Insel der glühenden Sonne
Roman
Abenteuer, Entbehrung und leidenschaftliche Liebe:
Angus und Sean werden im 19. Jahrhundert als Sträflinge nach Tasmanien verbannt.
Angus und Sean werden im 19. Jahrhundert als Sträflinge nach Tasmanien verbannt.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Insel der glühenden Sonne “
Abenteuer, Entbehrung und leidenschaftliche Liebe:
Angus und Sean werden im 19. Jahrhundert als Sträflinge nach Tasmanien verbannt.
Angus und Sean werden im 19. Jahrhundert als Sträflinge nach Tasmanien verbannt.
Klappentext zu „Insel der glühenden Sonne “
Tasmanien im 19. Jahrhundert. Die Insel vor der Südküste Australiens ist für Sträflinge aus Europa der Inbegriff des Schreckens. Nicht selten werden sie wegen geringer Vergehen in Strafl ager verbannt, die nur die wenigsten überleben ...Mehr Glück haben Sean und Angus, die als Zwangsarbeiter auf der Farm von Barnaby Warboy landen. Dort finden sie halbwegs menschliche Bedingungen vor - sie sollen dem reichen Plantagenbesitzer einen englischen Garten anlegen - und schöpfen Hoffnung, eines Tages wieder freie Männer zu sein. Doch dann wird Warboys Enkelin schwanger und weigert sich, den Namen des Vaters preiszugeben ...
Lese-Probe zu „Insel der glühenden Sonne “
Insel der glühenden Sonne von Patricia Shaw 1. KapitelDer Richter runzelte die Stirn, sah sich im überfüllten Saal um und blätterte in dem schweren Protokollbuch, das vor ihm lag.
Carlendon war ein kleines geschäftiges Dorf am Stadtrand von London, in dem sich die Leute meist nicht für Strafprozesse interessierten. Heute jedoch wollten alle das Urteil über Lester Harris hören, da nicht nur eine, sondern gleich drei bedeutende Familien der Gegend in den Fall verwickelt waren. Und wie es das Schicksal wollte, war Harris durch Heirat mit den Mudlows, der Familie des Richters, verwandt. Der Angeklagte war ein gut gebauter, gut genährter Bursche mit glatter Haut und ebenmäßigen Zügen, der viel Erfolg bei den Frauen hatte. Lester Harris wurde oft als attraktiv bezeichnet, doch Richter Jonathan Mudlow meinte, gewisse Makel in seinem Gesicht zu entdecken. Er hatte Lesters Augen immer bösartig gefunden – blasse, berechnende Augen, die unter schweren Lidern hervorblickten. Daher wunderte es ihn sehr, dass seine Cousine Josetta, eine reizende junge Frau und gewöhnlich nicht gerade töricht, eine Heirat mit Lester auch nur in Betracht gezogen hatte. Er hatte mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten, worauf seine Tante Ophelia ihn einen eifersüchtigen Griesgram schalt, da ihre Tochter immerhin den begehrtesten Junggesellen der gesamten Grafschaft ehelichen sollte.
