Jahrhundertwind-Trilogie Band 2: Die Champagnerkönigin
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Ein unerwartetes Erbe und ein großes Versprechen 1898: Isabelle hat gegen den Willen ihrer Eltern den attraktiven Leon Feininger geheiratet. Sie geht mit ihm in die Champagne, wo er ein Weingut geerbt hat. Isabelle ist verzaubert von der einzigartigen Landschaft und der Verheißung eines neuen Lebens. Der schöne Schein trügt jedoch, eine erfolgreiche Rivalin wartet nur darauf, sich das vernachlässigte Weingut einverleiben zu können. Ein vielversprechendes Abenteuer, so sinnlich wie aufregend, wartet auf Isabelle. Und zum ersten Mal in ihrem Leben erkennt sie, dass es Dinge gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt. "Einfach umwerfend! Dieser Roman ist fesselnd und traumhaft schön - ich schwelge immer noch!" Natalie Lumpp, Deutschlands Weinexpertin Nr. 1
Reisetagebuch von Petra Durst-Benning
Wissenswertes über Champagner von Petra Durst-Benning
1898: Isabelle hat gegen den Willen ihrer Eltern den attraktiven Leon Feininger geheiratet. Sie geht mit ihm in die Champagne, wo er ein Weingut geerbt hat. Isabelle ist verzaubert von der einzigartigen Landschaft und der Verheissung eines neuen Lebens. Der schöne Schein trügt jedoch, eine erfolgreiche Rivalin wartet nur darauf, sich das vernachlässigte Weingut einverleiben zu können.Ein vielversprechendes Abenteuer, so sinnlich wie aufregend, wartet auf Isabelle. Und zum ersten Mal in ihrem Leben erkennt sie, dass es Dinge gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt.
"Einfach umwerfend! Dieser Roman ist fesselnd und traumhaft schön - ich schwelge immer noch!" Natalie Lumpp, Deutschlands Weinexpertin Nr. 1
1. Kapitel In der Pfalz, Januar 1898
»Du bist zum Heiraten erzogen worden, nicht zum Kartoffelschälen! «
Isabelle schrak zusammen, als sie plötzlich wie aus dem Nichts die Stimme ihrer Mutter hörte und gleich darauf ihr zirpendes Lachen. Das Lachen, mit dem Jeanette Herrenhus Isabelles Einwände stets unwiderruflich vom Tisch gewischt hatte.
Erschrocken legte Isabelle das Messer aus der Hand. Wurde sie verrückt? War es schon so weit, dass sie Stimmen hörte? Ihr Blick wanderte durch die Küche mit der rußgeschwärzten, tiefhängenden Decke und den kleinen Fenstern, durch die kaum ein Lichtstrahl fiel. Wundern würde sie sich nicht darüber ...
Die Enge des Raumes wie auch des ganzen Hauses sorgte immer stärker dafür, dass sich Isabelle wie ein Vogel in einem viel zu kleinen Käfig fühlte. Ganz gleich, wie sehr sie sich drehte und wendete, der Platz wurde nicht mehr. Die Luft zum Atmen auch nicht.
Sie schob eine lockige rote Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr, dann nahm sie angewidert ihre Arbeit wieder auf. Wie schrecklich, wenn ihre Mutter tatsächlich hier wäre - die ehemalige Grande Dame des Berliner Staatsballetts würde auf der Stelle einen Nervenzusammenbruch erleiden. Und Isabelle hätte es ihr nicht einmal verdenken können.
Hier - das war ein kleines pfälzisches Dorf nahe der französischen Grenze, tief in einem Talkessel gelegen. Diese Tallage war schuld daran, dass durch die winzigen Fenster des Fachwerkhauses so wenig Licht fiel. In Richtung Westen erhoben sich riesige schwarze Wälder, die schon zu Frankreich gehörten, im Osten gab es ein paar Weinberge, auf denen Silvaner und Grauburgunder angebaut wurde. Dazwischen lag Nothzeit. Isabelle schauderte es, wenn sie nur an den Namen des Dorfes dachte. Keiner hätte besser gepasst. Das Dorf bestand aus gerade einmal ein paar Dutzend gedrungenen Fachwerkhäusern, einer Kirche und einer Dorfschule. Einen Laden gab es nicht, für Einkäufe musste man in die nächstgelegene Stadt fahren. Und selbst dort schien nach Isabelles Auffassung alles lebendig begraben zu sein. Genau wie sie selbst hier in diesem Haus. Nicht, dass irgendjemand außer ihr schuld daran wäre!
