Millionär
Simons Träume von Geld und Liebe sind vorerst geplatzt. In seiner 51-qm-Wohnung schreibt er Beschwerdebriefe an alle, die ihm auf die Nerven gehen und guckt seine Lieblingssendung "Das perfekte Dinner". Bis eines Tages in die Luxuswohnung über ihn eine...
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Simons Träume von Geld und Liebe sind vorerst geplatzt. In seiner 51-qm-Wohnung schreibt er Beschwerdebriefe an alle, die ihm auf die Nerven gehen und guckt seine Lieblingssendung "Das perfekte Dinner". Bis eines Tages in die Luxuswohnung über ihn eine Karrierepowerfrau einzieht. Sie hat alles, was Simon gerne hätte - und ist zudem auch noch nett.
Simon nörgelt, Simon nervt aber Simon verbessert die Welt. Glaubt er. Ausserdem braucht der inzwischen arbeitslose Vollidiot mal eben 1 Million Euro, um eine nervtötende Nachbarin loszuwerden. In seiner Not entwickelt Simon eine derart abgefahrene Geschäftsidee, dass die Chancen hierfür gar nicht so schlecht stehen ...
Nach Vollidiot und Resturlaub endlich der neue Comedy-Roman über die gnadenlose Rückkehr eines liebenswerten Chaoten!
Millionär von Tommy Jaud
LESEPROBE
Do si mer dobei!
EinDrittel der Menschheit ist bekloppt. Manchmal ist es auch die Hälfte, das hängtvom Wetter ab. Unsinn? Vielleicht erklärt mir dann ja mal jemand, warum fastalle Fussgänger bei den ersten Regentropfen sofort ein unfassbar blödes Gesichtmachen und die Schultern hochziehen. Glauben sie im Ernst, sie würden durcheine dämliche Grimasse und hochgezogene Schultern auch nur einen einzigenTropfen weniger Regen abkriegen? Das ist eine rhetorische Frage mit einer sehr,sehr traurigen Antwort: Sie glauben es! Aber auch ohne Niederschlag ist dieBeklopptenquote bedenklich hoch. Wer, wenn nicht ein Bekloppter, kommt zumBeispiel auf die Idee, urinfarbenen Kloreiniger herzustellen? Wer, wenn nichtein Bekloppter, hat diese unsägliche Plakat-Kampagne an die Stadt Köln verkauftmit einer alten Frau drauf und dem Text: »Alzheimer? Jeder Tag zählt! Infosunter: 0221 -2217859519864« Nun kann man sich damit abfinden,dass die Welt so ist, wie sie ist, oder man kann dagegen angehen. Ich fürmeinen Teil habe beschlossen, dass es zu wenig ist, sich einfach nur aufzuregenso wie alle anderen. Ich habe beschlossen den Kampf aufzunehmen. Es ist keinleichter Kampf, denn meine Gegner sind schneckengleich arbeitendePfandautomaten, Tütensuppenhersteller, arrogante Strassenreiniger und dieDeutsche Bank. Aber mit ein wenig System und ein bisschen Grips werde ichdiesen Kampf gewinnen und das Stückchen Welt um mich herum ein kleines bisschenbesser machen. Und eines Tages wird man sagen: »Hut ab, was der Peters da erreichthat, das hätten wir nicht gedacht.«
Wie jedenMorgen um 8 Uhr 44 stehe ich an meinerHaltestelle, beobachte Menschen die mit dämlichen Gesichtern und hochgezogenen Schulterndurch den Regen stolpern und warte darauf, von den Kölner Verkehrsbetrieben ineinem weissroten Nachkriegswaggon in mein Büro gerüttelt zu werden. Noch dreiMinuten, steht auf der Anzeigetafel, was bei der KVB alles heissen kann zwischen gleich und nie . Selbstwenn die Bahn in Sichtweite kommt, ist das keine Garantie, dass sie es auchtatsächlich bis zur Haltestelle schafft, denn da so eine Strassenbahn nun malauf der Strasse fährt, ist es durchaus möglich, dass einen halben Meter vor derHaltestelle noch ein Dönerspiess auf die Gleise fällt oder der im Suff geparkte Smartvon Uschis Nagelstudio die Schienen blockiert. »Zwei Minuten«, zeigt dieInfotafel jetzt und teilt mir zusätzlich in roter Laufschrift mit, dass FlorianSilbereisen am 14.12. in derKöln-Arena gastiert. Noch eine Minute bis zur Bahn. Noch einen Monat bis zu Silbereisen.Freud und Leid liegen so eng beisammen manchmal. Weil kein Einzelplatz mehrfrei ist, muss ich neben einem kauzigen alten Herrn in nasser PlastikjackePlatz nehmen. Er riecht nach nassem Dackel und hütet eine zerknautschteBäckereitüte auf dem Schoss. Ich versuche ihn zu ignorieren indem ich meinenBlick durch den Wagen schweifen lasse; wie jeden Morgen sehe ich nichts alskonzentriertes Unglück. Es ist eine Tatsache: je früher man Strassenbahn fährt,desto unglücklicher sind die Fahrgäste. Das ist so, weil vor neun Uhr keinMensch freiwillig irgendwo hin will. Weil alle müssen. Weil sie vor ein paarJahren in der Rezession irgendeinen dämlichen Arbeitsvertrag unterschriebenhaben, auf dem stand: Arbeitsbeginn neun Uhr. Und jetzt fahren sie. Tag für Tag,Woche für Woche, Jahr für Jahr. Ich bin mir sicher: Würde der Zugführer nur sozum Spass unsere Bahn langsam in den Rhein rollen lassen, keiner würde um Hilferufen oder die Scheibe zerklopfen mit dem roten Hämmerchen, alle würden nurapathisch seufzen: Na ja, dann muss das wohl so sein. Gut, am Wochenendebesteht natürlich eine Chance auf Stimmungswechsel bei der Wagen flutung: »Dosi mer dobei . . .«
Meinmuffelnder Sitznachbar pult ein halbes Ei-Brötchen aus seiner Bäckereitüte undschielt kurz zu mir rüber. Nein, du Weissmehl-Honk, ich will weder mit dir überden FC reden nochvon deiner trockenen Industriesemmel abbeissen. Vielen Dank. An der Haltestelle Universitätsenkt eine lärmende Gruppe jugendlicher Bushido-Imitatoren durch puresZusteigen den Durchschnitts-IQ des Wagens um geschätzte zwanzig Punkte. Würde ein PISA-Forscher auch nur eineeinzige Frage an die sediert dreinblickende Kapuzen-Gang stellen, er würde sichbereits nach der ersten Antwort mit einem beherzten Sprung durch die Scheibeauf die Strasse retten.