... mehr
Und so hatten Josetta und Lester geheiratet. Sie wurden Besitzer von Glencallan, einer schönen Farm, die Lesters Großvater ihm hinterlassen hatte, und bald auch stolze Eltern einer prächtigen Tochter namens Louise May. Jonathan war bei der Taufe zugegen gewesen. Josetta wirkte geschwächt, was nach den Strapazen der Geburt nur verständlich war, doch man tuschelte, Lester misshandle sie. Entsetzt fragte Jonathan seine Tante danach, die die Frage einfach abtat. »Unsinn! Wo hörst du nur solche Geschichten? Sicher, Lester ist temperamentvoll, doch würde er nie Hand an Josie legen. Niemals! Und sie hat jetzt sogar eine Dienstmagd. Wie viele Frauen können das schon von sich behaupten? In unserer Familie jedenfalls keine.« Jonathan studierte die Akte, hüstelte, klopfte auf den Tisch und wandte sich an den Gefangenen. »Man hat Sie des besonders brutalen und grundlosen tätlichen Angriffs auf einen Herrn in Tateinheit mit Körperverletzung für schuldig befunden. Das Opfer ist heute taub und kann den rechten Arm nicht mehr gebrauchen.« Bei sich dachte er: Und wir wissen überdies, dass ein Zeuge behauptet, es habe bereits mehrere Angriffe gegeben, die nie vor Gericht verhandelt wurden. Er sah, wie Lester höhnisch grinste und die Augenbrauen hochzog. Selbst jetzt schien die Familie Harris noch zu glauben, sie stünde über dem Gesetz und könne diese Angelegenheit mit Geld aus der Welt schaffen. Sie hatten ihm unverblümt erklärt, dass sie von ihm erwarteten, seinen Cousin mit einer Geldbuße davonkommen zu lassen. Was Jonathan in seiner Urteilsfindung nur bestärkt hatte. Immerhin war das Opfer Matthew Powell-Londy, Besitzer einer Sägemühle, und die Verletzungen, die er davongetragen hatte, würden ihn bei der Ausübung seiner Geschäfte stark behindern. Zudem arbeitete sein Bruder als Juraprofessor in Cambridge und hatte dem Vater, James Powell-Londy, einem ebenso mächtigen wie verbitterten Mann, geraten, die Todesstrafe zu fordern. Beide saßen nun im Saal und funkelten den Richter an.
Andererseits musste Jonathan an Josie denken. Sie hatte vor seiner Tür um Gnade gefleht, worauf er versucht hatte, sie wegzuschicken: »Ich kann dir nicht länger zuhören. Das Verbrechen wurde vor Gericht verhandelt, es ist vorbei.« »Aber er hat es nicht mit Absicht getan«, beharrte sie. »Es war nur ein Temperamentsausbruch. Er wurde nämlich sehr wohl provoziert. Das Holz, das er bestellt hatte, wurde zu teuer berechnet, und wir können uns ohnehin wenig leisten, wo wir gerade die neuen Ställe bauen.« Jonathan hatte den Kopf geschüttelt. »Komm, Josie, erzähl keine Märchen, eure Farm läuft gut.«
»O Gott, sieh mich nicht so an. Lester bedauert seine Tat wirklich …«
»Ach ja? Ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Doch. Du musst ihn freilassen. Er wird es nie wieder tun!«
»Josie, du verstehst mich immer noch nicht. Es gibt zweihundert verschiedene Vergehen, für die man die Todesstrafe verhängen kann, und es sind weit harmlosere darunter.«
»Was?« Sie war entsetzt zurückgewichen. »Das kannst du doch nicht wirklich wollen! Die Todesstrafe, bist du von Sinnen? Unsere Tochter ist erst zwölf, du würdest doch nicht …« Sie konnte nicht weitersprechen und stürzte in die Nacht hinaus; ihr Klagen verhallte in der dunklen Straße.
Als Nächstes hämmerte der alte Harris an seine Tür, doch Jonathan öffnete nicht. Er hielt eine Gefängnisstrafe in Newgate für die angemessene Lösung. Zehn Jahre Haft statt des Galgens. Die vergangene Nacht hatte an seinen Nerven gezehrt. Er träumte von Tumulten im Dorf, von Plünderung und Brandschatzung und sah sich selbst im hellen Sonnenschein unter dem Galgen stehen, während Kinder zu seinen Füßen spielten und die bunt geschmückte Schlinge vor seinen Augen baumelte.
Jonathan war noch erschöpft von den schlimmen Träumen und der bedrückenden Erkenntnis, dass ihm jede Entscheidung Zorn und Entrüstung einbringen würde. Dann wurde ihm klar, dass Newgate eigentlich viel zu nah war.
Er malte sich die Zukunft aus und sah Mitglieder des Harris- Clans und ihre Freunde, die nach Besuchen in dem üblen Zuchthaus wieder und wieder ihre Wut an Lesters Richter ausließen. Jonathan wollte nicht am Pranger enden, so Leid es ihm auch tat, dass ausgerechnet er Josettas Mann verurteilen musste.