In der näheren Umgebung von Nothzeit ragten auf den Berg- hängen eine Handvoll düstere Burgen in die Höhe, die irgendwelche Landesfürsten vor Zeiten erbaut hatten. Leon hatte angekündigt, im kommenden Frühjahr mit ihr Ausflüge dorthin machen zu wollen. Voller Besitzerstolz, als hätte er eigenhändig an den trutzigen Bauwerken mitgebaut, hatte er von der historischen Vergangenheit dieser Gegend geschwärmt. Von den Kelten, den Römern und den Germanen. Sie hatte nichts gesagt, sich aber ihren Teil gedacht: Alte Steinhaufen besichtigen - da konnte sie gleich in Nothzeit hocken bleiben!
Selbst wenn Isabelle noch Kontakt mit ihrer Familie in Berlin gehabt hätte, hätte sie es nie übers Herz gebracht, ihrem Vater, dem erfolgreichen Unternehmer Moritz Herrenhus, und seiner schönen Gattin, der ehemaligen Primaballerina des Berliner Staatsballetts, zu schreiben: »Ich wohne in Nothzeit. Besucht mich doch einmal!«
Isabelle lachte trocken auf. Dafür hatten ihre Eltern sie nicht in die Höhere Mädchenschule geschickt. Sie, die schöne Debütantin, hatte eine gute Partie machen sollen. Geld heiratet Geld, und die Macht liegt als Dritte mit im Bett - so hatte ihres Vaters Plan gelautet. Einen Heiratskandidaten nach dem anderen hatte er für sie angeschleppt, Fabrikantensöhne, junge Grafen und einen alten Baron, ausländische Diplomaten mit besten Kontakten. Er hatte so große Hoffnungen in sie gesetzt und kräftig investiert! Die schönsten Kleider, edler Schmuck, aufwendige Frisuren - für seine Prinzessin gab es immer nur das Beste. Und tatsächlich war sie auf jedem Fest der umschwärmte Mittelpunkt gewesen. Ihr Charme, ihre Unkompliziertheit und ihr ansteckendes Lachen hatten ihr mindestens so viel Bewunderung eingebracht wie ihr gutes Aussehen. Eine Haut wie Milch und Honig, rotgoldene Locken, die ihr bis zur Taille reichten und die sie stets nur zur Hälfte aufsteckte, so dass die Haare ihren Rücken hinabwallten wie geschmolzenes Kupfer. Ihre smaragdgrünen Augen wurden durch den dichten dunkelbraunen Wimpernkranz noch akzentuiert, ihre feingeschwungenen Brauen verliehen ihnen stets einen kühnen, herausfordernden Ausdruck, als wollte sie sagen: »Was kostet die Welt? Gleichgültig, ich kann mir alles leisten!«
Anträge hatte es mehr als genug gegeben. Doch wann immer ein Bewerber mit Blumenstrauß in der Hand stotternd einen Antrag hervorbrachte, hatte Isabelle den Kopf geschüttelt und »Nein danke« gesagt. Keiner war ihr gut genug gewesen. Sie hatte die große Liebe gewollt.
Leon Feininger. Nie würde Isabelle vergessen, wie er in den Berliner Radsportverein, bei dem auch sie Mitglied gewesen war, spaziert kam. Mit erhobenem Kopf und nach vorn gereckter Brust, so lässig, als gehörte ihm der Laden.
Die braunen Locken, die ungebändigt in alle Himmelsrichtungen von seinem Kopf abstanden, sein markantes und männliches Gesicht, das von Abenteuer und Verwegenheit erzählte. Die kräftigen Waden, der durchtrainierte, muskulöse Oberkörper, der so gar nichts mit dem kraftlosen Erscheinungsbild der blassgesichtigen Berliner Salonlöwen zu tun hatte. Bei seinem Anblick hatte ihr Herz bis zum Hals hinaufgeschlagen. Diesen Mann wollte, nein, musste sie unbedingt näher kennenlernen, das hatte sie vom ersten Moment an gewusst. Und die Anziehungskraft hatte auf beiden Seiten bestanden.
