Leichenblässe / David Hunter Bd.3
Gerichtsmediziner David Hunter ist einer der Besten.
Doch diesmal begeht er einen folgenschweren Fehler.
David Hunter ist bei seinem letzten Fall knapp dem Tod entronnen. Um sich zu regenerieren, fährt er auf die Body Farm nach...
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Gerichtsmediziner David Hunter ist einer der Besten.
Doch diesmal begeht er einen folgenschweren Fehler.
David Hunter ist bei seinem letzten Fall knapp dem Tod entronnen. Um sich zu regenerieren, fährt er auf die Body Farm nach Tennessee. Hier hat er studiert und trifft einen alten Freund wieder. Der kann Hunters Hilfe in einem sadistischen Mordfall gut brauchen. Das Opfer wurde gefoltert, Fingerabdrücke am Tatort weisen eine Spur zum Täter. Bald findet Hunter heraus, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und er merkt nicht, dass er sich in große Gefahr begibt.
Bei seinem letzten Einsatz ist David Hunter nur knapp dem Tode entronnen. Nicht vollständig genesen, quält den Forensiker die Frage, ob er seinem Beruf noch gewachsen ist. Bis ein alter Freund ihn um Hilfe bittet: In einer Jagdhütte in den Smoky Mountains wurde ein Toter gefunden. Die Leiche ist bis zur Unkenntlichkeit zersetzt. Die Spuren sind widersprüchlich. Und David Hunter ist im Begriff, einen folgenschweren Fehler zu begehen ...
Kapitel 2
Auf dem Highway aus Knoxville hinaus herrschte zäh fließender Verkehr. Obwohl es noch so früh im Jahr war, war es bereits so warm, dass man im Wagen die Klimaanlage anschalten musste. Tom hatte das Navigationsgerät programmiert, damit wir uns nicht verfuhren, wenn wir die Berge erreichten. Er summte beim Fahren leise vor sich hin, ein Zeichen für seine Vorfreude, wie ich mittlerweile wusste. Die Realität der Body Farm war zwar grausam genug, aber die Menschen, die ihre Leichen der Forschung überlassen hatten, waren eines natürlichen Todes gestorben. Diese Sache war etwas anderes.
Nun wartete der Ernstfall auf uns.
«Es sieht also nach Mord aus?» Wahrscheinlich, sagte ich mir, denn sonst wäre das Tennessee Bureau of Investigation nicht eingeschaltet worden. Das TBI war praktisch das Landeskriminalamt des Staates Tennessee, eine Unterbehörde des amerikanischen Bundeskriminalamtes FBI, für das Tom als Berater arbeitete. Da der Anruf von den Staatsbeamten und nicht von der örtlichen Polizei gekommen war, konnte man davon ausgehen, dass die Sache ernst war.
Tom hielt seinen Blick auf die Straße gerichtet. «Scheint so. Viel hat man mir nicht erzählt, aber es hat sich so angehört, als wäre die Leiche in einem schlimmen Zustand.»
Ich begann unerklärlicherweise nervös zu werden. «Gibt keine Probleme, wenn ich mitkomme?»
Tom sah überrascht aus. «Warum sollte es? Ich nehme oft jemanden als Hilfe mit.»
«Ich meine, weil ich Brite bin.» Ich hatte die üblichen Visa und eine Arbeitserlaubnis beantragen müssen, um herzu- kommen, aber mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich war mir nicht sicher, ob ich bei einer offiziellen Ermittlung willkommen war.
Er zuckte mit den Achseln. «Ich kann mir nicht vorstellen,
Lächelnd schaltete er den CD-Player ein. Was für andere Menschen Zigaretten oder Whiskey war, war für Tom Musik. Er behauptete, dass sie ihm nicht nur half, einen klaren Kopf zu kriegen, sondern auch seine Gedanken zu sammeln. Seine Lieblingsdroge war der Jazz der fünfziger und sechziger Jahre, und mittlerweile hatte ich die Handvoll Alben, die in seinem Auto lagen, oft genug gehört, um die meisten wiederzuerkennen.
Während ein Stück von Jimmy Smith rhythmisch aus den Lautsprechern drang, seufzte Tom leise auf und lehnte sich selbstvergessen zurück.
