Inselsommer / Büchernest Bd.2
Roman
"Kommen Sie uns jederzeit in Keitum besuchen, und bleiben Sie, solange Sie wollen."
Immer wieder liest die 45-Jährige Hamburger Galeristin Paula die Einladung auf der hübschen Karte mit dem reetgedeckten Haus, der friesisch blau gestrichenen...
Immer wieder liest die 45-Jährige Hamburger Galeristin Paula die Einladung auf der hübschen Karte mit dem reetgedeckten Haus, der friesisch blau gestrichenen...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Inselsommer / Büchernest Bd.2 “
"Kommen Sie uns jederzeit in Keitum besuchen, und bleiben Sie, solange Sie wollen."
Immer wieder liest die 45-Jährige Hamburger Galeristin Paula die Einladung auf der hübschen Karte mit dem reetgedeckten Haus, der friesisch blau gestrichenen Tür, romantisch umrankt von Sylter Rosen. Seit Wochen geht ihr der wesentlich jüngere Vincent, der sie so offen umschwärmt, nicht aus dem Kopf. Dabei ist sie doch glücklich in ihrer Ehe mit Patrick - oder ist es nur die Gewohnheit, die da spricht? Soll sie einen Neuanfang wagen oder festhalten, was sie hat? Ein Inselurlaub als Gast der Buchhändlerin Bea und deren Nichte Larissa soll helfen, Klarheit in Paulas Gedanken und Gefühle zu bringen ...
Immer wieder liest die 45-Jährige Hamburger Galeristin Paula die Einladung auf der hübschen Karte mit dem reetgedeckten Haus, der friesisch blau gestrichenen Tür, romantisch umrankt von Sylter Rosen. Seit Wochen geht ihr der wesentlich jüngere Vincent, der sie so offen umschwärmt, nicht aus dem Kopf. Dabei ist sie doch glücklich in ihrer Ehe mit Patrick - oder ist es nur die Gewohnheit, die da spricht? Soll sie einen Neuanfang wagen oder festhalten, was sie hat? Ein Inselurlaub als Gast der Buchhändlerin Bea und deren Nichte Larissa soll helfen, Klarheit in Paulas Gedanken und Gefühle zu bringen ...
Klappentext zu „Inselsommer / Büchernest Bd.2 “
Mit Bestseller-Autorin Gabriella Engelmann Nordsee-Luft schnuppern: In ihrem zweiten Inselroman gibt es ein Wiedersehen auf Sylt mit der Buchhändlerin Bea und deren Nichte Larissa, doch es geht in dieser mitreissenden Geschichte vor allem um Paula - eine Frau in den besten Jahren, auf der Suche nach dem eigenen (Liebes-)Glück.
"Kommen Sie uns jederzeit in Keitum besuchen, und bleiben Sie, solange Sie wollen." Immer wieder liest die 45-Jährige Hamburger Galeristin Paula die Einladung auf der hübschen Karte mit dem reetgedeckten Haus, der friesisch blau gestrichenen Tür, romantisch umrankt von Sylter Rosen. Seit Wochen geht ihr der wesentlich jüngere Vincent von der Insel Sylt, der sie so offen umschwärmt, nicht aus dem Kopf. Dabei ist sie doch glücklich in ihrer Ehe mit Patrick - oder ist es nur die Gewohnheit, die da spricht? Soll sie einen Neuanfang wagen oder festhalten, was sie hat? Ein Aufenthalt auf Sylt als Gast von Bea und Larissa soll helfen, Klarheit in Paulas Gedanken und Gefühle zu bringen ... Doch aus dem Kurzurlaub an der Nordsee wird viel mehr, als zunächst erwartet.
Gabriella Engelmanns Inselroman ist nicht nur eine Liebeserklärung an die Insel Sylt, deren Menschen, Landschaft und Küche, sondern ein Frauenroman, in dem sich jede Leserin wiederfindet, die ihr eigenes Glück im persönlichen Alltagswahnsinn schon einmal aus der Augen verloren hat.
Ein wunderschönes Entspannungsbuch, das seine Leserinnen nach Sylt entführt. buchplaudereien.de
Ein genial schöner und warmer Inselroman mit viel Herz.
Blog Bücherkaffee
Sehr, sehr lesenswert und für Sylt-Liebhaber wärmstens zu empfehlen.
Blog LiteraturmausDie Inselromane von Gabriella Engelmann in der Reihe "Büchernest" von der Insel Sylt:
Band 1: Inselzauber
Band 2: Inselsommer
Band 3: Wintersonnenglanz
Band 4: Strandkorbträume
Lese-Probe zu „Inselsommer / Büchernest Bd.2 “
Inselsommer von Gabriella EngelmannTeil Eins
1. Kapitel
Sie können uns jederzeit besuchen und so lange bleiben, wie Sie wollen. Im Kapitänshaus ist immer ein Zimmer frei für Sie. Wir würden uns sehr freuen!
Viele herzliche Grüße von der Insel! Bea Hansen und Larissa Wagner
... mehr
Obwohl ich diese Postkarte schon unzählige Male gelesen hatte, freute ich mich immer wieder über die Wärme und die Freundlichkeit, mit der sie geschrieben worden war.
Und über das traumhaft schöne Motiv, das die Vorderseite zierte: ein reetgedecktes, aus Backstein erbautes Haus mit weißen Sprossenfenstern und einer blau-weißen Klönschnacktür, umrankt von roten und pinkfarbenen Rosen. Darüber ein strahlend blauer Sommerhimmel und Möwen, die am Horizont ihre Kreise zogen.
Man konnte den Duft der Kartoffelrosen förmlich riechen und das Summen der Bienen hören, die im funkelnden Licht der Sonne von Blüte zu Blüte flogen. Ein typisches Friesenhaus, wie man es überall in Keitum findet, einem der schönsten Orte im Osten der Nordseeinsel. Und ich, Paula Gregorius, hatte eine Einladung dorthin und konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen und Hamburg den Rücken zu kehren.
»Moin, moin, liebe Fahrgäste, die Fahrkarten bitte!«
Die energische Stimme des Schaffners der Nord-Ostsee-Bahn schreckte mich unsanft aus meinen Träumereien über die vor mir liegenden Wochen auf Sylt und holte mich in die Realität zurück. Benommen kramte ich in der Handtasche nach meinem Portemonnaie, in dem ich das Schleswig-Holstein-Ticket aufbewahrte. Als Nächstes erreichten wir Itzehoe und in gut zwei Stunden die Endstation in Westerland.
Um noch ein wenig allein mit meinen Gedanken sein zu können, wollte ich zu Beginn meiner Reise ins Ich zunächst für zwei Tage im Hotel Stadt Hamburg wohnen. Das Hotel besaß einen traumhaft schönen Wellnessbereich, die Küche genoss einen ausgezeichneten Ruf, und der breite, weiße Sandstrand war nur fünf Minuten Fußweg entfernt.
Larissa und ihrer Tante hatte ich hingegen gesagt, dass ich erst ab Freitagmittag ihre liebenswürdige Gastfreundschaft in Anspruch nehmen würde.
Während ich durch das Fenster die vorbeifliegende Landschaft betrachtete, piepste mein Handy. Ich versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen und mich zu zwingen, die eingegangene SMS nicht sofort zu lesen, denn schließlich war ich auf dem Weg nach Sylt, um endlich einen klaren Kopf zu bekommen.
Schluss mit dem Gefühlswirrwarr, das mich nun schon seit Wochen gefangen hielt!