Auf ihren Radtouren ins Berliner Umland hatte Leon dann erzählt. Von seiner Familie, die auf einem Weingut lebte. Von ihren jahrhundertealten Wurzeln und von den Traditionen, denen sich die Familie Feininger verbunden fühlte. Eigentlich würden sie leben wie englische Landgrafen, nur eben in der Pfalz, hatte er Isabelle erklärt. Von der Weinernte hatte er ebenfalls geschwärmt, von traditionellen Festen und von den Verkostungen im großen Weinkeller, zu denen stets ein deftiger Happen serviert wurde. Vor Isabelles innerem Auge waren immer farbenfrohere Bilder entstanden. Ländliche, romantische Szenen, wie sie die großen Maler auf ihren Ölgemälden für die Ewigkeit festgehalten hatten. Und sie mittendrin, als Grande Dame des Landhauses ... Empfänge im Rosengarten, Weinfeste, bei denen sie die Schönste war, gemütliche Abende am Kamin, in intimer Runde, mit einem Glas edlem Rotwein in der Hand. Auf Leons Weingut würde sie freie Hand haben, endlich nicht mehr nach der Pfeife ihres Vaters tanzen müssen. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Fähigkeiten endlich irgendwo sinnvoll einzubringen.
Warum Leon aus der Pfalz weggegangen war, obwohl dort alles so schön war - diese Frage hatte sich Isabelle nie gestellt. Hatte er sich in Berlin wirklich nur mit den besten Radfahrern Deutschlands messen wollen? Oder hatte er es in der Enge seiner Heimat auf Dauer doch nicht ausgehalten? Und warum hatte sie seine Schilderungen nicht in Frage gestellt? Das wäre klug gewesen! Stattdessen war sie blindlings mit ihm durchgebrannt wie die Heldin in einem billigen Groschenroman. Dass diese Geschichten meist in jenem Augenblick endeten, wenn der Prinz und seine Prinzessin in einer Kutsche oder hoch zu Ross in eine unbekannte Zukunft davoneilten, wunderte Isabelle inzwischen nicht mehr. Denn was danach kam, eignete sich nun wirklich nicht für die romantischen Gemüter der Leserinnen. Wer wollte schon miterleben, wie aus der Prinzessin ein Aschenputtel wurde ...
Ach Leon, wenn ich dich bloß nicht so sehr lieben würde, dachte Isabelle nicht zum ersten Mal.
Seine Familie hatte es mit erstaunlichem Gleichmut aufgenommen, dass Leon nach den Monaten seiner Abwesenheit plötzlich mit ihr als frisch angetrauter Ehefrau aufgetaucht war. Die Mutter, eine verhärmte Frau in den mittleren Jahren und viel zu früh gealtert, hatte ihrem Sohn einmal verschämt über den Arm gestrichen. Erst später hatte Isabelle verstanden, dass dies für Anni Feininger eine große Liebesbekundung gewesen war. Der Vater, ein vierschrötiger, wortkarger Mann, hatte Leon kurz zugenickt, und Isabelle hätte schwören können, dass sich seine Miene dabei ein wenig verdüsterte. Vater und Sohn hatten so gut wie nichts gemeinsam.
Natürlich hatte es Fragen gegeben, ein paar Vorwürfe und sehr verhaltene Glückwünsche zur Hochzeit. Mehr aber nicht. Man hatte ihnen eines der Schlafzimmer im ersten Stock zugewiesen - es lag direkt neben dem von Leons Eltern. Das war der erste Schock für Isabelle gewesen, hatte sie doch geglaubt, man würde ihnen einen Seitentrakt des Anwesens zur Verfügung stellen. Doch im »Seitentrakt« des einfachen Bauernhauses wohnten die Kühe. Hier würde sie keinen Tag länger als nötig bleiben!, hatte Isabelle beschlossen und sich geweigert, ihre Koffer auszupacken. Doch als sie am nächsten Tag sah, wie ihre eleganten Kleider im Koffer zerknitterten, blieb ihr nichts übrig, als sie doch in den viel zu kleinen Schrank zu hängen. Für ein paar Tage würde sie diese Notlösung akzeptieren, danach musste Leon ein neues Domizil für sie beide suchen!
