
Mal euphorisch, dann wiederdepressiv, stets von Läusen
geplagt und vom wachsenden Verlangennach Alkohol,
macht sich Reesedaran, seine Erinnerungen und
Notizen zu einem geschlossenen Textzu verarbeiten. In
winzig kleiner Schrift, jedenQuadratzentimeter Papier
ausnutzend, schreibt er, wann immerer kann. Oft nur mit
einer Zigarette als Lichtquellehinter dem Geschütz.
Immer wieder streitet er mit denanderen Soldaten im
Bunker um die einzige Lampe. Auf derFlucht vor der
Roten Armee rettet er - obwohl krankvor Hunger -
sein Briefpapier, lässt die Butterzurück. »Denn die ist
Überfluss, aber das Schreiben ist eineLebensnotwendigkeit.
« In sein Tagebuch, das er späterals Quelle für das
Manuskript nutzt, notiert er, »nurmeine Aufgabe, vom
Kriege auszusagen und meinefragmentarischen Werke zu
vervollständigen, gibt mir nocheinen persönlichen
Lebenswillen«.
Er hat es geschafft. Gut 140 Seitentippt er im Fronturlaub
Anfang 1944 auf dünnesDin-A5-Papier. Da ist er
gerade 23 Jahre alt.Und ein ganz anderer, als der junge
Mann, der Anfang 1941 zurWehrmacht eingezogen worden
ist. Der Zivilist Reese dichtet, zeichnet, macht Musik,
komponiert und freut sich an derNatur. Er entspricht
fast bis zum Klischee dem Bild desdeutschen Dichters
und Denkers, als der er sich fühltund der er sein will.
Gut zwei Jahre nach der Einberufung,auf dem Rückzug
der Wehrmacht vor der Roten Armee,ist aus dem sensiblen
Jungen, den die strammen Jungmännerin der Schule
»Pudding« nannten, ein abgestumpfterSoldat geworden:
»Wer waren wir selbst?«, fragt er.»Seelisch
verkommen, nichts als eine Summe vonBlut, Eingewei-
den und Knochen.« Ein Schöngeist,der Trost im Wodka
sucht und sich selbst als »Antineuralgika-Kopfschmerz-
Tabletten schluckendes Genie«verspottet. Aber zugleich
ein genauer Chronist des eigenenUntergangs. Er schreibt
auf, was Millionen Wehrmachts-Soldatennach dem Krieg
verdrängt und verschwiegen haben.
»Ich breche unter dieser Schuldzusammen - und saufe!«,
klagt er im September 1943, als seine Einheit auf der
Flucht vor der Roten Armee das Landverwüstet, die
Fabriken sprengt, die Menschenversklavt, die Ernte vernichtet
und das Vieh tötet. Kurz darauf, aufeinem chaotischen
Transport in die Stadt Gomel,beschreibt er, wie
die alkoholisierteHerrenmenschen-Soldateska eine russische
Gefangene nackt tanzen lässt. DieBrüste haben sie
ihr mit Stiefelfett beschmiert. Alseine Frau samt ihrer
Kuh von einer Mine zerrissen wird,vertraut er seinem
Tagebuch an, dass er und seineKameraden »mehr die
Komik als das Grässlichegesehen« hätten. Jetzt entspricht
Reese, zumindest in manchen Situationen,einem ganz
anderen Klischee als dem desDichters und Denkers: Dem
des deutschen Besatzungssoldaten imOsten.
Sein »Bekenntnis«, wie er dasManuskript im Untertitel
nennt, lässt keinen Platz für dieLegende von der sauberen
Wehrmacht, die durch eineverbrecherische Nazi-
Clique verführt und missbrauchtwird. Aber es lässt viel
Platz für Anteilnahme am Schicksalder Masse der deutschen
Soldaten, die auf der Seite derTäter stand, zugleich
aber auch Opfer war. Selbst inHitlers Krieg im Osten,
der so eindeutig verbrecherisch war,gibt es nicht nur
Schwarz und Weiss, lassen sich Gutund Böse nicht immer
klar trennen. Die Dimension desGeschehens ist so gewaltig,
dass der einzelne Mensch - seinLeid, seine Schuld
und sein Erlebnis - dahinter zuverschwinden droht.