Schluss mit dem ewigen Kampf Kopf gegen Bauch!
An sich gab es ja kaum etwas Schöneres, als mit fünfundvierzig Jahren noch einmal richtig verliebt zu sein. Doch in diesem Fall lagen die Dinge bedauerlicherweise nicht ganz so einfach wie früher. Seufzend knüllte ich meinen hellgrauen Schal als Kissenersatz zusammen und presste ihn gegen die Fensterscheibe. Dann lehnte ich mein Gesicht dagegen und schloss die Augen.
Die Gewissheit, mit jedem Kilometer Zugfahrt mehr Abstand zu meinem bisherigen Leben zu gewinnen, hätte meine Nerven beruhigen müssen, doch stattdessen dachte ich wehmütig an jenen alles entscheidenden Abend zurück, an dem ich Vincent Rogner in mein Herz und damit in mein Leben gelassen hatte.
»Bereit, dem Irrsinn die Stirn zu bieten, Paula?«, hatte meine Mitarbeiterin Jule gefragt und mir schmunzelnd ein Glas eisgekühlten Champagner in die Hand gedrückt. Dann hatten wir beide die Galerie ein letztes Mal inspiziert und die Hängung jedes einzelnen Bildes überprüft.
Dieser Abend sollte perfekt werden!
Seit Monaten hatten Jule, Vincent und ich darauf hingearbeitet, Hamburgs Kunstliebhabern und der Presse bislang unbekannte, vielversprechende Talente aus Norddeutschland zu präsentieren.
»Ich prophezeie Nele Sievers eine große Zukunft«, sagte Jule, bevor sie in die Küche ging, um einen letzten, prüfenden Blick auf das Catering zu werfen. Den ganzen Tag war es in der Galerie zugegangen wie in einem Irrenhaus, doch nun herrschte endlich die Ruhe vor dem Sturm, wie ich den Moment vor einer Vernissage nannte, den ich zugleich liebte und fürchtete.
Doch es würde alles gutgehen!
Die Bilder der Bremer Malerin erinnerten in ihrer Farbintensität und Strahlkraft an die Arbeiten der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, ohne jedoch so düster zu sein. Nele war zweifelsohne talentiert.
Bislang hatte die Künstlerin erfolgreich als Kinderbuchillustratorin gearbeitet, doch nun wollte sie neue Wege gehen. Ich war von der ersten Sekunde an begeistert gewesen, als sie zu ArtFuture gekommen war, um mir auf dem Laptop ihre Bilder zu zeigen:
»Nennen Sie mich gefühlsduselig und verrückt, aber ich kann mir keine andere Galeristin für meinen Start als bildende Künstlerin vorstellen als Sie, Frau Gregorius«, sagte sie und köderte mich mit ihren funkelnden Augen, dem nahezu schamlos anbiedernden Kompliment und dem frechen Lächeln. »Seit Jahren schon beobachte ich, was Sie alles auf die Beine stellen und wie sehr die Kunstbranche Ihr sicheres Gespür für die Entdeckung neuer Talente schätzt.«
»Sie bekommen aber keine Einzelausstellung, damit das klar ist«, antwortete ich, um ihre überbordende Erwartungshaltung ein wenig zu dämpfen. Im Laufe der Jahre hatte ich häufig mit narzisstischen Künstlern zu tun gehabt, deren Ego es nur schwer verkraftete, nicht die Hauptattraktion bei einem Event zu sein. Nele Sievers sollte von Anfang an wissen, dass es in diesem Metier weitaus härter zuging als im Bereich Kinderbuchillustration.
Und dann war es so weit: Der Kultursenator und zwei Sponsoren hielten eine Rede. Die Ausstellung umfasste die Werke von insgesamt sieben Malern und Bildhauern. Neles Arbeiten bildeten das Herzstück und stachen aufgrund ihrer Wildheit sofort hervor. Bereits zwei Stunden nach der Eröffnung hatte ich acht ihrer insgesamt zwanzig Zeichnungen und Acrylbilder an Sammler moderner Kunst verkauft.
»Ich hab's dir doch gesagt, das wird der absolute Knaller«, raunte Vincent mir zu und streifte mit seinen Lippen wie zufällig mein Ohr. Er war mir so nah, so gefährlich nah wie noch nie zuvor.
Zudem sah er heute Abend besonders gut aus. Sein dunkelblondes Haar war lässig verstrubbelt, er hatte einen sexy Dreitagebart und trug ein dunkelblaues Jackett. Eine Mischung aus Champagnerduft und Vanilletabak umwehte ihn.
»Okay, ich geb's zu, ich war vielleicht ein bisschen zu vorsichtig, was die Einschätzung von Neles Arbeiten betrifft. Aber sie ist schließlich nicht die Einzige, die sich hier präsentiert, und ich bin erst zufrieden, wenn es für die anderen ebenfalls gut läuft«, entgegnete ich und versuchte, mich gegen die Gefühle zu wehren, die seine Gegenwart bei mir auslösten.
Die Werke der anderen Künstler verblassten allerdings etwas neben der jungen, attraktiven Malerin, die wie ein exotischer Schmetterling von Gast zu Gastflatterte und ihre Gesprächspartner gekonnt um den Finger wickelte.
Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, das tizianrote Haar trug sie kunstvoll aufgetürmt. Einzelne Strähnen hatten sich gelöst und kringelten sich sexy hinter den Ohren.
Ihre katzenhaften, jadegrünen Augen schimmerten.
Ich sah, wie beinahe alle männlichen Anwesenden im Raum sie anstarrten und fasziniert an ihren Lippen hingen.
Auch Vincent.
Bevor auch ich mir etwas zu essen holen konnte, machte Nele mich mit zwei sympathisch aussehenden Frauen bekannt, die sie als ihre Freundin Larissa Wagner und deren Tante Bea Hansen vorstellte. Die beiden waren extra wegen der Vernissage von Sylt nach Hamburg gekommen.
»Ohne Lissy würde ich vermutlich heute noch auf einem Berg Schulden sitzen und versuchen, mit meinem Café über die Runden zu kommen, obwohl mir das Wasser schon längst bis zum Hals steht«, erklärte Nele und drückte Larissas Hand. »Sie war es nämlich, die mich ermutigt hat, das Risiko Künstlerin zu werden einzugehen und an mich zu glauben. Ich verdanke ihr sowohl meinen ersten Vertrag als Kinderbuchillustratorin als auch acht wunderbare Jahre auf Sylt. Eine bessere Freundin kann ich mir nicht vorstellen!«
Larissa wurde sichtlich verlegen, Bea räusperte sich.
Die ungefähr siebzig Jahre alte, schlanke Frau mit den kurzen, grauen Haaren und dem neugierigen Blick lächelte und knuffte Nele Sievers in die Seite.
»Nun sei mal nicht so pathetisch und plaudere nicht immer alles gleich aus! Frau Gregorius hat heute Abend bestimmt anderes zu tun, als sich diese Geschichten anzuhören.« Doch Nele bekam nicht mehr mit, was Bea Hansen sagte, sondern ging zu Vincent, der neben dem Eingang zur Küche stand und sie zu sich winkte.
Als ich beobachtete, wie die beiden ihre Köpfe zusammensteckten, nahm ein Gefühl von mir Besitz, das ich lange nicht mehr verspürt hatte: Es nagte, es zerrte, es flüsterte mir Gemeinheiten ins Ohr, es raubte mir die Luft zum Atmen und brannte wie Feuer. Plötzlich hörte ich mich sagen:
»Kann ich dich kurz mal sprechen?« Ich deutete Richtung Ausgang.