Doch schon am nächsten Tag hatte Leon bei der Weinernte helfen müssen. Zeit, sich nach einem schöneren Haus oder zumindest einer komfortablen Wohnung umzusehen, hatte er nicht. Er hatte ihr nicht einmal das Weingut, in Wahrheit eher ein Bauernhof, ausführlicher zeigen können. Doch das bisschen, was es zu sehen gab, hatte Isabelle auch allein erkunden können: das große Scheunenlager voller Weinfässer, der Stall für die beiden Kühe, deren Hinterteile immer kotbeschmutzt waren, der Koben für die Schweine, in den sie bis zum heutigen Tag keinen Fuß gesetzt hatte, ein mit Maschendraht eingezäunter Auslauf für die Hühner, mit Draht unzählige Male notdürftig geflickt - von Landadel- Romantik keine Spur. Während Isabelle in ihren feinen Wildlederschuhen zwischen Schweinestall und Scheune herumstakste, lösten sich Leons überschwengliche Schilderungen seines Zuhauses wie Seifenblasen in Luft auf. Aber die Sonne schien, über der kargen Landschaft hing ein goldener Schleier, und der fruchtige Geruch des frischgepressten Traubensaftes verlieh der Landluft eine leichte Süße. Am Ende der Weinlese gab es tatsächlich ein Fest, das den Feiern in Isabelles Phantasie zumindest nahekam. Sie und Leon tanzten die halbe Nacht zu den Tönen einer Ziehharmonika, und wenn sie zwischendurch hungrig wurden, stärkten sie sich mit Stücken vom deftigen Zwiebelkuchen.
Am Morgen nach dem Erntefest hängte Isabelle eine Jacke in ihren Schrank. Dabei fiel ihr Blick auf ihre eleganten Stadtkleider, die dort ein einsames Dasein fristeten. Und wenn schon!, dachte sie bei sich. Alles war zwar anders als erwartet, aber vielleicht würde sie sich doch noch an das Landleben gewöhnen können, vor allem, wenn sie erst einmal ein geeignetes Zuhause gefunden hatten.
Dann ging der goldene Herbst abrupt zu Ende, und der Nebel nahm den Platz der Sonne ein. Mit ihm kam die Langeweile, etwas für Isabelle völlig Ungewohntes. In Berlin waren die Tage stets zu kurz gewesen für all ihre Unternehmungen. Die Treffen mit ihren Freundinnen, das Radsporttraining mit ihrer besten Freundin Josefine, ihr Engagement im Radsportverein, dazu die vielen Festivitäten, zu denen ihre Eltern sie mitnahmen ... Nichts davon hatte sie in ihr neues Leben retten können. Zum Nichtstun verdammt zu sein brachte sie nun fast um den Verstand. Niemand wollte etwas von ihr, nirgendwo war ihre Hilfe ernsthaft gefragt. Anni Feininger hatte ihren Haushalt gut im Griff, sie brauchte niemanden, der ihr hineinredete, eine Schwiegertochter aus der Stadt schon gar nicht. Nur hin und wieder durfte Isabelle in der Küche helfen. Der Unterschied zwischen ihren Welten war einfach zu groß. Da es in Nothzeit keine Geschäfte gab, hätte Isabelle auch nirgendwo anders eine Arbeit annehmen können. Ihre Träume, ein eigenständiges Leben zu führen, zerplatzten wie Seifenblasen.
»Fahr doch mit mir eine Runde auf dem Rad! Danach würdest du dich bestimmt wohler fühlen«, sagte Leon, wenn sie sich über die bleierne Ödnis, die sie quälte, beschwerte. Doch Isabelle winkte ab. Seit sie im letzten Sommer während eines Langstreckenrennens schwer gestürzt war, war Rad fahren das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.
»Warum machen wir uns nicht auf die Suche nach einem eigenen Haus?«, fragte sie ihn stattdessen.
»Jetzt, im Winter, wo alles grau ist? Das halte ich nicht für eine gute Idee«, sagte Leon und vertröstete sie aufs Frühjahr. Und so blieben Isabelle nur die Nächte, in denen sie in Leons Armen die Erfüllung fand, die ihr tagsüber verwehrt blieb.