Er griff nach seinem Hammer und rief den Saal zur Ordnung, bevor er das Urteil verkündete: »Lester Harris, hiermit verurteile ich Sie für dieses Verbrechen zu zehn Jahren Haft, die Sie in der Strafkolonie Van Diemen’s Land verbüßen werden. Sie werden umgehend ins Newgate-Gefängnis gebracht und so bald wie möglich in die Kolonie verbracht.«
Harris wurde davongezerrt, während er wüste Beschimpfungen ausstieß, doch seine Stimme erstarb in dem Geschrei, das durch den Saal hallte. Jonathan hatte noch weitere Fälle zu verhandeln, vertagte sich aber und suchte Zuflucht im Büro des Urkundsbeamten, bis sich die Menge zerstreut hatte. Dann war es vorbei, er verspürte Erleichterung. Bis auf Josetta und ihre Tochter würden die Menschen Lester Harris bald vergessen. Und wenn sie halbwegs vernünftig war, würde sie sich scheiden lassen. An diesem Abend kam Josettas Schwiegervater Marvin Harris zu Besuch. Er tobte vor Zorn über das Urteil.
»Josie, ich bin ein praktisch veranlagter Mann, also reden wir offen darüber. Ich weiß, Glencallan gehört meinem Sohn, er hat es von seinem Großvater geerbt, aber du kannst die Farm nicht ohne Lester führen. Er wird nicht zurückkommen, daher müssen wir gemeinsam versuchen, sie zu halten.«
Sie saß am Küchentisch, betäubt vom Weinen, und konnte an nichts anderes denken als an die brutale Strafe, die ihr eigener Cousin über Lester verhängt hatte. Entsetzt hatte sie zugesehen, wie man ihren Mann wegschleppte. Sie konnte das ganze Ausmaß der Strafe noch gar nicht erfassen … ihr Mann, ihr Geliebter, würde zehn Jahre von ihr getrennt sein. Das war nicht möglich. Es war, als würde man sagen, es werde zehn Jahre lang Nacht bleiben oder der Mond nie wieder am Himmel erscheinen. Sie ließ Marvin weiterreden. Sie hatte nie viel Wert auf Lesters Familie gelegt und konnte nur an die Qualen denken, die er jahrelang in einem finsteren Gefängnis würde erdulden müssen. Als Marvin schließlich überzeugt war, dass Josetta seine Pläne verstanden hatte, begleitete er sie nach London, wo sie Lester im Gefängnis besuchen wollte.
Newgate war der entsetzlichste und schmutzigste Ort, den Josetta je erlebt hatte, und obwohl sie es nicht aussprach, war sie froh, dass ihr Mann nicht mehr lange dort gefangen sein würde. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass Jonathans Urteil auch Vorteile bergen könnte. Auf Marvins Rat hin verbarg sie ihr Gesicht unter der Kapuze, als sie durch die stinkenden, steinernen Flure gingen. »Sieh nicht hin, Josie, das ist nichts für dich. Die üblen Kerle sollen dir nicht ins Gesicht grinsen.«
Er bezahlte einen Wärter, der Lester in eine leere Zelle führte, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Sein Anblick schockierte sie. »Wird Zeit, dass ihr kommt«, brüllte Lester. »Ihr wollt mich hier wohl verfaulen lassen, was? Habt ihr was zu essen dabei?«