Vincent folgte mir, ohne zu zögern.
Draußen angekommen, spürte ich, wie kalt es war. Da ich viel zu aufgewühlt war, um rational zu handeln, hatte ich den Mantel an der Garderobe hängen lassen.
Doch das alles interessierte mich nicht.
Alles, was ich wollte, war, einen Moment mit Vincent allein zu sein.
Als er mir sein Jackett um die Schultern legte und mich neugierig ansah, fühlte ich mich wie ein kleines Kind, das beim Naschen ertappt worden war. Und deshalb wusste ich auch nicht, was ich antworten sollte, als er mich fragte: »Na, was gibt es denn so Dringendes?«
Hätte ich sagen sollen: »Mir ist gerade klargeworden, dass ich mich in dich verliebt habe. In dich und deine süße kleine Tochter?«
Mit jedem Kilometer, den sich der Zug seinem Ziel näherte, versank ich tiefer in die Erinnerung an jenen Abend, an dem Vincent mich zum ersten Mal umarmt hatte.
Anstelle einer Antwort lehnte ich mich an seine Brust, und wir schmiegten uns eine Weile aneinander. Es war so ein wunderbares Gefühl, die Nähe des anderen zu spüren, wie ein besonderes Geschenk, von dem man nicht weiß, ob man es behalten darf. Für einen Augenblick kam es mir so vor, als würde ich die Welt, in der ich normalerweise lebte, verlassen und mit dem Feuer spielen. Noch Stunden und Tage später glaubte ich den Duft und die Wärme von Vincents Haut zu verspüren.
Und ich wusste, dass es ihm genauso ging.
Mühsam versuchte ich mich wieder auf das Hier und Jetzt zu besinnen, und starrte unschlüssig auf das Handy. Vielleicht war die SMS ja wirklich von Vincent? Obwohl wir vereinbart hatten, während meiner Auszeit auf Sylt weder zu telefonieren noch zu simsen, konnte ich nicht leugnen, wie sehr er mir jetzt schon fehlte und ich beinahe jede freie Minute an ihn dachte. Zuletzt siegte jedoch die Neugier, und ich las die Nachricht:
Pass auf dich auf, und lass dich treiben. Du hast so hart gearbeitet und solltest dich richtig erholen.
Ich warte auf dich, mein Schatz.
Patrick
2. Kapitel
Während in meinem Innersten ein emotionales Durcheinander herrschte, rollte der Zug vom Hindenburgdamm und erreichte Sylt. In der Ferne erblickte ich einen Turm, der die Landschaft überragte. Dies war also St. Severin, das Wahrzeichen Keitums.
Die Nord-Ostsee-Bahn fuhr weiter Richtung Westerland, und ich bestaunte die Kirche mit dem roten Turm und die vorüberziehende Landschaft. Ich sah weidende Schafe und Kühe und Pferde, die mit wehender Mähne über die Koppeln galoppierten. Sylt, die Insel der Schönen und Reichen. Die Insel der Partys und Galas im Blitzlichtgewitter der Boulevardpresse, des legendären Strandrestaurants Sansibar, Wohnsitz unzähliger Prominenter. Im Licht des eher grauen Apriltages wirkte sie alles andere als glamourös, insbesondere je weiter sich der Zug der Endstation näherte.
Ich schmunzelte über den Werbeslogan Schlafen könnt ihr auch auf Amrum!, der für ein koffeinhaltiges Getränk warb und die Fassade eines Getränkemarkts zierte. Doch das anfängliche Schmunzeln wich schnell einem gewissen Entsetzen, als auf einmal ein hässlicher Bau nach dem anderen mein Blickfeld trübte. Irgendwie war ich nicht darauf vorbereitet, dass auf dieser angeblich so idyllischen Insel Discounter mit ihren grellen Firmenschildern den Anblick der nordfriesischen Landschaft verschandelten.
»Erschreck nicht, wenn du aus dem Bahnhof kommst und plötzlich vier giftgrünen Skulpturen gegenüberstehst«, hatte mein Mann Patrick mich gewarnt, bevor sich am Altonaer Bahnhof die Tür der Nord-Ostsee-Bahn hinter mir schloss.
Ich ließ meinen schweren Koffer stehen, um die Reisenden Riesen im Wind zu bestaunen, die seit 2001 den Bahnhofsvorplatz schmücken und von Anfang an heftigste Diskussionen ausgelöst haben. Natürlich war ich als Galeristin amüsiert über den hintersinnigen Witz, mit dem der Künstler Martin Wolke seine Figuren erschaffen hatte.
Nachdem ich genug gesehen und Fotos gemacht hatte, rollte ich meinen schweren Koffer über das Pflaster. Das Hotel war nur fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt, deshalb hatte ich das Angebot abgelehnt, von einem Shuttle abgeholt zu werden. Zu Beginn der Friedrichstraße entdeckte ich ein weiteres Kunstwerk, das die Gemüter erhitzte: die gusseiserne Skulptur Wilhelmine, die rundlich und obenrum üppig bestückt in einem Brunnen saß und den Betrachter keck anlächelte. Ganz so, als wollte sie sagen: »Na, da guckst du, was?«
Ich guckte in der Tat, doch nicht allzu lange, da der rauhe Wind mir die Mütze vom Kopf riss.
Ein grauer Himmelsteppich lag über der Insel, die Wetteraussichten für die kommenden Tage waren ebenfalls alles andere als vielversprechend.
Doch im Gegensatz zu vielen Urlaubern war ich nicht hierhergekommen, um gleich einen vierstündigen Strandspaziergang zu unternehmen, sondern um durchzuatmen und in mich hineinzuhorchen. Es gab so viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte, egal, wie sehr mir der scharfe Nordwind den Kopf frei pusten würde. Schließlich war das Problem ja auch weniger eine Frage des Verstandes als des Herzens.
»Herzlich willkommen im Hotel Stadt Hamburg«, begrüßte mich eine junge, sympathische Dame an der Rezeption und wollte wissen, ob ich gut hierhergefunden hatte. Ich nahm den Zimmerschlüssel in Empfang, und ein Page half mir mit dem Gepäck.
Obwohl Patrick und ich im Laufe der letzten Jahre häufiger in Luxushotels abgestiegen waren, überfiel mich immer noch ein gewisses Gefühl der Unbehaglichkeit, wenn das Personal seine Dienste anbot. Doch ich wollte den jungen Mann nicht brüskieren, also folgte ich ihm den Flur entlang Richtung Spa-Bereich.
Als ich die Zimmertür im ersten Stock öffnete, glaubte ich für einen Moment, ich sei in einem englischen Cottage. Ob Vorhang, Tapete oder Tischdecke - alles war in einem Blümchenmuster gehalten, und ich hatte das Gefühl, auf eine Blumenwiese zu blicken.
Nachdem ich dem Pagen Trinkgeld gegeben hatte, öffnete ich das Fenster, um die frische, jodhaltige Nordseeluft hereinzulassen und mich zu vergewissern, dass ich wirklich in Westerland war und nicht in Cornwall. Dann packte ich meine Kulturtasche aus und reihte meine Kosmetika vor dem Badezimmerspiegel auf. In diesem Moment klingelte das Telefon.
»Helen, wie lieb, dass du anrufst«, freute ich mich.
»Störe ich?«, fragte meine Freundin.