Ich betrachtete die Landschaft Tennessees, die am Wagen vorbeiglitt. Vor uns erhoben sich die Smoky Mountains, gehüllt in den bläulichen Dunst, nach dem sie benannt waren. Ihre bewaldeten Hänge erstreckten sich wie ein wogendes, grünes Meer zum Horizont und bildeten einen starken Kontrast zu den grellen, funktionalen Fastfoodrestaurants, Bars und Supermärkten, die den Highway säumten und über denen ein Netz aus Stromleitungen verlief.
London und England schienen weit, weit weg zu sein.
Mit der Reise hierher wollte ich neuen Lebensmut schöpfen und ein paar der Fragen klären, die mir keine Ruhe ließen. Ich wusste, dass mir nach meiner Rückkehr einige schwere Entscheidungen bevorstanden. Mein Zeitvertrag an der Universität in London war während meiner Genesungszeit ausgelaufen. Man hatte mir eine feste Anstellung in Aussicht gestellt, zudem hatte ich ein Angebot von einer der besten schottischen Universitäten erhalten. Außerdem hatte die Forensic Search Advisory Group, eine interdisziplinäre Beratungsfirma, die der Polizei beim Aufspüren von Leichen half, vorsichtig Interesse an meinen Diensten bekundet. Das war alles sehr schmeichelhaft und hätte mich erfreuen sollen, doch ich konnte mich für keine dieser Möglichkeiten begeistern. Ich hatte gehofft, mein Aufenthalt hier würde das ändern.
Bisher war das noch nicht geschehen.
Ich seufzte und rieb unbewusst mit dem Daumen über die Narbe auf meiner Handfläche. «Alles in Ordnung bei dir?», fragte Tom und schaute mich von der Seite an.
Ich schloss meine Hand um die Narbe. «Ja.»
Er akzeptierte meine Antwort ohne Kommentar. «In der Tasche auf dem Rücksitz sind Sandwiches. Wollen wir uns die nicht teilen, bevor wir da sind?» Er lächelte schief. «Ich hoffe, du magst Bohnensprossen.»
Der Wald um uns herum wurde immer dichter, je näher wir den Bergen kamen. Wir fuhren durch Pigeon Forge, einen trubeligen Urlaubsort, der nur aus Bars und Restaurants zu bestehen schien. Ein Diner, an dem wir vorbeikamen, war bis zu den aus Plastik nachgebildeten Holzblöcken im Wildweststil gehalten. Ein paar Meilen weiter erreichten wir GatIinburg, ebenfalls eine Touristenstadt, deren Atmosphäre im Gegensatz zu Pigeon Forge allerdings zurückhaltender wirkte. Sie lag direkt am Fuß der Berge, und obwohl die Motels und Läden um Aufmerksamkeit heischten, konnten sie mit dem sie umgebenden Naturschauspiel nicht mithalten.
Nachdem wir die Stadt verlassen hatten, gelangten wir in eine andere Welt. Die Straße schlängelte sich steile, dicht bewaldete Hänge empor. Die Bäume warfen lange Schatten. Die Smoky Mountains, ein Teil der riesigen Appalachen, waren achthundert Quadratmeilen groß und erstreckten sich entlang der Grenze zwischen Tennessee und North Carolina. Sie waren zum Nationalpark erklärt worden, obwohl ich beim Blick aus dem Autofenster dachte, dass sich die Natur um solche Auszeichnungen wohl kaum scherte. Das hier war eine Wildnis, die selbst heute noch vom Menschen größtenteils unberührt geblieben war. Wenn man wie ich von einer dicht besiedelten Insel wie England kam, fühlte man sich angesichts dieser schieren Weite augenblicklich klein und nichtig.
Es herrschte immer weniger Verkehr. In ein paar Wochen würde die Gegend wesentlich belebter sein, doch noch war Frühling, und mit der Zeit begegneten uns kaum noch andere Fahrzeuge. Nach ein paar weiteren Meilen bog Tom auf eine Schotterstraße.
«Dürfte nicht mehr weit sein ...» Er schaute auf das am Armaturenbrett installierte Navi und spähte dann nach vorn. «Aha, wir sind da.»
An einem schmalen Weg stand ein Schild, auf dem «Schroeder Cabins, Nr. 5-13» zu lesen war. Nachdem Tom abgebogen war, stöhnte das Automatikgetriebe unter der Steigung. Zwischen den Bäumen erkannte ich die flachen Dächer der Hütten, die in einigem Abstand voneinander im Wald lagen.
