In Frühlingsnächten

»In Frühlingsnächten« ist eines der bezauberndsten Bücher, die ich je gelesen habe. Wie ein Lufthauch in seiner besten Form, es berührt, es überrascht, es verschwindet rasch, bevor man sich seiner gewahr wird. Und wenn es wieder weg ist, spürt man, wie wohltuend es war.

Allen Liles ist eine junge, unerfahrene Lehrerin, die eine neue Stelle an einem College antritt und doch eigentlich viel lieber als Schriftstellerin in New York leben möchte. Doch die Studenten wachsen ihr ans Herz – einer, Toby, ganz besonders – und so lässt sie sich für ein Jahr auf dieses Leben ein. In eben jenem Schuljahr darf der Leser Allen begleiten.

Dafür reist er ins beschauliche US-amerikanische Missouri zu Beginn der 1940er Jahre. Mit Allen lebt er an der Schule, er lernt die Lehrer und Lehrerinnen kennen und mögen, den Direktor und Allens Mutter. Dabei hat Jetta Carleton ein grosses Talent, ihre Figuren prägnant, aber auf nicht weniger subtile Weise zu beschreiben, so zum Beispiel Mae Dell »Die mollig kleine Mae Dell Willette, die Kunsterziehung unterrichtete, war in ihrer Jugend blond und hübsch gewesen, und ihr Auftreten war noch immer so, doch ihr grossäugiger Liebreiz war jetzt, da ihre Schönheit verblich, ein wenig schwermütig geworden.« (S. 59).

Alles plätschert so dahin, doch der Klang des Plätscherns macht süchtig. Es ist bereits eine ganze Weile her, dass ich ständig an ein Buch denken musste, das ich gerade las, immer in Sehnsucht, wieder einzutauchen und zu träumen. Und jedes Mal, wenn ich endlich wieder zum Buch greifen konnte, bekam ich sofort gute Laune. Es war wie, wenn man einen guten Freund wiedertrifft.

Und dann geschieht genau das, was zwangsläufig passieren muss: Das Buch ist zu Ende und man ist unsagbar traurig.

Jetta Carleton (1913-1999) hatte zu ihren Lebzeiten nur ein Buch veröffentlicht: »Wenn die Mondblumen blühen«. Dieses Buch wurde Anfang der 60er Jahre ein Riesen-Erfolg. Im Zuge einer Wiederveröffentlichung im Jahre 2009 (erneut sehr erfolgreich) tauchte plötzlich im Nachlass von Carleton ein Skript auf, das die Autorin einer späten Freundin vererbt hatte. Und so kam das traumhaft schöne »In Frühlingsnächten« in die Läden und glücklicherweise zu mir. Carletons anderes Buch ist nun natürlich ein Muss für mich. Wenn es nur annähernd so bezaubernd ist wie »In Frühlingsnächten«, werde ich auch dieses verschlingen.