»Natürlich nicht. Ich bin zwar noch keine fünf Minuten hier, aber ich fühle mich jetzt schon einsam. Blöd, nicht wahr?«
»Nein, nicht blöd, sondern vollkommen verständlich. Genau aus diesem Grund rufe ich ja an. Hast du heute noch was Schönes vor? Und wie ist das Wetter auf der Insel? Hier in Hamburg sieht es gerade aus, als ob jemand einen Eimer graue Farbe über der Stadt ausgekippt hätte.«
»Keine Ahnung, was ich mache. Hier ist es auch nicht besonders, also werde ich vielleicht in die Sauna gehen und danach schwimmen. Oder ich setze mich ins Kaminzimmer, betrinke mich besinnungslos mit edlem Sherry und lese. Und du? Musst du nachher noch ins Gericht?«
Helen war Anwältin für Familienrecht.
»Ja, leider. Aber ich werde mich am Abend dafür belohnen, dass ich mich wieder mit jemandem herumgekloppt habe, der keinerlei Ambitionen hat, Unterhalt zu zahlen. Doro und ich wollen erst ins Kino und danach eine Kleinigkeit essen.«
Ich schmunzelte.
Besagte Kleinigkeit artete erfahrungsgemäß immer in einer kleinen Orgie von zwei bis drei Gängen aus. Auch wenn wir drei uns meistens die Vorspeise und das Dessert teilten. In der Regel kannte unsere Lust an kulinarischen Genüssen aber schon bei frischem Weißbrot mit Olivenöl kaum Grenzen, erst recht nicht, wenn dazu körniges Fleur de Sal gereicht wurde.
»Ihr wisst ja, Essen ist der Sex des Alters«, pflegte Helen lachend zu sagen, während Doro ihr ölig glänzendes Kinn mit der Serviette abtupfte. Doro war Mutter von zwei Kindern und arbeitete halbtags in der Steuerkanzlei ihres Mannes Thomas, die Fürsorge lag ihr im Blut.
»Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß«, antwortete ich mit einem wehmütigen Ziehen in der Herzgegend. Die gemeinsamen Unternehmungen mit meinen langjährigen Freundinnen stellten seit vielen Jahren eine Konstante in meinem Leben dar, die ich sehr schätzte. Wir kannten uns vom Gymnasium und hatten zusammen Abitur gemacht. So unterschiedlich wir auch waren, wir hatten dieselbe wildromantische Vorstellung von dem Leben, das wir führen wollten, erfreuten uns an denselben Dingen und wussten, dass gute Freundschaften äußerst wichtig sind und man sie pflegen muss.
Nachdem ich aufgelegt hatte, saß ich noch eine Weile auf dem Bett und starrte aus dem Fenster. Mittlerweile hatte draußen feiner Nieselregen eingesetzt. Selbst die Möwen zogen es vor, Schutz zu suchen, anstatt beutehungrig ihre Kreise zu ziehen und gegen den Wind anzukämpfen.
Um mich ein wenig inspirieren zu lassen, blätterte ich in einem Sylt-Magazin, das ich am Bahnhof gekauft hatte, mit einer niedlichen Robbe vorne drauf.
Die würde Lilly bestimmt gefallen ...!
Ein wenig melancholisch dachte ich an den Nachmittag, als ich Vincents fünfjährige Tochter Lilly zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war im Kindergarten hingefallen und hatte sich das Knie und die Stirn blutig geschlagen. Vincent war blass geworden, als er den Anruf der Kita-Leiterin erhalten hatte, und war aus der Galerie gestürzt, um Lilly abzuholen. Da er eine Stunde später einen wichtigen Termin bei ArtFuture hatte, nahm er Lilly kurzerhand mit in die Galerie. Ich war sofort dahingeschmolzen, als ich die Kleine sah. Sie hatte ein dickes, pinkfarbenes Pflaster auf der Stirn, und ihre Strumpfhose war aufgerissen. Die dunkelblonden Locken standen wirr nach allen Seiten ab, und ihr Gesichtchen war vor Aufregung gerötet.
»Du brauchst dringend etwas Neues zum Anziehen«, hatte ich zu ihr gesagt und Vincent vorgeschlagen, eine neue Strumpfhose für Lilly zu kaufen. Die Kleine war vollkommen verzückt, als ich eine halbe Stunde später mit einer nagelneuen Packung in ihren Lieblingsfarben Rosa und Lila wiederkam.
Außerdem hatte ich ihr noch einen kleinen Teddy vom Kaufhaus um die Ecke mitgebracht, der sie aufmunterte und sie bald darauf ihren Schrecken vergessen ließ. Von diesem Tag an waren wir Freundinnen, und ich freute mich jedes Mal, wenn sie in die Galerie kam und ich Gelegenheit hatte, mit ihr zu spielen.
Mein Herz wurde schwer, als ich an die Kleine dachte.
Wie gern hätte ich eine Tochter wie sie gehabt!
Weil ich nicht in trübsinnige Gedanken versinken wollte, beschloss ich mich abzulenken. Egal, wie schlecht das Wetter war, ich würde jetzt rausgehen und meine Umgebung erkunden. Als ich das Hotel verließ, schenkte mir der Rezeptionist ein mildes Lächeln und rief mir hinterher:
»Ein Schirm wird Ihnen leider nicht viel nützen!«
Ich bog die Strandstraße in Richtung Meer ab, passierte das Kino schräg gegenüber, Souvenir-Shops, das für seine Torten und Pralinen bekannte Café Wien und Teeläden, während eine Böe mit grimmiger Wut an meinem Knirps zerrte. Nachdem er sich zweimal umgeklappt hatte, gab ich auf, zog mir die Kapuze meiner leuchtend roten Daunenjacke tief ins Gesicht und stapfte entschlossen weiter.
In der Kabine zum Strandübergang saß ein älterer Herr und winkte ab, als ich ihm meine Kurkarte zeigen wollte. Wenn es nach ihm ginge, säße er heute wahrscheinlich gar nicht hier.
Magisch angezogen vom Anblick des Meeres, ignorierte ich den Musikpavillon in Form einer Muschel an der Strandpromenade, die bei schönem Wetter zahllose Besucher anlockte.
Mein Ziel war das graugurgelnde Wasser, dessen Wellen sich am Strand brachen und kleine Schaumkronen hinterließen.
Ich nutzte den Rückenwind und ging am Hotel Miramar vorbei nach links, um möglichst ungestört zu sein.
Getreu dem Motto: »Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung«, gingen erstaunlich viele am Strand spazieren.
Ich setzte meinen Weg fort, bis ich an einer Reihe verwitterter Buhnen vorbeikam. Traurig ragten die dunklen Holzköpfe aus dem Wasser und trotzten tapfer dem Wetter. Ein typisches, immer wieder beeindruckendes Motiv, das zahlreiche Postkarten und Kalender schmückte. Wie sehr hatte ich diese Aufnahmen immer gemocht, die den Wunsch in mir erweckt hatten, endlich auf die Nordseeinsel zu fahren!
Ein Stück weiter tauchte ein Bollerwagen auf, gezogen von einem kleinen, etwa siebenjährigen Mädchen, das an der Hand seiner Mutter ging und fröhlich plapperte.
Im Wagen saß eine Armada von Stofftieren.
Ich schaute den beiden wehmütig hinterher, aber ich wollte mich von diesem entzückenden Anblick nicht aus der Fassung bringen lassen.
Genug vergebens gehofft.
Genug getrauert!