Reese macht diesen Krieg begreifbar,indem er nüchtern
und präzise schildert, was ererlebt. Auch wenn er
nur einen winzigen Ausschnittüberblickt, so zeigt sich
darin doch der Charakter diesesFeldzuges - und Reeses
Fähigkeit, für das Unfassbare Wortezu finden. Etwa wenn
er über gehenkte Russen, die derJagd auf tatsächliche
oder vermeintliche Partisanen zumOpfer gefallen waren,
schreibt: »Ihre Gesichter warenbläulich verschwollen, zu
Fratzen verzogen, von den Nägeln dergefesselten Hände
löste sich das Fleisch, einegelbbraune Flüssigkeit sickerte
aus ihren Augen und verkrustete aufden Wangen,
worauf die Bärte noch im Todegewachsen waren. Ein
Soldat fotografierte sie, einanderer schaukelte sie mit
einem Stock.« Da ist das Grauennackt, unmittelbar,
direkt.
Hier meldet sich ein Schriftstellerzu Wort, der das
zentrale Erlebnis seiner Generation -den Fronteinsatz
im Zweiten Weltkrieg - schildert wiekaum ein anderer.
Das fast sechzig Jahre alteManuskript ist nicht nur ein
authentisches Dokument, sondern aucheine literarische
Entdeckung.
Der Soldat Reesezeigt anhand der individuellen Erfahrung,
wie der Krieg die Soldaten, die ihnführen, zerstört.
Das Leid auf den Märschen im Winterwird gegenwärtig.
Detailliert schildert er, wie derFrost die Füsse zurichtet.
Plötzlich erscheint es nur logisch,dass ein Soldat, der
vergeblich versucht, der im Schneeeingefrorenen Leiche
eines Rotarmisten die Stiefelauszuziehen, dem Toten die
Unterschenkel abhackt und dieStiefel mit den Stümpfen
darin neben den Kochtopf in den Ofenstellt. »Als die
Kartoffeln kochten, waren auch dieBeine aufgetaut, und
er zog sich die blutigen Filzstiefelan.«
So schonungslos wie Reese über abgehackte Unterschenkel
berichtet, so schonungslos schreibter über die
Amputation des Mitgefühls. DieMenschlichkeit verschwindet
nicht über Nacht und nie ganz. Siekommt
Stück für Stück abhanden. Die »enthumanisierenden Folgen«
des Krieges, über die Ralph Giordanogeschrieben
hat, ziehen eine Spur durch Reeses Text, die im Verlauf
des Krieges immer breiter wird. Beider Schilderung seiner
militärischen Ausbildung in derEifel schwingt in den
Klagen noch das selbstverliebteGeklingel spätpubertärer
Prosa mit: »Die Pflugschar schmerzteim Brachfeld unserer
Seelen.« An dessen Stelle tritt balddie kalte Diagnose
der Verwüstung eines Menschen, derin einen Krieg
geraten ist, dem keine schmückendeMetapher gerecht
werden kann.
Sie manifestiert sich in dem nurscheinbar absurden
Wunsch, aus dem Heimaturlaub soschnell wie möglich
zurück nach Russlandzu kommen.»In einer jähen Furcht
vor allem Schönen und Gütigen,überfiel uns das Heimweh.
Wir sehnten uns nach Russland zurück, in die weisse
Winterhölle, in Leiden,Entbehrungen, Todesgefahr.
Wir wusstennicht, was wir noch mit unserem Leben sollten.
Wir fürchteten die Heimkehr underkannten nun die
kriegerischen Verheerungen inunserer Seele.« Er fühlt
sich, schon kurz nach Beginn derKämpfe, sich »selber
seltsam fremd«.
© ClaassenVerlag
- Autor: Willy P. Reese
- 2004, 8. Aufl., 304 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Masse: 12,4 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Stefan Schmitz
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548604862
- ISBN-13: 9783548604862
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