»Haste denPisa-Typ gehört, Emme? Erde voll rund!«
»Echt?Kraaass!«
Ruckelndund ratternd erreichen wir die nächste Haltestelle. Der Ei-Brötchendackel nebenmir steht hastig auf und schafft es mitsamt Zwiebelstück im Mundwinkel geradenoch nach draussen, bevor sich die Türen wieder schliessen. Ich atme erleichtertaus, rutsche einen Platz weiter ans Fenster und bin froh, dass ich nur noch eineStation bis zum Ziel habe. Mein Büro ist in einem Viertel, in dem es das ganzeJahr über aussieht wie direkt nach einem Bürgerkrieg. Ich hab mich drangewöhnt. In Bagdad regt sich ja auch keiner mehr auf, wenn beim Nordic Walkingplötzlich ein kaputtes Haus im Weg liegt. Im Zickzack-Kurs bahne ich mir meinenWeg durch zerbrochene Bierflaschen, Pizzareste und zerfledderteBaumarkt-Prospekte, kämpfe mich vorbei an hektischen TNT-Express-Boten auforangenen Fahrrädern und schnauzbärtigen Gemüsehändlern mitMigrationshintergrund. Kurz vor dem Büro donnert ein Müllfahrzeug derAbfallwirtschaftsbetriebe Köln an mir vorbei. Auf der Seite des Wagens steht inbierkastengrossen Lettern: Für ein sauberes Köln. Für Sie. Ist natürlichauch ein Konzept: mit genialem Marketing und High-Tech-Müllwagen immer wiederam Abfall vorbeifahren. Bestimmt machen sie inzwischen nur noch Digitalfotosvom Müll und werfen die Dateien dann auf ihrem Rechner in den Vista-Papierkorb.
Zweizerbrochene Beck s-Flaschen später bin ich bei »Shahin s WebWorld«, einemabgeranzten Orient-Internetcafé, das man ebenso gut »Tausend und ein Internet«nennen könnte. Zumindest hat mir Pächter Shahin bis heute nicht erklärenkönnen, was Wasserpfeifen und persische Teppiche mit dem World Wide Web zu tunhaben. Vielleicht sind es W-LAN-Wasserpfeifen, die man auf den bunten Sitzkissen sogar dannrauchen kann, wenn sie noch im Regal stehen.
Mit einemschwungvollen »Morgen, Shahin!« öffne ich die mit Postern für persischeDisco-Events zugeklebte Eingangstür und gehe schnellen Schrittes auf Computer 7 zu, meinen Stammplatz. Der unschlagbareVorteil meines Büros ist, dass ich hier von neun bis zwölf für nur einen Euroins Netz kann. Bei monatlich zwanzig Arbeitstagen macht das einedurchschnittliche Büro-Warmmiete von lächerlichen zwanzig Euro. Shahin ist einwenig älter als ich, persischer Herkunft, hat rappelkurze schwarze Haare undeinen stets gleichlangen Fünftagebart. Shahin und ich, wir sind fast so was wieFreunde geworden, seit ich Stammgast in der WebWorld bin. Besonders aktiv ister allerdings nicht; auch heute kauert er hinter seinem selbstgezimmertenBaumarkt-Tresen, zieht an seiner Wasserpfeife mit Apfel-Teer-Geschmack undliest in einem Buch.
»Morgen,Simon! Bist ja super-pünktlich heute!«
»Muss! Was lieste?«
»DieVermessung der Welt.«
»Und? Wiegross isse?«
Schmunzelnddeutet Shahin auf eine grosse, billige Plastikuhr mit Coca-Cola-Schriftzug. »Istaber eigentlich noch gar nicht neun.«
Ich schaueauf die Uhr. Es ist tatsächlich erst 8 Uhr 57. So früh war ich noch nie hier.
»Jetztkomm schon, Shahin, die drei Minuten, ich hab den Arsch voll zu tun!«, fleheich.
»Also gut,leg los, mein Bichareh!«
»Nenn michnicht Bittscharäh, wenn ich nicht weiss, was das heisst!«
»Okay.«
Ich lassemich in die Lehne eines quietschenden Billig-Stuhls fallen und packe feinsäuberlich meine Sachen aus: mein postgelbes Notizbuch, meine zweiKugelschreiber von »Sensationell«, der neuen TV-Produktionsfirma meines Kumpels Phil, eine Bananeund eine der sechs Orangensaft-Tüten, die man mir als Entschädigung geschickt hat,weil ich bei der Sunkist-Verbraucher-Hotline behauptet habe, mir beim Joggenden Strohhalm ins Auge gepiekst zu haben.
© Fischerverlage
- Autor: Tommy Jaud
- 2007, 4, 298 Seiten, Masse: 14 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: FISCHER Scherz
- ISBN-10:
- ISBN-13: 2000000014630
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