»Mit Ihrer roten Jacke sind Sie bei dem heutigen Mistwetter eine absolute Augenweide«, hörte ich auf einmal jemanden sagen und glaubte zunächst, mich getäuscht zu haben. Als ich den Kopf hob, um zu sehen, ob ich tatsächlich gemeint war, blickte ich in die warmen, dunklen Augen eines älteren Herrn, der über das ganze Gesicht strahlte. »Die meisten hier tragen Dunkelblau, Dunkelgrau oder Schwarz. Gott sei Dank machen Sie diesen Tag ein wenig bunter.«
»Ich fühle mich immer besser, wenn ich etwas Farbenfrohes anhabe «, erwiderte ich in Erinnerung an meine frühere Vorliebe für eine Skala zwischen Grau und Schwarz. »Sie selbst leuchten aber auch!«
Der Fremde trug zwar einen dunkelblauen Wollmantel, aber kombiniert mit einem buntgemusterten Schal.
»Den hat mir eine liebe Freundin geschenkt, und ich halte ihn in Ehren. An einem solchen Tag wärmt er nicht nur meinen alten, steifen Nacken, sondern auch meine Seele.«
Dies war einer der Momente, an denen man sich entscheiden musste: Gehen oder bleiben. Entweder freute ich mich über einen zauberhaften Augenblick und ging danach meiner Wege, oder ich ließ mich treiben, um einer zufälligen Begegnung die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten.
»Ist Ihnen zufällig trotz des Schals kalt? Haben Sie Lust auf eine Tasse heiße Schokolade?« Ich wusste, dass Leysieffer eine Filiale in der Friedrichstraße hatte, und mir lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen bei dem bloßen Gedanken an das tröstlich süße Getränk. In dieser sympathischen Gesellschaft würde er bestimmt doppelt so gut schmecken.
© 2013 Knaur Taschenbuch
Obwohl ich diese Postkarte schon unzählige Male gelesen hatte, freute ich mich immer wieder über die Wärme und die Freundlichkeit, mit der sie geschrieben worden war.
Und über das traumhaft schöne Motiv, das die Vorderseite zierte: ein reetgedecktes, aus Backstein erbautes Haus mit weißen Sprossenfenstern und einer blau-weißen Klönschnacktür, umrankt von roten und pinkfarbenen Rosen. Darüber ein strahlend blauer Sommerhimmel und Möwen, die am Horizont ihre Kreise zogen.
Man konnte den Duft der Kartoffelrosen förmlich riechen und das Summen der Bienen hören, die im funkelnden Licht der Sonne von Blüte zu Blüte flogen. Ein typisches Friesenhaus, wie man es überall in Keitum findet, einem der schönsten Orte im Osten der Nordseeinsel. Und ich, Paula Gregorius, hatte eine Einladung dorthin und konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen und Hamburg den Rücken zu kehren.
»Moin, moin, liebe Fahrgäste, die Fahrkarten bitte!«
Die energische Stimme des Schaffners der Nord-Ostsee-Bahn schreckte mich unsanft aus meinen Träumereien über die vor mir liegenden Wochen auf Sylt und holte mich in die Realität zurück. Benommen kramte ich in der Handtasche nach meinem Portemonnaie, in dem ich das Schleswig-Holstein-Ticket aufbewahrte. Als Nächstes erreichten wir Itzehoe und in gut zwei Stunden die Endstation in Westerland.
Um noch ein wenig allein mit meinen Gedanken sein zu können, wollte ich zu Beginn meiner Reise ins Ich zunächst für zwei Tage im Hotel Stadt Hamburg wohnen. Das Hotel besaß einen traumhaft schönen Wellnessbereich, die Küche genoss einen ausgezeichneten Ruf, und der breite, weiße Sandstrand war nur fünf Minuten Fußweg entfernt.
Larissa und ihrer Tante hatte ich hingegen gesagt, dass ich erst ab Freitagmittag ihre liebenswürdige Gastfreundschaft in Anspruch nehmen würde.
Während ich durch das Fenster die vorbeifliegende Landschaft betrachtete, piepste mein Handy. Ich versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen und mich zu zwingen, die eingegangene SMS nicht sofort zu lesen, denn schließlich war ich auf dem Weg nach Sylt, um endlich einen klaren Kopf zu bekommen.
Schluss mit dem Gefühlswirrwarr, das mich nun schon seit Wochen gefangen hielt!
Schluss mit dem ewigen Kampf Kopf gegen Bauch!
An sich gab es ja kaum etwas Schöneres, als mit fünfundvierzig Jahren noch einmal richtig verliebt zu sein. Doch in diesem Fall lagen die Dinge bedauerlicherweise nicht ganz so einfach wie früher. Seufzend knüllte ich meinen hellgrauen Schal als Kissenersatz zusammen und presste ihn gegen die Fensterscheibe. Dann lehnte ich mein Gesicht dagegen und schloss die Augen.
Die Gewissheit, mit jedem Kilometer Zugfahrt mehr Abstand zu meinem bisherigen Leben zu gewinnen, hätte meine Nerven beruhigen müssen, doch stattdessen dachte ich wehmütig an jenen alles entscheidenden Abend zurück, an dem ich Vincent Rogner in mein Herz und damit in mein Leben gelassen hatte.
»Bereit, dem Irrsinn die Stirn zu bieten, Paula?«, hatte meine Mitarbeiterin Jule gefragt und mir schmunzelnd ein Glas eisgekühlten Champagner in die Hand gedrückt. Dann hatten wir beide die Galerie ein letztes Mal inspiziert und die Hängung jedes einzelnen Bildes überprüft.
Dieser Abend sollte perfekt werden!
Seit Monaten hatten Jule, Vincent und ich darauf hingearbeitet, Hamburgs Kunstliebhabern und der Presse bislang unbekannte, vielversprechende Talente aus Norddeutschland zu präsentieren.
»Ich prophezeie Nele Sievers eine große Zukunft«, sagte Jule, bevor sie in die Küche ging, um einen letzten, prüfenden Blick auf das Catering zu werfen. Den ganzen Tag war es in der Galerie zugegangen wie in einem Irrenhaus, doch nun herrschte endlich die Ruhe vor dem Sturm, wie ich den Moment vor einer Vernissage nannte, den ich zugleich liebte und fürchtete.
Doch es würde alles gutgehen!
Die Bilder der Bremer Malerin erinnerten in ihrer Farbintensität und Strahlkraft an die Arbeiten der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, ohne jedoch so düster zu sein. Nele war zweifelsohne talentiert.
Bislang hatte die Künstlerin erfolgreich als Kinderbuchillustratorin gearbeitet, doch nun wollte sie neue Wege gehen. Ich war von der ersten Sekunde an begeistert gewesen, als sie zu ArtFuture gekommen war, um mir auf dem Laptop ihre Bilder zu zeigen:
»Nennen Sie mich gefühlsduselig und verrückt, aber ich kann mir keine andere Galeristin für meinen Start als bildende Künstlerin vorstellen als Sie, Frau Gregorius«, sagte sie und köderte mich mit ihren funkelnden Augen, dem nahezu schamlos anbiedernden Kompliment und dem frechen Lächeln. »Seit Jahren schon beobachte ich, was Sie alles auf die Beine stellen und wie sehr die Kunstbranche Ihr sicheres Gespür für die Entdeckung neuer Talente schätzt.«
»Sie bekommen aber keine Einzelausstellung, damit das klar ist«, antwortete ich, um ihre überbordende Erwartungshaltung ein wenig zu dämpfen. Im Laufe der Jahre hatte ich häufig mit narzisstischen Künstlern zu tun gehabt, deren Ego es nur schwer verkraftete, nicht die Hauptattraktion bei einem Event zu sein. Nele Sievers sollte von Anfang an wissen, dass es in diesem Metier weitaus härter zuging als im Bereich Kinderbuchillustration.