Vor uns säumten Polizeiwagen und Zivilfahrzeuge, die wohl zum TBI gehörten, beide Seiten des Pfades. Als wir näher kamen, stellte sich uns ein uniformierter Polizeibeamter in den Weg und legte eine Hand auf seine Waffe, die im Holster am Gürtel steckte.
Tom hielt an und kurbelte das Fenster herunter, doch der Polizist ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
«Sir, hier geht's nicht weiter. Sie müssen umdrehen und wegfahren.»
Er sprach mit dem tiefsten Südstaatenakzent und benutzte seine Höflichkeit unerbittlich und unnachgiebig wie eine Waffe. Tom lächelte ihn an.
«Alles in Ordnung. Würden Sie Dan Gardner sagen, dass Tom Lieberman da ist?»
Der Polizist entfernte sich ein paar Schritte und sprach in sein Funkgerät. Was er zu hören bekam, schien ihn zu beruhigen.
«Okay. Parken Sie dort hinter den anderen Fahrzeugen.»
Tom tat, was ihm gesagt worden war. Die Nervosität, die in mir aufgekommen war, hatte sich zu einem tiefen Unbehagen verfestigt, als wir parkten. Ich sagte mir, dass ein paar Schmetterlinge im Bauch völlig verständlich waren; schließlich war ich nach meiner Genesung noch eingerostet und hatte nicht damit gerechnet, an einer Mordermittlung teil- zunehmen. Aber ich wusste auch, dass das nicht der eigentliche Grund für meine Unruhe war.
«Bist du dir sicher, dass es in Ordnung ist, wenn ich hier bin?», fragte ich. «Ich möchte niemandem auf die Füße treten.»
Tom hatte offenbar keine Bedenken. «Mach dir keine Sorgen. Wenn jemand fragt, sagst du, dass du zu mir gehörst.»
Wir stiegen aus dem Wagen. Im Gegensatz zur Stadt war die Luft frisch und sauber und roch nach wilden Blumen und Lehm. Die tiefstehende Nachmittagssonne strahlte durch und Läden um Aufmerksamkeit heischten, konnten sie mit dem sie umgebenden Naturschauspiel nicht mithalten.
(…)
© Wunderlich Verlag
Übersetzung: Andree HessesetExecuteNoPrudsys(1);
In „Leichenblässe“ erholt sich David Hunter zunächst von den Verletzungen, die er sich bei seinem letzten Abenteuer zugezogen hat. Um sich auszukurieren, reist er zur legendären Body Farm in Tennessee, dorthin also, wo die Verwesung von Leichen in einem Freilandversuch beobachtet wird. Man könnte meinen, dass das nicht so ganz der geeignete Ort ist, um sich zu erholen…
Vielleicht nicht für die meisten Menschen, aber Hunter wurde hier ja zu Beginn seiner Karriere ausgebildet. Er kehrt also in eine Umgebung zurück, die ihm sehr vertraut ist. Für ihn ist die Body Farm ein Ort, an dem er seine forensischen Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen kann, während er seine Verletzungen auskuriert. Hier kann er sich auf die nächsten Fälle vorbereiten. Aber natürlich geht sein Plan nicht auf…
Das hoffe ich doch! Dies ist ja schon der dritte Hunter-Roman, und ich glaube, dass die Leser schon auf Überraschungen gefasst sind – was es mir nicht unbedingt leichter macht. Damit plötzliche Wendungen in der Handlung funktionieren, müssen sie sich natürlich aus der Geschichte entwickeln. Man kann sie nicht erzwingen.
Das große Thema in „Kalte Asche“ war Feuer. Gibt es in „Leichenblässe“ ein ähnlich wichtiges Motiv?
Nicht in dem gleichen Sinne wie in „Kalte Asche“. In „Leichenblässe“ geht es unausweichlich auch um viel Forensik, da ja ein Großteil des Buches auf der Body Farm spielt. Aber auch die psychologische Komponente ist sehr stark: Hunter ist sich zu Beginn der Geschichte sehr stark seiner eigenen Sterblichkeit bewusst – das ist eines der Themen des Buches. Und es beschäftigt übrigens auch den Killer. Ich kann hier aber gar nicht mehr erzählen, ohne zu viel von der Handlung zu verraten.