Isabelles Blick wanderte von dem Berg Kartoffeln, den sie schon geschält hatte, zu jenem Berg, der noch vor ihr lag. Hätte ihr in ihrem früheren Leben jemand erzählt, wie viel Essen man zubereiten musste, um fünf Erwachsene satt zu bekommen, hätte sie dies nie geglaubt. Und das Tag für Tag. Die rote Pfälzer Erde, die so hartnäckig an den Kartoffeln haftete, grub sich täglich tiefer in die kleinen Fältchen auf ihren Fingerknöcheln. Der Dreck setzte sich so unter ihren Nägeln fest, dass keine Maniküre es mehr vermochte, ihre Hände wieder sauber werden zu lassen.
Isabelle seufzte erneut tief auf. Hände wie eine Bäuerin, dazu Kartoffeln morgens, mittags und abends -
»Wird das heute noch was?«
Isabelle musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es ihre Schwiegermutter war, die in der Tür stand. Nebelfeuchte Luft und der Gestank des Schweinekobens waren mit ihr in die Küche gelangt.
»Das Messer ist stumpf. Schneller geht es nun mal nicht«, erwiderte sie gereizt.
»Ein schlechter Handwerker gibt immer dem Werkzeug die Schuld!« Anni Feininger zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Isabelle an den Küchentisch.
»Stell dir vor, es ist ein Brief gekommen, für Leon von -« Abrupt brach sie ab, als ihr Blick auf die bereits geschälten Kartoffeln fiel. »Du hast ja schon wieder die halben Kartoffeln mit weggeschnitten! Lernst du es denn nie?« Über den Tisch hinweg riss Leons Mutter Isabelle das Messer aus der Hand, dann schnappte sie sich schmallippig eine der schmutzigen Kartoffeln. Der Brief, bei dessen Erwähnung in Annis Stimme zum ersten Mal so etwas wie Aufregung mitgeschwungen hatte, landete achtlos auf den Kartoffelschalen, deren rotbrauner Staub sogleich den cremefarbenen Umschlag verschmutzte.
Wie oft wollte Anni ihr eigentlich noch zeigen, wie man eine Kartoffel schält?, fragte sich Isabelle, während sie neugierig auf den Brief linste. »Für Herrn Leonard Feininger« stand dort in einer steifen Handschrift geschrieben, den Absender konnte sie leider nicht lesen. Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, dass »Herr Leonard« Leon war. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, wer etwas von ihm wollte.
»So geht das!« Triumphierend hielt Leons Mutter einen hauchdünnen Kartoffelschalenkringel in die Höhe.
»Dann mach die Arbeit doch selbst«, sagte Isabelle schnippisch. »Ich bin nicht zum Kartoffelschälen erzogen worden!« Und schon rauschte sie davon.
Wo war Leon eigentlich? Angestrengt schaute Isabelle aus der aufgerissenen Haustür. Doch der Nebel, der sich über das Dorf gelegt hatte, war so dicht, dass sie nicht einmal die Nachbarshäuser erkennen konnte. In dieser trüben Suppe würde er doch keine längere Tour machen, oder? Andererseits - Leon fuhr Rad, wann immer ihm der Sinn danach stand, das Wetter oder andere Umstände spielten dabei keine Rolle. Ihr schöner, wilder Fahrradfahrer. Vielleicht würde ihr selbst ein bisschen frische Luft auch guttun? Einmal hinauf auf den Berg hinterm Haus und dann wieder hinunter, damit sie nicht ganz ihre Form verlor. Resolut schnappte Isabelle ihre Jacke und einen Schal von der Garderobe.
Die Luft war feucht und schwer, das Durchatmen tat ihr in den Lungen weh. Was mache ich hier eigentlich?, dachte sie ärgerlich, als sie an einer glitschigen Stelle am Berg fast ausrutschte. Angewidert schaute sie sich in der Einöde um. Wo war sie nur gelandet ...
© List Verlag
Petra Durst-Benning ist eine internationale Bestsellerautorin. Seit ihrem Debütroman begeistern ihre mutigen Frauenfiguren die Leserinnen und laden sie zu grossen Abenteuern ein. Viele ihrer Romane werden verfilmt. Petra Durst-Benning lebt mit ihrem Mann bei Stuttgart.
- Autor: Petra Durst-Benning
- 2013, 3, 528 Seiten, Gebunden, Deutsch
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471350586
- ISBN-13: 9783471350584
- Erscheinungsdatum: 13.09.2013
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