Und dann war es so weit: Der Kultursenator und zwei Sponsoren hielten eine Rede. Die Ausstellung umfasste die Werke von insgesamt sieben Malern und Bildhauern. Neles Arbeiten bildeten das Herzstück und stachen aufgrund ihrer Wildheit sofort hervor. Bereits zwei Stunden nach der Eröffnung hatte ich acht ihrer insgesamt zwanzig Zeichnungen und Acrylbilder an Sammler moderner Kunst verkauft.
»Ich hab's dir doch gesagt, das wird der absolute Knaller«, raunte Vincent mir zu und streifte mit seinen Lippen wie zufällig mein Ohr. Er war mir so nah, so gefährlich nah wie noch nie zuvor.
Zudem sah er heute Abend besonders gut aus. Sein dunkelblondes Haar war lässig verstrubbelt, er hatte einen sexy Dreitagebart und trug ein dunkelblaues Jackett. Eine Mischung aus Champagnerduft und Vanilletabak umwehte ihn.
»Okay, ich geb's zu, ich war vielleicht ein bisschen zu vorsichtig, was die Einschätzung von Neles Arbeiten betrifft. Aber sie ist schließlich nicht die Einzige, die sich hier präsentiert, und ich bin erst zufrieden, wenn es für die anderen ebenfalls gut läuft«, entgegnete ich und versuchte, mich gegen die Gefühle zu wehren, die seine Gegenwart bei mir auslösten.
Die Werke der anderen Künstler verblassten allerdings etwas neben der jungen, attraktiven Malerin, die wie ein exotischer Schmetterling von Gast zu Gastflatterte und ihre Gesprächspartner gekonnt um den Finger wickelte.
Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, das tizianrote Haar trug sie kunstvoll aufgetürmt. Einzelne Strähnen hatten sich gelöst und kringelten sich sexy hinter den Ohren.
Ihre katzenhaften, jadegrünen Augen schimmerten.
Ich sah, wie beinahe alle männlichen Anwesenden im Raum sie anstarrten und fasziniert an ihren Lippen hingen.
Auch Vincent.
Bevor auch ich mir etwas zu essen holen konnte, machte Nele mich mit zwei sympathisch aussehenden Frauen bekannt, die sie als ihre Freundin Larissa Wagner und deren Tante Bea Hansen vorstellte. Die beiden waren extra wegen der Vernissage von Sylt nach Hamburg gekommen.
»Ohne Lissy würde ich vermutlich heute noch auf einem Berg Schulden sitzen und versuchen, mit meinem Café über die Runden zu kommen, obwohl mir das Wasser schon längst bis zum Hals steht«, erklärte Nele und drückte Larissas Hand. »Sie war es nämlich, die mich ermutigt hat, das Risiko Künstlerin zu werden einzugehen und an mich zu glauben. Ich verdanke ihr sowohl meinen ersten Vertrag als Kinderbuchillustratorin als auch acht wunderbare Jahre auf Sylt. Eine bessere Freundin kann ich mir nicht vorstellen!«
Larissa wurde sichtlich verlegen, Bea räusperte sich.
Die ungefähr siebzig Jahre alte, schlanke Frau mit den kurzen, grauen Haaren und dem neugierigen Blick lächelte und knuffte Nele Sievers in die Seite.
»Nun sei mal nicht so pathetisch und plaudere nicht immer alles gleich aus! Frau Gregorius hat heute Abend bestimmt anderes zu tun, als sich diese Geschichten anzuhören.« Doch Nele bekam nicht mehr mit, was Bea Hansen sagte, sondern ging zu Vincent, der neben dem Eingang zur Küche stand und sie zu sich winkte.
Als ich beobachtete, wie die beiden ihre Köpfe zusammensteckten, nahm ein Gefühl von mir Besitz, das ich lange nicht mehr verspürt hatte: Es nagte, es zerrte, es flüsterte mir Gemeinheiten ins Ohr, es raubte mir die Luft zum Atmen und brannte wie Feuer. Plötzlich hörte ich mich sagen:
»Kann ich dich kurz mal sprechen?« Ich deutete Richtung Ausgang.
Vincent folgte mir, ohne zu zögern.
Draußen angekommen, spürte ich, wie kalt es war. Da ich viel zu aufgewühlt war, um rational zu handeln, hatte ich den Mantel an der Garderobe hängen lassen.
Doch das alles interessierte mich nicht.
Alles, was ich wollte, war, einen Moment mit Vincent allein zu sein.
Als er mir sein Jackett um die Schultern legte und mich neugierig ansah, fühlte ich mich wie ein kleines Kind, das beim Naschen ertappt worden war. Und deshalb wusste ich auch nicht, was ich antworten sollte, als er mich fragte: »Na, was gibt es denn so Dringendes?«
Hätte ich sagen sollen: »Mir ist gerade klargeworden, dass ich mich in dich verliebt habe. In dich und deine süße kleine Tochter?«
Mit jedem Kilometer, den sich der Zug seinem Ziel näherte, versank ich tiefer in die Erinnerung an jenen Abend, an dem Vincent mich zum ersten Mal umarmt hatte.
Anstelle einer Antwort lehnte ich mich an seine Brust, und wir schmiegten uns eine Weile aneinander. Es war so ein wunderbares Gefühl, die Nähe des anderen zu spüren, wie ein besonderes Geschenk, von dem man nicht weiß, ob man es behalten darf. Für einen Augenblick kam es mir so vor, als würde ich die Welt, in der ich normalerweise lebte, verlassen und mit dem Feuer spielen. Noch Stunden und Tage später glaubte ich den Duft und die Wärme von Vincents Haut zu verspüren.
Und ich wusste, dass es ihm genauso ging.
Mühsam versuchte ich mich wieder auf das Hier und Jetzt zu besinnen, und starrte unschlüssig auf das Handy. Vielleicht war die SMS ja wirklich von Vincent? Obwohl wir vereinbart hatten, während meiner Auszeit auf Sylt weder zu telefonieren noch zu simsen, konnte ich nicht leugnen, wie sehr er mir jetzt schon fehlte und ich beinahe jede freie Minute an ihn dachte. Zuletzt siegte jedoch die Neugier, und ich las die Nachricht:
Pass auf dich auf, und lass dich treiben. Du hast so hart gearbeitet und solltest dich richtig erholen.
Ich warte auf dich, mein Schatz.
Patrick
2. Kapitel
Während in meinem Innersten ein emotionales Durcheinander herrschte, rollte der Zug vom Hindenburgdamm und erreichte Sylt. In der Ferne erblickte ich einen Turm, der die Landschaft überragte. Dies war also St. Severin, das Wahrzeichen Keitums.
Die Nord-Ostsee-Bahn fuhr weiter Richtung Westerland, und ich bestaunte die Kirche mit dem roten Turm und die vorüberziehende Landschaft. Ich sah weidende Schafe und Kühe und Pferde, die mit wehender Mähne über die Koppeln galoppierten. Sylt, die Insel der Schönen und Reichen. Die Insel der Partys und Galas im Blitzlichtgewitter der Boulevardpresse, des legendären Strandrestaurants Sansibar, Wohnsitz unzähliger Prominenter. Im Licht des eher grauen Apriltages wirkte sie alles andere als glamourös, insbesondere je weiter sich der Zug der Endstation näherte.