Josetta war einer Ohnmacht nahe, und Marvin schnappte sich ihren Korb. »Hier, mein Sohn, jede Menge, Wurst, ein Schinken, Brot, Pasteten von deiner Mutter …« Er verstummte, als Lester darüber herfiel und sich das Essen gierig in den Mund stopfte. »Habt ihr mir Geld mitgebracht?«, fragte er kauend. »Hier braucht man Geld, wenn man Essen, saubere Kleidung oder frisches Wasser haben will. Sie haben mir alles weggenommen, was ich bei mir hatte, kein einziger Fetzen am Leib, der mir gehört. So kann ich nicht leben.« Er packte seinen Vater am Revers. »Ihr müsst mich hier rausholen. Tut was! Zahlt, was immer sie verlangen. Verkauft notfalls die Farm.« Etwas anderes kam für Lester nicht in Betracht. Er fieberte seiner Freilassung entgegen und verlangte, sein Vater solle sich umgehend darum kümmern. Mit Josetta sprach er kaum und drängte sie nur, Marvin ebenfalls anzutreiben. Schließlich brach er in Tränen aus. »Ich flehe euch an, holt mich hier raus, bevor es zu spät ist. Es heißt, das Transportschiff kann jeden Tag aufbrechen.« Marvin mietete zwei Zimmer in einem nahe gelegenen Gasthaus, bemühte sich bei den Behörden vergeblich um Gnade für seinen Sohn, suchte täglich das Gefängnis mit einem Korb voller Nahrungsmittel und Wein auf. Er und Josetta saßen gleichmütig da, während Lester sie mit Beschimpfungen überhäufte. Als dieser endlich begriff, dass es kein Zurück gab, brachte Marvin die Farm zur Sprache. »Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, mein Sohn, aber wir müssen auch an uns denken. Du wirst eines Tages wiederkommen, aber bis dahin …« Lester saß mit hängendem Kopf auf der Bank und bewegte sich nur, um sich ein Stück Brot und den Apfel zu nehmen, den Josetta für ihn geschält hatte. Er schien nicht zuzuhören, doch Marvin drängte weiter. »Ich habe mir Folgendes überlegt. Da Josetta Glencallan nicht ohne dich führen kann, könnten wir sie mit meiner Farm zusammenlegen und einen einzigen großen Besitz daraus machen. So wäre das Land für dich sicher. Wenn du es so lässt, wie es ist, könnte Josetta womöglich einen anderen Mann ins Haus holen, ihn sogar heiraten!«
»Nein! Wie kannst du so etwas sagen, Pa Harris! Ich liebe Lester, ich würde niemals …« Sie brach in Tränen aus. Lester beachtete sie gar nicht. »Eine einzige große Farm?«, knurrte er. »Eine einzige große Farm?«
»Ja. Ich habe die Papiere dabei.« Marvin griff in seine Westentasche. »Wenn du mir Glencallan überschreibst, musst du dir nie mehr Sorgen darum machen.« © Droemer Knaur Verlag
Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg
Andererseits musste Jonathan an Josie denken. Sie hatte vor seiner Tür um Gnade gefleht, worauf er versucht hatte, sie wegzuschicken: »Ich kann dir nicht länger zuhören. Das Verbrechen wurde vor Gericht verhandelt, es ist vorbei.« »Aber er hat es nicht mit Absicht getan«, beharrte sie. »Es war nur ein Temperamentsausbruch. Er wurde nämlich sehr wohl provoziert. Das Holz, das er bestellt hatte, wurde zu teuer berechnet, und wir können uns ohnehin wenig leisten, wo wir gerade die neuen Ställe bauen.« Jonathan hatte den Kopf geschüttelt. »Komm, Josie, erzähl keine Märchen, eure Farm läuft gut.«
»O Gott, sieh mich nicht so an. Lester bedauert seine Tat wirklich …«
»Ach ja? Ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Doch. Du musst ihn freilassen. Er wird es nie wieder tun!«
»Josie, du verstehst mich immer noch nicht. Es gibt zweihundert verschiedene Vergehen, für die man die Todesstrafe verhängen kann, und es sind weit harmlosere darunter.«
»Was?« Sie war entsetzt zurückgewichen. »Das kannst du doch nicht wirklich wollen! Die Todesstrafe, bist du von Sinnen? Unsere Tochter ist erst zwölf, du würdest doch nicht …« Sie konnte nicht weitersprechen und stürzte in die Nacht hinaus; ihr Klagen verhallte in der dunklen Straße.