Waren Sie selbst auch schon auf der legendären Body Farm? Wie kann man sich diese vorstellen?
Ja, ich war vor ein paar Jahren dort, um einen Artikel für ein Magazin zu schreiben. Es ist eine sehr ernste, nüchterne Umgebung, und es bereitet dich nichts darauf vor, dass, wenn du durch das Eingangstor gegangen bist, du überall Leichen herumliegen siehst. Aber dieser grauenhafte Anblick sollte einen nicht davon ablenken, dass hier eine ganz wichtige Arbeit geleistet wird, die am Ende dabei hilft, Mörder zu ermitteln. Lange Zeit war dies weltweit der einzige Ort, an dem diese Art der Forschung stattfindet. Inzwischen gibt es in den USA zwei weitere Body Farms. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es in Europa eine ähnliche Einrichtung geben wird.
Welche Eigenschaften braucht man eigentlich, um Forensiker zu werden? Haben die Leute, die auf der Body Farm arbeiten, Ähnlichkeit mit David Hunter?
Die forensischen Anthropologen, die ich kennengelernt habe, arbeiten sehr konzentriert und haben einen erstaunlichen Wissensdurst. Sie betrachten eine Untersuchung als Puzzle, das man zusammensetzen muss. In dieser Hinsicht sind sie also Hunter sehr ähnlich. Viele von ihnen können sich innerlich gut von ihrer Arbeit distanzieren. Das ist etwas, was Hunter nicht mehr beherrscht. Sein Problem – oder seine Stärke, je nach Perspektive – ist, dass er sich vollkommen von der Arbeit vereinnahmen lässt. Ich habe aber auch Forensiker getroffen, die von Fällen erzählt haben, die sie sehr stark berührt haben. So gesehen, ist Hunter also nicht allein. Ansonsten gehört zur Qualifikation eines Forensikers vor allem ein robuster Magen.
Was brachte Sie dazu, einen Helden wie Hunter zu erfinden?
Ich habe mich schon immer für Psychologie interessiert, was man wohl auch meinen Büchern anmerkt. Mit Hunter konnte ich einen komplexen Charakter mit Stärken und Schwächen entwickeln – einen Charakter, der kein typischer Held ist. Er ist kein Macho, prügelt sich nicht, und wenn er es täte, würde er wahrscheinlich verlieren. Er ist menschlich, er hat Zweifel, macht Fehler, so wie jeder von uns. Das finde ich als Autor viel spannender als einen Superman, der immer das Richtige tut.
Menschen entwickeln sich im Laufe ihres Lebens. In welche Richtung verändert sich David Hunter?
Hunter kämpft immer mit seinen Dämonen und versucht, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Er ist hin und her gerissen zwischen dem, was er als Wissenschaftler auf der Grundlage harter Fakten erkennt, und dem, was ihm sein Instinkt sagt. Da findet ein ständiger Kampf in ihm statt bei dem Versuch, seine inneren Stimmen miteinander zu versöhnen. Ein anderes Problem ist es, die richtige Balance zwischen der Arbeit und dem Privatleben zu finden. Diese beiden Konflikte entwickeln sich in David Hunter weiter. Wie vermutlich die meisten anderen glaube auch ich nicht, dass Hunter diese Themen irgendwann ad acta legen wird.
Wie geht es Hunter nach diesem neuen Fall? Braucht er eine Pause oder denkt er schon an den nächsten Fall?
Hunter kann schlecht zwischen Beruflichem und Privatem trennen, egal wie kaputt er körperlich oder seelisch sein mag. In „Die Chemie des Todes“ versuchte er, vor sich selbst davon zu laufen, was nicht funktioniert hat. Für mich ist er nicht der Typus, der sich einfach zur Ruhe setzt. Ich glaube, man kann relativ sicher sein, dass früher oder später der nächste Job auf ihn wartet, um den er sich einfach kümmern muss – ob er nun will oder nicht…
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
- Autor: Simon Beckett
- 2010, 416 Seiten, Masse: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hesse, Andree
- Übersetzer: Andree Hesse
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349924859X
- ISBN-13: 9783499248597
- Erscheinungsdatum: 16.07.2010
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