Ich schmunzelte über den Werbeslogan Schlafen könnt ihr auch auf Amrum!, der für ein koffeinhaltiges Getränk warb und die Fassade eines Getränkemarkts zierte. Doch das anfängliche Schmunzeln wich schnell einem gewissen Entsetzen, als auf einmal ein hässlicher Bau nach dem anderen mein Blickfeld trübte. Irgendwie war ich nicht darauf vorbereitet, dass auf dieser angeblich so idyllischen Insel Discounter mit ihren grellen Firmenschildern den Anblick der nordfriesischen Landschaft verschandelten.
»Erschreck nicht, wenn du aus dem Bahnhof kommst und plötzlich vier giftgrünen Skulpturen gegenüberstehst«, hatte mein Mann Patrick mich gewarnt, bevor sich am Altonaer Bahnhof die Tür der Nord-Ostsee-Bahn hinter mir schloss.
Ich ließ meinen schweren Koffer stehen, um die Reisenden Riesen im Wind zu bestaunen, die seit 2001 den Bahnhofsvorplatz schmücken und von Anfang an heftigste Diskussionen ausgelöst haben. Natürlich war ich als Galeristin amüsiert über den hintersinnigen Witz, mit dem der Künstler Martin Wolke seine Figuren erschaffen hatte.
Nachdem ich genug gesehen und Fotos gemacht hatte, rollte ich meinen schweren Koffer über das Pflaster. Das Hotel war nur fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt, deshalb hatte ich das Angebot abgelehnt, von einem Shuttle abgeholt zu werden. Zu Beginn der Friedrichstraße entdeckte ich ein weiteres Kunstwerk, das die Gemüter erhitzte: die gusseiserne Skulptur Wilhelmine, die rundlich und obenrum üppig bestückt in einem Brunnen saß und den Betrachter keck anlächelte. Ganz so, als wollte sie sagen: »Na, da guckst du, was?«
Ich guckte in der Tat, doch nicht allzu lange, da der rauhe Wind mir die Mütze vom Kopf riss.
Ein grauer Himmelsteppich lag über der Insel, die Wetteraussichten für die kommenden Tage waren ebenfalls alles andere als vielversprechend.
Doch im Gegensatz zu vielen Urlaubern war ich nicht hierhergekommen, um gleich einen vierstündigen Strandspaziergang zu unternehmen, sondern um durchzuatmen und in mich hineinzuhorchen. Es gab so viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte, egal, wie sehr mir der scharfe Nordwind den Kopf frei pusten würde. Schließlich war das Problem ja auch weniger eine Frage des Verstandes als des Herzens.
»Herzlich willkommen im Hotel Stadt Hamburg«, begrüßte mich eine junge, sympathische Dame an der Rezeption und wollte wissen, ob ich gut hierhergefunden hatte. Ich nahm den Zimmerschlüssel in Empfang, und ein Page half mir mit dem Gepäck.
Obwohl Patrick und ich im Laufe der letzten Jahre häufiger in Luxushotels abgestiegen waren, überfiel mich immer noch ein gewisses Gefühl der Unbehaglichkeit, wenn das Personal seine Dienste anbot. Doch ich wollte den jungen Mann nicht brüskieren, also folgte ich ihm den Flur entlang Richtung Spa-Bereich.
Als ich die Zimmertür im ersten Stock öffnete, glaubte ich für einen Moment, ich sei in einem englischen Cottage. Ob Vorhang, Tapete oder Tischdecke - alles war in einem Blümchenmuster gehalten, und ich hatte das Gefühl, auf eine Blumenwiese zu blicken.
Nachdem ich dem Pagen Trinkgeld gegeben hatte, öffnete ich das Fenster, um die frische, jodhaltige Nordseeluft hereinzulassen und mich zu vergewissern, dass ich wirklich in Westerland war und nicht in Cornwall. Dann packte ich meine Kulturtasche aus und reihte meine Kosmetika vor dem Badezimmerspiegel auf. In diesem Moment klingelte das Telefon.
»Helen, wie lieb, dass du anrufst«, freute ich mich.
»Störe ich?«, fragte meine Freundin.
»Natürlich nicht. Ich bin zwar noch keine fünf Minuten hier, aber ich fühle mich jetzt schon einsam. Blöd, nicht wahr?«
»Nein, nicht blöd, sondern vollkommen verständlich. Genau aus diesem Grund rufe ich ja an. Hast du heute noch was Schönes vor? Und wie ist das Wetter auf der Insel? Hier in Hamburg sieht es gerade aus, als ob jemand einen Eimer graue Farbe über der Stadt ausgekippt hätte.«
»Keine Ahnung, was ich mache. Hier ist es auch nicht besonders, also werde ich vielleicht in die Sauna gehen und danach schwimmen. Oder ich setze mich ins Kaminzimmer, betrinke mich besinnungslos mit edlem Sherry und lese. Und du? Musst du nachher noch ins Gericht?«
Helen war Anwältin für Familienrecht.
»Ja, leider. Aber ich werde mich am Abend dafür belohnen, dass ich mich wieder mit jemandem herumgekloppt habe, der keinerlei Ambitionen hat, Unterhalt zu zahlen. Doro und ich wollen erst ins Kino und danach eine Kleinigkeit essen.«
Ich schmunzelte.
Besagte Kleinigkeit artete erfahrungsgemäß immer in einer kleinen Orgie von zwei bis drei Gängen aus. Auch wenn wir drei uns meistens die Vorspeise und das Dessert teilten. In der Regel kannte unsere Lust an kulinarischen Genüssen aber schon bei frischem Weißbrot mit Olivenöl kaum Grenzen, erst recht nicht, wenn dazu körniges Fleur de Sal gereicht wurde.
»Ihr wisst ja, Essen ist der Sex des Alters«, pflegte Helen lachend zu sagen, während Doro ihr ölig glänzendes Kinn mit der Serviette abtupfte. Doro war Mutter von zwei Kindern und arbeitete halbtags in der Steuerkanzlei ihres Mannes Thomas, die Fürsorge lag ihr im Blut.
»Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß«, antwortete ich mit einem wehmütigen Ziehen in der Herzgegend. Die gemeinsamen Unternehmungen mit meinen langjährigen Freundinnen stellten seit vielen Jahren eine Konstante in meinem Leben dar, die ich sehr schätzte. Wir kannten uns vom Gymnasium und hatten zusammen Abitur gemacht. So unterschiedlich wir auch waren, wir hatten dieselbe wildromantische Vorstellung von dem Leben, das wir führen wollten, erfreuten uns an denselben Dingen und wussten, dass gute Freundschaften äußerst wichtig sind und man sie pflegen muss.
Nachdem ich aufgelegt hatte, saß ich noch eine Weile auf dem Bett und starrte aus dem Fenster. Mittlerweile hatte draußen feiner Nieselregen eingesetzt. Selbst die Möwen zogen es vor, Schutz zu suchen, anstatt beutehungrig ihre Kreise zu ziehen und gegen den Wind anzukämpfen.
Um mich ein wenig inspirieren zu lassen, blätterte ich in einem Sylt-Magazin, das ich am Bahnhof gekauft hatte, mit einer niedlichen Robbe vorne drauf.
Die würde Lilly bestimmt gefallen ...!