Als Nächstes hämmerte der alte Harris an seine Tür, doch Jonathan öffnete nicht. Er hielt eine Gefängnisstrafe in Newgate für die angemessene Lösung. Zehn Jahre Haft statt des Galgens. Die vergangene Nacht hatte an seinen Nerven gezehrt. Er träumte von Tumulten im Dorf, von Plünderung und Brandschatzung und sah sich selbst im hellen Sonnenschein unter dem Galgen stehen, während Kinder zu seinen Füßen spielten und die bunt geschmückte Schlinge vor seinen Augen baumelte.
Jonathan war noch erschöpft von den schlimmen Träumen und der bedrückenden Erkenntnis, dass ihm jede Entscheidung Zorn und Entrüstung einbringen würde. Dann wurde ihm klar, dass Newgate eigentlich viel zu nah war.
Er malte sich die Zukunft aus und sah Mitglieder des Harris- Clans und ihre Freunde, die nach Besuchen in dem üblen Zuchthaus wieder und wieder ihre Wut an Lesters Richter ausließen. Jonathan wollte nicht am Pranger enden, so Leid es ihm auch tat, dass ausgerechnet er Josettas Mann verurteilen musste.
Er griff nach seinem Hammer und rief den Saal zur Ordnung, bevor er das Urteil verkündete: »Lester Harris, hiermit verurteile ich Sie für dieses Verbrechen zu zehn Jahren Haft, die Sie in der Strafkolonie Van Diemen’s Land verbüßen werden. Sie werden umgehend ins Newgate-Gefängnis gebracht und so bald wie möglich in die Kolonie verbracht.«
Harris wurde davongezerrt, während er wüste Beschimpfungen ausstieß, doch seine Stimme erstarb in dem Geschrei, das durch den Saal hallte. Jonathan hatte noch weitere Fälle zu verhandeln, vertagte sich aber und suchte Zuflucht im Büro des Urkundsbeamten, bis sich die Menge zerstreut hatte. Dann war es vorbei, er verspürte Erleichterung. Bis auf Josetta und ihre Tochter würden die Menschen Lester Harris bald vergessen. Und wenn sie halbwegs vernünftig war, würde sie sich scheiden lassen. An diesem Abend kam Josettas Schwiegervater Marvin Harris zu Besuch. Er tobte vor Zorn über das Urteil.
»Josie, ich bin ein praktisch veranlagter Mann, also reden wir offen darüber. Ich weiß, Glencallan gehört meinem Sohn, er hat es von seinem Großvater geerbt, aber du kannst die Farm nicht ohne Lester führen. Er wird nicht zurückkommen, daher müssen wir gemeinsam versuchen, sie zu halten.«
Sie saß am Küchentisch, betäubt vom Weinen, und konnte an nichts anderes denken als an die brutale Strafe, die ihr eigener Cousin über Lester verhängt hatte. Entsetzt hatte sie zugesehen, wie man ihren Mann wegschleppte. Sie konnte das ganze Ausmaß der Strafe noch gar nicht erfassen … ihr Mann, ihr Geliebter, würde zehn Jahre von ihr getrennt sein. Das war nicht möglich. Es war, als würde man sagen, es werde zehn Jahre lang Nacht bleiben oder der Mond nie wieder am Himmel erscheinen. Sie ließ Marvin weiterreden. Sie hatte nie viel Wert auf Lesters Familie gelegt und konnte nur an die Qualen denken, die er jahrelang in einem finsteren Gefängnis würde erdulden müssen. Als Marvin schließlich überzeugt war, dass Josetta seine Pläne verstanden hatte, begleitete er sie nach London, wo sie Lester im Gefängnis besuchen wollte.
Newgate war der entsetzlichste und schmutzigste Ort, den Josetta je erlebt hatte, und obwohl sie es nicht aussprach, war sie froh, dass ihr Mann nicht mehr lange dort gefangen sein würde. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass Jonathans Urteil auch Vorteile bergen könnte. Auf Marvins Rat hin verbarg sie ihr Gesicht unter der Kapuze, als sie durch die stinkenden, steinernen Flure gingen. »Sieh nicht hin, Josie, das ist nichts für dich. Die üblen Kerle sollen dir nicht ins Gesicht grinsen.«
Er bezahlte einen Wärter, der Lester in eine leere Zelle führte, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Sein Anblick schockierte sie. »Wird Zeit, dass ihr kommt«, brüllte Lester. »Ihr wollt mich hier wohl verfaulen lassen, was? Habt ihr was zu essen dabei?«
Josetta war einer Ohnmacht nahe, und Marvin schnappte sich ihren Korb. »Hier, mein Sohn, jede Menge, Wurst, ein Schinken, Brot, Pasteten von deiner Mutter …« Er verstummte, als Lester darüber herfiel und sich das Essen gierig in den Mund stopfte. »Habt ihr mir Geld mitgebracht?«, fragte er kauend. »Hier braucht man Geld, wenn man Essen, saubere Kleidung oder frisches Wasser haben will. Sie haben mir alles weggenommen, was ich bei mir hatte, kein einziger Fetzen am Leib, der mir gehört. So kann ich nicht leben.« Er packte seinen Vater am Revers. »Ihr müsst mich hier rausholen. Tut was! Zahlt, was immer sie verlangen. Verkauft notfalls die Farm.« Etwas anderes kam für Lester nicht in Betracht. Er fieberte seiner Freilassung entgegen und verlangte, sein Vater solle sich umgehend darum kümmern. Mit Josetta sprach er kaum und drängte sie nur, Marvin ebenfalls anzutreiben. Schließlich brach er in Tränen aus. »Ich flehe euch an, holt mich hier raus, bevor es zu spät ist. Es heißt, das Transportschiff kann jeden Tag aufbrechen.« Marvin mietete zwei Zimmer in einem nahe gelegenen Gasthaus, bemühte sich bei den Behörden vergeblich um Gnade für seinen Sohn, suchte täglich das Gefängnis mit einem Korb voller Nahrungsmittel und Wein auf. Er und Josetta saßen gleichmütig da, während Lester sie mit Beschimpfungen überhäufte. Als dieser endlich begriff, dass es kein Zurück gab, brachte Marvin die Farm zur Sprache. »Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, mein Sohn, aber wir müssen auch an uns denken. Du wirst eines Tages wiederkommen, aber bis dahin …« Lester saß mit hängendem Kopf auf der Bank und bewegte sich nur, um sich ein Stück Brot und den Apfel zu nehmen, den Josetta für ihn geschält hatte. Er schien nicht zuzuhören, doch Marvin drängte weiter. »Ich habe mir Folgendes überlegt. Da Josetta Glencallan nicht ohne dich führen kann, könnten wir sie mit meiner Farm zusammenlegen und einen einzigen großen Besitz daraus machen. So wäre das Land für dich sicher. Wenn du es so lässt, wie es ist, könnte Josetta womöglich einen anderen Mann ins Haus holen, ihn sogar heiraten!«
»Nein! Wie kannst du so etwas sagen, Pa Harris! Ich liebe Lester, ich würde niemals …« Sie brach in Tränen aus. Lester beachtete sie gar nicht. »Eine einzige große Farm?«, knurrte er. »Eine einzige große Farm?«
»Ja. Ich habe die Papiere dabei.« Marvin griff in seine Westentasche. »Wenn du mir Glencallan überschreibst, musst du dir nie mehr Sorgen darum machen.« © Droemer Knaur Verlag
Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg
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Autoren-Porträt von Patricia Shaw
Shaw, PatriciaPatricia Shaw wurde 1929 in Melbourne geboren und lebt heute in Queensland an der Goldküste Australiens. Über viele Jahre leitete sie das Archiv für "Oral History" in Queensland und schrieb zwei Sachbücher über die Erschliessung Australiens. Erst mit 52 Jahren entschied sie sich ganz für das freie Schriftstellerleben und hat seither 19 Romane veröffentlicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Patricia Shaw
- 2008, 4. Aufl., 637 Seiten, 2 Abbildungen, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Susanne Goga-Klinkenberg
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426636476
- ISBN-13: 9783426636473
- Erscheinungsdatum: 29.10.2008
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