Ein wenig melancholisch dachte ich an den Nachmittag, als ich Vincents fünfjährige Tochter Lilly zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war im Kindergarten hingefallen und hatte sich das Knie und die Stirn blutig geschlagen. Vincent war blass geworden, als er den Anruf der Kita-Leiterin erhalten hatte, und war aus der Galerie gestürzt, um Lilly abzuholen. Da er eine Stunde später einen wichtigen Termin bei ArtFuture hatte, nahm er Lilly kurzerhand mit in die Galerie. Ich war sofort dahingeschmolzen, als ich die Kleine sah. Sie hatte ein dickes, pinkfarbenes Pflaster auf der Stirn, und ihre Strumpfhose war aufgerissen. Die dunkelblonden Locken standen wirr nach allen Seiten ab, und ihr Gesichtchen war vor Aufregung gerötet.
»Du brauchst dringend etwas Neues zum Anziehen«, hatte ich zu ihr gesagt und Vincent vorgeschlagen, eine neue Strumpfhose für Lilly zu kaufen. Die Kleine war vollkommen verzückt, als ich eine halbe Stunde später mit einer nagelneuen Packung in ihren Lieblingsfarben Rosa und Lila wiederkam.
Außerdem hatte ich ihr noch einen kleinen Teddy vom Kaufhaus um die Ecke mitgebracht, der sie aufmunterte und sie bald darauf ihren Schrecken vergessen ließ. Von diesem Tag an waren wir Freundinnen, und ich freute mich jedes Mal, wenn sie in die Galerie kam und ich Gelegenheit hatte, mit ihr zu spielen.
Mein Herz wurde schwer, als ich an die Kleine dachte.
Wie gern hätte ich eine Tochter wie sie gehabt!
Weil ich nicht in trübsinnige Gedanken versinken wollte, beschloss ich mich abzulenken. Egal, wie schlecht das Wetter war, ich würde jetzt rausgehen und meine Umgebung erkunden. Als ich das Hotel verließ, schenkte mir der Rezeptionist ein mildes Lächeln und rief mir hinterher:
»Ein Schirm wird Ihnen leider nicht viel nützen!«
Ich bog die Strandstraße in Richtung Meer ab, passierte das Kino schräg gegenüber, Souvenir-Shops, das für seine Torten und Pralinen bekannte Café Wien und Teeläden, während eine Böe mit grimmiger Wut an meinem Knirps zerrte. Nachdem er sich zweimal umgeklappt hatte, gab ich auf, zog mir die Kapuze meiner leuchtend roten Daunenjacke tief ins Gesicht und stapfte entschlossen weiter.
In der Kabine zum Strandübergang saß ein älterer Herr und winkte ab, als ich ihm meine Kurkarte zeigen wollte. Wenn es nach ihm ginge, säße er heute wahrscheinlich gar nicht hier.
Magisch angezogen vom Anblick des Meeres, ignorierte ich den Musikpavillon in Form einer Muschel an der Strandpromenade, die bei schönem Wetter zahllose Besucher anlockte.
Mein Ziel war das graugurgelnde Wasser, dessen Wellen sich am Strand brachen und kleine Schaumkronen hinterließen.
Ich nutzte den Rückenwind und ging am Hotel Miramar vorbei nach links, um möglichst ungestört zu sein.
Getreu dem Motto: »Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung«, gingen erstaunlich viele am Strand spazieren.
Ich setzte meinen Weg fort, bis ich an einer Reihe verwitterter Buhnen vorbeikam. Traurig ragten die dunklen Holzköpfe aus dem Wasser und trotzten tapfer dem Wetter. Ein typisches, immer wieder beeindruckendes Motiv, das zahlreiche Postkarten und Kalender schmückte. Wie sehr hatte ich diese Aufnahmen immer gemocht, die den Wunsch in mir erweckt hatten, endlich auf die Nordseeinsel zu fahren!
Ein Stück weiter tauchte ein Bollerwagen auf, gezogen von einem kleinen, etwa siebenjährigen Mädchen, das an der Hand seiner Mutter ging und fröhlich plapperte.
Im Wagen saß eine Armada von Stofftieren.
Ich schaute den beiden wehmütig hinterher, aber ich wollte mich von diesem entzückenden Anblick nicht aus der Fassung bringen lassen.
Genug vergebens gehofft.
Genug getrauert!
»Mit Ihrer roten Jacke sind Sie bei dem heutigen Mistwetter eine absolute Augenweide«, hörte ich auf einmal jemanden sagen und glaubte zunächst, mich getäuscht zu haben. Als ich den Kopf hob, um zu sehen, ob ich tatsächlich gemeint war, blickte ich in die warmen, dunklen Augen eines älteren Herrn, der über das ganze Gesicht strahlte. »Die meisten hier tragen Dunkelblau, Dunkelgrau oder Schwarz. Gott sei Dank machen Sie diesen Tag ein wenig bunter.«
»Ich fühle mich immer besser, wenn ich etwas Farbenfrohes anhabe «, erwiderte ich in Erinnerung an meine frühere Vorliebe für eine Skala zwischen Grau und Schwarz. »Sie selbst leuchten aber auch!«
Der Fremde trug zwar einen dunkelblauen Wollmantel, aber kombiniert mit einem buntgemusterten Schal.
»Den hat mir eine liebe Freundin geschenkt, und ich halte ihn in Ehren. An einem solchen Tag wärmt er nicht nur meinen alten, steifen Nacken, sondern auch meine Seele.«
Dies war einer der Momente, an denen man sich entscheiden musste: Gehen oder bleiben. Entweder freute ich mich über einen zauberhaften Augenblick und ging danach meiner Wege, oder ich ließ mich treiben, um einer zufälligen Begegnung die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten.
»Ist Ihnen zufällig trotz des Schals kalt? Haben Sie Lust auf eine Tasse heiße Schokolade?« Ich wusste, dass Leysieffer eine Filiale in der Friedrichstraße hatte, und mir lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen bei dem bloßen Gedanken an das tröstlich süße Getränk. In dieser sympathischen Gesellschaft würde er bestimmt doppelt so gut schmecken.
© 2013 Knaur Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Gabriella Engelmann
Die gebürtige Münchnerin entdeckte in Hamburg ihre Freude am Schreiben und fühlt sich im Norden pudelwohl. Nach Tätigkeiten als Buchhändlerin und Verlagsleiterin geniesst sie die Freiheit des Daseins als Autorin von Romanen, Kinder- und Jugendbüchern. Seit sie zum ersten Mal an der Nordsee war, träumt sie von einem eigenen Häuschen am Deich, mit einem Garten voller Wildrosen und knorrigen Apfelbäumen.Mehr zur Autorin:Instagram: gabriellaengelmannFacebook: www.facebook.com/AutorinGabriellaEngelmann
Bibliographische Angaben
- Autor: Gabriella Engelmann
- 2013, 13. Aufl., 432 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426511452
- ISBN-13: 9783426511459
- Erscheinungsdatum: 02.05.2013
Rezension zu „Inselsommer / Büchernest Bd.2 “
"Gabriella Engelmanns Roman ist wunderbar angereichert mit abwechslungsreichen Charakteren, die fest im Leben stehen und mir während der Lektüre schnell ans Herz gewachsen sind. Sie spiegeln im wahrsten Sinne des Wortes wider was die Nordsee bedeutet: Leichtigkeit (Leevke), stürmische Böen (Frederick) und ganz viel Sonne im Herzen (Felicitas). Eine sehr zu empfehlende (Urlaubs)Lektüre. Nicht nur für diejenigen, die ihr Herz bereits an die Nordsee verloren haben!" Herzgedanke (Blog) 20140528
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